Entscheidungsstichwort (Thema)
Knappschaftsausgleichsleistung. zeitlich befristete Tätigkeit über Tage vor Rentenbezug. Ausscheiden aus einem knappschaftlichen Betrieb
Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherter, dessen bergmännische Beschäftigung aufgrund eines von vornherein befristeten Arbeitsverhältnisses nach dem 55. Lebensjahr endet, ist nicht iS des § 239 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 6 “ausgeschieden”, wenn die Befristung wegen eines zeitlich begrenzten zusätzlichen Arbeitsanfalls erfolgte und Rationalisierungsmaßnahmen für die Befristung keine Bedeutung hatten.
Normenkette
SGB VI § 239 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1991-07-25; RKG § 98a; RÜG Art. 1 Nr. 54
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 13. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander Kosten auch des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Knappschaftsausgleichsleistung (KAL).
Der im November 1942 geborene Kläger erlernte von September 1957 bis August 1960 den Beruf des Hauers und arbeitete danach bei dem ehemaligen Volkseigenen Betrieb (VEB) Kalikombinat Werra, später Kalibetrieb, durchgehend bis Juni 1990 überwiegend unter Tage, zuletzt als Selbstretterwart. Ab Juli 1990 stand er bei den Rechtsnachfolgern des VEB, der Kali AG Merkers und der Kali und Salz GmbH, Werk Werra, in Kurzarbeit. Das Arbeitsverhältnis endete am 31. Mai 1992. Ab Juni 1992 war der Kläger – unterbrochen durch eine einjährige Beschäftigung als Verkäufer in dem Geschäft seiner Ehefrau – arbeitslos. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 25. Februar 1994 rückwirkend ab 1. Dezember 1992 Bergmannsvollrente. Auf Nachfrage seiner Ehefrau im Mai 1996, ob er die Voraussetzungen für einen Anspruch auf KAL erfülle, teilte ihm die Beklagte im Juli 1996 mit, dies sei nicht der Fall; er sei nicht nach Vollendung des 50. bzw 55. Lebensjahrs aus einem knappschaftlichen Betrieb ausgeschieden. Anfang Januar 1997 bat der Kläger gleichwohl um Übersendung von Antragsformularen und stellte im September 1997 einen Antrag auf KAL, den die Beklagte mit Bescheid vom 16. Oktober 1997 ablehnte. Mit seinem Widerspruch legte der Kläger einen mit der Kali und Salz GmbH, Werk Werra, abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung als Transportarbeiter über Tage vom 1. September bis 30. November 1997 vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, das befristete Arbeitsverhältnis sei zu dem Zweck erfolgt, einen Anspruch auf Knappschaftsleistungen zu erlangen, es könne aber nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen dafür führen.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) hat der Kläger ein Schreiben der Kali und Salz GmbH, Werk Werra, vom 15. März 1999 vorgelegt, wonach im Jahr 1997 die Kauen für die gewerblichen Arbeitnehmer mit insgesamt 200 Plätzen mit völlig neuer Gestaltung der sanitären Einrichtungen sowie Neugestaltung des Fußbodens umgebaut und dieser Umbau vornehmlich von Fremdfirmen durchgeführt worden sei. Deren Betreuung und Hilfeleistung habe eine zusätzliche Arbeitskraft gefordert, und der Kläger sei dafür befristet eingestellt worden. Daneben sei er noch mit der Reinigung der Kauen und der Befestigung der Kauenhaken beschäftigt gewesen. Das SG hat die Beklagte durch Urteil vom 21. Oktober 1999 verurteilt, dem Kläger ab 1. Dezember 1997 KAL in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) noch eine Auskunft der Kali und Salz GmbH, Werk Werra, angefordert. Die Firma hat angegeben, der zuständige Kauenwärter sei mit der Übertragung der Betreuung der Fremdfirmen neben seiner täglichen Arbeitsaufgabe überfordert gewesen, es sei deswegen kurzfristig eine weitere Arbeitskraft erforderlich gewesen und daher eine befristete Einstellung erfolgt; im Werk Werra seien im zweiten Halbjahr keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen worden. Durch Urteil vom 13. Mai 2004 hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Als Rechtsgrundlage komme auch nach den übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch nur § 239 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Buchst a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in Betracht. Dessen Voraussetzungen seien jedoch nicht erfüllt, denn der Kläger sei nicht aus iS dieser Vorschrift relevanten Gründen aus einem knappschaftlichen Betrieb ausgeschieden. Bei wohlwollender Betrachtung treffe zwar der Wortlaut der Bestimmung auf den Fall des Klägers zu, weil er keinen Einfluss auf das Ende des Kauenumbaus gehabt habe. Jedoch müsse bei einer Auslegung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck berücksichtigt werden, dass es sich bei der KAL um eine Leistung eigener Art handele, die wegen der wirtschaftlichen Situation und der Strukturveränderungen im Bereich des Bergbaus und der besonderen Schutzwürdigkeit entlassener langjährig unter Tage beschäftigter qualifizierter älterer Bergleute geleistet werde. Deshalb seien unter den Gründen für das Ausscheiden aus dem knappschaftlichen Betrieb nur diejenigen zu verstehen, die rechtlich wesentlich im Sinne der sozialrechtlichen Kausalitätslehre auf den veränderten Wirtschafts- und Strukturbedingungen im Bereich des Bergbaus beruhten; bei dem Auslaufen des befristeten Arbeitsvertrags des Klägers zum 30. November 1997 sei dies nicht der Fall. Bei dem Kauenumbau habe es sich um eine befristete Maßnahme gehandelt, der Arbeitsvertrag sei damit konform befristet worden; betriebsbedingte Kündigungen habe es nicht gegeben.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und rügt eine fehlerhafte Auslegung des § 239 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI durch das LSG. Er trägt vor, die KAL sei 1963 als vorübergehende zusätzliche Hilfe für den seiner Zeit besonders schutzbedürftigen Personenkreis der 55- bis 60-jährigen Bergleute eingeführt worden und habe auch unter dem SGB VI nach über 40 Jahren weiterer Reduzierungen der Steinkohleförderung weiter Bestand, weil sich an der Situation der älteren Arbeitnehmer im Bergbau nichts Grundlegendes geändert habe. Die Bestimmungen über die KAL bildeten nach wie vor die wichtigste Grundlage für die wirtschaftliche Sicherung der älteren Bergleute bei ihrem Ausscheiden aus dem Bergbau. Nach dem Beitritt der neuen Bundesländer habe der Gesetzgeber den Bergleuten in den neuen Bundesländern denselben Schutz gewährt, indem er den Bezug von Bergmannsvollrente mit dem Bezug von Anpassungsgeld für längstens 5 Jahre gleichgestellt habe (§ 239 Abs 1 Satz 2 SGB VI, eingefügt durch Art 1 Nr 54 Buchst a Renten-Überleitungsgesetz ≪RÜG≫, iVm § 239 Abs 2 Nr 2 SGB VI). Der Grund für die Gleichstellung liege darin, dass die Bergleute im Beitrittsgebiet nach der Wende ihren Arbeitsplatz ebenfalls durch Umstrukturierungsmaßnahmen verloren gehabt hätten oder von weiteren Umstrukturierungsmaßnahmen betroffen gewesen seien. Dabei sei der Gesetzgeber offenbar davon ausgegangen, dass bei Abkehr aus dem Bergbau auch keine befristete Wiedereinstellung des Bergmanns im knappschaftlichen Betrieb mehr erfolge. Wenn dies – wie beim Kläger – dennoch der Fall sei, könne es dann aber gleichwohl nur darauf ankommen, ob er Einfluss auf die (erneute) Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehabt habe; wenn er den Arbeitsplatz wie schon bei der früheren Abkehr wiederum ohne eigenes Verschulden verloren habe, gehöre er ebenfalls zu dem besonders betroffenen, geschützten Personenkreis. Die dreimonatige Befristung seiner Tätigkeit als Transportarbeiter sei ebenfalls aus Gründen der veränderten Wirtschafts- und Strukturbedingungen seines Betriebs erfolgt; denn die Grube sei geschlossen worden und neben der Verwahrtätigkeit ein Besucherbergwerk unter Tage entstanden; deswegen habe der Kläger nur noch für den Umbau der Kaue tätig werden können. Bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise liege kein Grund vor, ihm die KAL nicht zu gewähren.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 13. Mai 2004 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 21. Oktober 1999 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und trägt ergänzend vor, der Gesetzeszweck sei nach wie vor, zu verhindern, dass langjährig unter Tage Beschäftigte, die durch Stilllegung oder Teilstilllegung des Betriebs, wegen Betriebseinschränkungen oder Zusammenlegung von Betrieben oder wegen Mangels an geeigneten Arbeitsplätzen ihren Arbeitsplatz verloren hätten, zu Wanderarbeitern im Bergbau würden. Solche Gründe hätten beim Kläger möglicherweise wegen der zuvor bestandenen Kurzarbeit “Null” vorgelegen, als sein Arbeitsverhältnis bei der Kali und Salz GmbH, Werk Werra, noch vor Vollendung seines 50. Lebensjahrs zum 31. Mai 1992 geendet habe. Dann hätte sich bei ihm bereits damals die Gefahr, vor der die KAL bewahren solle, realisiert. Zum Zeitpunkt des Ablaufs des von vornherein befristet abgeschlossenen Arbeitsvertrags seien solche anspruchsrelevanten Gründe aber nicht mehr gegeben gewesen. Die Umstellung des Betriebs auf untertägige Verwahraufgaben zur bergtechnischen Sicherstellung des Grubenfelds und Einrichtung eines Besucherbergwerks sei bereits vor der befristeten Beschäftigung des Klägers erfolgt und der Kauenumbau nur eine Folgemaßnahme nach bereits vollständig vollzogener Veränderung der Strukturbedingungen gewesen.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf KAL. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Das LSG hat daher zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Anspruch auf KAL richtet sich nach § 239 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des RÜG vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606). Nach § 239 Abs 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf KAL, wenn sie
1. nach Vollendung des 55. Lebensjahres aus einem knappschaftlichen Betrieb ausscheiden, nach dem 31. Dezember 1971 ihre bisherige Beschäftigung unter Tage infolge im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit wechseln mussten und die Wartezeit von 25 Jahren mit Beitragszeiten auf Grund einer Beschäftigung mit ständigen Arbeiten unter Tage erfüllt haben, oder
2. aus Gründen, die nicht in ihrer Person liegen, nach Vollendung des 55. Lebensjahres oder nach Vollendung des 50. Lebensjahres, wenn sie bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben, aus einem knappschaftlichen Betrieb ausscheiden und die Wartezeit von 25 Jahren entweder (a) mit Beitragszeiten auf Grund einer Beschäftigung unter Tage erfüllt haben oder (b) mit Beitragszeiten erfüllt haben, eine Beschäftigung unter Tage ausgeübt haben und diese Beschäftigung wegen körperlicher Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung aufgeben mussten, oder
3. nach Vollendung des 55. Lebensjahres aus einem knappschaftlichen Betrieb ausscheiden und die Wartezeit von 25 Jahren mit knappschaftlichen Beitragszeiten erfüllt haben und (a) vor dem 1. Januar 1972 15 Jahre mit Hauerarbeiten (Anlage 9) beschäftigt waren, wobei der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnende Ersatzzeiten infolge einer Einschränkung oder Entziehung der Freiheit oder infolge Verfolgungsmaßnahmen angerechnet werden, oder (b) vor dem 1. Januar 1972 Hauerarbeiten infolge im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit aufgeben mussten und 25 Jahre mit ständigen Arbeiten unter Tage oder mit Arbeiten unter Tage vor dem 1. Januar 1968 beschäftigt waren oder (c) mindestens 5 Jahre mit Hauerarbeiten beschäftigt waren und insgesamt 25 Jahre mit ständigen Arbeiten unter Tage oder mit Hauerarbeiten beschäftigt waren, wobei auf diese 25 Jahre für je zwei volle Kalendermonate mit Hauerarbeiten je drei Kalendermonate angerechnet werden.
Nach § 239 Abs 1 Satz 2 SGB VI steht dem Bezug von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus nach Nummer 2 der Bezug der Bergmannsvollrente für längstens fünf Jahre gleich.
Im Fall des Klägers ist keine der aufgeführten Fallgestaltungen gegeben. Der Kläger hat zwar durchgehend überwiegend unter Tage gearbeitet, er behauptet aber nicht, und es ist auch nicht ersichtlich, dass er diese Tätigkeit iS von § 239 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Nr 2 Buchst b SGB VI aus gesundheitlichen Gründen hat wechseln bzw aufgeben müssen. Auf Grund seiner Beschäftigung als Hauer im Beitrittsgebiet konnte der Kläger ferner nicht die von § 239 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI in allen Alternativen verlangten Zeiten mit Hauerarbeiten zurücklegen. Denn um solche handelt es sich nach der Anlage 9 zum SGB VI, auf die die Vorschrift verweist, nur bei bestimmten “im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet ausgeübten Arbeiten”. Im Übrigen ist der Kläger aber auch nicht im Sinne der genannten Vorschriften aus einem knappschaftlichen Betrieb “ausgeschieden”. Aus diesem Grund sind auch die Voraussetzungen für eine KAL nach § 239 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI nicht erfüllt. Das in allen Fallgestaltungen angeführte Tatbestandsmerkmal des Ausscheidens bezieht sich auf die Beendigung eines an sich auf (weitere) Dauer angelegten Beschäftigungsverhältnisses und erfasst grundsätzlich nicht die Beendigung eines wegen eines kurzfristigen zusätzlichen Arbeitsanfalls von vornherein befristeten Beschäftigungsverhältnisses. Dieses Verständnis ergibt sich aus Sinn und Zweck der KAL, wie es auch durch die Entstehungsgeschichte des § 239 SGB VI bestätigt wird.
Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei der KAL um eine auf die besondere Lage im Bergbau abgestellte Leistung. Sie wurde bereits unter der Geltung des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) geschaffen, und zwar mit § 98a RKG, eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des RKG vom 23. Mai 1963 (BGBl I 359). Es sollten damit diejenigen langjährig unter Tage Beschäftigten des Bergbaus, vornehmlich Hauer, finanziell abgesichert werden, die wegen der Strukturveränderungen und Rationalisierungsmaßnahmen im Bergbau ihren Arbeitsplatz in einem knappschaftlichen Betrieb aufgeben mussten und im Zeitpunkt des Arbeitsplatzverlustes das 55. Lebensjahr bereits vollendet, aber noch keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Alters hatten. Dabei wurde davon ausgegangen, dass solche Fachkräfte des Bergbaus mit ihrer speziellen Berufsausbildung in diesem Alter kaum noch auf anderen Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarkts angemessen untergebracht werden können (BSG Urteil vom 10. September 1981 – 5a/5 RKn 15/80 – BSGE 52, 93, 95 = SozR 2600 § 98a Nr 2; vgl auch die mündliche Begründung zum Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik des Deutschen Bundestags ≪BT-Drucks IV, 1146≫ durch den Berichterstatter, BT-Protokoll 4. Wahlperiode, 70. Sitzung, S 3241). Die Regelung wurde in der Folgezeit verschiedentlich ausgebaut, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des RKG und anderer Gesetze vom 22. Dezember 1971 (BGBl I 2110) für den Zeitraum ab 1. Januar 1972 (vgl die Darstellung bei Ilgenfritz, Reichsknappschaftsgesetz, § 98a RKG, RdNr 1, Stand Juli 1988). Die mit dem zuletzt genannten Gesetz zusätzlich geschaffene Möglichkeit des Bezugs von KAL auch für solche Arbeitnehmer, die nach Vollendung des 50., aber vor Vollendung des 55. Lebensjahrs entlassen wurden und anschließend Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus erhielten, kam allerdings im alten Bundesgebiet nur Beschäftigten des Steinkohlebergbaus zugute; denn nur für solche ist die Gewährung von Anpassungsgeld vorgesehen (vgl die Richtlinien des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen über die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus vom 13. Dezember 1971, BAnz Nr 233, vom 15. Dezember 1971 mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende 2005 durch die Richtlinien des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie über die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus vom 17. Juni 1999, BAnz Nr 126 vom 10. Juli 1999, S 11179).
Die Regelung des § 98a RKG ist inhaltlich unverändert mit dem Rentenreformgesetz 1992 vom 18. Dezember 1989 (RRG 1992 – BGBl I 2261) durch § 239 SGB VI ersetzt und in die Sonderregelungen des Fünften Kapitels des SGB VI aufgenommen worden. Das gilt auch, soweit in der Gesetzesformulierung jetzt nicht mehr davon gesprochen wird, dass die bisherige Beschäftigung in einem knappschaftlichen Betrieb “endet”, sondern davon, dass die Versicherten aus einem knappschaftlichen Betrieb “ausscheiden”. Denn bereits unter dem alten Recht galt als maßgeblicher Zeitpunkt das Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem knappschaftlichen Betrieb (vgl BSG Urteil vom 19. März 1970 – 5 RKn 16/69 – SozR Nr 3 zu § 53 RKG sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. Januar 1980 – L 2 RKn 134/79 – Breithaupt 1983, 51; Schimanski/Emmerich/Warode/Lueg, Knappschaftsversicherung, Komm, Anm 15 zu § 98a RKG, S 135l, Stand Dezember 1987). In der Gesetzesbegründung ist ausgeführt, die Vorschrift entspreche inhaltlich dem geltenden Recht; zu gegebener Zeit werde zu prüfen sein, ob nach Abschluss des strukturellen Anpassungsprozesses im Bergbau und aus arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten für die KAL noch eine Notwendigkeit bestehe (BT-Drucks 11/4124, S 198 zu § 234, dem § 239 SGB VI idF des RRG 1992 im Wesentlichen entspricht). Es ist nicht ersichtlich, dass sich durch die Erstreckung des SGB VI auf das Beitrittsgebiet an dem Sinn und Zweck der KAL Entscheidendes geändert hätte. Die Gleichstellung des Bezugs von Bergmannsvollrente mit dem Bezug von Anpassungsgeld (§ 239 Abs 1 Satz 2 SGB VI, eingefügt durch Art 1 Nr 54 Buchst a RÜG) diente lediglich dazu, den Bergleuten in den neuen Bundesländern außerhalb des Steinkohlebergbaus, den es dort nicht gibt, ebenfalls den Zugang zur KAL auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen die Entlassung aus dem knappschaftlichen Betrieb nach Vollendung des 50., aber vor Vollendung des 55. Lebensjahrs erfolgt (BT-Drucks 12/826, S 16).
In allen Fallgestaltungen geht es mithin bei der KAL nach der beschriebenen Zielsetzung weiterhin darum, den langjährig unter Tage Beschäftigten einen Teil des Verdienstes zu sichern, der ihnen dadurch entgeht, dass sie im fortgeschrittenen Alter ihr bergmännisches Beschäftigungsverhältnis aufgeben bzw aufgeben müssen, ohne Aussicht zu haben, noch eine anderweitige Beschäftigung zu finden, wobei es unter den sonstigen Voraussetzungen des § 239 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI zusätzlich darauf ankommt, dass die Beendigung der Beschäftigung nicht in der Person des Versicherten begründet, sondern betrieblich veranlasst ist. Aber auch im Sinne dieser Vorschrift ist ein Versicherter nur dann “ausgeschieden”, wenn er wegen vorzeitiger Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auf die sonst mit dessen Fortsetzung verbundene Verdienstmöglichkeit verzichtet bzw verzichten muss. Da überhaupt nur in diesem Fall ein Verlust entstehen kann, der als Anlass und innere Rechtfertigung für eine Ausgleichsleistung in Betracht kommt, ist auch nur in diesem Fall zu fragen, ob dabei persönliche oder betriebliche Gründe im Vordergrund standen (vgl auch BSG Urteil vom 7. Juli 1970 – 5 RKn 77/67 – SozR Nr 2 zu § 98a RKG zum Anspruch auf KAL nach § 98a RKG, wenn die an sich zu erwartende Weiterbeschäftigung eines leistungsgeminderten Versicherten in einer anderen, leichteren Tätigkeit im Beschäftigungsbetrieb wegen Arbeitsmangels nicht möglich war).
Die in § 239 Abs 1 SGB VI vorausgesetzte Schutzbedürftigkeit des Versicherten entsprechend der Zielsetzung der Regelung ergibt sich aber grundsätzlich nicht, wenn die Beschäftigung – wie im Fall eines von vornherein befristeten Arbeitsverhältnisses – zum vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt endet und eine weitere Beschäftigung nicht zu erwarten ist. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses als solche besagt allerdings nichts über deren Grund. Indes kann, auch wenn dafür betriebliche Gründe maßgeblich waren, die Befristung nicht ohne weiteres einer betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleichgestellt werden (vgl auch BAG Urteil vom 6. Oktober 1993 – 10 AZR 477/92 – NZA 1994, 465 zum Verhältnis von Befristung und betriebsbedingter Kündigung). Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn die Befristung unzulässig ist, sodass rechtlich von einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis auszugehen wäre, oder wenn die Befristung im Zusammenhang mit bevorstehenden Rationalisierungsmaßnahmen dazu dient, den notwendigen Personalabbau zu erleichtern. Ein derartiger Fall liegt hier indes nicht vor.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hatte der Kläger am 31. Mai 1992, als sein 1957 beim VEB Kaliwerk Werra begründetes und mit dessen Rechtsnachfolgern fortgesetztes Arbeitsverhältnis endete, sein 50. Lebensjahr noch nicht vollendet. Deswegen konnte sein Ausscheiden aus dem Bergbau zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf KAL begründen. Die am 1. September 1997 aufgenommene neue Beschäftigung, bei deren Beendigung am 30. November 1997 er sein 55. Lebensjahr vollendet hatte, endete nicht vorzeitig, sondern entsprechend dem von vornherein für diese Zeit befristeten Arbeitsvertrag. Die Vereinbarung des befristeten Arbeitsvertrags diente lediglich der Bewältigung eines zeitlich begrenzten zusätzlichen Arbeitsanfalls wegen des Kauenumbaus; ein Zusammenhang mit Maßnahmen zum Personalabbau bestand nicht. Diese tatsächlichen Feststellungen des LSG sind von der Revision nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen und daher für den Senat bindend (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Aus ihnen folgt, dass beim Kläger bei Abschluss des befristeten Arbeitsverhältnisses und auch während dessen Dauer keine Beschäftigung über das 55. Lebensjahr hinaus zu erwarten war. Mithin ist er weder nach Vollendung des 50. noch nach Vollendung des 55. Lebensjahrs im Sinne des § 239 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI aus einem knappschaftlichen Betrieb ausgeschieden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1382480 |
NZS 2005, 654 |
SGb 2005, 231 |