Verfahrensgang
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 26.11.2018; Aktenzeichen S 5 SO 2668/18) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.06.2020; Aktenzeichen L 2 SO 4611/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Juni 2020 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit sind Umzugs- und Einlagerungskosten.
Der eine Altersrente in Höhe von monatlich 1126,97 Euro beziehende Kläger, der nicht im Bezug von laufenden Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) steht, lebte mit seiner Ehefrau langjährig in einer Obdachlosenunterkunft im Zuständigkeitsbereich des Landkreises Rastatt, bis die Eheleute zum 1.11.2017 von der beklagten Stadt Baden-Baden in deren Zuständigkeitsbereich in eine möblierte Wohnung eingewiesen wurden. Der im November 2017 beim Landkreis Rastatt gestellte Antrag auf Übernahme von Umzugskosten nebst Kosten für die Einlagerung von Hausrat wurde vom Landkreis abgelehnt (Bescheid vom 24.11.2017; Widerspruchsbescheid vom 23.1.2018; die hiergegen erhobene Klage ist erfolglos geblieben, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ≪SG≫ Karlsruhe vom 22.5.2018; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 24.1.2019; Senatsbeschluss vom 8.10.2020 - B 8 SO 50/19 B, juris).
Am 13.2.2018 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme von Umzugs- und Einlagerungskosten, was diese ablehnte (Bescheid vom 19.3.2018). Den hiergegen verfristet eingelegten Widerspruch nahm der Kläger zurück und beantragte am 2.5.2018 erneut bei der Beklagten die Übernahme von Umzugs- und Einlagerungskosten, was diese wiederum ablehnte (Bescheid vom 5.6.2018; Widerspruchsbescheid vom 3.8.2018). Die hiergegen erhobene Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 26.11.2018; Urteil des LSG vom 24.6.2020). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, soweit der Kläger im Klageverfahren erstmals Kosten betreffend den Zeitraum September 2017 geltend gemacht habe, sei die Klage mangels Vorverfahren unzulässig. Im Übrigen bestünden die geltend gemachten Ansprüche nicht, da es an der erforderlichen vorherigen schriftlichen Zusicherung der Beklagten fehle und der Antrag erst nach Abschluss des Umzugs gestellt worden sei. Für das Landratsamt Rastatt habe keine Veranlassung bestanden, den im November 2017 dort gestellten Antrag an die Beklagte weiterzuleiten, da der Kläger seinerzeit dem Landkreis nicht mitgeteilt habe, dass er in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten umziehe. Außerdem sei ein Großteil der geltend gemachten Kosten nicht nachgewiesen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) geltend. Eine Zusicherung sei nicht erforderlich, wenn eine fristgerecht mögliche Entscheidung von der Behörde treuwidrig verzögert werde. Entgegen der Auffassung des LSG komme es nicht darauf an, ob der Antrag vom Landkreis Rastatt tatsächlich weitergeleitet worden sei oder ob das Landratsamt Kenntnis von einer Weiterleitungsverpflichtung habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 16 Abs 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) gelte der beim Landratsamt Rastatt gestellte Antrag auch gegenüber der Beklagten als gestellt. Mit seiner Auffassung, dass eine Zurechnung gegenüber der Beklagten im Hinblick auf eine fehlende Konkretisierung des Antrags nicht in Betracht komme, setze sich das LSG in Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz nicht in der gebotenen Weise bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Wer eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend machen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen. Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (sog Subsumtionsfehler; vgl zB BSG vom 9.1.2020 - B 8 SO 55/19 B - juris RdNr 6; BSG vom 16.7.2013 - B 8 SO 14/13 B - RdNr 6; BSG vom 27.1.1999 - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN). Für die Darlegung der Divergenz ist zudem erforderlich, dass die behauptete Abweichung entscheidungserheblich ist.
Der Kläger zitiert mehrere Entscheidungen des BSG (BSG vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R, vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 18/07 R, vom 27.6.2013 - B 10 ÜG 9/13 B - und vom 17.12.2014 - B 8 SO 15/13 R) und referiert zum Teil bis hin zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt aus diesen Urteilen, ohne dass klar würde, von welcher dieser Entscheidungen das LSG abgewichen sein soll oder ob trotz der Einleitung "Das Berufungsurteil weicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts ab …" eine Divergenz bezogen auf alle vier Entscheidungen geltend gemacht wird. Es ist nicht Aufgabe des BSG, aus dem Vortrag des Klägers die Entscheidung oder die Entscheidungen sowie die entscheidungserheblichen Rechtssätze herauszufiltern, die die Zulassung der Revision wegen Divergenz rechtfertigen könnten. Der Kläger bezeichnet auch keine von der BSG-Rechtsprechung abweichenden Rechtssätze des LSG. Er trägt lediglich vor, dass der Anspruch des Klägers nicht mit der Begründung habe abgelehnt werden können, es sei vor dem Umzug kein Antrag gestellt worden. Für die Frage, wann bei der Beklagten ein Antrag gestellt worden sei oder als gestellt gelte, sei entgegen der Auffassung des LSG auf die Antragstellung beim Landratsamt Rastatt abzustellen. Es komme auch nicht darauf an, ob der Antrag weitergeleitet worden sei oder das Landratsamt Rastatt Kenntnis von einer Weiterleitungsverpflichtung gehabt habe (unter Hinweis auf BSG vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 18/07 R). Das LSG setze sich darüber hinaus mit der Behauptung, im Hinblick auf die fehlende Konkretheit des Antrags komme eine Zurechnung des Antrags vom 16.11.2017 für die Beklagte nicht in Betracht, in Widerspruch zur Entscheidung vom 17.12.2014 (B 8 SO 15/13 R). Hätte das Berufungsgericht erkannt, dass der Antrag bei der Beklagten bereits am 16.11.2017 als gestellt gegolten habe, wäre eine Entscheidung vor dem Umzug möglich gewesen. Hätte das Berufungsgericht darüber hinaus auch erkannt, dass die Zusicherung wegen treuwidriger Verzögerung (Hinweis auf BSG vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R - BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37) entbehrlich gewesen sei, wären dem Kläger die Umzugskosten erstattet worden.
Mit dieser Begründung macht der Kläger im Kern nur die Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils geltend, was die Zulassung der Revision nicht begründen kann (vgl nur BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7). Für die Bezeichnung der Divergenz genügt es nämlich nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt habe. Ebenso wenig genügt eine isolierte Wiedergabe einzelner Passagen der Aussagen beider Gerichte. Der Widerspruch muss in der Beschwerdebegründung klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden (BSG vom 1.12.2020 - B 12 KR 48/20 B - juris RdNr 5). Denn nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt haben, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Dies zeigt die Beschwerdebegründung aber nicht ansatzweise auf.
Schließlich ist die Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Divergenz nicht hinreichend dargetan. Zwar behauptet der Kläger, dass im Hinblick auf die Entscheidung des Senats vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 18/07 R - (BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1) die Antragstellung beim Landratsamt Rastatt im November 2017 maßgebend sei, sein Vortrag berücksichtigt aber nicht, dass hierüber abschlägig entschieden wurde und diese Entscheidung bestandskräftig ist (Bescheid vom 24.11.2017; Widerspruchsbescheid vom 23.1.2018; Gerichtsbescheid des SG vom 22.5.2018; Urteil des LSG vom 24.1.2019; Senatsbeschluss vom 8.10.2020 - B 8 SO 50/19 B). Inwieweit dieser Antrag auch von der Beklagten zu bescheiden war und den Rechtsweg ein zweites Mal eröffnen soll, erschließt sich nicht und ist dem Vortrag des Klägers auch nicht nachvollziehbar zu entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14492641 |