Verfahrensgang
SG Köln (Entscheidung vom 30.10.2012; Aktenzeichen S 7 R 1377/11) |
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 26.06.2019; Aktenzeichen L 3 R 1047/12) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 2019 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für ihre Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2. im Fachbereich Vermögensschaden-Haftpflicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht ab dem 1.10.2010 zu befreien ist. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 26.6.2019 einen solchen Anspruch der Klägerin verneint, auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG Köln vom 30.10.2012 geändert und die Klage abgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin formuliert als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung:
"Kann der Antrag einer Rechtsanwältin/eines Rechtsanwalts auf Befreiung für eine berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit gem. § 6 SGB VI, für die die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gem. §§ 46, 46a BRAO erteilt worden ist, für die Zeit vor Antragstellung gem. §§ 46, 46a BRAO mit der Begründung abgelehnt werden, es handele sich erst ab dem 1.1.2016 um eine berufsspezifische Tätigkeit und für die Zeit vorher, trotz gleicher Tätigkeit, um eine nichtanwaltliche Tätigkeit, es sei also von unterschiedlichen Streitgegenständen auszugehen."
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin damit eine aus sich heraus verständliche Rechtsfrage zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen formuliert, an denen das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschlüsse vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15 und vom 4.4.2016 - B 13 R 43/16 B - juris RdNr 6; Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Jedenfalls fehlt es an einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügenden Darlegung der (abstrakten) Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. In der Beschwerdebegründung muss deshalb unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl Krasney/Udsching/Groth, aaO, Kap IX RdNr 183 mwN).
§ 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI gibt versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig Pflichtmitglied einer berufsständischen Kammer und Pflichtmitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht für die "Beschäftigung, wegen der" sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Dazu hat der Senat bereits entschieden, dass im Sinne der Norm unter "derselben Beschäftigung" die "von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit" zu verstehen ist. Diese Erwerbstätigkeit führt nur dann neben der Versicherungspflicht in der gesetzlichen (Beschäftigten-)Rentenversicherung auch zur Versicherungspflicht in der berufsständischen Rechtsanwaltsversorgung, wenn die Erwerbstätigkeit sowohl nach inhaltlichen Aspekten als auch ihrer äußeren Form nach dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann. Nach dem bis zum 31.12.2015 geltenden Recht hat das der Senat für Syndikusrechtsanwälte verneint (vgl dazu im Einzelnen BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, RdNr 28 ff).
Ein solcher von der Klägerin geltend gemachter Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für eine vor dem 1.1.2016 ausgeübte Beschäftigung ist zu unterscheiden von einem Anspruch auf Befreiung für eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt nach dem ab dem 1.1.2016 geltenden Berufsrecht (vgl §§ 46 ff Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO - idF des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015, BGBl I 2517). Der Senat hat bereits entschieden, dass es sich wegen der unterschiedlichen Statusbezogenheit dabei nicht um identische Regelungsgegenstände handelt (vgl bereits BSG Beschluss vom 22.3.2018 - B 5 RE 12/17 B - juris RdNr 31 und zu einer Syndikuspatentanwältin BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 RE 2/17 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 17 RdNr 16 ff). Die Klägerin nimmt auf diese Rechtsprechung ausdrücklich Bezug. Mit den in den Entscheidungen enthaltenen Ausführungen zu den unterschiedlichen Voraussetzungen für eine Befreiung vor und nach dem 1.1.2016 setzt die Klägerin sich nicht auseinander.
Soweit die Klägerin vorträgt, ein Verständnis dahingehend, "dass es sich hier um zwei Streitgegenstände handelt", sei für sie "im Hinblick auf die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen nicht nachvollziehbar", fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG. Das BVerfG hat in seinen Beschlüssen vom 19.7.2016 (1 BvR 2584/14) und vom 22.7.2016 (1 BvR 2534/14) zwei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Diese richteten sich gegen die Ablehnung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI zuletzt durch die beiden Senatsurteile vom 3.4.2014 (B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12). Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden für unzulässig gehalten, weil ein Rechtsschutzbedürfnis infolge der zum 1.1.2016 in Kraft getretenen Rechtsänderung nicht mehr bestehe. Die Beschwerdeführer hat es auf die Möglichkeit verwiesen, die Rückwirkung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach dem ab 1.1.2016 geltenden Berufsrecht gemäß § 231 Abs 4b SGB VI zu beantragen. Die Beschwerdebegründung gibt die Ausführungen des BVerfG zur Auslegung des § 231 Abs 4b Satz 5 SGB VI wörtlich wieder (BVerfG Beschluss vom 19.7.2016 - 1 BvR 2584/14 - juris RdNr 12 - 14). Wie sich daraus die (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben soll, erschließt sich aus dem Vorbringen der Klägerin indes nicht. Soweit sie vorträgt, das BVerfG gehe erkennbar von einem einheitlichen Streitgegenstand aus, weil es für die Frage der Rückwirkung "alleine auf die Tatsache abstellt, dass Mindest- oder Pflichtbeiträge in das anwaltliche Versorgungswerk geleistet wurden", berücksichtigt sie nicht, dass sich diese Ausführungen des BVerfG gerade auf die Auslegung der Übergangsvorschrift des § 231 Abs 4b SGB VI beziehen. Zu diesem Zusammenhang verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
Soweit die Klägerin auf Art 12 GG verweist und eine "rechtswidrige Ungleichbehandlung" geltend macht, fehlt es ebenfalls an einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügenden Begründung. Leitet eine Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des GG ab, darf sie sich nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr; zB bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 13 f; aus jüngster Zeit BSG Beschluss vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 11 mwN). Dazu enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführungen.
Mit ihrem Vorbringen, es sei - auch unter Berücksichtigung der weiteren Rechtsprechung des Senats zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI - von einer "berufsspezifischen Tätigkeit" der Klägerin auszugehen, wendet sich die Klägerin schließlich gegen eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung des LSG. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13855519 |