Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
Leitsatz (redaktionell)
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist.
2. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts stellt.
3. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist.
4. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 Sätze 1-2, §§ 162, 169 Sätze 2-3; SGB VI § 77 Abs. 3 S. 1; GG Art. 1, 3, 6, 14
Verfahrensgang
SG für das Saarland (Entscheidung vom 24.02.2021; Aktenzeichen S 43 R 878/20) |
LSG für das Saarland (Urteil vom 08.11.2022; Aktenzeichen L 1 R 11/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 8. November 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer höheren Regelaltersrente.
Der im Oktober 1954 geborene Kläger bezog von der Beklagten seit dem 1.3.2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Deren Berechnung erfolgte unter Berücksichtigung eines gekürzten Zugangsfaktors von 0,892, der auch seiner ab dem 1.7.2020 gewährten Regelaltersrente zugrunde gelegt wurde (Bescheid vom 5.6.2020; Widerspruchsbescheid vom 16.9.2020).
Klage und Berufung sind dagegen ohne Erfolg geblieben. Das SG hat dazu ausgeführt, die Beklagte habe bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente rechtmäßig den Zugangsfaktor von 1,0 um 0,003 für jeden Kalendermonat gekürzt, für den die Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch genommen wurde (§ 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI iVm § 77 Abs 2 Satz 2 SGB VI idF des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vom 21.7.2004, BGBl I 1791). Die Erwerbsminderungsrente sei deshalb unter Zugrundelegung eines für 36 Kalendermonate um 0,108 verminderten Zugangsfaktors zutreffend berechnet worden. Nach Erreichen der Regelaltersgrenze sei der Zugangsfaktor von 0,892 auch bei der Berechnung der Regelaltersrente beachtet worden. Die Beklagte habe zutreffend § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI angewandt, wonach für diejenigen Entgeltpunkte, die bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer früheren Rente gewesen seien, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibe (Gerichtsbescheid vom 24.2.2021). Auch das LSG hat einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente bei Anwendung eines Zugangsfaktors von 1,0 verneint und auf die Ausführungen des SG umfassend Bezug genommen (Urteil vom 8.11.2022).
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet ist. Eine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (stRspr; zB BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - juris RdNr 3 mwN; BSG Beschluss vom 24.6.2021 - B 5 RE 6/21 B - juris RdNr 6).
Der Kläger hat schon keine aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert. Die Bezeichnung einer solchen Rechtsfrage ist aber unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (vgl BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5 mwN). Soweit es dem Kläger sinngemäß um die Klärung der Frage geht, ob Abschläge bei der Berechnung seiner Regelaltersrente alleine aufgrund des Umstands vorzunehmen sind, dass zuvor eine Erwerbsminderungsrente bezogen wurde, fehlen insbesondere Darlegungen zu deren weiteren Klärungsbedürftigkeit. Die Regelung in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI war bereits Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl zuletzt BSG Urteil vom 13.12.2017 - B 13 R 13/17 R - BSGE 125, 46 = SozR 4-2600 § 77 Nr 11, RdNr 19 auch unter Hinweis auf BVerfG Beschluss vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 ua - BVerfGE 122, 151 = SozR 4-2600 § 237 Nr 16, RdNr 75 ff). Ausführungen dazu enthält die Beschwerdebegründung nicht.
Soweit der Kläger Verstöße gegen Art 1, Art 3, Art 6 und Art 14 GG rügt, wird eine mögliche Verletzung von Verfassungsrecht nicht weiter begründet. Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit und die Nennung der als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes sind nicht ausreichend (vgl BSG Beschluss vom 8.4.2020 - B 12 R 45/19 B - juris RdNr 7 mwN). Auch genügt die pauschale Bezugnahme ("vollumfänglich") auf den Inhalt der vorinstanzlichen Schriftsätze nicht den Erfordernissen einer hinreichenden Begründung des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 13a und zur ohnehin nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässigen Bezugnahme auf vorinstanzlich eingereichte Schriftsätze zB BSG Beschluss vom 15.2.2011 - B 12 KR 53/10 B - juris RdNr 5 mwN) .
Allein der Umstand, dass der Kläger eine andere Rechtsauffassung als die Vorinstanzen vertritt, genügt zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls nicht. Auf eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung in der Sache kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 20.10.2021 - B 5 R 230/21 B - juris RdNr 6 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15581788 |