Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 15. März 2017 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 15 000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Streitig ist die Genehmigung zur Verlegung des Vertragsarztsitzes der Klägerin, einer zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Diplom-Psychologin, von Hamburg-Harburg nach Hamburg-Neustadt an den Sitz ihrer psychotherapeutischen Privatpraxis.
Die Klägerin erhielt mit Beschluss des beklagten Berufungsausschusses vom 3.4.2013 ab dem 4.4.2013 im Wege der Praxisnachfolge die Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung im Umfang eines halben Versorgungsauftrags. Zuvor hatte sie erklärt, ihren Praxissitz im Einzugsbereich der Praxis des Abgebers des halben Versorgungsauftrags in Harburg zu nehmen. In seinem Zulassungsbescheid führte der Beklagte vorsorglich aus, dass angesichts der eher schlechten Versorgung in Harburg einer nach einer "Schamfrist" eventuell beantragten Sitzverlegung kaum entsprochen werden könnte.
Am 25.3.2014 beantragte die Klägerin unter Verweis auf ihre Erschöpfung aufgrund des täglichen Pendelns zwischen der Hamburger Innenstadt und Harburg die Verlegung des Praxissitzes an den Ort ihrer Privatpraxis. Der Zulassungsausschuss und - auf Widerspruch - der Beklagte lehnten diesen Antrag ab, weil Versorgungsgesichtspunkte einer Sitzverlegung entgegenstünden (Beschluss des Beklagten vom 3.9.2014). Hierdurch würden die ohnehin in Harburg und den umliegenden Stadteilen bestehenden Versorgungsprobleme weiter verschärft. In Harburg kämen auf einen Psychotherapeuten 1615 volljährige Einwohner, im Stadtteil Neustadt dagegen nur 360 Einwohner, sodass Harburg um das 4,5-fache weniger gut versorgt sei. Eine deutlich schlechtere Versorgung Harburgs bestehe insbesondere im Bereich der von der Klägerin angebotenen psychoanalytischen bzw tiefenpsychologischen Psychotherapien.
Während des Klageverfahrens hat die Klägerin ab 1.1.2015 im Wege der Nachfolgezulassung einen weiteren halben Versorgungsauftrag erhalten und diesen - entsprechend einer ihr erteilten Auflage - mit dem anderen halben zu einem vollen Versorgungsauftrag am Praxissitz in Harburg, … Str. … zusammengeführt. Das SG hat die Klage abgewiesen. Hingegen hat das LSG auf die Berufung der Klägerin den Beschluss des Beklagten vom 3.9.2014 aufgehoben und diesen zur erneuten Bescheidung des Widerspruchs unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats verurteilt (Urteil vom 15.3.2017). Der Beschluss genüge nicht den Anforderungen an ein Gebrauchmachen von dem durch § 24 Abs 7 S 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) eröffneten Beurteilungsspielraum nach Maßgabe des Urteils des BSG vom 3.8.2016 (B 6 KA 31/15 R - SozR 4-5520 § 24 Nr 13, auch zur Veröffentlichung in BSGE 122, 35 vorgesehen). Der Beklagte habe den Sachverhalt hinsichtlich des Versorgungsangebots der Klägerin und der Versorgungslage in den betroffenen "Teilbereichen" Harburg bzw Neustadt nicht vollständig ermittelt und zudem seine Subsumtionserwägungen nicht hinreichend in der Begründung seiner Entscheidung verdeutlicht. Eine Verurteilung zur Erteilung der begehrten Genehmigung komme nicht in Betracht, da eine Verengung des Beurteilungsspielraums auf eine einzig richtige Entscheidung nicht ersichtlich sei. Die Klägerin könne keine Belange von erheblichem Gewicht geltend machen, hinter denen Versorgungsgesichtspunkte in jedem Fall zurückzutreten hätten.
Die Klägerin macht mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie eine Rechtsprechungsabweichung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend. Zudem rügt sie eine Verletzung des Willkürverbots (Art 3 Abs 1 GG) aufgrund fehlerhafter, sachlich schlechthin unhaltbarer Rechtsanwendung durch das LSG.
Der Beklagte hält die Beschwerde für unzulässig. Die zu 7. beigeladene KÄV führt aus, dass eine grundsätzliche Bedeutung mangels weiterer Klärungsbedürftigkeit nicht gegeben sei, die Klägerin aber eine Divergenz zum BSG-Urteil vom 3.8.2016 (B 6 KA 31/15 R) zutreffend geltend gemacht habe.
II
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Dabei kann offenbleiben, ob die Klägerin die Darlegungsanforderungen hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe in jeder Hinsicht erfüllt (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG). Ihre Beschwerde ist jedenfalls unbegründet, weil weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch eine Rechtsprechungsabweichung vorliegen.
1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG sind nicht gegeben. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr, zB BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 12/15 B - SozR 4-2500 § 116 Nr 11 RdNr 5 mwN). Eine Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus bereits vorliegender oberstgerichtlicher Rechtsprechung klar beantworten lässt (BSG Beschluss vom 11.10.2017 - B 6 KA 29/17 B - Juris RdNr 4). So verhält es sich hier.
Die Klägerin hält die Fragen für klärungsbedürftig,
(1) "ob und inwieweit bei der Entscheidung über die Verlegung eines Praxissitzes innerhalb eines Planungsbezirkes die Zulassungsgremien den Vorgaben der Bedarfsplanung entsprechen müssen oder - völlig frei und willkürlich - den Radius des jeweiligen Praxisstandortes ziehen dürfen",
(2) "ob und inwieweit die Festlegung eines solchen kleinräumigen Planungsbereiches der gerichtlichen Kontrolle unterliegt".
Denn das Berufungsgericht habe den Beklagten zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung seiner - des LSG - Rechtsauffassung verpflichtet und hierfür vorgegeben, dass das Versorgungsangebot der klägerischen Praxis zu ermitteln und in Bezug darauf die Versorgungslage in den beiden Teilbereichen Harburg und Neustadt zu vergleichen sei.
Die Frage (1) ist jedoch in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Die Vorgaben, unter deren "Berücksichtigung" (wohl iS von "Beachtung": vgl § 131 Abs 3 SGG) das LSG den Beklagten zur erneuten Bescheidung verpflichtet hat, enthalten nicht die von der Klägerin hineininterpretierten Aussagen, dass bei den durchzuführenden Ermittlungen von den Vorgaben der Bedarfsplanung abgewichen und/oder der Radius des jeweiligen Praxisstandorts völlig frei und willkürlich gezogen werden dürfe. Das LSG hat lediglich auf die "betroffenen Teilbereiche" Harburg und Neustadt Bezug genommen. Den Beurteilungsspielraum begrenzende Vorgaben in dem Sinne, dass der Beklagte bei der Ermittlung der konkreten Versorgungslage ein bestimmtes Gebiet (die jeweiligen Stadtbezirke, die Stadtteile, bestimmte Postleitzahlenbereiche oder etwa die im Morbiditätsatlas Hamburg zugrunde gelegten "Stadtteilcluster") zugrunde zu legen habe, hat das LSG nicht gemacht. Für die Vermutung der Klägerin, es müsse "wohl auch davon ausgegangen werden", dass damit eine Untersuchung in den Grenzen der politischen Stadtteile angeordnet sei, findet sich in den Gründen des LSG-Urteils kein Anhaltspunkt.
Zudem fehlt es an einem weiteren Klärungsbedarf angesichts der Ausführungen im Urteil des Senats vom 3.8.2016, dass sich Entscheidungen nach § 24 Abs 7 Ärzte-ZV "in den durch die Bedarfsplanung und die Sicherstellung der medizinischen Versorgung gezogenen Grenzen" halten müssen und deshalb eine Überprüfung "anhand der Bedarfsplanung und der Versorgungslage" erfordern (BSG Urteil vom 3.8.2016 - B 6 KA 31/15 R - SozR 4-5520 § 24 Nr 13 RdNr 18, zur Veröffentlichung auch in BSGE 122, 35 vorgesehen). Hieraus folgt klar, dass die erneute Entscheidung des Beklagten den zwingenden Vorgaben der Bedarfsplanung entsprechen, darüber hinaus aber auch die lokale Versorgungslage in Teilen des Planungsbereichs in den Blick nehmen muss. Die Versorgungslage ist aber nach dem lokalen Einzugsbereich der Praxis zu beurteilen, der "je nach Lage nicht notwendig mit dem räumlichen Bereich eines Verwaltungsbezirks übereinstimmt" (BSG Urteil vom 3.8.2016 - B 6 KA 31/15 R - aaO RdNr 31 - zum großräumigen Planungsbereich Berlin). Einer darüber hinausgehenden Klärung von Rechtsfragen bedarf es nicht allein deshalb, weil hier der Planungsbereich Hamburg betroffen ist.
Auch die Frage (2) nach der Reichweite gerichtlicher Kontrolle in Bezug auf "die Festlegung eines solchen kleinräumigen Planungsbereiches" ist in dem angestrebten Revisionsverfahren weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig. Es geht vorliegend nicht um die Festlegung von Planungsbereichen, sondern vielmehr um die Feststellung der örtlichen Versorgungslage (BSG Urteil vom 3.8.2016 - B 6 KA 31/15 R - aaO RdNr 23). Hierfür hat der Senat einen Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien bejaht und ausgeführt, dass sich die gerichtliche Kontrolle insoweit ua darauf beschränkt, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt (BSG Urteil vom 3.8.2016 - B 6 KA 31/15 R - aaO RdNr 23 f). Auch die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführte Urteilsanmerkung geht davon aus, dass die genannte Entscheidung zwar möglicherweise eine - isoliert betrachtet - missverständliche Formulierung enthält, in der Sache aber keine Unklarheit aufkommen lässt (vgl Wiegand, NZS 2017, 115, 116). Weiterer Klärungsbedarf besteht insoweit nicht.
2. Der Zulassungsgrund einer Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ist ebenfalls nicht erfüllt. Hierfür ist erforderlich, dass das LSG seiner Entscheidung tragend einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG widerspricht. Eine Divergenz iS der genannten Vorschrift liegt nicht schon vor, wenn das LSG einen Rechtssatz aus einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung einer Revision wegen Divergenz (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 9.5.2017 - B 13 R 240/16 B - Juris RdNr 18 mwN).
Eine Divergenz in dem genannten Sinne liegt hier nicht vor. Die Klägerin rügt insoweit, das LSG habe zwar den Rechtssatz aus der Entscheidung des Senats vom 3.8.2016 (B 6 KA 31/15 R - aaO RdNr 18) zitiert, dass eine Überprüfung der beantragten Verlegung des Vertragsarztsitzes "anhand der Bedarfsplanung und der Versorgungslage" erfolgen müsse. In seinen weiteren Ausführungen habe es aber die Inhalte des Bedarfsplans nicht berücksichtigt bzw ignoriert. Das geht über eine unbeachtliche Rüge fehlerhafter Subsumtion nicht hinaus; ein vom LSG aufgestellter abweichender Rechtssatz wird daraus nicht ersichtlich. Ein solcher ergibt sich auch nicht - wie die Beigeladene zu 7. meint - daraus, dass das LSG den Inhalt der RdNr 27 des Senatsurteils vom 3.8.2016 dahingehend wiedergegeben hat, ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz (BT-Drucks 17/6909 S 105) sei "die Verlegung einer Praxis innerhalb einer Stadt von einem schlechter versorgten in einen besser versorgten Stadtteil nicht zu genehmigen". Die Schlussfolgerung, das LSG habe mit diesem Zitat dem Rechtssatz aus RdNr 31 des Senatsurteils vom 3.8.2016 widersprochen, dass es entscheidend auf die Versorgungssituation im unmittelbaren Einzugsbereich der Praxis ankomme, der je nach Lage nicht notwendig mit dem räumlichen Bereich eines Verwaltungsbezirks übereinstimme, trifft offenkundig nicht zu.
3. Soweit die Klägerin eine Verletzung des Willkürverbots (Art 3 Abs 1 GG) durch die ihrer Ansicht nach fehlerhafte und "schlechthin unhaltbare" Rechtsanwendung des LSG rügt, kann das ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Damit hat sie keinen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe geltend gemacht (zur parallelen Vorschrift in § 132 Abs 2 Nr 1 bis 3 VwGO vgl BVerwG Beschluss vom 27.10.2010 - 9 B 93/09 - Juris RdNr 11). Die Vorschriften zur Revisionszulassung in § 160 Abs 2 SGG und § 132 Abs 2 VwGO sind enger als die entsprechenden Regelungen in § 543 Abs 2 S 1 ZPO bzw § 115 Abs 2 FGO (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 419). Die zuletzt genannten Bestimmungen ermöglichen eine Revisionszulassung auch bei "greifbarer Gesetzeswidrigkeit", was insbesondere bei einer willkürlichen Anwendung des materiellen Rechts der Fall sein kann (BFH Beschluss vom 9.3.2017 - VI S 21/16 (PKH) - BFH/NV 2017, 904 RdNr 18). Hingegen kann im sozialgerichtlichen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren die Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung nur im Sinne einer willkürlichen Handhabung verfahrensrechtlicher Bestimmungen auf dem Weg zur Entscheidung (sog "error in procedendo") als Verfahrensmangel gerügt werden (BSG Beschluss vom 28.1.2009 - B 6 KA 27/07 B - Juris RdNr 17; s auch BSG Beschluss vom 23.8.2011 - B 14 AS 47/11 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 21 RdNr 9 f). Einen solchen Verfahrensmangel hat die Klägerin nicht dargetan; sie kritisiert vielmehr, die Anwendung des materiellen Rechts durch das LSG sei "unhaltbar".
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 iVm § 154 Abs 2 VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels. Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese keine Anträge gestellt haben.
5. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht dem von der Vorinstanz festgesetzten Betrag, gegen den keiner der Beteiligten Einwendungen vorgebracht hat.
Fundstellen
Dokument-Index HI11449941 |