Verfahrensgang
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 23.09.2019; Aktenzeichen S 9 KR 130/19) |
LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 23.03.2020; Aktenzeichen L 10 KR 868/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. März 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte, 1945 geborene Kläger ist mit seinem Begehren auf Kostenübernahme für Zahnimplantate zur Behandlung seines Zahnverlusts mit Knochenschwund (Atrophie) am Kiefer bei der Krankenkasse und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat unter teilweiser Bezugnahme auf die Gründe des SG-Urteils zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Implantologische Leistungen gehörten im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung nur in seltenen, vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) festzulegenden Ausnahmeindikationen zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV; § 28 Abs 2 Satz 9 iVm § 92 Abs 1 SGB V). Auch wenn die Zahnlosigkeit und die nachfolgende Kieferatrophie auf eine Rachitis in der Kindheit zurückzuführen sein sollten, handele es sich nicht um eine medizinische Gesamtbehandlung als Voraussetzung für eine Implantatversorgung. Eine Kieferatrophie sei keine Ausnahmeindikation iS des Abschnitts B Ziffer VII der Richtlinie des GBA für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie). Die Nichtberücksichtigung der Atrophiefälle entspreche dem Willen des Gesetzgebers und stehe nach der Rechtsprechung des BSG mit der Ermächtigung in § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V in Einklang (Hinweis auf BSG vom 19.6.2001 - B 1 KR 23/00 R - SozR 3-2500 § 28 Nr 6 - juris RdNr 18). Für die Annahme einer durch Analogie zu schließenden Regelungslücke bestehe kein Raum. Die Nichteinbeziehung der Kieferatrophien verletzte auch kein Verfassungsrecht (Beschluss vom 23.3.2020).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Der Kläger stellt die Frage,
"inwieweit eine analoge Anwendung von § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V i.V.m. Abschnitt B Ziffer VII.2 der Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung bei einem schicksalhaften Zahnverlust aufgrund der langfristig behandlungsbedürftigen Folgen einer Erkrankung im Kindesalter in Betracht kommt".
Es kann offenbleiben, ob der Kläger damit überhaupt eine Rechtsfrage klar formuliert, oder nur auf die rechtliche Bewertung des vorliegend zu entscheidenden Sachverhalts abzielt. Jedenfalls legt er die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht ausreichend dar.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG ≪Kammer≫ vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden, was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 5; BSG vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 7). Erneute Klärungsbedürftigkeit ist darüber hinaus auch gegeben, wenn neue erhebliche Gesichtspunkte gegen die bisherige Rechtsprechung vorgebracht werden, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl BSG vom 30.9.1992 - 11 BAr 47/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 6, jeweils mwN). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger weist selbst auf das Urteil des erkennenden Senats vom 19.6.2001 (B 1 KR 23/00 R - SozR 3-2500 § 28 Nr 6) hin, mit dem der Senat entschieden hat, dass der Ausschluss der Implantatbehandlung des atrophierten Kiefers sowohl mit der Rechtsgrundlage in § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V, als auch mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Wieso bei dieser Sachlage noch Klärungsbedarf bestehen soll, legt der Kläger nicht dar.
Soweit er sich mit seinem Vortrag gegen die inhaltliche Richtigkeit sowohl dieser Entscheidung, als auch der - dem folgenden - Entscheidung des LSG wendet, führt dies nicht zur Zulassung der Revision. Denn die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG vom 19.6.2018 - B 1 KR 87/17 B - juris RdNr 7; BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
Dem Vortrag des Klägers sind auch keine Ausführungen dazu zu entnehmen, dass die Rechtsfrage wieder klärungsbedürftig geworden sein könnte. Hierzu fehlt es bereits an der Darlegung, dass der Senatsrechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen worden ist. Der Kläger legt auch keine neuen erheblichen Gesichtspunkte dar, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung führen könnten und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschlössen. Der Senat hatte sich vielmehr bereits im Urteil vom 19.6.2001 damit befasst, dass eine Ausnahmeindikation nur bei den vom GBA geregelten Ursachen in Betracht kommt und dass ein Anspruch nur besteht, wenn die Behandlung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erfolgt. Das Letztere schließt von vornherein Fallgestaltungen aus, in denen das Ziel der implantologischen Behandlung nicht über die reine Versorgung mit Zahnersatz zur Wiederherstellung der Kaufähigkeit hinausreicht. Der Senat hat sich weiter mit der Frage befasst, ob eine analoge Anwendung der Vorschrift auf anderweitige Sachverhalte in Betracht kommt und dies unter Hinweis auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift verneint. Darüberhinausgehende Gesichtspunkte legt der Kläger nicht dar.
Soweit der Kläger sinngemäß zudem einen Grundrechtsverstoß als grundsätzlich bedeutsam rügen will, legt er den von ihm angenommenen Verfassungsverstoß nicht hinreichend dar. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit von Regelungen oder deren Auslegung beruft, darf sich nicht auf die Benennung der angeblich verletzten Rechte - hier Art 3 GG - beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu muss er den Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufzeigen, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtern und die Verletzung der konkreten Regelung des GG darlegen (vgl zB BSG vom 20.7.2010 - B 1 KR 10/10 B - juris RdNr 6 mwN). Daran fehlt es.
Der Kläger verweist nur "auf die Ausführungen der Klägerseite in erster und zweiter Instanz". Das Begründungserfordernis dient dem Ziel, die Revisionsgerichte zu entlasten und im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten eine sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens zu gewährleisten. Diesem Ziel wird mit der bloßen Wiederholung des Vortrags vor den Instanzgerichten ebenso wenig genügt, wie mit einer - hier erfolgten - pauschalen Bezugnahme auf Schriftsätze, die in den Vorinstanzen eingereicht wurden (vgl BSG vom 15.2.2011 - B 12 KR 53/10 B - juris RdNr 5; s ferner Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 292, der die Bezugnahme auf einen konkret benannten Schriftsatz als zulässig ansieht). Im Übrigen enthalten "die Ausführungen der Klägerseite erster und zweiter Instanz" keine nähere Befassung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, sondern nur den Hinweis, dass es nach mehr als vierzigjähriger GKV-Zugehörigkeit unbillig sei, den Anspruch zu versagen.
2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14456207 |