Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe – Bedürftigkeitsprüfung – Vermögensverwertung – Zumutbarkeit – Berücksichtigung von Verbindlichkeiten
Leitsatz (amtlich)
Die Verwertung von Vermögensgegenständen ist nicht zumutbar iS von § 6 Abs 3 S 1 AlhiV, wenn und soweit diese Vermögensgegenstände bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise mit Verbindlichkeiten des Arbeitslosen eine Einheit bilden.
Stand: 26. März 2001
Normenkette
AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; SGB VI § 9 Abs. 1; AlhiV § 6 Abs. 1-2, 3 S. 1, § 9
Beteiligte
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Februar 2000 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Rechtsstreit betrifft Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Der 1948 geborene Kläger beantragte Alhi im Anschluß an das von ihm bezogene Arbeitslosengeld (Alg) ab 14. Oktober 1994. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger verfüge über Vermögen, dessen Verwertung ihm zumutbar sei. Er verfüge über Bundesschatzbriefe im Wert von 20.000,00 DM sowie über Wertpapiere (Österreich-Anleihe) im Wert von 37.000,00 DM, deren Beleihung – im Hinblick auf die Zinseinkünfte – in Höhe von 13.000,00 DM (Bundesschatzbriefe) bzw von 24.000,00 DM (Wertpapiere) wirtschaftlich und somit zumutbar nach § 137 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) iVm § 6 Abs 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) sei. Zusätzlich verfüge der Kläger über ein Sparguthaben in Höhe von 19.427,41 DM. Von der Summe (56.427,41 DM) sei ein Freibetrag von 8.000,00 DM abzuziehen. Es verbleibe ein Betrag von 48.427,41 DM, der durch das Arbeitsentgelt, nach dem sich die Alhi richte (1.470,00 DM), zu dividieren sei. Hieraus folge, daß der Kläger für 32 Wochen nicht bedürftig sei. Die Ehefrau des Klägers verfüge über Bundesschatzbriefe und Wertpapiere (Kaufhof-Anleihe), deren Verwertung in Höhe eines Gesamtbetrages von 37.000,00 DM zumutbar sei. Dividiere man diese Summe wiederum durch 1.470,00 DM, so errechne sich ein Zeitraum von 19 Wochen, für den dem Kläger keine Alhi zustehe (Bescheid vom 13. Januar 1995, Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 1995).
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger ausgeführt, er habe die Wertpapiere mit Fremdmitteln finanziert. Es handele sich bei den Fremdmitteln um Bauspardarlehen und zinsfreie Kredite der Wohnungsbauförderungsanstalt, die ihm, obwohl der Hausbau im Jahre 1981 erfolgt sei, erst in den Jahren 1992 bis 1994 zugeflossen seien. Da er die Darlehen in höherverzinsliche Wertpapiere angelegt habe, weil er sie zu diesem Zeitpunkt für das Haus nicht mehr gebraucht habe, müßten sie auch bei der Feststellung des Vermögens berücksichtigt werden. Zwar hätte er die Darlehen ohne das Haus nicht bekommen; jedoch seien sie nicht für das Haus benutzt worden. Seine Ehefrau und er hätten die Wertpapiere nach der Darlehensaufnahme gekauft, weil ihnen von der Bank vorgeschlagen worden sei, Bausparverträge (Schuldzinsen 4,5 %) sowie die ratenfrei bis 1994 ausgezahlten, zinsfreien Kredite der Wohnungsbauförderungsanstalt in Anspruch zu nehmen und dieses Geld wieder in Wertpapieren (Zinssatz 8 % bzw 8,5 %) anzulegen. Die Ablehnung seiner Bedürftigkeit beruhe nur darauf, daß er in der Steuererklärung die Zinsaufwendungen für die Darlehen bei den Mieteinnahmen angegeben habe. Dies sei ein Fehler gewesen, den man ihm verzeihen möge.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, dem Kläger Alg (gemeint: Alhi) für die Zeit vom 11. August bis 5. Oktober 1995 zu gewähren (Urteil vom 22. Oktober 1997). Das SG hat ausgeführt, die Beklagte habe außer acht gelassen, daß der Kläger den Darlehensanteil der Bausparverträge zu begleichen habe. Dieser Betrag sei von dem von der Beklagten errechneten Zinsbetrag abzuziehen. Es verbleibe als zu berücksichtigendes Vermögen deshalb ein Betrag von lediglich 35.819,81 DM, so daß der Kläger für 24 statt für 32 Wochen (35.819,81 DM durch 1.470,00 DM) nicht bedürftig sei. Hinsichtlich des Vermögens der Ehefrau verbleibe es bei einem Zeitraum von 19 Wochen, für den dem Kläger keine Alhi zustehe.
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alhi für die Zeit vom 4. Februar bis 5. Oktober 1995 zu gewähren. Im übrigen hat das LSG die Berufung sowie die Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 23. Februar 2000). Seine Entscheidung hat das LSG wie folgt begründet: Es seien bei der Feststellung des Vermögens iS des § 137 Abs 2 AFG jedenfalls von den Aktiva die Passiva abzuziehen, die vor Anschaffung der Aktiva entstanden seien (Zeitmoment), soweit mit ihnen der Zweck verfolgt werde, die Aktiva anzuschaffen (subjektives Moment) und zusätzlich eine Kausalität zwischen Eingehen der Passiva und Anschaffen der Aktiva (objektives Moment) bestehe. Bei Zugrundelegung dieses Vermögensbegriffes würden sachgerechte Ergebnisse erzielt. Dies wäre dagegen nicht der Fall, wenn man losgelöst von etwaigen Passiva nur die positiven Vermögenswerte und damit nur ein Teilvermögen als Vermögen ansehen würde. In einem solchen Fall würde eine Situation zugrunde gelegt, die tatsächlich nicht gegeben sei. Soweit das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 25. März 1999 – B 7 AL 28/98 R –) die Auffassung vertrete, es seien nur Schulden in Abzug zu bringen, soweit sie zur Tilgung fällig seien, folge der Senat dieser Auffassung nicht, weil sie zu eng sei. Auch die Auffassung, Verbindlichkeiten seien abzuziehen, die unmittelbar auf dem Vermögenswert lägen, sei zu einschränkend und wegen der dann entstehenden Abgrenzungsschwierigkeiten nicht praktikabel. Die Voraussetzungen für einen Abzug lägen bei den Bauspardarlehen und den Darlehen der Wohnungsbauförderungsanstalt vor. Es ergebe sich für den Kläger unter Abzug der vor den Wertpapierkäufen eingegangenen Schulden sowie des Freibetrages ein Vermögen von 17.449,50 DM. Dieses Vermögen sei auch zu berücksichtigen, weil es zumutbar verwertbar sei. Es sei insbesondere nicht zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt. Die subjektive Zweckbestimmung reiche für die Beurteilung dieses Vermögens als sog Schonvermögen nicht aus. Vielmehr müßten objektive Umstände hinzutreten, aus denen ersichtlich sei, daß die Vermögenslage dem vorgetragenen Zweck diene. Dies sei bei dem Kauf der jederzeit zum Kurswert wieder zu verkaufenden Wertpapiere nicht der Fall. Allein aus dem Umstand, daß die Wertpapiere einen im Jahre 2002 liegenden Endzeitpunkt hätten, lasse sich nicht entnehmen, daß die Wertpapiere solange gehalten werden sollten. Im übrigen zeige der tatsächliche Geschehensablauf, daß der Kläger die Wertpapiere nicht einmal bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gehalten habe. Er habe vielmehr die Österreich-Anleihe zum 1. Juli 1997 bereits veräußert und den Kapitalbetrag bei einer Lebensversicherung in einem Beitragsdepot angelegt. Dieses Verhalten belege, daß der Kläger erst aufgrund einer nach dem streitigen Zeitraum liegenden Entscheidung das Vermögen zum Zwecke einer angemessenen Alterssicherung eingesetzt habe bzw noch einsetze. Es bestehe wegen des zu berücksichtigenden Vermögens des Klägers für elf Wochen kein Anspruch auf Alhi (17.449,50 DM: 1.470,00 DM = 11,87). Abzüglich der Schulden seien bei der Ehefrau 7.642,15 DM als Vermögen zu berücksichtigen. Insoweit ergäben sich gerundet fünf Wochen, in denen der Kläger aufgrund des Vermögens seiner Ehefrau keine Alhi beanspruchen könne (7.642,15 DM: 1.470,00 DM = 5,2). Das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau stünden für zusammen 16 Wochen einer Gewährung von Alhi entgegen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei bei der Dauer der Berücksichtigung von Vermögen nicht das Vermögen des Klägers und dasjenige seiner Ehefrau zu einem Gesamtvermögen zusammenzufassen, sodann durch das Bemessungsentgelt zu teilen und schließlich auf volle Wochen zu runden. Der Kläger habe ab 4. Februar bis 5. Oktober 1995 Anspruch auf Alhi nach den gesetzlichen Bestimmungen. Die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Alhi lägen vor. Eine überschlägige Berechnung ergebe, daß der Anrechnungsbetrag geringer als der Leistungssatz sei.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 137 Abs 2 AFG, § 6 Abs 1 bis 3, § 9 AlhiV. Das LSG habe den Begriff des „Vermögens” iS des § 137 Abs 2 AFG, § 6 Abs 1 AlhiV verkannt. Es weiche hinsichtlich der Berücksichtigung von Schulden im Rahmen der Berücksichtigung aktiver Vermögensbestandteile zur Prüfung der Bedürftigkeit bewußt von der Rechtsprechung des BSG ab. Das BSG berücksichtige Schulden erst bei der Prüfung der Verwertbarkeit von Vermögen nach § 6 Abs 2 AlhiV. Ausgehend von der grundsätzlich bestehenden Verpflichtung, Bedürftigkeit durch den Einsatz eigenen Vermögens abzuwenden, werde von einer Verwertbarkeit dann nicht ausgegangen, wenn das Vermögen gebunden sei. Von einer Bindung müsse jedenfalls dann ausgegangen werden, sofern und soweit der Vermögensinhaber im Zeitpunkt der grundsätzlich gebotenen Verwertung zur Tilgung der Schulden verpflichtet sei. Gegen die abweichende Auffassung des LSG spreche der Zweck der Alhi, den Lebensunterhalt des Arbeitslosen aktuell sicherzustellen. Bei der Ermittlung des anzurechnenden Vermögens könne daher nicht darauf abgestellt werden, welcher Betrag dem Arbeitslosen nach Abzug aller Verbindlichkeiten zu einem späteren Zeitpunkt verbleibe. Zahlungsverpflichtungen habe das LSG nicht festgestellt. Die Beklagte gehe von der Verwertbarkeit des Vermögens in Höhe von 35.819,58 DM (Kläger) und 29.000,00 DM (Ehefrau) und von der Zumutbarkeit der Verwertung aus. Diese Frage könne allerdings aufgrund der Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht beantwortet werden. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sei bei der Bestimmung der Dauer der Berücksichtigung von Vermögen nach § 9 AlhiV das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau zunächst zu addieren, dann erst durch das Bemessungsentgelt zu teilen und anschließend auf volle Wochen zu runden. Dies folge bereits aus einem Vergleich des Wortlauts des § 6 Abs 1 AlhiV mit dem Wortlaut des § 9 AlhiV.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen von 23. Februar 2000 abzuändern, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22. Oktober 1997 zurückzuweisen, das Urteil des Sozialgerichts im übrigen insoweit abzuändern, als die Beklagte verurteilt wurde, Alhi vom 11. August bis 17. August 1995 zu gewähren und die Klage auch insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, das Vermögen iS des § 137 Abs 2 AFG sei als eine Saldierung von Aktiva und Passiva zu verstehen, wobei zur Begründung des Vermögensbegriffs auf die Bedeutung des Vermögens im Wirtschaftsleben und sonstigen Rechtsverkehr Bezug genommen werde. Folge man der Auffassung des LSG, wonach die Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Kauf der Wertpapiere bereits im Vermögensbegriff zu berücksichtigen seien, so sei auch die Auffassung des LSG zu akzeptieren, wonach bei der Feststellung des Vermögens jeweils getrennt das Vermögen des Arbeitslosen und seines Ehegatten festzustellen sei und danach die Frage der Verwertbarkeit gestellt werden müsse. Bei der Frage der Verwertbarkeit folge der Kläger der Ansicht des LSG nicht, denn der vom LSG festgestellte Vermögensüberschuß diene der Altersvorsorge.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Für eine abschließende Entscheidung des Senats reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.
Nach § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG hat Anspruch auf Alhi nur, wer bedürftig ist. Bedürftig iS des § 134 Abs 1 Nr 3 ist der Arbeitslose, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 AFG zu berücksichtigen ist, die Alhi nach § 136 AFG nicht erreicht. Nicht bedürftig ist nach § 137 Abs 2 AFG ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen der Eltern eines minderjährigen unverheirateten Arbeitslosen, die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen die Gewährung von Alhi mit Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse offenbar nicht gerechtfertigt ist, konkretisieren die §§ 6 ff der auf der Grundlage der Ermächtigungsgrundlage in § 137 Abs 3 AFG erlassenen AlhiV vom 7. August 1974 (BGBl I 1929, idF des Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992, BGBl I 2044).
Zutreffend hat das LSG den Bestand des beim Kläger bzw seiner Ehefrau vorhandenen Vermögens bezogen auf den 14. Oktober 1994 festgestellt. Die Prüfung der Vermögensverhältnisse bezogen auf einen bestimmten Stichtag entspricht der Systematik der §§ 6 bis 9 AlhiV und wird in § 8 Satz 2 AlhiV ausdrücklich angeordnet. Hierbei ist maßgebender Stichtag der erste Tag, für welchen Alhi beantragt ist und an dem die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind. Dieser Tag ist zugleich der Ausgangspunkt für die Berechnung des Zeitraums, für den nach § 9 AlhiV Bedürftigkeit nach dem zu berücksichtigenden Vermögen nicht besteht. Eine Änderung der Vermögensverhältnisse, die eine weitere Prüfung der Vermögensberücksichtigung unter Zugrundelegung eines anderen Bezugszeitpunkts erforderlich machen könnte (vgl Ebsen in: Gagel, SGB III, § 193 Rz 77 bis 82), ist nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG nicht eingetreten.
Das LSG hat die vom Kläger bzw seiner Ehefrau in Anspruch genommenen Darlehen bei der Feststellung der „Vermögen” iS von § 137 Abs 2 AFG und § 6 Abs 1 AlhiV in Ansatz gebracht und die dem Kläger bzw seiner Ehefrau zustehenden Vermögenswerte insoweit um die Schulden bereinigt. Diese Vorgehensweise begegnet im Hinblick darauf Bedenken, daß das BSG in ständiger Rechtsprechung als Vermögen iS der Alhi-Vorschriften den gesamten Bestand an Sachen oder Rechten in Geld oder Geldeswert in der Hand des Berechtigten ansieht (BSGE 41, 187, 188 = SozR 4100 § 137 Nr 1; BSGE 46, 271, 273 = SozR 4100 § 138 Nr 3; BSG SozR 4100 § 138 Nr 25; SozR 3-4100 § 137 Nr 4). Der Rechtsprechung des BSG ist danach, worauf die Beklagte mit Recht hinweist, zu entnehmen, daß als Vermögen iS der Alhi-Vorschriften die Summe der gesamten aktiven Vermögenswerte anzusehen ist, während die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten erst bei der Frage der Verwertbarkeit (§ 6 Abs 2 AlhiV) bzw der Zumutbarkeit der Verwertung (§ 6 Abs 3 AlhiV) erfolgt.
Hieran ist festzuhalten, denn die vom LSG gegen diese Rechtsprechung erhobenen Einwände greifen nicht durch. Für die Berücksichtigung sämtlicher Vermögensgegenstände iS aller Aktiva spricht entscheidend der besondere Zweck der Bedürftigkeitsprüfung. Die Bedürftigkeitsprüfung verwirklicht den Grundsatz der Subsidiarität der Alhi, wonach jemandem ein Anspruch auf Alhi nicht zusteht, solange und soweit er für sich und seine Angehörigen aktuell selbst sorgen kann (BSG SozR 4100 § 137 Nr 12). Im Hinblick darauf, daß die Alhi aus allgemeinen Steuermitteln gezahlt wird (§ 188 AFG), kann nicht bereits aus dem Bestehen anderweitiger Verbindlichkeiten des Arbeitslosen ohne nähere Prüfung auf eine Unbilligkeit des Vermögenseinsatzes geschlossen werden. Vielmehr wird grundsätzlich jedes Vermögen ohne Rücksicht auf die näheren Umstände des Erwerbes erfaßt (BSGE 49, 30, 32 f = SozR 4220 § 6 Nr 3). Gegen ein Verständnis des Vermögens iS der Alhi-Vorschriften als Differenzbetrag zwischen Aktiva und Passiva spricht zudem auch die Systematik der Vorschriften über die Berücksichtigung von Vermögen bei der Bedürftigkeitsprüfung, die ersichtlich auf eine gesonderte Beurteilung der einzelnen Vermögensgegenstände abzielen (vgl insbesondere den Katalog in § 6 Abs 3 Satz 2 AlhiV).
Der Ansatz von Verbindlichkeiten ist allerdings bereits auf der Stufe der Feststellung der vorhandenen Vermögensgegenstände geboten, soweit die Verbindlichkeiten unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand lasten. Hiervon geht auch der 7. Senat in seinem Urteil vom 25. März 1999 – B 7 AL 28/98 R – (BSGE 84, 48 = SozR 3-4220 § 6 Nr 7) aus, wenn er den Abzug von Hypothekenschulden und eines Wohnrechts vom Wert des Haus- und Grundvermögens zuläßt. Zwar stand der Erwerb der fraglichen Schatzbriefe und Wertpapiere nach den Feststellungen des LSG in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der vorhandenen Verbindlichkeiten, jedoch liegt der insoweit erforderliche rechtliche Zusammenhang zwischen der Aufnahme der Darlehen und dem Kauf der Wertpapiere – wie schon die Beleihung des Grundstückes zur Sicherung der Darlehen zeigt – nicht vor.
Ob der Bestand an Verbindlichkeiten zur Unzumutbarkeit der Verwertung des Vermögens nach § 6 Abs 3 AlhiV führt, kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden. Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des LSG, soweit es annimmt, die Verwertung sei nicht im Hinblick auf die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung des Klägers bzw seiner Ehefrau unzumutbar (§ 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiV), denn es ist nicht zu erkennen, daß das LSG die insoweit revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Maßstäbe verkannt hätte (vgl BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 9 mwN).
Gleichwohl kann sich die Unzumutbarkeit der Vermögensverwertung aus der Generalklausel des § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV ergeben. Nach dieser Vorschrift ist die Verwertung von Vermögen zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann. Die in § 6 Abs 3 AlhiV vorgesehene Billigkeitsprüfung ermöglicht es, bestimmten Vermögensgegenständen Verbindlichkeiten zuzuordnen und auch dann in Ansatz zu bringen, wenn ein Abzug der Verbindlichkeiten bei der Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens nicht möglich ist, weil der erforderliche unmittelbare Zusammenhang nicht besteht (vgl auch Ebsen in: Gagel, SGB III, § 193 Rz 123 bis 126).
Für eine einheitliche Betrachtung von unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verknüpften Ansprüchen und Verbindlichkeiten spricht schon der Wortlaut des Grundtatbestandes für das Vorliegen von Unzumutbarkeit der Vermögensverwertung, denn es werden nicht nur eine angemessene Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen, sondern auch die offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung als Maßstab der Billigkeitsprüfung benannt. Zudem kommt § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV die Funktion einer Härteklausel für die Beantwortung der Frage zu, in welchen Fällen die Verwertbarkeit eines Vermögensgegenstandes auch außerhalb der ausdrücklich geregelten Spezialtatbestände oder wegen seiner Benötigung für eine angemessene Lebenshaltung im übrigen unbillig ist (Ebsen in: Gagel, SGB III, § 193 Rz 238). Schließlich hat das BSG auch in anderem Zusammenhang ausgesprochen, daß bei der Bedürftigkeitsprüfung eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten sei. Dementsprechend sind darlehensweise zufließende Geldmittel, die von Anfang an mit einer entsprechenden Rückzahlungspflicht verbunden sind, vom Einkommensbegriff ausgenommen worden, weil sie dem Arbeitslosen nicht endgültig zur Verwendung zur Verfügung stehen und deshalb nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes herangezogen werden können (BSGE 58, 160, 162 = SozR 4100 § 138 Nr 11; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 12). Ob die Verwertung von Vermögen, das dem Arbeitslosen ursprünglich darlehensweise zugeflossen war und das – bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise – zur Rückzahlung bereit gehalten wird, zumutbar ist, ist durch die Rechtsprechung des BSG bisher nicht geklärt. Es entspricht der § 6 Abs 3 AlhiV zugrundeliegenden Konzeption und der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung, diese Frage zu verneinen, wenn und soweit Vermögensbestandteile und Verbindlichkeiten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als eine Einheit anzusehen sind.
Die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise erforderliche Verbindung von Vermögensbestandteilen und Verbindlichkeiten, die zur Unzumutbarkeit der Verwertung in Höhe der Verbindlichkeit führt, ist gegeben, wenn diese nach Entstehung und beabsichtigter Tilgung miteinander verknüpft sind. Erforderlich ist insoweit jeweils ein zeitlicher und ein ursächlicher Zusammenhang, der die Beurteilung erlaubt, Vermögensbestandteil und Verbindlichkeit würden eine wirtschaftliche Einheit bilden. Ferner erfordert die zu treffende Feststellung, die Verwertung von Vermögen sei im Hinblick auf Verbindlichkeiten des Arbeitslosen unzumutbar, daß das zur Tilgung der Verbindlichkeiten bereitgestellte Vermögen auch seiner Art nach geeignet ist, die Tilgung der Verbindlichkeit sicherzustellen. Liegt eine derartige Verknüpfung von Vermögensbestandteilen und Verbindlichkeit vor, so kommt es für die Frage der Zumutbarkeit der Verwertung nicht zusätzlich darauf an, daß die Verbindlichkeit im Beurteilungszeitraum fällig ist.
Mit seiner Entscheidung weicht der Senat nicht von dem Urteil des 7. Senats des BSG vom 25. März 1999 – B 7 AL 28/98 R – (BSGE 84, 48 = SozR 3-4220 § 6 Nr 7) ab. In diesem Urteil ist – in Übereinstimmung mit früheren Entscheidungen des 7. Senats (BSGE 46, 271, 277 = SozR 4100 § 138 Nr 3) und des erkennenden Senats (Urteile vom 30. Mai 1990 – 11 RAr 33/88 – und vom 20. Februar 1991 – 11 RAr 35/89 –) – ausgesprochen worden, daß „allgemeine Verbindlichkeiten und Schulden” bei der Prüfung der Verwertbarkeit des Vermögens iS von § 6 Abs 1 iVm Abs 2 AlhiV nur zu berücksichtigen sind, soweit sie zur Tilgung fähig sind. Die angeführten Urteile enthalten keine Stellungnahme zu der hier zu entscheidenden Frage, denn sie betreffen jeweils Verbindlichkeiten, die nicht in der geschilderten Weise mit bestimmten Vermögensbestandteilen verbunden waren und ihnen deshalb bei der Frage der Zumutbarkeit der Verwertung nach § 6 Abs 3 AlhiV auch nicht zugeordnet werden konnten. Desweiteren betreffen die Entscheidungen jeweils die Anwendbarkeit des § 6 Abs 2 AlhiV, nicht jedoch die hier zu entscheidende Frage, unter welchen Voraussetzungen das Bestehen von Verbindlichkeiten zur Unzumutbarkeit der Verwertung nach § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiV führt.
Es läßt sich anhand der vom LSG getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht beurteilen, ob und in welchem Umfang die Verwertung des Vermögens des Klägers (Bankguthaben, Bundesschatzbrief, Österreich-Anleihe) und seiner Ehefrau (Bankguthaben, Bundesschatzbrief, Kaufhof-Anleihe) nach den genannten Kriterien unzumutbar ist. Zwar kann den Feststellungen des LSG der zeitliche und ursächliche Zusammenhang zwischen der Schuldenaufnahme und den Wertpapierkäufen ohne weiteres entnommen werden. Ferner wird durch den Ankauf der höherverzinslichen Schatzbriefe und Anleihen auch prinzipiell gewährleistet, daß eine Tilgung der Verbindlichkeiten bei deren Fälligkeit sichergestellt ist. Es fehlen jedoch Feststellungen dazu, ob das vorhandene Vermögen auch zur Tilgung der Bauspardarlehen bzw des Darlehens der Wohnungsbauförderungsanstalt eingesetzt werden sollte. Dies kann nur beurteilt werden, wenn die objektiv vorliegenden Umstände den Schluß auf eine entsprechende Absicht der Mittelverwendung rechtfertigen. Letztere ist insbesondere dann dargetan, wenn die Fälligkeit der Schulden und der Anleihen aufeinander abgestimmt sind. Werden hingegen die Verbindlichkeiten in Raten abgetragen, ohne daß hierbei die damit erworbenen Guthaben angegriffen werden, so besteht die erforderliche Verknüpfung nicht.
Das LSG wird mithin die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Hierbei wird es ggf auch bezogen auf die einzelnen Guthaben des Klägers bzw seiner Ehefrau zu prüfen haben, ob das Vermögen verwertbar iS des § 6 Abs 2 AlhiV ist. Ergibt sich berücksichtigungsfähiges Vermögen des Klägers bzw seiner Ehefrau, entfällt die Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit nach näherer Maßgabe des § 9 AlhiV. Nach dieser Vorschrift besteht Bedürftigkeit nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt, nach dem sich die Alhi richtet.
Die Frage, ob die nach § 9 AlhiV vorgesehene Berechnung für das zu berücksichtigende Vermögen jedes Vermögensinhabers gesondert oder für das zu berücksichtigende Vermögen insgesamt vorzunehmen ist, ist entgegen der Auffassung des LSG in der Weise zu beantworten, daß die Einzelbeträge des berücksichtigungsfähigen Vermögens für einen einheitlichen Rechenvorgang zusammenzufassen sind (so auch Ebsen in: Gagel, SGB III, § 193 Rz 19). Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut des § 9 AlhiV, der anders als § 6 Abs 1 AlhiV nicht zwischen dem Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten unterscheidet. Zudem sind – abweichend von den Verhältnissen bei der individuell vorzunehmenden Feststellung des jeweils berücksichtigungsfähigen Vermögens – keine Gründe dafür ersichtlich, bei der Rechenoperation nach § 9 AlhiV zwischen dem zu berücksichtigenden Vermögen der einzelnen Vermögensinhaber zu unterscheiden. Vielmehr würde sich eine ungerechtfertigte Bevorzugung von Ehegatten bzw von eheähnlichen Gemeinschaften ergeben, wenn die sich durch die Abrundung auf volle Wochen ergebenden Rundungsgewinne kumuliert würden.
Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Ausgangs des Revisionsverfahrens endgültig zu entscheiden haben.
Fundstellen
BSGE 87, 143 |
BSGE, 143 |
NZS 2001, 392 |
SozR 3-4220 § 6, Nr. 8 |
info-also 2001, 100 |