Tatbestand
,
Kläger, Revisionsbeklagter und Anschlußrevisionskläger,
Prozeßbevollmächtigter:
gegen
Beklagte und Revisionsklägerin
Prozeßbevollmächtigter:
beigeladen:
Revisionskläger.
Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 1979
für Recht erkannt:
1. |
Die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Oktober 1977 werden zurückgewiesen. |
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2. |
Auf die Anschlußrevision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben, soweit es die Klage gegen den Beschluß der Beschwerdekommission vom 20. Oktober 1976 abgewiesen und über die außergerichtlichen Kosten des Klägers entschieden hat. |
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3. |
Der Beschluß der Beschwerdekommission wird auch insoweit aufgehoben, als er Leistungen des Klägers nach den Ziffern 768 und 103d E-Adgo betrifft. |
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4. |
Die Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Klägers im Klage- und im Revisionsverfahren je zur Hälfte. |
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I
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars, das dem Kläger, einem in H… niedergelassenen und an der Ersatzkassenpraxis beteiligten Urologen, für das 1. Quartal 1975 (I/75) ans seiner Tätigkeit für die Ersatzkassen zusteht.
Der Kläger forderte für dieses Quartal, für das er Leistungen aus 406 Behandlungsfällen abrechnete, ein Honorar von etwa 54.000 DM. Davon kürzte die Prüfungskommission wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in vier Leistungsarten 8.206 DM, und zwar strich sie von den Leistungen nach Ziffer 65 der Ersatzkassen-Gebührenordnung (E-Adgo) i.d.F. vom 1. Januar 1975 (eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Untersuchungen) 50%, von den Leistungen nach Ziffer 19 E-Adgo (Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit) 20% und von den Leistungen nach Ziffer 772 E-Adgo (chemische Analysen schwierig-quantitativer Art unter Anwendung hochwertiger Meßgeräte) 30% außerdem wandelte sie von den Leistungen nach Ziffer 914e E-Adgo (Infusionsurographie) 80% in geringer vergütete Leistungen nach Ziffer 914a E-Adgo (Ausscheidungsurographie) um (Beschluß vom 27. August 1975, dem Kläger und dem beigeladenen Verband der Angestelltenkrankenkasse -VdAK- mitgeteilt mit Bescheid vom 19. September 1975).
Dem Widerspruch des Klägers half die Prüfungskommission nicht ab, sondern legte ihn der Beschwerdekommission vor. Diese hob den Beschluß der Prüfungskommission auf und erhöhte den Kürzungsbetrag auf 12.389 DM, indem sie die Leistungen nach Ziffer 19 um 60% statt bisher 20%, die Leistungen nach Ziffer 772 um 50% statt bisher 30% kürzte und die Kürzung auf drei weitere Leistungsarten ausdehnte. Danach setzte sich der Kürzungsbetrag wie folgt zusammen:
50% Streichung der Ziffer 65 E-Adgo = 1.961,-- DM
60% Streichung der Ziffer 19 E-Adgo = 903,-- DM
50% Streichung der Ziffer 772 E-Adgo = 6.484,50 DM
80% Umwandlung der Ziffer 914e E-Adgo in Ziffer 914a E-Adgo = 2.050,05 DM
40% Streichung der Ziffer 768 E-Adgo = 758,40 DM
30% Streichung der Ziffer 103 E-Adgo = 168,35 DM
20% Streichung der Ziffer 58 E-Adgo = 63,70 DM
Die neu gekürzten Leistungsarten betrafen Untersuchungen von Körperflüssigkeiten oder -ausscheidungen (Ziffer 768), Anästhesien der Harnröhre und/oder Harnblase (Ziffer 103 d) und Digitaluntersuchungen des Mastdarms und/oder der Prostata (Ziffer 58).
Die Beschwerdekommission begründete die weiteren Kürzungen damit, daß neue Gesichtspunkte aufgetreten seien: Der durchschnittliche Gesamtfallwert des Klägers (133,37 DM) liege weit über dem vergleichbarer Praxen (81,02 DM). Die Überschreitung gehe im wesentlichen zu Lasten des Laboraufwands. Bei Durchsicht der Krankenscheine des Klägers sei ein nahezu gleichförmiges Untersuchungsschema festzustellen. Das gelte sowohl für eingehende Untersuchungen wie für Blutsenkungen; auch ohne letztere sei in der Urologie in der Regel eine eindeutige Diagnose möglich, zudem könnte der Kläger die Werte sicher vom überweisenden Arzt erfahren. Der unwirtschaftliche Ansatz dieser Leistungen sei somit weit umfangreicher als die Prüfungskommission festgestellt habe. Die Bestimmung der harnpflichtigen Substanzen (Ziffer 772 E-Adgo) habe beim Kläger in einer Reihe von Fällen (u.a. bei einfachen Blasen- und bei Prostataentzündungen) nur der Routineüberprüfung gedient; die Zahl der berechtigten Serumuntersuchungen habe weit unter 50% gelegen, so daß die Kürzung von 30 auf 50% erhöht worden sei. Unwirtschaftlich sei es auch, wenn der Kläger Laboruntersuchungen nach Ziffer 768 E-Adgo in vielen Fällen mehrfach durchgeführt habe. Mit Recht habe die Prüfungskommission ferner 80% der Infusionsurographien in nur halbso kostspielige einfache Urographien umgewandelt. Die vom Kläger abgerechneten Anästhesien der weiblichen Harnröhre bei der Zystoskopie seien in der Regel weder effektiv möglich noch notwendig. Eine Digitaluntersuchung des Mastdarms (Ziffer 58 E-Adgo) sei zwar grundsätzlich neben einer eingehenden Untersuchung nach Ziffer 65 abrechnungsfähig, bei Urologen schließe jedoch die eingehende Untersuchung - anders als bei Internisten - im allgemeinen eine Leistung nach Ziffer 58 ein (Beschluß der Beschwerdekommission vom 20. Oktober 1976, dem Kläger und dem Beigeladenen mitgeteilt mit Einschreiben vom 25. November 1976).
Der Kläger hat den Beschluß der Beschwerdekommission angefochten, soweit darin der Beschluß der Prüfungskommission zu seinem Nachteil geändert worden ist. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage insoweit stattgegeben, als die zusätzliche Honorarkürzung durch die Beschwerdekommission die Ziffern, 772, 19 und 58 E-Adgo betrifft. Nach Ansicht des SG hat zwar die Beschwerdekommission eine umfassende Entscheidungsbefugnis, sobald ein durch den Prüfungsbescheid Betroffener diesen anficht. Sie dürfe jedoch die Entscheidung der Prüfungskommission nur dann zum Nachteil des Beschwerdeführers ändern, wem der Begriff der Wirtschaftlichkeit verkannt worden sei, wenn insbesondere die Beschwerdekommission andere oder zusätzliche Ursachen der Unwirtschaftlichkeit aufgedeckt oder neue Erkenntnisse hinsichtlich des Umfanges der Unwirtschaftlichkeit gewonnen habe; eine Änderung lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen sei dagegen nicht zulässig. Da letzteres hier für die weitergehende Kürzung der Leistungen nach Ziffer 772 E-Adgo zutreffe, sei diese - nicht auf neuen Erkenntnissen beruhende - Kürzung aufzuheben. Die zusätzliche Kürzung der Leistungen nach Ziffer 19 E-Adgo habe die Beschwerdekommission nicht mit Einzelfällen begründet, was bei einer Kürzung bis nahe an die Durchschnittswerte der Fachgruppe erforderlich gewesen wäre. Die neue Kürzung der Leistungen nach Ziffer 58 E-Adgo sei nicht zulässig, weil diese Leistungen neben denen nach Ziffer 65 abgerechnet werden dürften. Im übrigen sei dagegen die Entscheidung der Beschwerdekommission rechtmäßig, da die neuen oder erhöhten Kürzungen auf neuen, erst im Widerspruchsverfahren gewonnenen Erkenntnissen beruhten (Urteil vom 19. Oktober 1977).
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) und der beigeladene VdAK haben - jeweils mit Zustimmung der anderen Beteiligten - die vom SG zugelassene Revision eingelegt. Die Beklagte hat ihre Revision auf die Entscheidung des SG zu Ziffer 772 E-Adgo beschränkt, um die Frage nach der Zulässigkeit einer Verböserung im Widerspruchsverfahren höchstrichterlich klären zu lassen. Sie hält die differenzierende Entscheidung dieser Frage durch das SG nicht für zutreffend; es komme wesentlich auf eine Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte und den Interesse eines Begünstigten am Schutze seines Vertrauens in den Bestand behördlicher Verfügungen an. Insofern müßten aber die am Prüfverfahren beteiligten Ärzte wissen, daß die von ihnen geltend gemachten Honoraransprüche bis zur endgültigen Klärung durch die Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht feststünden; das erstinstanzliche Prüfungsverfahren könne dabei nur summarisch sein; wäre eine Schlechterstellung im Beschwerdeverfahren nicht zulässig, müßten die betroffenen Krankenkassen vorsorgliche Widersprüche einlegen mit der Folge einer unnötigen Aufblähung der Verwaltung.
Die Beklagte beantragt,das Urteil des SG zu ändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, als der Beschluß der Beschwerdekommission vom 20. Oktober 1976 hinsichtlich der Kürzung der Ziffer 772 E-Adgo aufgehoben worden sei.
Auch nach Ansicht des beigeladenen VdAK hat die Prüfungskommission zwar die "Grundentscheidung" zu treffen; die gewichtigere und umfassendere Prüfung erfolge jedoch in der zweiten Instanz, was auch den Ärzten bekannt sein müsse. Ein Verbot der Schlechterstellung im Beschwerdeverfahren sei deshalb nicht gerechtfertigt; das gelte auch für die vom SG gemachten Einschränkungen.
Der Beigeladene beantragt,das Urteil des SG zu ändern und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
Der Kläger hat Anschlußrevision eingelegt und beantragt sinngemäß,den Beschluß der Beschwerdekommission auch insoweit aufzuheben, als dieser vom SG bestätigt worden ist.
Er meint, ein Arzt, der Widerspruch einlege, müsse in seinem Vertrauen darauf geschützt werden, daß seine Position im Widerspruchsverfahren nicht verschlechtert werde, sofern die Prüfungskommission nicht offensichtlich falsch entschieden habe. in jedem Falle hätte ihm vor einer Schlechterstellung rechtliches Gehör gewährt werden müssen.
II
Sie Sprungrevisionen der beklagten KÄV und des beigeladenen VdAK sind statthaft (§ 161 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und zulässig. Auch die Anschlußrevision des Klägers ist nach § 556 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i.d.F. des Gesetzes vom 8. Juli 1975 (BGBl. I 1863) i.V.m. § 202 SGG zulässig. Während eine Anschlußrevision nach § 556 Abs. 1 ZPO i.d.F., die vor dem Inkrafttreten des genannten Gesetzes (15. September 1975) galt, bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingelegt und begründet werden mußte (BSGE 8, 24, 29), genügt es nunmehr, daß die Anschließung bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung erfolgt (Meyer-Ladewig, SGG, § 160 Randziffer - Rz. - 3). Diese Voraussetzung erfüllt die am 27. Februar 1978 eingelegte und gleichzeitig begründete Anschlußrevision des Klägers; denn die Revisionsbegründungen der Beklagten und des Beigeladenen sind ihm erst im Februar 1978 zugestellt worden.
Die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen sind unbegründet. Erfolg hat dagegen die Anschlußrevision des Klägers. Soweit er den Beschluß der Beschwerdekommission vom 20. Oktober 1976 angefochten hat, ist der Beschluß schon deswegen rechtswidrig, weil dem Kläger vor seinem Erlaß nicht Gelegenheit gegeben worden ist, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die vorherige Anhörung des Klägers war nicht nur zweckmäßig, wie das SG gemeint hat, sondern geboten (§ 34 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - SGB I vom 11. Dezember 1975, BGBl. I 3015, in Kraft seit dem 1. Januar 1976, Art II § 23 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes).
Für welche Verwaltungsbereiche das Anhörungsgebot des § 34 SGB I gilt, ob namentlich auch für das Verhältnis der KÄV zu ihren Mitgliedern, den Kassenärzten, ist der Vorschrift nicht unmittelbar zu entnehmen. Systematisch ist sie Teil der "Gemeinsame (n) Vorschriften für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs" (Überschrift des Dritten Abschnitts des SGB I). Zu den Sozialleistungsbereichen in engeren Sinne gehört das Kassenarztrecht nicht. Die Kassenärzte erhalten von der KÄV zwar Honorar, aber keine Sozialleistungen i.S. des § 11 SGB I. Die KÄVen sind daher auch keine Leistungsträger i.S. des § 12 i.V.m. §§ 18 bis 29 SGB I; sie zählen jedoch zu den "sonstigen in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen", die in mehreren Vorschriften des Zweiten und des Dritten Abschnitts neben den Leistungsträgern und ihren Verbänden erwähnt werden (vgl. §§ 13, 17 Abs. 2 und 35 Abs. 1 sowie die Begründung zu § 13, BT-Drucks. 7/868, S. 25). Das rechtfertigt es, die Vorschriften dieser Abschnitte auch in denjenigen Bereichen anzuwenden, die - wie das Kassenarztrecht in engem Zusammenhang mit den eigentlichen Sozialleistungsbereichen geregelt worden sind, sofern nicht bei einzelnen Vorschriften dieser Abschnitte die Anwendung ausdrücklich oder sinngemäß auf Leistungsträger i.S. des § 12 SGB I beschränkt worden ist. Das trifft für § 34 SGB I nicht zu. Er handelt allgemein von Verwaltungsakten und von Beteiligten, ohne die Stellen, die die Verwaltungsakte erlassen, und die Art der Beteiligten näher zu kennzeichnen.
Eine dem § 54 SGB i vergleichbare Vorschrift enthält für das allgemeine Verwaltungs(verfahrens)recht des Bundes § 28 des am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vom 25. Mal 1976 (BGBl. I 1253). Nach dessen Abs. 2 kann allerdings - abweichend von § 34 Abs. 2 - SGB I - von einer Anhörung nicht nur in bestimmten Ausnahmefällen, die ähnlich wie in § 34 Abs. 2 SGB I enumerativ geregelt sind (Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5), sondern schon dann abgesehen werden, "wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles geboten ist". Die Aufnahme einer entsprechenden GeneraIklausel in den §§ 34 Abs. 2 SGB I, die noch der Regierungsentwurf vorgesehen hatte (BT-Drucks. 7/868), ist ungeachtet aller Harmonisierungsbestrebungen daran gescheitert, daß der für das SGB federführende Ausschuß des Bundestages die Rechte der Verfahrensbeteiligten mit Rücksicht auf das "besondere Abhängigkeitsverhältnis im Sozialrecht" stärken wollte (BT-Drucks. 7/3786, Begründung zu § 34). Dabei hatte er offenbar in erster Linie die besonders schutzbedürftigen Empfänger von Sozialleistungen im Auge. Dieses Regelungsmotiv ist jedoch im Gesetz selbst nicht zum Ausdruck gekommen. Deshalb hält der Senat es nicht für zulässig, § 34 SGB I auf solche Verwaltungsakte zu beschränken, die von Leistungsträgern gegenüber Sozialleistungsempfängern erlassen werden, Kassenärzte also in ihrem Verhältnis zur KÄV von der Vorschrift auszunehmen. Dazu besteht um so weniger Anlaß, als Kassenärzte auch sonst, vor allem als Beteiligte an einem sozialgerichtlichen Verfahren, die besonderen Vergünstigungen dieses Verfahrens (z.B. seine Kostenfreiheit, bestimmte Formerleichterungen usw.) genießen, die der Gesetzgeber an sich nur für Bevölkerungsgruppen geschaffen hat, zu denen die Kassenärzte ihrer sozialen Stellung nach nicht gehören. § 34 SGB I gilt mithin auch für die KÄV im Verhältnis zu ihren Mitgliedern.
Nach Abs. 1 dieser Vorschrift besteht eine Pflicht zur Anhörung und damit zur Gewährung von rechtlichem Gehör im weiteren, auch das Verwaltungsverfahren einschließenden Sinne, "bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift". Ein solcher Eingriff liegt nur vor, wenn die Verwaltungsentscheidung den vorhandenen Rechtskreis des Betroffenen beeinträchtigt (BT-Drucks. 7/868, Begründung zu § 34). Wie der Begriff des Eingriffsaktes sich dabei zu dem des belastenden Verwaltungsaktes verhält, kann hier auf sich beruhen (vgl. dazu Stelkens/Bonk/Leonhardt, Kommentar zum VwVfG, § 28 Rz. 9). Nicht zu den anhörungspflichtigen Verwaltungsakten gehören - jedenfalls in der Regel - diejenigen Akte, die über Bestehen und Umfang eines vom Antragsteller lediglich behaupteten Rechts entscheiden, insbesondere einen von ihm erhobenen Zahlungsanspruch nach Grund und Höhe feststellen, mag die Entscheidung in positivem Sinne ergehen oder ganz oder teilweise negativ ausfallen (ablehnende Verwaltungsakte). Obwohl auch ablehnende Verwaltungsakte den Adressaten beschweren und ihm deshalb ein Recht zur Anfechtungsklage geben (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG), greifen sie nicht in seinen - von der erlassenden Stelle als vorhanden vorausgesetzten - Rechtskreis ein. Insoweit hat der Gesetzgeber bewußt "von einer Anhörungspflicht abgesehen, weil der Betroffene in der Regel im Zusammenhang mit seinem Antrag Gelegenheit zu Stellungnahme hat und die Mitteilung der beabsichtigten Ablehnung die Tätigkeit der Verwaltung unnötig erschweren würde; eine erneute Stellungnahme kann der Betroffene im Widerspruchs- oder Rechtsmittelverfahren vortragen" (Begründung zu § 34 a.a.O.)
Für die - auch von der wohl überwiegenden Meinung im Schrifttum gebilligte - Ausklammerung der ablehnenden Verwaltungsakte spricht ferner die Entstehungsgeschichte des § 28 Abs. 1 VwVfG und des ihm wortgleichen § 34 Abs. 1 SGB I; ersterem sollte ursprünglich als Satz 2 eine - später wieder gestrichene - Bestimmung beigefügt werden, nach der "das gleiche", d.h. eine Pflicht zur Anhörung, gelten sollte, "bevor ein Antrag abgelehnt wird, der den Erlaß eines Verwaltungsaktes zum Gegenstand hat" (vgl. Stelkens u.a. a.a.O. § 28 Rz. 1, 2 und 10). Daß mit der späteren Streichung dieses Satzes die ablehnenden Verwaltungsakte von der Anhörungspflicht grundsätzlich freigestellt werden sollten, zeigt die Aufnahme einer - dem gestrichenen Satz inhaltlich entsprechenden - Bestimmung in den Ausnahmekatalog des Absatzes 2 (§ 24 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG i.d.F. der BT-Drucks. 7/910, sachlich übereinstimmend § 34 Abs. 2 Nr. 3 SGB I i.d.F. der BT-Drucks. 7/868). Nachdem die genannte Ausnahmebestimmung dann zu der Gesetz gewordenen Fassung redaktionell umgestaltet worden war (Stelkens u.a. a.a.O. § 28 Rz. 3), wurde dieser neuen Fassung auch § 34 Abs. 2 SGB I angepaßt (BT-Drucks. 7/3738 und 7/3786, jeweils zu § 34; Schellhorn in Burdenski/v.Maydell/Schellhorn, Kommentar zum SGB I, § 34 Rz. 5). Hieraus ergibt sich, daß die Ablehnung eines Antrages allein noch keine Pflicht zur Anhörung des Antragstellers begründet, daß dies vielmehr erst dann gilt, wenn von einer in dem Antrag enthaltenen tatsächlichen Angabe zuungunsten des Antragstellers abgewichen werden soll (§ 34 Abs. 2 Nr. 3 SGB I; im Ergebnis ebenso die Kommentare zum SGB I von Hauck/Haines § 34 Rz. 5, Peters § 34 Anm. 4, Wannagat § 34 Rz. 9; a.A. Schellhorn a.a.O., § 34 Rz. 16 und 17, aber auch 22, und - zurückhaltender - Bley in RVO-Gesamtkommentar, SGB I § 34 Anm. 4 d, S. 314; für das VwVfG vgl. einerseits Stelkens u.a. a.a.O. § 28 Rz. 10 und den Kommentar von Knack § 28 Rz. 3, andererseits die Kommentare von Meyer/Borgs § 28 Rz. 8 und 9, Kopp § 28 Anm. 4, sowie Götz in NJW 1976, 1421, 1427, ferner Badura in Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. S. 292).
Nicht unter § 34 Abs. 1 SGB I fallen hiernach Honorarbescheide, mit denen die KÄV bei ihren Mitgliedern die Höhe der Vergütung festsetzt, die ihnen aus ihrer Tätigkeit für die gesetzlichen Krankenkassen und die Ersatzkassen zusteht. Diese Festsetzung kann der Honoraranforderung des Arztes voll entsprechen. Sie kann aber auch hinter seiner Forderung zurückbleiben, etwa weil diese rechnerisch oder bezüglich der ordnungsgemäßen Anwendung der Gebührenordnung berichtigt werden mußte (vgl. für die Ersatzkassenpraxis § 12 Nr. 3 des am 20. Juli 1963 geschlossenen und am 1. Oktober 1963 in Kraft getretenen Ersatzkassenvertrages - EKV -). Auch in diesem Falle greift der Honorarbescheid nicht in schon bestehende Rechte des Arztes ein, sondern stellt - indem er einen Teil der geltend gemachten Forderung für nicht abrechnungsfähig erklärt und damit insoweit eine positive Honorarfestsetzung "ablehnt" - lediglich die Höhe der zustehenden Vergütung fest.
Ob das gleich auch für Bescheide gilt, die nach Prüfung der Behandlungsweise auf ihre Wirtschaftlichkeit einen (weiteren) Teil der abgerechneten Leistungen als unwirtschaftlich und deshalb als nicht vergütungsfähig ausscheiden (vgl. § 368n Abs. 5 der Reichsversicherungsordnung - RVO -, für den Ersatzkassenbereich die Regelung in §§ 14 und 15 EKV i.V.m. den dazu ergangenen "Auswahlrichtlinien"), läßt der Senat offen. Die Frage wäre zu bejahen, d.h. der "Kürzungsbescheid" würde nicht in bestehende Rechte des Arztes eingreifen, wenn mit der"Honorarkürzung" - ähnlich wie bei der rechnerischen oder gebührenordnungsmäßigen "Berichtigung" - erst die vergütungsfähigen Leistungen ihrer Höhe nach festgestellt würden (vgl. dazu BSGE 38, 201).
Sobald allerdings ein Kürzungsbescheid ergangen ist, steht nicht nur negativ fest, welcher Teil der abgerechneten Leistungen nicht vergütungsfähig ist, sondern umgekehrt auch positiv, daß im übrigen, d.h. hinsichtlich des von der Kürzung nicht betroffenen Teils der Leistungen, Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit nicht bestehen, daß diese Leistungen mithin von der KÄV und - über sie - von den Krankenkassen zu vergüten sind. Wäre es anders, dann wäre nicht erklärbar, warum auch die - letztlich zahlungspflichtigen - Krankenkassen einen dem Arzt erteilten Prüfungsbescheid mit dem Ziel anfechten können, eine erfolgte Kürzung auf einen weiteren, bisher als wirtschaftlich angesehenen Leistungsbereich auszudehnen (vgl. § 15 Nr. 6 EKV und das darin dem VdAK eingeräumte Widerspruchsrecht). Ein solches Anfechtungsrecht ist nur zu begründen, wenn der Prüfungsbescheid auch die Krankenkassen beschwert und zugleich den Arzt begünstigt, soweit er denjenigen Teil der Honorarforderung betrifft, der ungekürzt geblieben ist. Jede (weitere) Minderung dieses Honorarteils zuungunsten des Arztes ist mithin ein Eingriff in seine "Rechte". Daß diese Rechte auf einem Bescheid beruhen, der noch nicht unanfechtbar geworden ist, ändert nichts. Auch solche vorläufigen, noch nicht voll verfestigten Positionen sind eingriffsfähige Rechte i.S. des § 34 Abs. 1 SGB I, mag der Gesetzgeber dabei auch in erster Linie an Rechte gedacht haben, die dem Begünstigten unanfechtbar zuerkannt sind und erst später, etwa aufgrund veränderter Verhältnisse, wieder entzogen werden sollen (vgl. hierzu die Urteile des BSG vom 9. März und 31. Oktober 1978, 2 RU 99/77, 105/77 und 39/78, nach denen auch ein Bescheid, der eine vorläufige Rente entzieht und die Gewährung einer Dauerrente ablehnt oder diese niedriger als die vorläufige Rente festsetzt, in Rechte des Versicherten eingreift).
Nach § 34 Abs. 1 SGB I ist somit, wenn eine Krankenkasse Widerspruch gegen einen Prüfungsbescheid erhoben hat, dem beteiligten Arzt vor einer Entscheidung der Widerspruchsstelle, die dem Widerspruch auch nur teilweise stattgibt, Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Im umgekehrten Falle - der Arzt hat gegen den Prüfungsbescheid Widerspruch eingelegt - ist die Krankenkasse vor einer ihr ungünstigen Entscheidung zu hören. Eine entsprechende, allerdings noch in die Form einer Sollvorschrift gekleidete Regelung enthält schon § 71 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- vom 21. Januar 1960 (BGBl. I 17) Danach soll, wenn die Aufhebung oder Änderung des Verwaltungsaktes im Widerspruchsbescheid einen Dritten beschweren kann, dieser vor Erlaß des Widerspruchsbescheides gehört werden (nach Meyer-Ladewig, SGG, § 85 Rz. 6 bringt diese Bestimmung einen allgemeinen, auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz zum Ausdruck).
Eine Anhörungspflicht durch die Widerspruchsstelle besteht schließlich dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - zwar der Arzt den Widerspruch eingelegt hat, die Widerspruchsstelle jedoch zu seinen Ungunsten entscheiden, ihn also schlechter als in der ersten Verwaltungsentscheidung stellen will.
Ob eine solche Schlechterstellung (reformatio in peius) überhaupt zulässig ist, ist im Schrifttum und unter den Beteiligten streitig. Im allgemeinen Verwaltungsrecht wird ihre Zulässigkeit - wenn auch mit Einschränkungen und mit unterschiedlicher Begründung - überwiegend bejaht (vgl. vor allem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 23. Mai 1962, BVerwGE 14, 175: in erster Linie auf das jeweils anzuwendende Bundes- oder Landesrecht verweist demgegenüber das Urteil des BVerwG vom 12. November 1976, Bayerische Verwaltungsblätter 1977, 409; vgl. im übrigen Eyermann-Fröhler, VwGO, 7. Aufl., § 73 Rz. 7 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum). Für die zur Sozialgerichtsbarkeit gehörenden Rechtsgebiete wird die Frage dagegen überwiegend verneint (so insbesondere von Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 9. Aufl., S. 234 b VII und VIII, unter Berufung auf ihn auch vom BSG in einer beiläufigen Bemerkung im Urteil vom 23. April 1964, SozR SGG § 77 Nr. 44; vgl. ferner Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., 28. Nachtrag, § 77 SGG Anm. 3, die allerdings eine Ausnahme bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung machen). Nach anderer Auffassung (Meyer-Ladewig a.a.O. § 85 Rz. 5) darf die Widerspruchsstelle den Widersprechenden schlechter stellen, soweit die Ausgangsbehörde den Verwaltungsakt nach § 77 SGG aufheben (widerrufen oder zurücknehmen) könnte. Im Recht der Sozialversicherung wäre dies vor allem dann der Fall, wenn einer der in § 1744 RVO geregelten, den gerichtlichen Wiederaufnahmegründen nachgebildeten Tatbestände vorliegt, zumal selbst das Revisionsgericht, obwohl es sonst neue Tatsachen nicht berücksichtigen darf, Wiederaufnahmegründe in sein Verfahren einbeziehen kann (vgl. BSGE 18, 186). Voraussetzung für eine Berücksichtigung von "Wiederaufnahmegründen" (Rücknahmetatsachen) gegen denjenigen, der Widerspruch eingelegt hat, wäre allerdings, daß entweder die Widerspruchsstelle und die erste Verwaltungsinstanz identisch sind oder daß der Widerspruchsstelle die gleichen Befugnisse wie der ersten Verwaltungsinstanz zustehen, sie insbesondere deren Ermessensentscheidung durch eine eigene ersetzen darf, was indessen regelmäßig zutrifft (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. § 85 Rz. 4). Außer in diesen Fällen könnte eine Änderung der ersten Verwaltungsentscheidung zum Nachteil des Widersprechenden dann in Betracht kommen, wenn an dem Widerspruchsverfahren Dritte beteiligt sind, die die erste, auch sie beschwerende Verwaltungsentscheidung ebenfalls, jedoch mit umgekehrter Zielrichtung, angefochten haben (vgl. § 50 VwVfG und den wortgleichen § 47 im Entwurf eines Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren -, BT-Drucks. 8/2034). War den Dritten die erste Verwaltungsentscheidung nicht ordnungsgemäß mitgeteilt worden, dann hat die Widerspruchsfrist, gegen sie nicht zu laufen begonnen, so daß sie ihr Anfechtungsrecht bis zum Erlaß der Widerspruchsentscheidung nicht verloren haben (so der in BSGE 25, 34 entschiedene Fall). Das gleiche würde für Dritte gelten, die gegen die ihnen ordnungsgemäß mitgeteilte Entscheidung innerhalb der Widerspruchsfrist keinen Widerspruch eingelegt, sich aber nach ihrem Ablauf dem von einem anderen Beteiligten eingelegten Widerspruch angeschlossen haben, sofern eine solche Anschließung auch im Widerspruchsverfahren zulässig wäre (zur entsprechenden Anwendung der Anschließungsvorschriften im gerichtlichen Beschwerde- und im Erinnerungsverfahren vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. vor §§ 172 Rz. 4 und 178 Rz. 3; zu den Gründen für die Zulassung von Anschlußrechtsmitteln vgl. Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 11. Aufl., § 139 I 2).
Soweit hiernach im Widerspruchsverfahren, insbesondere in einem Verfahren mit mehreren Beteiligten, eine Änderung der ersten Verwaltungsentscheidung zum Nachteil des Widersprechenden zulässig sein sollte - der Senat braucht die Frage hier nicht abschließend zu entscheiden -, muß jedenfalls dem Betroffenen vor Erlaß einer solchen Entscheidung nach § 34 Abs. 1 SGB I Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden (ebenso Meyer-Ladewig a.a.O. § 85 Rz. 6; . Schellhorn in Burdenski/v. Maydell/Schellhorn, Kommentar zum SGB I, § 34 Rz. 48, 54) - Eine entsprechende Bestimmung enthält auch die neue Abgabenordnung vom 16. März 1976 (BGBl. I 613), die ausdrücklich eine Verböserung im steuerlichen Einspruchsverfahren für zulässig erklärt (§ 367 Abs. 2 Satz 2; vgl. dazu Koch, Abgabenordnung 1977, § 367 Rz. 4). Hat die Widerspruchsstelle den Widersprechenden auf die Möglichkeit einer Schlechterstellung hingewiesen, so kann dieser sich nunmehr entscheiden, ob er seinen Widerspruch zurücknehmen und damit das Risiko einer Schlechterstellung vermeiden oder aber den Widerspruch weiterverfolgen und sich dadurch eine gerichtliche Nachprüfung seines Widerspruchsbegehrens offenhalten will, die ihm bei einer Rücknahme des Widerspruchs verschlossen wäre. Vor einer Überraschungsentscheidung, vor der er gerade durch § 34 Abs. 1 SGB I geschützt werden soll (vgl. die Begründung a.a.O.) ist er jedenfalls sicher.
Da die Beschwerdekommission im vorliegenden Fall den Kläger gehört hat, bevor sie den von ihm angefochtenen Prüfungsbescheid zu seinem Nachteil geändert hat - der Kläger hat an der Verhandlung vor der Beschwerdekommission nicht teilgenommen -, ist ihre Widerspruchsentscheidung schon aus diesem Grunde rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Daß eine im Verwaltungsverfahren unterbliebene Anhörung im gerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden kann, hat der 2. Senat des BSG bereits entschieden (BSGE 44, 207; ebenso Urteil des 8. Senats vom 6. Dezember 1978, 8 RU 108/77); der erkennende Senat schließt sich dieser Ansicht an. Daß hier die Entscheidung der Beschwerdekommission nur wegen Verletzung einer Verfahrensvorschrift (§ 34 Abs. 1 SGB I) aufgehoben wird, hat keine Bedeutung. Der § 40 VwVfG, der in einem solchen Fall eine Aufhebung ausschließt, sofern eine andere Entscheidung in der Sache nicht hätte ergehen können, ist auf Verwaltungsverfahren im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit nicht zu übertragen (BSGE 44, 207, 214; Urteil vom 31. Oktober 1978, 2 RU 39/78, S. 15 ff.).
Der Senat hat hiernach die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen zurückgewiesen und auf die Anschlußrevision des Klägers seiner Klage auch insoweit stattgegeben, als sie das SG abgewiesen hatte, d.h. hinsichtlich der weiteren Honorarkürzung bei Leistungen nach Ziffern 768 und 103 d E-Adgo; auch insoweit ist deshalb der angefochtene Beschluß der Beschwerdekommission aufgehoben worden. Dieser Entscheidung steht nicht entgegen, daß eine Sprungrevision nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden kann (§ 161 Abs. 4 SGG). Solche Mängel sind nur Mängel des gerichtlichen Verfahrens, nicht dagegen Mängel des Verwaltungsverfahrens, die - wie hier - die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Widerspruchsentscheidung betreffen.
Über die Kosten hat der Senat nach § 193 SGG entschieden.6 RKa 17/77
Bundessozialgericht
Verkündet am 1. März 1979
Fundstellen