Verfahrensgang
SG Detmold (Entscheidung vom 18.07.2019; Aktenzeichen S 6 R 485/17) |
LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 17.03.2021; Aktenzeichen L 14 R 653/19) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. März 2021 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Mit Beschluss vom 17.3.2021 hat das LSG Nordrhein-Westfalen einen Anspruch der Klägerin auf Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über Februar 2017 hinaus verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20.5.2021 begründet. Zudem hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten beantragt.
II
1. Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von PKH zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 17.3.2021 ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG ua nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die von der Klägerin eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG nicht erfolgreich sein kann. Die Klägerin hat PKH für eine von einer beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten bereits eingelegte und bis zum Ablauf der Begründungsfrist am 25.5.2021 bereits begründete Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt. Die Revision wäre daher nur zuzulassen, wenn mit dieser Beschwerde einer der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG genannten Zulassungsgründe in der gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG vorgeschriebenen Form dargelegt wäre. Solche Erfolgsaussicht besteht hier nicht, weil die Beschwerde unzulässig ist (dazu unter 2.).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die unabhängig vom Antrag auf Bewilligung von PKH eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
In der Beschwerdebegründung rügt die Klägerin ausschließlich Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.
Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 30.10.2018 - B 13 R 59/18 B - juris RdNr 7). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 23). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Dem genügt die Beschwerdebegründung vom 20.5.2021 nicht.
a) Es kann dahinstehen, ob die genannten Anforderungen bereits deshalb verfehlt werden, weil die Klägerin den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt hat. Ihren Schilderungen sind - abgesehen vom Inhalt ihres Schriftsatzes vom 29.1.2021 und ihrer Kritik an den im Verlauf des Verfahrens eingeholten Gutachten - nur Fragmente der entscheidungserheblichen Tatsachen zu entnehmen. So bleibt bereits der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch unklar. Nur aus dem Gesamtvorbringen kann erschlossen werden, dass über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gestritten wird. Eine Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes. "Bezeichnet" ist der Verfahrensmangel noch nicht, wenn vereinzelt Sachverhaltselemente herausgegriffen werden und anhand dieser der behauptete Verfahrensmangel diskutiert wird, sondern nur dann, wenn er in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan wird. Denn das Beschwerdegericht muss sich bereits anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber bilden können, ob die geltend gemachten Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - es als möglich erscheinen lassen, dass das Urteil darauf beruhe (BSG Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 - juris RdNr 3; s auch BSG Beschluss vom 10.10.2017 - B 13 R 234/17 B - juris RdNr 5). Demgegenüber ist es nicht Aufgabe des erkennenden Senats, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung des LSG herauszusuchen (vgl BSG Beschluss vom 31.5.2017 - B 5 R 358/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 26.1.2018 - B 13 R 309/14 B - juris RdNr 3 f).
b) Bezüglich der von der Klägerin gerügten Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) erfüllt die Beschwerdebegründung aber auch aus anderen Gründen nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen.
Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann - wie bereits ausgeführt - gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zudem kann ein - wie hier - in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 18c mwN). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie hier - das LSG von der ihm durch § 153 Abs 4 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der in einem solchen Fall den Beteiligten zugestellten Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 SGG muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das Berufungsgericht keine weitere Sachaufklärung mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als förmliche Beweisanträge iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ansieht. Nach Zugang der Anhörungsmitteilung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten oder neue Beweisanträge stellen will, dem LSG ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen (vgl BSG Beschluss vom 9.3.2016 - B 1 KR 6/16 B - juris RdNr 4 f mwN; BSG Beschluss vom 7.2.2017 - B 13 R 389/16 B - juris RdNr 9).
Solches hat die Klägerin nicht dargetan. Vielmehr hat sie angegeben, sie habe "letztmalig mit Schriftsatz vom 29.01.2021 beantragt, Stellungnahmen der behandelnden Ärzte … einzuholen" und den "Beweisantrag gestellt, ein Gutachten durch einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Auftrag zu geben". Mit Hinweis vom 24.2.2021 habe das LSG dann mitgeteilt, keine der beantragten Ermittlungen durchführen zu wollen. Zugleich sei eine Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG angekündigt worden. Dass sie hierauf nochmals Stellung genommen und - wie erforderlich - ihre "Beweisanträge" aufrechterhalten hätte, hat die Klägerin nicht behauptet.
c) Die darüber hinaus erhobene Rüge der Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs bzw eines fairen Verfahrens wird ebenfalls nicht anforderungsgerecht bezeichnet. Hierzu macht die Klägerin geltend, dass LSG habe durch die unterbliebene Anhörung bestimmter Ärzte ihr Fragerecht nach § 116 SGG, §§ 402, 397 ZPO missachtet.
Eine Missachtung des Fragerechts bedeutet eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, wenn ein Beteiligter die nach seiner Ansicht erläuterungsbedürftigen Punkte dem Gericht rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung schriftlich mitgeteilt hat, die aufgeworfenen Fragen objektiv sachdienlich sind und er das Begehren bis zuletzt aufrechterhalten hat. Dabei müssen die erläuterungsbedürftigen Punkte, zB Lücken oder Widersprüche, hinreichend konkret bezeichnet werden (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 355/11 B - juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 11.12.2019 - B 13 R 164/18 B - juris RdNr 9). Die Klägerin trägt zwar vor, sie habe schriftsätzlich beantragt, mehrere Ärzte durch Einholen ergänzender Stellungnahmen anzuhören. Allerdings besteht das Fragerecht grundsätzlich nur hinsichtlich Gutachten, die in derselben Instanz erstattet wurden; dies ist nur ausnahmsweise nicht der Fall, wenn das SG einem bereits in der ersten Instanz rechtzeitig gestellten Antrag auf konkrete Befragung verfahrensfehlerhaft nicht nachgekommen ist (vgl BSG Beschluss vom 5.5.1998 - B 2 U 305/97 B - juris RdNr 3; Beschluss vom 12.4.2005 - B 2 U 222/04 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 4, juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 11.12.2019 - B 13 R 164/18 B - juris RdNr 9). Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich weder, dass ein solcher Ausnahmefall vorliegt, noch wird mitgeteilt, welche der benannten Ärzte überhaupt durch das LSG als Sachverständige mit Gutachten beauftragt worden sind. Unabhängig davon scheitert die Rüge der Missachtung des Fragerechts aber schon daran, dass die Klägerin nicht dartut, auch nach Zugang der Anhörungsmitteilung vom 24.2.2021 gegenüber dem LSG an der Befragung festgehalten zu haben.
d) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14668811 |