Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.06.2017; Aktenzeichen L 9 AS 140/17)

SG Mannheim (Entscheidung vom 19.10.2016; Aktenzeichen S 12 AS 1611/16)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Juni 2017 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger, der sich als Rechtsanwalt selbst vertritt, weder einen Verfahrensfehler, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, noch eine grundsätzliche Bedeutung der Sache in der gebotenen Weise als Zulassungsgründe bezeichnet bzw dargelegt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).

Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 16 mwN). Das BSG muss allein anhand der Begründung darüber entscheiden können, ob ein die Revisionsinstanz eröffnender Verfahrensmangel in Betracht kommt (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 4).

Die Beschwerdebegründung des Klägers wird diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Er rügt als Verfahrensmangel und absoluten Revisionsgrund, entgegen § 169 GVG iVm § 61 SGG sei die Öffentlichkeit während der Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht und während der Verkündung der Entscheidung nicht gewährleistet gewesen. Im Einzelnen trägt er vor, vor dem Gerichtsgebäude seien interessierte Besucher von der Polizei abgeschreckt worden, die Prozesseröffnung sei nicht mündlich über Mikrofon erfolgt und ein Hausmeister habe den Flureingang zum Gerichtssaal verschlossen, sodass kein Zugang über den zum Gerichtssaal ausgeschilderten Weg möglich gewesen sei. Eine Verletzung des § 169 Satz 1 GVG liegt indes nur dann vor, wenn die Beschränkung oder der Ausschluss der Öffentlichkeit mit Wissen und Wollen des Vorsitzenden oder des Gerichts geschieht (vgl BSG vom 28.4.2004 - B 6 KA 107/03 B - RdNr 8; BSG vom 29.12.2010 - B 11 AL 82/10 B - RdNr 7, jeweils mwN). Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass der Senat des Berufungsgerichts auf die vom Kläger genannten Umstände, sollten sie vorgelegen haben, hingewiesen wurde oder diese dem Senat aus anderen Gründen bekannt waren. Dass eine "Prozesser-öffnung", die nicht über ein Mikrofon erfolgt, den Grundsatz der Öffentlichkeit tangieren könnte, erschließt sich ohnehin nicht.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der Kläger ebenfalls nicht formgerecht dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Der Kläger formuliert zwar die Rechtsfrage, ob § 3 Abs 2 Alg II-V "ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften" gegen die im EU-Vertrag festgeschriebene Niederlassungsfreiheit eines Unternehmers verstößt. Er zeigt aber schon nicht auf, warum diese Rechtsfrage trotz der im Urteil des LSG zitierten Rechtsprechung des BSG noch oder wieder klärungsbedürftig sein könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11385815

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge