Verfahrensgang
SG Koblenz (Entscheidung vom 23.11.2016; Aktenzeichen S 4 SB 547/14) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 29.08.2018; Aktenzeichen L 4 SB 197/16) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. August 2018 einen Notanwalt beizuordnen und Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt die rückwirkende Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 80 bereits ab Antragstellung sowie die Zuerkennung der Nachteilsausgleiche "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und "H" (Hilflosigkeit).
Bei der 1991 geborenen Klägerin wurde bereits im Jugendalter eine schwere hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens diagnostiziert und behandelt und ein GdB von 30 wegen hyperkinetischer Störung festgestellt (Bescheid vom 9.1.2004).
Auf einen im März 2014 gestellten Überprüfungsantrag der Klägerin erhöhte der Beklagte ihren GdB auf 50 (Bescheid vom 18.6.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.8.2014).
Im von der Klägerin angestrengten Klageverfahren hat das SG den Beklagten nach medizinischen Ermittlungen aufgrund von dessen Teilanerkenntnis verurteilt, bei der Klägerin einen GdB von 60 ab dem 1.10.2012 festzustellen (Gerichtsbescheid vom 23.11.2016). Der Beklagte hat diese Entscheidung umgesetzt (Ausführungsbescheid vom 16.12.2016).
Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin einen GdB von 80 ab 1.5.2017 festzustellen und ihre Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Ihr Gesundheitszustand habe sich nachweislich ab Mai 2017 verschlechtert und rechtfertige seitdem einen GdB von 80. Die Klägerin sei aber weder hilflos im Sinne von § 33b Einkommensteuergesetz (EStG) noch sei sie bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen. Sie könne deshalb weder das Merkzeichen "H" noch das Merkzeichen "B" beanspruchen (Urteil vom 29.8.2018).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Vater der Klägerin für sie mit Schreiben vom 25.10.2018 Beschwerde eingelegt und Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Notanwalts gestellt.
II
1. Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das genannte Urteil des LSG einen Notanwalt beizuordnen, ist abzulehnen.
Nach § 202 S 1 SGG iVm § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Daran fehlt es.
Der Senat lässt dahingestellt, ob im Fall der Klägerin die von der Rechtsprechung zum Merkmal des "Nicht-Findens" entwickelten Voraussetzungen erfüllt sind (BSG Beschluss vom 18.3.2008 - B 11a AL 30/07 BH - Juris RdNr 7 mwN), zu denen die Klägerin nichts vorgetragen hat. Eine Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil des LSG erscheint bei der gebotenen summarischen Prüfung ähnlich dem Verfahren der PKH (vgl § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 114 Abs 1 S 1 ZPO) auch unter Berücksichtigung des Akteninhalts und des Vortrags der Klägerin jedenfalls aussichtslos (zu dieser Voraussetzung vgl im Einzelnen Senatsbeschluss vom 13.7.2018 - B 9 V 19/18 B - Juris RdNr 8 mwN; Schmidt, NZS 2018, 749). Nach summarischer Prüfung des Streitstoffs liegt offenbar keiner der von § 160 Abs 2 SGG genannten Gründe für die Zulassung der Revision vor. Das LSG ist bei der Einschätzung des GdB der Klägerin ebenso der von ihm zitierten Senatsrechtsprechung (vgl zuletzt Senatsbeschluss vom 16.3.2016 - B 9 SB 85/15 B - Juris RdNr 6 mwN) gefolgt wie bei der Beurteilung der Frage, ob bei der Klägerin die Voraussetzungen des Merkzeichens "H" vorliegen (vgl Senatsurteil vom 12.2.2003 - B 9 SB 1/02 R - Juris RdNr 11 ff mwN). Auch sonst ist nicht ersichtlich, welche grundsätzlichen, fallübergreifenden Rechtsfragen der Fall der Klägerin aufwerfen könnte oder warum das LSG von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein sollte. Letztlich wendet sich die Klägerin gegen die nach ihrer Ansicht falsche Einschätzung der Kriterien für nicht nur vorübergehende Hilflosigkeit iS von § 33b Abs 6 EStG durch das LSG in ihrem Einzelfall. Damit rügt sie aber der Sache nach nur einen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unerheblichen Rechtsanwendungsfehler. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (Senatsbeschluss vom 29.2.2016 - B 9 SB 91/15 B - Juris RdNr 6 mwN). Ohnehin ist für eine unrichtige Rechtsanwendung des LSG nichts ersichtlich.
Auch ein Verfahrensfehler des LSG ist bei summarischer Prüfung nicht erkennbar. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dafür ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.
2. Aus den genannten Gründen kann die Klägerin ebenso wenig die von ihr ebenfalls beantragte PKH verlangen, weil PKH nur zu bewilligen ist, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO). Diese Voraussetzung ist hier aus den oben aufgezeigten Gründen erst recht nicht erfüllt, da schon die Beiordnung eines Notanwalts abzulehnen ist (Senatsbeschluss vom 13.7.2018 - B 9 V 19/18 B - Juris RdNr 12 mwN).
3. Die von der Klägerin durch ihren Vater eingelegte Beschwerde ist auch unbeschadet der Frage einer wirksamen Prozessvollmacht unzulässig. Die Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Die Klägerin muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen, zu denen der Vater der Klägerin nicht zählt. Sowohl die Beschwerdeschrift als auch die Beschwerdebegründungsschrift muss von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf ist die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden.
4. Die Verwerfung der nicht formgerecht eingelegten Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13104331 |