Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 25.01.2023; Aktenzeichen L 6 R 347/22) |
SG München (Entscheidung vom 29.06.2022; Aktenzeichen S 56 R 978/21) |
Nachgehend
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Januar 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Januar 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die im Jahr 1958 geborene Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer in Höhe von monatlich mindestens 1300 Euro. Sie war bis Dezember 2011 als angelernte Altenpflegehelferin beschäftigt und bezieht seit April 2013 durchgehend Arbeitslosengeld II. Der beklagte Rentenversicherungsträger lehnte auch ihren zuletzt im Februar 2021 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil aufgrund aller eingeholten Gutachten die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien (Bescheid vom 7.5.2021, Widerspruchsbescheid vom 20.7.2021). Das Klage- und Berufungsverfahren ist ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 29.6.2022, Urteil des LSG vom 25.1.2023). Das LSG hat das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Gutachten des S für überzeugend erachtet. Dieser hatte nach ambulanter Untersuchung der Klägerin und Auswertung der radiologischen Diagnostik einen weitgehend altersentsprechenden Befund ohne höhergradige Beeinträchtigungen festgestellt. Er hatte ausgeführt, die Klägerin sei noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes leichte Tätigkeiten bei Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen acht Stunden täglich zu verrichten. Ihre Wegefähigkeit sei nicht beeinträchtigt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihr am 9.2.2023 zugestellten Urteil des LSG hat die Klägerin mit Telefax vom 20.2.2023 persönlich beim BSG Beschwerde eingelegt und zugleich Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Sie fordert eine monatliche Rente, von der sie leben könne und die höher als der Anspruch auf Arbeitslosengeld II sein sollte, sowie zudem die Überweisung von 100 000 Euro auf ihr Konto.
II
1. Die Bewilligung von PKH für ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gegen das Urteil des LSG vom 25.1.2023 ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann PKH nur bewilligten werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Das ist hier nicht der Fall. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen vorinstanzlichen Gerichtsakten ist nicht zu erkennen, dass ein Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das LSG-Urteil vom 25.1.2023 erfolgreich zu begründen.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
a) Dass sich im Verfahren der Klägerin Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen, ist nicht ersichtlich. Grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Rechtsvorschrift mit höherrangigem Recht aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Die Voraussetzungen, unter denen eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, ergeben sich unmittelbar aus § 43 SGB VI. Die Anwendung dieser Voraussetzungen ist in der Rechtsprechung des BSG geklärt (vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R - BSGE 129, 274 = SozR 4-2600 § 43 Nr 22). Dasselbe gilt für die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI(vgl zB BSG Urteil vom 26.4.2005 - B 5 RJ 27/04 R - juris RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20.7.2005 - B 13 RJ 29/04 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 4 RdNr 7 ff = juris RdNr 19 ff). Dafür, dass im Fall der zuletzt als angelernte Altenpflegehelferin beschäftigten Klägerin eine in diesem Zusammenhang noch nicht geklärte Grundsatzfrage von Bedeutung sein könnte, bestehen keine Anhaltspunkte.
b) Es ist auch nicht erkennbar, dass das LSG bei seiner Entscheidung einen Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hätte und damit von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen wäre (Zulassungsgrund der Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
c) Ebenso wenig ist ein Verfahrensmangel ersichtlich, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann ein geltend gemachter Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Das LSG hat zwar über die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung entschieden. Hierzu hatten aber sowohl die Klägerin als auch die Beklagte im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 23.11.2022 ausdrücklich ihr Einverständnis erklärt (vgl § 124 Abs 2 SGG). Soweit die Klägerin nachfolgend im Schreiben vom 25.11.2022 einen neuen Termin beantragt hat, liegt darin, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, kein wirksamer Widerruf des erteilten Einverständnisses (zur Widerrufsmöglichkeit nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem alle Einverständniserklärungen bei Gericht vorliegen vgl BSG Beschluss vom 10.11.2022 - B 5 R 117/22 B - juris RdNr 12 mwN). Dafür, dass sich die prozessuale Situation für die Klägerin nach Durchführung des Erörterungstermins wesentlich verändert und deshalb die Einverständniserklärung vom 23.11.2022 ihre Wirksamkeit verloren hätte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Das LSG hat auch zu Recht im Schreiben der Klägerin vom 25.11.2022 einen neuen PKH-Antrag gesehen und diesen mit Beschluss vom 7.12.2022 (der Klägerin zugestellt am 13.12.2022) unverzüglich beschieden. Danach hat sich die Klägerin bis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung am 25.1.2023 nicht mehr geäußert.
Da der Klägerin somit PKH nicht zusteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die von der Klägerin selbst eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig und deshalb durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (vgl § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG). Sie entspricht nicht den gesetzlichen Formvorschriften. Im Verfahren vor dem BSG (ausgenommen in PKH-Verfahren) müssen sich die Beteiligten - anders als in erster oder zweiter Instanz - von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen (vgl § 73 Abs 4 SGG). Über diesen "Vertretungszwang" ist die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des LSG-Urteils (Umdruck Seite 6 f) ausführlich belehrt worden. Er soll sicherstellen, dass das Verfahren vor einem obersten Gerichtshof des Bundes von einer fachkundigen Person mit qualifizierten Kenntnissen des Rechts verantwortlich geführt wird. Das soll auch einen Beitrag dazu leisten, dass die personellen Ressourcen der Justiz effektiv eingesetzt werden können und nicht durch aussichtslose Verfahren blockiert werden (vgl BSG Beschluss vom 26.10.2022 - B 5 R 108/22 AR - juris RdNr 9).
3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15741789 |