Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Februar 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Verfahren darüber, ob der Kläger während Baumfällarbeiten auf dem Grundstück seiner Nachbarn einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die Beklagte lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab, weil der Kläger keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit ausgeübt, sondern einen selbstverständlichen Hilfsdienst aufgrund der Nachbarschaft geleistet habe. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil des SG vom 21.6.2018). Das LSG hat die Berufungen der Beigeladenen zu 1 bis 4 als unzulässig verworfen sowie die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 17.2.2022).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Er macht das Vorliegen einer Divergenz sowie von Verfahrensfehlern geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die ausdrücklich geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht formgerecht bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Selbst wenn sich der Kläger sinngemäß auch auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) berufen sollte, wird diese ebenfalls nicht formgerecht dargelegt.
Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (vgl BSG Beschlüsse vom 12.4.2022 - B 2 U 10/21 BH - juris RdNr 10 und vom 8.12.2020 - B 2 U 198/20 B - juris RdNr 4). Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl BSG Beschlüsse vom 8.12.2016 - B 2 U 123/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 17 RdNr 5, vom 12.5.2022 - B 5 R 3/22 B - juris RdNr 6 und vom 23.2.2022 - B 9 V 35/21 B - juris RdNr 8). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Rechtsprechung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene entscheidungserhebliche Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl BSG Beschlüsse vom 27.3.2019 - B 5 RE 11/18 B - juris RdNr 6 und vom 2.9.2016 - B 13 R 229/16 B - juris RdNr 4). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Für die schlüssige Bezeichnung einer Abweichung fehlt es bereits an der Gegenüberstellung zweier einander widersprechender Rechtssätze. Zwar benennt der Kläger als Entscheidung des BSG, von dem das LSG abgewichen sein soll, das Urteil des Senats vom 19.6.2018 (B 2 U 32/17 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 43), abstrakte Rechtssätze werden jedoch nicht bezeichnet. Vielmehr stützt sich der Kläger darauf, dass vergleichbare Sachverhalte vorlagen. Auch soweit in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, entgegen dem LSG halte das BSG das Zeitkriterium für nicht maßgeblich, wird nicht aufgezeigt, inwieweit und aus welchen Gründen die Entscheidung des LSG hierauf beruhen könnte, dh aus welchen Gründen das LSG zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, wenn es das vom Kläger benannte Zeitkriterium nicht berücksichtigt hätte.
Auch ein möglicher zur Zulassung der Revision führender Verfahrensmangel wird nicht hinreichend bezeichnet. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG, ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht, auf dem Mangel beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um den Verfahrensmangel der hier gerügten Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) ordnungsgemäß zu bezeichnen, muss die Beschwerdebegründung 1. einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnen, 2. die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, 3. die Tatumstände darlegen, die den Beweisantrag betreffen und weitere Sachaufklärung erfordert hätten, 4. das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und 5. schildern, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG also von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, wenn es das behauptete Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme gekannt hätte (vgl BSG Beschlüsse vom 26.5.2020 - B 2 U 214/19 B - juris RdNr 5, vom 30.1.2020 - B 2 U 152/19 B - juris RdNr 8 sowie vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5). Diese Erfordernisse erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Es wird bereits nicht aufgezeigt, wie es erforderlich wäre, dass ein prozessordnungskonformer Beweisantrag im Berufungsverfahren durch den anwaltlichen und damit rechtskundig vertretenen Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten worden sein könnte. Um das Berufungsgericht ausreichend vor einer Verletzung seiner Amtsermittlungspflicht zu warnen, muss ein im Berufungsverfahren rechtskundig vertretener Beschwerdeführer - wie der Kläger - auch ein zuvor geäußertes Beweisbegehren in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG als prozessordnungsgemäßen Beweisantrag wiederholen (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 14.5.2021 - B 9 SB 71/20 B - juris RdNr 8 mwN). Das dies geschehen sein könnte, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf. Soweit der Kläger allgemein rügt, ein Verstoß gegen § 103 SGG liege jedenfalls darin, dass das Gericht den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt habe, kann dies mangels Beweisantrag nicht zur Zulassung der Revision führen.
Auch der geltend gemachte Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs wird nicht hinreichend aufgezeigt. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs gebietet, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (§ 128 Abs 2 SGG). Dem Gebot ist indes Genüge getan, wenn die Beteiligten die maßgeblichen Tatsachen erfahren und ausreichend Gelegenheit haben, sachgemäße Erklärungen innerhalb einer angemessenen Frist vorzubringen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B - juris RdNr 19). Einen Sachverhalt, der einen Verstoß gegen diese Grundsätze begründen könnte, legt der Kläger nicht dar.
Soweit der Kläger einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör im Hinblick auf die unterlassene Sachaufklärung durch das LSG sieht, kann hierauf die Zulassung der Revision nicht gestützt werden, denn die Beschränkung der Amtsermittlungsrüge kann nicht über den Umweg über die Vorschriften zum rechtlichen Gehör umgangen werden (vgl BSG Beschluss vom 15.12.2021 - B 12 KR 38/21 B - juris RdNr 9 mwN). Soweit er rügt, das rechtliche Gehör sei verletzt, weil das LSG überraschend in der Sache entschieden habe, nachdem sein Prozessvertreter nochmals zur Sach- und Rechtslage vorgetragen habe, und nicht zu erkennen gegeben habe, dass es eine weitere Beweiserhebung nicht für erforderlich halte, wird ein Verfahrensfehler nicht hinreichend aufgezeigt. Eine allgemeine Verpflichtung des Gerichts, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Tatsachen- und Beweiswürdigung hinzuweisen, besteht nicht (vgl BSG Beschluss vom 24.6.2021 - B 13 R 44/21 B - juris RdNr 6 mwN). Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs kann jedoch verletzt sein, wenn das Urteil auf Gesichtspunkte gestützt wird, die bisher nicht erörtert worden sind, und dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl BSG Beschluss vom 7.11.2017 - B 13 R 153/17 B - juris RdNr 14). Dass diese Voraussetzungen erfüllt gewesen sein könnten, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf. Es fehlen Ausführungen dazu, aus welchen Umständen unter Berücksichtigung des bisherigen Prozessverlaufs der anwaltlich vertretene Kläger hätte schließen können, dass nicht ohne weitere Beweiserhebung in der Sache entschieden werden würde, und welcher Vortrag des Kläger zu einer möglichen anderen Entscheidung des LSG hätte führen können.
Soweit schließlich der Kläger seine Beschwerde sinngemäß auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützen will, wird dieser Zulassungsgrund ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Um die grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG darzulegen, muss der Beschwerdeführer anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (stRspr; zB BSG Beschlüsse vom 23.2.2022 - B 2 U 197/21 B - juris RdNr 7 mwN und vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Hinsichtlich der benannten Frage, "ob eine spontane und kurzzeitige Mithilfe unter Nachbarn, die ein gutes Nachbarschaftsverhältnis führen, nicht als eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit i.S.v. § 2 Abs 2 SGB VII angesehen werden kann", ist der Beschwerdebegründung bereits nicht zu entnehmen, warum sie nicht anhand der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantwortet werden kann.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Beschwerde ist ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15414155 |