Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Revisionsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Rentenversicherungspflicht eines Selbststständigen
Orientierungssatz
Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfragen, ob in der bloßen Nichterfüllung einer gesetzlichen Beitragszahlungspflicht ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gesehen werden kann, ob die Behörde eine Hinweispflicht trifft, wenn über Jahre auf einen bestehenden "Versicherungsvertrag" durch den Versicherten nicht gezahlt wird und wenn ja, ob infolge eines Verstoßes gegen derartige Pflichten ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch des Versicherten anzunehmen ist und welche konkreten Tatsachen bei der Anwendung von § 231 Abs 6 S 1 SGB 6 eine Kenntnis der Versicherungspflicht verursachen, insbesondere, ob ein Bescheid der Rentenversicherung über die Nachforderung von Beiträgen bei dem Versicherten die Kenntnis von der Versicherungspflicht bewirkt, wenn dieser Bescheid zum Stichtag 31.12.1998 noch nicht "rechtskräftig" ist.
Normenkette
SGB 6 § 229a Abs. 1; SGB 6 § 231 Abs. 6 S. 1; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Gründe
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Rentenversicherungspflicht des Klägers als Selbstständiger.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts (LSG) vom 25. August 2005 ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden.
Dagegen ist die behauptete inhaltliche Unrichtigkeit einer Entscheidung auch dann von vorne herein kein Revisionszulassungsgrund, wenn der Beschwerdeführer seine diesbezüglichen Argumente teilweise mehrfach wiederholt und über Seiten hinweg ausbreitet.
Der Kläger beruft sich allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung. Die Beschwerdebegründung muss hierzu ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
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Der Kläger hat zwar die Problemfelder angesprochen, |
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ob in dem Verhalten des Versicherten, Beiträge über mehrere Jahre nicht zu zahlen, ein stillschweigender Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gesehen werden kann, |
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ob die Behörde eine Hinweispflicht trifft, wenn über Jahre auf einen bestehenden Versicherungsvertrag durch den Versicherten nicht gezahlt wird und wenn ja, ob infolge eines Verstoßes gegen derartige Pflichten ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch des Versicherten anzunehmen ist, |
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welche konkreten Tatsachen bei der Anwendung von § 231 Abs 6 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine Kenntnis der Versicherungspflicht verursachen, insbesondere, ob ein Bescheid der Rentenversicherung über die Nachforderung von Beiträgen bei dem Versicherten die Kenntnis von der Versicherungspflicht bewirkt, wenn dieser Bescheid zum Stichtag 31. Dezember 1998 noch nicht rechtskräftig ist, |
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ob in dem alternativen Fall, dass infolge eines solchen Bescheides, der dem Versicherten zumindest vor dem 31. Dezember 1998 bekannt gegeben wurde, Kenntnis von der Versicherungspflicht ab Zugang des Bescheides anzunehmen ist und deshalb dem Versicherten die Möglichkeit der Befreiung, orientiert an dem Wortlaut der Vorschrift zwangsläufig zu versagen ist oder aber, ob eine Auslegung der Norm nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfolgen kann, mit der Rechtsfolge, dass dem Versicherten bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Möglichkeit der Befreiung dennoch zu gewähren ist, |
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dass die Personengruppe der im Beitrittsgebiet nach § 229a SGB VI versicherungspflichtig selbstständig Tätigen, die wie der Kläger nicht nachweisen können, bis spätestens 31. Dezember 1994 einen schriftlichen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt zu haben und denen wie dem Kläger vor dem 31. Dezember 1998 Nachtragsbescheide zugegangen sind, gegenüber der Personengruppe der im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig selbstständig Tätigen, welche diese Bescheide erst nach dem 31. Dezember 1998 erhalten haben, ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden. |
Es kann unerörtert bleiben, ob er hiermit eine oder mehrere hinreichend konkrete (Rechts-)Fragen formuliert hat. Jedenfalls fehlt es jeweils an den erforderlichen Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit. Im Einzelnen gilt hierzu Folgendes. |
Soweit der Kläger sinngemäß die Frage aufwirft, ob in der bloßen Nichterfüllung einer gesetzlichen Beitragszahlungspflicht ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gesehen werden kann, fehlt es an jeder Darlegung, dass und inwiefern diesbezüglich im Blick auf die bereits vorliegende Rechtsprechung (vgl etwa BSG vom 26. März 1980, 3 RK 9/79, USK 8062 = KVRS A-1290/1; die Nachweise bei Heinrichs in: Palandt, Kommentar zum BGB, 65. Aufl, vor § 116 RdNr 6 ff; BGH vom 25. Juli 2003, V ZR 444/02, ZOV 2003, 325 = MDR 2004, 26; BFH vom 5. Februar 1986, I R 124/84, BFH/NV 1986, 601 = juris-Nr: STRE865046560 und vom 2. Dezember 1982, IV B 35/82, BFHE 137, 393) noch bzw erneut Klärungsbedarf vorliegen sollte. Dabei wäre insbesondere darauf einzugehen gewesen, warum vorliegend auch unter Berücksichtigung der Funktion der Fristbestimmung in § 229a Abs 1 SGB VI der Untätigkeit des Klägers überhaupt ausnahmsweise Erklärungswert zuzuerkennen und ihr ggf unter Vernachlässigung der potenziellen Vielfalt von Beweggründen allein ein Bedeutungsgehalt in dem nunmehr von ihm behaupteten Sinne zuzuerkennen sein sollte.
Ebenso fehlt es an jeder Auseinandersetzung mit der bereits vorliegenden Rechtsprechung, soweit der Kläger die Frage aufwirft, ob die Behörde eine Hinweispflicht trifft, wenn über Jahre auf einen bestehenden "Versicherungsvertrag" durch den Versicherten nicht gezahlt wird und wenn ja, ob infolge eines Verstoßes gegen derartige Pflichten ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch des Versicherten anzunehmen ist. Das BSG hat die Voraussetzungen des sog Herstellungsanspruchs in ständiger Rechtsprechung geklärt (vgl zusammenfassend etwa BSG vom 15. Dezember 1994, 4 RA 64/93, SozR 3-2600 § 58 Nr 2) und diesen unter anderem stets von einem konkreten Anlass zur Beratung abhängig gemacht (vgl exemplarisch BSG vom 6. März 2003, B 4 RA 38/02 R, BSGE 91, 1 = SozR 4-2600 § 115 Nr 1). Auch insofern wäre daher zunächst darzulegen gewesen, warum die ihrer Art nach vieldeutige Nichterfüllung einer Beitragszahlungspflicht Anlass gegeben haben sollte, den Kläger gerade hinsichtlich der Möglichkeiten der Beendigung des gesetzlichen Pflichtversicherungsverhältnisses zu beraten.
An den erforderlichen Darlegungen fehlt es ebenso, soweit der Kläger darüber hinaus für klärungsbedürftig hält, welche konkreten Tatsachen bei der Anwendung von § 231 Abs 6 Satz 1 SGB VI eine Kenntnis der Versicherungspflicht verursachen, insbesondere, ob ein Bescheid der Rentenversicherung über die Nachforderung von Beiträgen bei dem Versicherten die Kenntnis von der Versicherungspflicht bewirkt, wenn dieser Bescheid zum Stichtag 31. Dezember 1998 noch nicht "rechtskräftig" ist. Insbesondere hätte die Begründung insofern darauf eingehen müssen, warum es für die Kenntnis von der unmittelbar kraft Gesetzes eintretenden Versicherungspflicht auf die Bestandskraft des diese Wirkung lediglich feststellenden Verwaltungsaktes ankommen sollte. Schon deshalb ist gleichzeitig die Klärungsbedürftigkeit der "alternativen Fallgestaltung" einer durch einen derartigen Bescheid erlangten Kenntnis und ihrer Folgen nicht ausreichend aufgezeigt. Insofern fehlt es zusätzlich an den notwendigen Ausführungen, durch Anwendung welcher juristischen Methoden der Kläger welchen konkreten "Sinn und Zweck" der Norm ermittelt wissen will bzw inwiefern genau hierdurch eine seinen Interessen förderliche Reduktion ihres Anwendungsbereichs geboten sein sollte.
Soweit der Kläger schließlich auch insofern unausgesprochen von der Prämisse einer rechtlich relevanten Kenntniserlangung durch die Bekanntgabe eines "Nachtragsbescheides" bis längstens 31. Dezember 1994 ausgeht und innerhalb des § 229a SGB VI eine "ungerechtfertigte" Ungleichbehandlung gegenüber Personen behauptet, bei denen dies nicht der Fall ist, verkennt er jedenfalls, dass die Begründungsanforderungen nicht dadurch geringer werden, dass mittelbar ein Verstoß gegen Verfassungsrecht gerügt wird. Die Begründung durfte sich daher nicht auf eine (sinngemäße) Berufung auf Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) beschränken, sondern hätte unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BSG darlegen müssen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (BSG in SozR 1500 § 160a Nr 11). Hierzu wäre insbesondere der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Norm aufzuzeigen, die Sachgründe ihrer Ausgestaltung zu erörtern und eine vor Art 3 Abs 1 GG nicht mehr zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darzulegen gewesen, der gerade dadurch Rechnung zu tragen ist, dass dem Kläger eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zu erteilen ist.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen