Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Akteneinsicht. Terminverlegung. Rechtliches Gehör. Verletzung
Orientierungssatz
Mit dem Vorbringen, das LSG habe einen Antrag auf Akteneinsicht als Grund für eine Verlegung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung nicht ausreichen lassen und insoweit das Akteneinsichtsrecht nach § 120 SGG nicht berücksichtigt und den Anspruch auf rechtliches Gehör nach § 62 SGG und Art 103 Abs 1 GG "erheblich beschnitten", ist der Bezeichnungslast nicht genügt. Vielmehr ist darzulegen, dass die Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hätte, wenn die prozessualen Möglichkeiten, Akteneinsicht zu erhalten, rechtzeitig wahrgenommen, dh in vollem Umfang ausgeschöpft worden wären.
Normenkette
SGG §§ 62, 120 Abs. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung in der Zeit von Januar 1993 bis September 1996 und von Januar 1997 bis März 2002 sowie über die Beitragshöhe. Die beklagte Ersatzkasse sah den Kläger als freiwillig versichert an und nahm entsprechende Beitragseinstufungen vor. Im September 2000 teilte sie ihm außerdem mit, dass seine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung zum 15. September 2000 geendet habe. Widersprüche und Klage blieben erfolglos. Der Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz zum Teil stattgegeben und unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der entgegenstehenden Bescheide insoweit festgestellt, dass der Kläger über den 15. September 2000 hinaus bis zum 31. März 2002 freiwilliges Mitglied der Beklagten gewesen ist. Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 31. März 2005 wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.
Die Beschwerde ist unzulässig, denn der Kläger hat in der Begründung keinen Zulassungsgrund in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3). |
Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), die der Kläger allein geltend macht, sind nicht in der gebotenen Weise bezeichnet.
1. Der Kläger sieht einen Verfahrensmangel darin, dass das LSG seinen am 29. März 2005 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Akteneinsicht als Grund für eine Verlegung des für den 31. März 2005 anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung nicht habe ausreichen lassen. Insoweit habe es sein Akteneinsichtsrecht (§ 120 SGG) nicht berücksichtigt und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫) "erheblich beschnitten". Mit diesem Vorbringen ist der Bezeichnungslast nicht genügt. Nach seinem eigenen Vortrag ist der Kläger mit der ihm am 16. März 2005 zugestellten Ladung über die Beiziehung der Verwaltungsakten der Beklagten informiert worden, hat die Gelegenheit, Akteneinsicht zu beantragen und zu nehmen, jedoch zunächst - versehentlich - nicht genutzt, sondern ist hierauf erst mit Schreiben vom 24. März 2005, eingegangen per Telefax erst am 29. März 2005, und damit zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung zurückgekommen. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Ablehnung seines Antrags auf Terminsverlegung seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hätte, wenn er seine prozessualen Möglichkeiten, Akteneinsicht zu erhalten, rechtzeitig wahrgenommen, dh in vollem Umfang ausgeschöpft hätte. Auch hat Veranlassung bestanden, zu dem Hinweis des Berufungsgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils genauer Stellung zu nehmen, dass ihm bereits einmal - am 6. Februar 2004 - Akteneinsicht gewährt worden sei und die Beklagte im Berufungsverfahren zusätzliche Verwaltungsakten nicht vorgelegt habe. Seine bloße Bemerkung, dass ihm diese Akten seinerzeit "nicht zur Verfügung gestanden" hätten und er sie "bislang nicht gekannt" habe, reicht insoweit nicht aus. Ausweislich der Akten des SG waren die Akten der Beklagten als Beiakten lange vor dem 6. Februar 2004 zur Gerichtsakte genommen. Schließlich hat der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht angegeben, welches Vorbringen durch die von ihm angenommene Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör verhindert worden ist, sondern lediglich dargelegt, dass er sich durch die "Verwehrung der Akteneinsicht" auf die mündliche Verhandlung nicht umfassend habe vorbereiten können.
2. Ebenso wenig hat der Kläger die einen Verfahrensmangel ergebenden Umstände dargelegt, soweit er geltend macht, über sein am 30. März 2005 bei Gericht eingegangenes Ablehnungsgesuch habe nicht im Urteil, sondern vorher - gesondert - entschieden werden müssen, bei der Entscheidung über das Gesuch hätten die abgelehnten Richter nicht mitwirken dürfen und die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs sei inhaltlich unrichtig.
Wird als Verfahrensmangel geltend gemacht, die abgelehnten Richter hätten ihrer Wartepflicht (§ 202 SGG iVm § 47 Zivilprozessordnung) nicht genügt und mit der mündlichen Verhandlung und der Verkündung des Urteils am 31. März 2005 unberechtigt aufschiebbare Amtshandlungen vorgenommen, so wird den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht entsprochen, wenn sich - wie hier - aus der Beschwerdebegründung auch ergibt, dass der mit ihr gerügte Verfahrensmangel durch die Zustellung der Verwerfungsentscheidung zwischenzeitlich, dh bis zum Eingang der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, geheilt ist (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 29 mwN). Dass die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen Erwägungen beruhte (vgl BSG aaO), hat der Kläger nicht vorgetragen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auch die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt haben sollte, weil in seiner Abwesenheit mündlich verhandelt worden sei, fehlt es ebenfalls an der substantiierten Darlegung eines Verfahrensfehlers. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich, dass sich seine Überzeugung, er sei entschuldigt gewesen, nur auf sein Ablehnungsgesuch und nicht auf ein Verhalten des Gerichts gegründet hat (vgl BSG aaO).
Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel außerdem darin sieht, dass sein Ablehnungsgesuch für rechtsmissbräuchlich und nicht für begründet gehalten worden sei mit der Folge, dass die abgelehnten Richter über das Ablehnungsgesuch selbst entschieden hätten, werden die Begründungsanforderungen ebenfalls nicht erfüllt. Der Sache nach erhebt der Kläger damit die Verfahrensrüge, das Berufungsgericht sei fehlerhaft besetzt gewesen. Die Verfahrensrüge, das Berufungsgericht sei fehlerhaft besetzt gewesen, weil ein Ablehnungsgesuch gegen einen mitwirkenden Richter unzutreffend abgelehnt worden sei, kann im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde jedenfalls nur auf die Behauptung gestützt werden, es liege zugleich eine Verletzung des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG vor, dh für die Behandlung des Ablehnungsgesuchs seien willkürliche oder manipulative Erwägungen bestimmend gewesen (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 1 mwN; vgl auch BSG, Urteil vom 10. September 1998 - B 7 AL 36/98 R - juris Nr KSRE052261506 ; BSG, Beschluss vom 28. August 2002 - B 11 AL 49/02 B - juris Nr KSRE059300505 ; ferner BVerwGE 110, 40, 46 mwN). Zwar hat der Kläger in der Beschwerdebegründung ausgeführt, ihm Verschleppungsabsicht zu unterstellen, sei "widersinnig". Dass die Zuständigkeitsvorschriften vom LSG willkürlich unrichtig angewandt worden seien, hat er damit aber nicht dargetan.
3. Soweit der Kläger vorbringt, das LSG habe sich mit dem Verfahrensgegenstand "überhaupt nicht beschäftigt" und ihn teilweise verkannt, weil es "über seine Antragstellung hinausgegangen" sei, ist die Beschwerde gleichfalls nicht hinreichend substantiiert. Wird als Verfahrensmangel geltend gemacht, das Berufungsgericht habe den Rechtsmittel- bzw Streitgegenstand verkannt, so ist der Bezeichnungslast nur genügt, wenn der Verfahrensgang unter Auslegung der den Rechtsmittel- bzw Streitgegenstand bestimmenden Entscheidungen und Erklärungen lückenlos dargelegt wird (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 62). Die hiernach - für die Ermittlung des Verfahrensgegenstandes - erforderliche sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Regelungsgehalt der angegriffenen Verwaltungsentscheidungen, dem Klagebegehren, der Entscheidung erster Instanz und dem Berufungsbegehren hat der Kläger unterlassen.
4. Der Kläger legt in der Beschwerdebegründung schließlich dar, dass das angefochtene Berufungsurteil "gegen geltendes Recht verstoße" und einschlägige Rechtsprechung des 3. und des 12. Senats des BSG nicht berücksichtige. Er führt unter anderem aus, das LSG habe nicht untersucht, "ob die Beiträge für die entsprechenden Zeiträume in rechtmäßiger Höhe erhoben" worden seien. Die Einstufungsvorgänge habe das LSG in pflichtwidriger Weise nicht geprüft. - Ob das angefochtene Urteil inhaltlich richtig ist, kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht überprüft werden. Ebenso wenig kann der Kläger in diesem Verfahren generell klären lassen, ob das Berufungsgericht gegen seine Pflicht zur Amtsermittlung nach § 103 SGG verstoßen hat (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG).
Die unzulässige Beschwerde hat der Senat verworfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen