Verfahrensgang
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 25.01.2018; Aktenzeichen L 13 SB 80/16) |
SG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 11.02.2016; Aktenzeichen S 5 SB 231/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Januar 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG hat mit Urteil vom 25.1.2018 einen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens G verneint, weil nach der umfangreichen Beweisaufnahme in erster und zweiter Instanz feststehe, dass beim Kläger ein GdB über 30 nicht festgestellt werden könne und mangels Erreichen der Schwerbehinderteneigenschaft die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G nicht in Betracht komme.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen von Verfahrensmängeln begründet.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 28.5.2018 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da kein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht.
Sofern der Kläger sich in seiner Beschwerdebegründung auf den in der mündlichen Verhandlung vom 25.1.2018 vor dem LSG gestellten Antrag nach § 109 SGG bezieht, die Ärzte Dr. S. und Dr. B. zu hören, übersieht der Kläger, dass nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG gestützt werden kann. Der Ausschluss einer Rüge der fehlerhaften Anwendung des § 109 SGG gilt umfassend und unabhängig davon, worauf der geltend gemachte Verfahrensmangel im Einzelnen beruht (stRspr, zB BSG Beschluss vom 5.7.2017 - B 13 R 145/17 B - Juris RdNr 7). Wenn der Kläger meinen sollte, sein Antrag müsste ungeachtet der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 109 SGG zugleich als Beweisantrag nach § 103 SGG gewertet werden, kann ihm nicht gefolgt werden. Das BSG (zB Senatsbeschluss vom 24.11.1988 - 9 BV 39/88 - SozR 1500 § 160 Nr 67 S 72 ff = Juris RdNr 1 und 4; Beschluss vom 22.6.2004 - B 2 U 78/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 4 RdNr 4) geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in einem Antrag nach § 109 SGG nicht ohne Weiteres ("automatisch") zugleich ein Beweisantrag nach § 103 SGG enthalten ist. Wird ein Tätigwerden des Gerichts gemäß § 103 S 1 SGG erwartet, muss dies jedenfalls bei rechtskundig vertretenen Beteiligten in dem Antrag selbst deutlich zum Ausdruck kommen, indem klargestellt wird, dass die Begutachtung nach § 109 SGG nur hilfsweise für den Fall beantragt wird, dass das Gericht eine weitere Sachaufklärung in dieser Richtung von Amts wegen nicht für erforderlich hält (vgl BSG Beschluss vom 22.6.2004 - B 2 U 78/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 4 RdNr 5). Der hier in Rede stehende zitierte und zu Protokoll gegebene Antrag des anwaltlich vertretenen Klägers auf Anhörung der oben genannten Ärzte enthält eine solche klarstellende Einschränkung aber nicht.
Soweit der Kläger vorträgt, er habe mit seinem Antrag auf Einholung eines Obergutachtens im Schriftsatz vom 15.6.2017 zu erkennen gegeben, dass er die Sachaufklärungspflicht des LSG noch nicht als erfüllt ansehe, hat er bereits nicht vorgetragen, einen entsprechenden prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll aufrechterhalten zu haben. Überdies verkennt der Kläger, dass es grundsätzlich keine Verpflichtung zur Einholung eines sogenannten Obergutachtens gibt. Vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum. Vielmehr hätte es des klägerseitigen Vortrags bedurft, weshalb nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus der rechtlichen Sicht des LSG erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden haben soll. Dies hat der Kläger versäumt. Die bloße Darstellung, weshalb aus seiner Sicht weitere Ermittlungen erforderlich gewesen wären, reicht nicht (vgl BSG Beschluss vom 28.2.2017 - B 9 SB 88/16 B - Juris RdNr 8).
Liegen - wie hier - bereits mehrere Gutachten vor, ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten ungenügend sind (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO), weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (Senatsbeschluss vom 16.2.2017 - B 9 V 48/16 B - Juris RdNr 13). Etwaige Mängel oder Widersprüche müssen aber bezogen auf das jeweilige Gutachten konkret benannt werden. Hierfür reicht es nicht aus, lediglich pauschal zu behaupten, dass die vorliegenden Gutachten nicht die Begutachtungskriterien nach der Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen, zu denen der Kläger gehöre, erfüllten. Gleiches gilt für die schlichte Behauptung, dass die gehörten Sachverständigen nicht über die notwendige Sachkunde verfügten. Im Kern seines Vorbringens kritisiert der Kläger die Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG), womit er nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vorneherein eine Revisionszulassung nicht erreichen kann. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzureichende Rechtsanwendung des LSG in seinem Einzelfall rügen wollte (vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
Auch eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Ein solcher Verstoß liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen miteinzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG Urteil vom 17.2.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG Urteil vom 23.5.1996 - 13 RJ 75/95 - SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19).
Soweit der Kläger in der unterbliebenen Anhörung der von ihm nach § 109 SGG benannten Ärzte Dr. S. und Dr. B. eine Gehörsverletzung in Form des Fragerechts gemäß § 116 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO geltend machen will, hat er einen solchen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet (s hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 15.5.2017 - B 9 SB 85/16 B - Juris RdNr 7 und 8). Insoweit verkennt der Kläger bereits, dass das Recht eines Beteiligten, Fragen an Sachverständige zu stellen, grundsätzlich nur mit Blick auf solche Gutachten besteht, die im selben Rechtszug bereits erstattet worden sind (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 12.10.2017 - B 9 V 32/17 B - Juris RdNr 16; Senatsbeschluss vom 24.4.2008 - B 9 SB 58/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 2 RdNr 9). Er hat nicht dargelegt, warum dennoch vor dem LSG ein Recht auf Befragung der als Sachverständige überhaupt noch nicht gehörten Ärzte bestanden haben soll. Unabhängig davon erfordert die Ausübung des Fragerechts stets eine hinreichend konkrete Bezeichnung der noch erläuterungsbedürftigen Punkte (Senatsbeschluss vom 15.5.2017 - B 9 SB 85/16 B - Juris RdNr 7; Senatsbeschluss vom 24.4.2008 - B 9 SB 58/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 2 RdNr 5; BSG Beschluss vom 7.8.2014 - B 13 R 439/13 B - Juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 9.12.2010 - B 13 R 170/10 B - Juris RdNr 11, jeweils mwN). Auch hieran fehlt es.
Im Kern zielt der Antrag des Klägers ersichtlich darauf ab, das LSG nochmals von seiner abweichenden Rechtsauffassung und Tatsachenwürdigung zu überzeugen. Damit wendet er sich aber, wie oben bereits ausgeführt, gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, welche sich der Beurteilung durch das Revisionsgericht entzieht (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).
Soweit der Kläger eine Verletzung eines Anspruchs auf rechtliches Gehör darin sehen sollte, dass das LSG nach Einholung der ergänzenden Stellungnahme von Dr. S. vom 13.8.2017 nicht erneut entsprechend dem Hinweis im Schreiben vom 14.2.2017 darauf hingewiesen habe, dass eine weitere Begutachtung von Amts wegen nicht beabsichtigt sei, so fehlt es insoweit bereits an dem Vortrag, an welchem Vorbringen er in der mündlichen Verhandlung vom 25.1.2018 hierdurch gehindert worden sein soll.
2. Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12076539 |