Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage. Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage: Nichtvorliegen einschlägiger Entscheidungen des Revisionsgerichts. Auseinandersetzung mit höchstrichterlichen Entscheidungen anderer oberster Gerichtshöfe. Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage
Orientierungssatz
Hat das BSG selbst eine aufgeworfene Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich entschieden, ist zusätzlich darzulegen, dass bislang auch keine höchstrichterlichen Entscheidungen anderer oberster Bundesgerichte oder des BVerfG ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Fragen geben.
Normenkette
SGG § 160a Abs 2 Nr. 1, § 160 Abs 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 18. Oktober 2018 - L 6 U 158/14 - wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).
Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG die von ihm geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der gebotenen Weise dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine konkrete Rechtsfrage zu einer Norm des Bundesrechts aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. In der Beschwerdebegründung muss daher angegeben werden, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Vorschrift des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist unter Auswertung der Rechtsprechung insbesondere des BSG darzulegen, dass diese Rechtsfrage klärungsbedürftig, dh höchstrichterlich nicht geklärt, und im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist (vgl BSG Senatsbeschlüsse vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 5, vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 und BSG vom 19.4.2012 - B 2 U 348/11 B - UV-Recht Aktuell 2012, 755; BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Anforderungen vgl zB BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24). Schließlich ist auch aufzuzeigen, dass die Rechtssache über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat (sog Breitenwirkung, vgl BSG vom 26.1.2012 - B 5 R 334/11 B - NZS 2012, 428 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
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Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, |
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"ob für den Fristbeginn auf den Tag der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses oder dessen Datierung abzustellen sei und ob sich eine andere Beurteilung ergebe, wenn die Unterzeichnung an einem Sonntag erfolge und auf den kommenden Werktag vordatiert werde". |
Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit hinreichend klar eine konkrete Rechtsfrage zur Auslegung und zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm des Bundesrechts formuliert hat, wobei schon unklar bleibt, auf welche Norm sich seine Frage bezieht. Jedenfalls ist die erforderliche Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht aufgezeigt worden. Hierfür hätte der Kläger unter Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vortragen müssen, dass das BSG noch keine einschlägigen Entscheidungen getroffen hat oder durch schon vorliegende Urteile die für klärungsbedürftig erachtete Frage nicht oder nicht umfassend beantwortet ist (BSG Senatsbeschluss vom 19.4.2012 - B 2 U 348/11 B - juris RdNr 29). Hat das BSG selbst eine aufgeworfene Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich entschieden, ist zusätzlich darzulegen, dass bislang auch keine höchstrichterlichen Entscheidungen anderer oberster Bundesgerichte oder des BVerfG ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Fragen geben (BSG Senatsbeschlüsse vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 8 und vom 2.9.2008 - B 2 U 196/07 B - LSV RdSchr V 60/2008 und BSG vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6). Daran fehlt es. So hätte sich der Kläger im Hinblick auf den Beweiswert der Datumsangabe mit den Entscheidungen des BGH vom 19.4.2012 (IX ZB 303/11 - juris RdNr 6 f), vom 22.12.2011 (VII ZB 35/11 - juris RdNr 9 ff) und vom 18.1.2006 (VIII ZR 114/05 - juris RdNr 8) sowie des BVerwG vom 21.11.2006 (1 B 162/06 - juris RdNr 2) auseinandersetzen müssen. Zur Frage, ob ein Schriftstück am Sonntag als empfangen gelten kann, wäre insbesondere eine Diskussion der Entscheidung des BGH vom 18.1.2006 (VIII ZR 114/05 - juris RdNr 8) erforderlich gewesen. Ebenso hätte es einer Auseinandersetzung mit der bisher ergangenen Rechtsprechung zu den inhaltlichen Anforderungen an den Annahmewillen bedurft, wie sie dem Beschluss des BSG vom 23.4.2009 (B 9 VG 22/08 B - juris RdNr 11) und den Beschlüssen des BGH vom 20.7.2006 (I ZB 39/05 - juris RdNr 7 ff) sowie vom 11.7.2005 (NotZ 12/05 - juris RdNr 12 f) zu entnehmen sind.
Schließlich geht der Kläger auch mit keinem Wort darauf ein, warum der Gegenbeweis iS des § 418 Abs 2 ZPO iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG hier nicht geführt sein könnte, obwohl sich der Zustellungstag (26.10.2014) aus dem Eingangsstempel des Sozialgerichts als öffentlicher Urkunde (§ 418 Abs 1 ZPO iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG), der Faxzeile auf dem Empfangsbekenntnis und der eidesstattlichen Versicherung des Klägerbevollmächtigten selbst ergibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
NZI 2020, 154 |
NZI 2020, 195 |
NZS 2020, 159 |
ZInsO 2020, 859 |