Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungslast (Beweislast). Bestehen. Versicherungs- und Beitragspflicht. Einzugsstelle. Verwaltungsakt. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
Orientierungssatz
1. Die Feststellungslast ("Beweislast") für das Bestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht hat derjenige, der sich auf ihr Bestehen beruft. Dieses ist, wenn die Einzugsstelle Versicherungs- und Beitragspflicht geltend macht, die Einzugsstelle (vgl BSG vom 29.4.1976 - 12/3 RK 66/75 = SozR 2200 § 1399 Nr 4 und BSG vom 17.12.1985 - 12 RK 30/83 = SozR 2200 § 1399 Nr 16). Macht dagegen jemand gegenüber der Entscheidung der Einzugsstelle, es habe Versicherungs- und Beitragspflicht nicht bestanden, geltend, dieses sei der Fall gewesen, so trifft die Feststellungslast ihn (vgl BSG vom 7.12.1989 - 12 RK 7/88.
2. Die Verneinung der Versicherungs- und Beitragspflicht durch die Einzugsstelle, stellt einen feststellenden Verwaltungsakt dar.
3. Mit Verfahrensmängeln iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG sind nur Mängel des gerichtlichen Verfahrens gemeint. Um solche handelt es sich nicht, soweit geltend gemacht wird, der Bescheid sei zu unbestimmt und die Anhörung vor seinem Erlaß nicht ausreichend gewesen.
Normenkette
RVO § 1399 Abs 3 Fassung: 1957-02-23; AFG § 182 Abs 1; SGB 4 § 28h Abs 2 Fassung: 1988-12-20; SGB 10 § 31; SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 160a Abs 2 S 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 19.01.1990; Aktenzeichen L 4 Kr 448/88) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Klägerin macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Eine solche mißt der Senat der Rechtssache nicht bei. Es bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, sondern ist eindeutig, daß die Befugnis der Einzugsstelle, über die Versicherungspflicht und die Beitragspflicht zu entscheiden (§ 1399 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung -RVO-, § 182 des Arbeitsförderungsgesetzes -AFG-, heute § 28 h Abs 2 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV), auch das Recht umfaßt, Versicherungs- und Beitragspflicht zu verneinen. Eine solche Entscheidung, die einen feststellenden Verwaltungsakt bildet, hat die Beklagte als Einzugsstelle inhaltlich hier getroffen, indem sie die erfolgte "Anmeldung storniert" hat. Die Feststellungslast ("Beweislast") für das Bestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht hat derjenige, der sich auf ihr Bestehen beruft. Dieses ist, wenn die Einzugsstelle Versicherungs- und Beitragspflicht geltend macht, die Einzugsstelle (vgl insbesondere die Urteile des Senats vom 29. April 1976 BSGE 41, 297 = SozR 2200 § 1399 Nr 4 und vom 17. Dezember 1985 BSGE 59, 235 = SozR 2200 § 1399 Nr 16). Macht dagegen wie hier jemand gegenüber der Entscheidung der Einzugsstelle, es habe Versicherungs- und Beitragspflicht nicht bestanden, geltend, dieses sei der Fall gewesen, so trifft die Feststellungslast ihn (vgl neuerdings das Urteil des Senats vom 7. Dezember 1989 - 12 RK 7/88 - zur Veröffentlichung bestimmt). Die dargelegte Verteilung der Feststellungslast, mit der das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) im vorliegenden Verfahren in Einklang steht, braucht nicht mehr in einem Revisionsverfahren behandelt zu werden. Von dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. Oktober 1957 (BSGE 6, 70, 72), das im übrigen keinen Streit um die Versicherungs- und Beitragspflicht betrifft, ist das LSG entgegen dem Vorbringen der Klägerin in der Beschwerdebegründung vom 30. März 1990 nicht abgewichen, sondern ist ihm gefolgt. Die Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geht unter diesen Umständen fehl. Im übrigen trägt die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 31. Mai 1990 vor, die Ausführungen zur Feststellungs- und Beweislast seien in dem genannten Urteil des BSG nicht tragend gewesen. Träfe das zu, läge eine Divergenz auch aus diesem Grunde nicht vor.
Auch mit der Rüge eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) dringt die Klägerin nicht durch. Konkret der Vorschrift nach bezeichnet hat die Klägerin innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist von den Vorschriften über das gerichtliche Verfahren, die verletzt sein sollen, lediglich § 75 Abs 2 SGG, indem sie die notwendige Beiladung ihres Bruders beanstandet. Seine Beiladung als des in Betracht kommenden Arbeitgebers der Klägerin war jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erforderlich. Daran ändert nichts, daß im konkreten Fall das Bestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht letztlich verneint worden ist. Soweit die Klägerin im übrigen geltend macht, das LSG habe nicht alle entscheidungserheblichen Umstände berücksichtigt und abgewogen, sondern Teile des Verfahrensergebnisses übergangen, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Beschwerde auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nicht gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Davon abgesehen sind mit den Verfahrensmängeln des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur Mängel des gerichtlichen Verfahrens gemeint. Um solche handelt es sich nicht, soweit die Klägerin geltend macht, der Bescheid sei zu unbestimmt und die Anhörung vor seinem Erlaß nicht ausreichend gewesen; vielmehr handelt es sich insofern um angebliche Mängel des Verwaltungsverfahrens, die von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht erfaßt werden. Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 31. Mai 1990 (und damit nach Ablauf der Begründungsfrist) noch geltend macht, das rechtliche Gehör sei verletzt, greift die Rüge, selbst wenn sie zulässig sein sollte, nicht durch. Wenn im angefochtenen Urteil Ausführungen zur Bestimmtheit des Bescheids und zur Anhörung der Klägerin im Verwaltungsverfahren fehlen, so läßt das hier nicht den Schluß zu, das LSG habe das entsprechende Vorbringen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen. Welche Vorschrift des gerichtlichen Verfahrens verletzt sein soll, soweit die Klägerin auf die Behandlung des Feststellungsbegehrens durch das LSG eingeht, ist für den Senat nicht erkennbar. Wenn die Klägerin meint, das LSG habe einen ihrer Anträge übergangen und ihn nicht mit abgewiesen, so hätte sie einen Antrag auf Ergänzung des Urteils stellen müssen.
Die Beschwerde war hiernach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen