Beteiligte
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, – als Rentenversicherungsträger – |
Leiter des Thüringer Polizeiverwaltungsamtes |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 25. März 1998 geändert. Der Bescheid des beklagten Freistaats vom 15. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 1996 wird aufgehoben, soweit darin der Wert der Altersrente des Klägers ab Dezember 1991 von 950,00 DM auf 802,00 DM herabgesetzt worden ist.
Im übrigen wird die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 25. März 1998 zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist, ob das beklagte Land den Wert des Rechts des Klägers, eines Offiziers im besonderen Einsatz (OibE) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR, auf eine Altersrente aus einer Sonderversorgung zum 1. Dezember 1991 auf 802,00 DM herabsetzen durfte.
Der im November 1922 geborene Kläger war nach Schulbesuch, kaufmännischer Lehre, Arbeitsdienst und Kriegsdienst als Kontorist in einem Gußstahlwerk in F. sowie als Sachbearbeiter der Finanzen beim Rat der Stadt F. angestellt. Von Juli 1950 bis Ende Juli 1966 war er als Kriminalist bei der Volkspolizei (in D. und in G.) beschäftigt, vom 1. August 1966 bis zum 31. Juli 1980 stand er hauptberuflich im Dienst des MfS. In dieser Zeit war er vom MfS als OibE bei seiner bisherigen Volkspolizeidienststelle als seinem „Einsatzobjekt” verdeckt unter Verwendung seines bisherigen Berufs als Tarnung („Legendierung”) eingesetzt. Seine vorherige Beschäftigung bei der Volkspolizei vom 16. Juli 1950 bis zum 31. Juli 1966 wurde auf sein Dienstalter beim MfS angerechnet. Zum 1. August 1980 wurde er wegen Invalidität aus dem Dienst entlassen.
Der Ministerrat der DDR, Ministerium des Innern (MdI) gewährte ihm eine Invalidenrente in Höhe von 1.305,00 Mark der DDR „nach den Bestimmungen der Versorgungsordnung des MdI” (Rentenbescheid vom 10. Juli 1980); sie belief sich – nach Umwandlung in eine Altersrente – zuletzt im Juni 1990 auf 1.405,00 Mark der DDR. Diesen Betrag – aufgewertet in DM – zahlte die Staatskasse der DDR ab Juli 1990 weiter, ebenso hat ab 3. Oktober 1990 das beklagte Land als regionaler Funktionsnachfolger des MdI der DDR diesen Betrag in unveränderter Höhe bis Juli 1991 weitergezahlt.
Der Ministerrat der DDR, MfS, bewilligte dem Kläger mit Rentenbescheid vom 15. August 1980 ab 1. August 1980 eine MfS-Invalidenrente nach der Sonderversorgung des MfS; sie betrug monatlich 1.641,00 Mark der DDR; darauf wurde die Polizei-Invalidenrente von 1.305,00 Mark der DDR angerechnet und der Auszahlbetrag auf 336,00 Mark der DDR festgesetzt. Entsprechend wurde bei der Umwandlung in die MfS-Altersrente verfahren. Den Organwaltern des MdI der DDR unterhalb des stellvertretenden Ministers war die hauptamtliche Tätigkeit des Klägers für das MfS (amtlich) nicht bekannt, soweit sie nicht selbst in die Erfüllung seines Auftrages vom MfS eingeschaltet waren; die den Kläger betreffenden Versorgungsakten des MdI der DDR enthalten keinen Hinweis darauf, daß er im Hauptamt Mitarbeiter des MfS der DDR und nach der MfS-Versorgungsordnung versorgungsberechtigt war.
Seit dem 17. Dezember 1980 war der Kläger Inoffizieller Mitarbeiter im besonderen Einsatz (IME) des MfS; am 28. November 1988 wurde er, inzwischen als Bezieher einer (Sonderversorgungs-)Altersrente, zum Gesellschaftlichen Mitarbeiter für Sicherheit (GMS) umregistriert; seine inoffizielle Tätigkeit für das MfS endete am 6. Februar 1989. Von Januar 1981 bis Januar 1989 erhielt der Kläger für seine nebenamtliche Mitarbeit als IME/GMS vom MfS monatlich 300,00 Mark der DDR.
Die hauptamtliche MfS-Beschäftigung des Klägers wurde im wesentlichen wie folgt bekannt:
Nachdem das gegen den beklagten Freistaat gerichtete Recht des Klägers auf eine Altersrente aus einer Sonderversorgung am 31. Dezember 1991 gemäß § 4 Abs 2 Nr 2 und Abs 3 Satz 2 Nr 2 AAÜG in eine Altersrente der Rentenversicherung des Beitrittsgebiets überführt worden und – wie im Einigungsvertrag (EinigVtr) vorgesehen – zum 1. Januar 1992 durch ein gegen die beigeladene BfA als Rentenversicherungsträger gerichtetes Recht auf Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des SGB VI ersetzt worden war, leitete diese zur Feststellung des individuellen Wertes dieser Rente die Aufklärung der Erwerbsbiographie des Klägers ein. In einem Fragebogen der BfA verschwieg der Kläger am 21. August 1993 seine hauptamtliche Tätigkeit für das MfS. Auf Anfrage der BfA übersandte das beklagte Land im Dezember 1994 ua einen Erhebungsbogen, in dem der Kläger am 29. September 1994 angegeben hatte, er sei „vermutlich ab Mitte Juli 1977 bis 31. Juli 1980 OibE gewesen”. Nach mehreren Anfragen des Beklagten und der Beigeladenen bei verschiedenen Behörden im Zeitraum von August 1995 bis Januar 1996 antwortete der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Gauck-Behörde) im Januar 1996.
Das beklagte Land verfügte durch Bescheid vom 15. Februar 1996, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 1996, der besitzgeschützte Zahlbetrag der „zum 31. Dezember 1991 erhaltenen Versorgungsleistung aus dem Sonderversorgungssystem der Polizei (Invalidenvollrente) in Höhe von zuletzt monatlich 1.405,00 DM” werde mit Wirkung zum 1. Dezember 1991 auf einen Höchstbetrag von 802,00 DM (nachträglich) begrenzt; dies sei in § 10 Abs 2 AAÜG vorgeschrieben, falls – wie hier – einer in die Rentenversicherung des Beitrittsgebiets zu überführenden Sonderversorgungsrente auch Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS zugrunde lägen.
Mit weiterem Bescheid vom 16. Oktober 1996, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 1996, gab das beklagte Land dem Kläger auf, 603,00 DM zurückzuzahlen, weil die Versorgungsleistung für Dezember 1991 insoweit überhöht gewesen sei. Mit Schreiben vom 23. Juni 1999, beim BSG am 25. Juni 1999 eingegangen, hat die Beklagte erklärt, sie verzichte aufgrund der neuesten Rechtsprechung des BVerfG auf die Rückzahlung überzahlter Rentenbeträge in Höhe von 603,00 DM für den Monat Dezember 1991.
Das SG Altenburg hat die Klage durch Urteil vom 25. März 1998 abgewiesen. Nach § 10 Abs 2 Satz 1 und 2 iVm Abs 5 AAÜG sei das beklagte Land ermächtigt und verpflichtet gewesen, die Begrenzung des Zahlbetrages der Versorgungsleistung ab 1. Dezember 1991 auf 802,00 DM zu verfügen. Der Tatbestand der Eingriffsermächtigung sei erfüllt, weil die Versorgungsleistung auch auf Zeiten seiner Tätigkeit als OibE beruhten. Art 1 des RÜG-Änderungsgesetzes vom 8. Dezember 1991 (BGBl I 2207), durch den die Begrenzung der Zahlbeträge für sogenannte OibE eingeführt worden sei, sei nach Art 3 aaO mit Wirkung vom 1. Dezember 1991 in Kraft getreten. Dieses Gesetz sei am 24. Dezember 1991 verkündet worden und beanspruche insoweit Rückwirkung. Dies sei verfassungsgemäß. Die Prüfung des verfassungsrechtlich maßstäblichen Vertrauensschutzprinzips könne für den Kläger zu keinem günstigeren Ergebnis führen. Er habe nicht die Wahrheit gesagt, sondern sich äußerst widersprüchlich geäußert.
Der Kläger hat die – vom SG zugelassene – Sprungrevision eingelegt. Er trägt vor, aufgrund seiner Zugehörigkeit zum MfS als OibE sei ihm nach der Versorgungsordnung des MfS unter Anrechnung der Rente nach der Versorgungsordnung des MdI (Volkspolizei) jeweils gleichzeitig eine Invaliden- bzw Altersrente bewilligt worden. Die Zahlung dieser MfS-Altersrente sei mit Bescheid des Komitees zur Auflösung des MfS/AfNS vom 25. Juni 1990 mit Ablauf des 30. Juni 1990 eingestellt worden; dadurch sei er in vollem Umfang aus der Zugehörigkeit zur Versorgungsordnung des MfS entlassen und habe hieraus nichts mehr zu beanspruchen gehabt. Unbestritten sei der Tatbestand des § 10 Abs 2 Satz 2 AAÜG in der zum 1. Dezember 1991 in Kraft getretenen Fassung durch das RÜG-ÄndG erfüllt. Seine Tätigkeit als OibE habe zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes der Bewilligung der Leistung nach der Versorgungsordnung des MdI (Volkspolizei) nicht zugrunde gelegen, denn ihm sei dafür eine (ergänzende) Rentenleistung nach der Versorgungsordnung des MfS bewilligt worden. § 10 Abs 2 Satz 2 AAÜG solle aber bewirken, daß OibE wie gewöhnliche hauptamtliche Mitarbeiter des MfS behandelt würden. Die Ermächtigung sei jedoch ungültig, weil das BVerfG „die Vorschriften des § 10 AAÜG über Zahlbetragsbegrenzungen” für nichtig erklärt habe. Daher sei allein der Betrag der Versorgungsleistung maßgeblich, welcher im Juli 1990 in Höhe von 1.405,00 DM zugestanden habe und gezahlt worden sei. Im übrigen verdiene er Vertrauensschutz.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des SG Altenburg vom 25. März 1998 den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 1996 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des SG Altenburg vom 25. März 1998 insoweit zurückzuweisen, als damit ein höherer Wert der Invalidenrente für den Monat Dezember 1991 als ein solcher von 990,00 DM durchgesetzt werden soll.
Er hat unter Hinweis auf seinen Verzicht auf die Rückforderung von 603,00 DM erklärt, der Kläger sei dadurch klaglos gestellt, die Revision also unzulässig. Es werde angeregt, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Ferner hat er eine Ablichtung eines Urteils des Sächsischen LSG vom 27. Januar 1999 übersandt.
Der Kläger meint hierzu, die Verzichtserklärung des Beklagten, die er annehme, gehe an der entscheidenden Rechtslage vorbei. Zwar sei unzweifelhaft, daß die Rückforderung rechtswidrig gewesen sei. Der Eingriff durch den Kürzungsbescheid sei aber noch vorhanden. Insoweit gehe es um die Zahlbetragsgarantie des EinigVtr, die in verfassungskonformer Auslegung als Realwertgarantie zu verstehen sei und die Anpassung des im Juli 1990 zustehenden Betrages der Versorgungsleistung an die Lohn- und Einkommensentwicklung erfordere, falls dieser am 1. Januar 1992 noch höher ausfalle als der Monatsbetrag der neuberechneten Rente. Dieser Fall liege hier vor, weil der Kläger am 1. Juli 1990 ausschließlich ein Recht auf eine Altersrente nach der Versorgungsordnung des MdI in Höhe von 1.405,00 DM gehabt habe. Eine Vorschrift, nach der verfassungsrechtlich zulässig in das Recht des Klägers auf eine Versorgungsleistung in Höhe von 1.405,00 DM eingegriffen werden dürfe, existiere nicht.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag des Beklagten an.
Sie meint, dem Kläger habe jedenfalls im Dezember 1991 nur eine Versorgungsleistung aus der MfS-Versorgung in Höhe von 990,00 DM zugestanden. Wollte man dennoch auf die Polizeiversorgungsleistung abstellen, sei die Beklagte befugt gewesen, den Zahlbetrag auf 990,00 DM zu begrenzen.
II
A
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das – vom SG abgewiesene – Begehren des Klägers, die Begrenzung des Wertes seines Rechts auf eine Altersrente aus einer Sonderversorgungsordnung für den Monat Dezember 1991 von angeblich 1.405,00 DM auf 802,00 DM aufzuheben. Andere Ansprüche hat der Kläger nicht in die Entscheidung des BSG gestellt. Insbesondere ist nicht darüber zu befinden, ob der Beklagte dem Kläger zu Recht aufgegeben hatte, 603,00 DM (oder einen Teilbetrag hiervon) zu erstatten. Der Beklagte hat auf diese sog Rückforderung verzichtet und der Kläger den Verzicht angenommen.
Ebensowenig war über Rechte oder Ansprüche des Klägers gegen den Rentenversicherungsträger zu befinden, der im Revisionsverfahren mit seiner Zustimmung notwendig beizuladen war, weil die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen konnte (§ 75 Abs 2 Regelung 1 SGG). Er stand und steht zwar mit dem Kläger in keinem (Sonder-)Versorgungsrechtsverhältnis, sondern ausschließlich in einem am 31. Dezember 1991 begründeten rentenversicherungsrechtlichen Rechtsverhältnis; dieses beruhte am 31. Dezember 1991 auf den partiell-bundesrechtlichen Vorschriften des Rentenversicherungsrechts des Beitrittsgebiets, vor allem auf den Überführungsbestimmungen in § 2 Abs 2 Satz 1 sowie § 4 Abs 2 Nr 2 und Abs 3 Nr 2 AAÜG; seit dem 1. Januar 1992 ergab es sich allein aus den bundeseinheitlichen Vorschriften des SGB VI. Insbesondere ist der beigeladene Rentenversicherungsträger nicht (Teil-)Rechtsnachfolger des beklagten Landes geworden oder in sonstiger Weise in Rechte und Pflichten aus dem Sonderversorgungsverhältnis des Klägers mit dem Funktionsnachfolger eingetreten.
Die einzige inhaltliche Verbindung zwischen beiden Rechtsverhältnissen ergibt sich aus folgendem: Der für Dezember 1991 bindend festgestellte, sonst der materiell rechtmäßige monatliche Wert der Sonderversorgungsrente (bei früher Zusatzversorgungsberechtigten: der Wert des Gesamtanspruchs für Dezember 1991) ist grundsätzlich der Anknüpfungswert für das Rentenversicherungsverhältnis. Dieser ist vom Rentenversicherungsträger – nach Anhebung um 6,84 vH – kraft § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI (in direkter Anwendung) als („vorläufiger”) Monatsbetrag der SGB VI-Rente festzusetzen, falls nicht oder bis der auf den Erwerbsgründen des SGB VI beruhende Wert der SGB VI-Rente (oder ggf der dynamisierte zahlbetragsgeschützte ≪rechtmäßige≫ Wert der Versorgungsberechtigung im Juli 1990) diesen „weiterzuzahlenden Betrag” erreicht. Damit ist der letzte rechtlich maßgebliche Wert der Sonderversorgungsberechtigung zugleich der gesetzliche Anknüpfungswert für die Bestimmung des rentenversicherungsrechtlich „weiterzuzahlenden” Monatsbetrags der SGB VI-Rente. Insoweit kann die Entscheidung über den Wert der Versorgungsberechtigung auch gegenüber dem Rentenversicherungsträger nur einheitlich ergehen, ohne daß jedoch über Ansprüche oder Rechte des Klägers gegen diesen entschieden werden müßte oder dürfte.
B
Auf die zulässige (Sprung-)Revision des Klägers waren das Urteil des SG und der Bescheid vom 15. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 1996 teilweise aufzuheben, soweit der Wert des Rechts des Klägers auf (Versorgungs-)Altersrente für Dezember 1991 von 950,00 DM auf 802,00 DM herabgesetzt worden war; insoweit war seine Anfechtungsklage – entgegen der Ansicht des SG – begründet, weil der Eingriff in den Wert des Rentenrechts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinem Recht auf Rente verletzt war (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG). Im übrigen, dh soweit der Kläger eine vermeintliche Rentenwertkürzung von 1.405,00 DM auf 950,00 DM angefochten hat, war seine zulässige Anfechtungsklage – wie das SG im Ergebnis richtig entschieden hat – unbegründet; denn dem Kläger stand ab 1. Juli 1990 ein Recht auf eine (Versorgungs-)Altersrente nur noch mit dem monatlichen Wert von 950,00 DM zu. Die angefochtene Kürzung des Wertes der Versorgungsrente hat ihn insoweit in keinem ihm zustehenden Recht beeinträchtigt, ein solches folglich erst recht nicht verletzt.
1.) Der Kläger hatte im Dezember 1991 ein Recht auf eine MfS-Versorgungsaltersrente, aus dem das beklagte Land nur deshalb verpflichtet war, weil es regional zuständiger Funktionsnachfolger (iS von Art 13 Abs 1 EinigVtr) der Volkspolizeiverwaltung der DDR geworden war: Die Funktionsnachfolge trat aufgrund des bloß formellen Umstandes ein, daß die Volkspolizeiverwaltung dem Kläger ab November 1987 in Unkenntnis seiner höheren MfS-Versorgungsberechtigung ein gegen die DDR gerichtetes Recht auf Versorgungsaltersrente aus der Versorgungsordnung des MdI der DDR bewilligt hatte und ihm deswegen Rente zahlte; die Zuständigkeit war also nur formell, dh aufgrund des durch die Tarnung der MfS-Beschäftigung gesetzten Scheins einer Polizeiversorgungsberechtigung, erfolgt. Bei dieser funktionellen Zuständigkeit wegen tatsächlicher Leistungsübernahme ist es bundesrechtlich geblieben (§ 10 Abs 5 Satz 2, § 9 Abs 3 AAÜG).
Nach dem für die Entscheidung des BSG allein maßgeblichen Bundesrecht (§ 162 SGG) waren die – aus bundesrechtlicher Sicht – von der DDR erlassenen Verwaltungsakte über die Zuerkennung eines Rechts auf Altersrente, über dessen Beginn und Dauer sowie über dessen monatlichen Wert (sog Rentenhöhe) gemäß Art 19 Satz 1 EinigVtr für den Beklagten (nur) mit dem Inhalt verbindlich, den sie zum Ablauf des 2. Oktober 1990 nach dem damals in der DDR maßgeblichen Recht hatten. Der Wert des Rechts des Klägers auf (Versorgungs-)Altersrente betrug aber zu diesem Zeitpunkt – und schon für Bezugszeiten ab 1. Juli 1990 – nicht 1.405,00 DM, sondern nur 950,00 DM. Denn der vor dem 1. Juli 1990 durch den MdI der DDR festgesetzte Wert von 1.405,00 DM war schon nach dem Versorgungsrecht nur ein Auszahlungsbetrag, der auf die gleichfalls durch Verwaltungsakt der DDR festgesetzte höhere MfS-Rente anzurechnen war. Deren Wert war durch das zum 1. Juli 1990 in Kraft getretene Gesetz über die Aufhebung der Versorgungsordnung des ehemaligen MfS/AfNS vom 29. Juni 1990 (GBl I Nr 38 S 501) auf 950,00 DM herabgesetzt worden.
Der Senat hat hierzu bereits geklärt,
- daß der Wert einer nach der Versorgungsordnung des MfS bestehenden Versorgungsberechtigung (und auch einer hiernach festgesetzten Alters- oder Invalidenrente) ab 1. Juli 1990 den Monatsbetrag von 990,00 DM rechtlich nicht mehr überschreiten konnte, weil die Renten durch §§ 1, 2 AufhebG auf höchstens diesen Betrag begrenzt worden waren (BSGE 72, 50, 64, dort auch zur Begrenzung auf 1.500,00 DM durch § 23 Abs 2 RAG; BSGE 80, 149, 150 f);
- daß EinigVtr Nr 9 Buchst b iVm §§ 1, 2 AufhebG auf die durch eine Beschäftigung beim MfS erworbenen Rechte und Anwartschaften Anwendung findet, wenn der Versorgungsanspruch auch nur zum Teil durch eine Erwerbstätigkeit erworben wurde, derentwegen die Sonderversorgung zugesagt wurde (BSGE 80, 149, 152 mwN);
- daß eine Versorgungsberechtigung eines MfS-OibE aus dieser Beschäftigung gegen eine andere Stelle in der DDR als das MfS zwar formal durch die verdeckende Beschäftigung ausgelöst war, inhaltlich aber auf der verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS beruhte (BSGE 77, 253, 264).
Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde gegen das vorgenannte Urteil des Senats vom 25. März 1997 (BSGE 80, 149) durch Urteil vom 28. April 1999 (1 BvR 1560/97) zurückgewiesen und die Verfassungsmäßigkeit der pauschalen Kürzung von Versorgungsleistungen aus dem genannten Versorgungssystem nach dem als Bundesrecht fortgeltenden AufhebG für mit dem GG vereinbar erklärt.
2.) § 1 Satz 1 AufhebG bestimmt, die Versorgungsordnung des MfS werde mit Wirkung vom 30. Juni 1990 aufgehoben. Nach Satz 2 aaO werden „die bestehenden Versorgungen entsprechend den nachfolgenden Festlegungen” in die Rentenversicherung (der DDR) überführt (zur bundesrechtlichen Bedeutung des AufhebG stellv. BSGE 80, 149, 151 ff).
Gemäß § 2 Buchst a AufhebG werden ab 1. Juli 1990 mit dem Ziel der Anpassung an das Niveau im zivilen Bereich die nach der Versorgungsordnung festgesetzten Renten vorläufig in folgender Höhe gezahlt:
- die Alters- und Invalidenrenten werden um 50 vH des 495,00 DM übersteigenden Betrages gekürzt, dürfen jedoch die Höhe von 990,00 DM nicht überschreiten.
- Die Hinterbliebenenrenten …
- Die Übergangsrenten …
- Die Dienstbeschädigungsvollrenten …
Demgemäß betrug der Wert der am 1. Juli 1990 bestehenden MfS-Versorgungsberechtigung (Altersrente) des Klägers monatlich höchstens 950,00 DM. Darauf war die Zahlung der Volkspolizeiverwaltung anzurechnen. Der Kläger hatte aber durch seine Beschäftigung beim MfS, auf welche die Vordienstzeit bei der Volkspolizei angerechnet worden war, nur die MfS-Versorgungsberechtigung erworben. Seine „Gesamtaltersversorgung” bestand nur als MfS-Versorgung. Diese wurde kraft Gesetzes auf den Höchstbetrag von 50 vH des 495,00 DM übersteigenden Betrages, also hier auf 950,00 DM begrenzt, der die absolute Höchstmarke von 990,00 DM nicht erreichte.
Der Kläger hatte zum 1. Juli 1990 ausschließlich ein Recht auf eine nach der MfS-Versorgungsordnung „bestehende Versorgung” iS von § 1 Satz 2 AufhebG; er konnte nur eine Altersrente als eine „nach der Versorgungsordnung festgesetzte Rente” iS von § 2 AufhebG iVm EinigVtr Nr 9 Buchst b beanspruchen, nicht jedoch zusätzliche Zahlungen der Volkspolizeiverwaltung (dazu unter 3.). Die Herabsetzung der MfS-Renten, ob als solche oder in anderer Rechtsform festgesetzt, vollzog sich auch gegenüber dem MfS-OibE materiell-rechtlich von selbst, dh, ohne daß die Aufhebung entgegenstehender früherer Verwaltungsakte und ein vollziehender Kürzungs-Verwaltungsakt erforderlich gewesen wären (dazu unter 4.). Der Kläger hat seine MfS-Versorgungsberechtigungen nicht durch einen „Ausschluß-Verwaltungsakt” des Komitees zur Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit (Auflösungskomitee) verloren (dazu unter 5.). Auf Vertrauensschutz kann er sich nicht berufen (dazu unter 6.). Die Kürzung des Wertes der Versorgungsrente von 950,00 DM auf 802,00 DM war rechtswidrig, die Klage insoweit begründet (dazu unter 7.).
3.) Der Kläger hat iS von § 2 AufhebG eine nach der Versorgungsordnung des MfS festgesetzte Rente bezogen, nämlich zunächst eine MfS-Invalidenrente und dann eine MfS-Altersrente, auf welche die Zahlung der Volkspolizeiversorgung gemäß der MfS-Versorgungsordnung und der OibE-Ordnung angerechnet wurden.
Dem steht nicht entgegen, daß ihm eine Invaliden- bzw Altersrente auch von der Volkspolizeiverwaltung des MdI der DDR unter Bezugnahme auf die Versorgungsordnung des MdI, also gemäß der (später im Bundesrecht so bezeichneten) Sonderversorgung der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei iS der Anlage 2 Nr 2 des AAÜG bewilligt worden war. Denn diese Entscheidung beruhte nicht etwa darauf, daß der Kläger neben seinem Beruf als MfS-Offizier eine weitere Beschäftigung bei der Volkspolizei, also zwei Berufe nebeneinander ausgeübt hätte. Vielmehr führte nur die Tarnung des Berufs als MfS-Offizier zu einer Versorgungszusage auch der Volkspolizei, die lediglich sein „Einsatzobjekt”, nicht aber sein wirklicher Arbeitgeber war. Diese Täuschung hat das AufhebG der nach der friedlichen Revolution in der DDR frei gewählten Volkskammer nicht als rechtsgültig anerkannt und für die OibE des MfS keine Privilegien im Vergleich zu den anderen hauptamtlichen Mitarbeitern des MfS geschaffen. Vielmehr erfaßt dieses Gesetz alle am 1. Juli 1990 bestehenden Versorgungsberechtigungen (Rechte, Ansprüche, Anwartschaften), wenn und soweit ihnen eine entgeltliche hauptamtliche Beschäftigung beim MfS zugrunde liegt; dies gilt unabhängig von der Rechtsform der tarnenden Versorgungs- oder Versicherungsposition und jeweils in dem Umfang, in dem Versorgungen oder Versicherungen aus der Tarnbeschäftigung in Wirklichkeit durch eine hauptamtliche Beschäftigung im Geltungsbereich der MfS-Versorgungsordnung (101 Nr 1 der Ordnung Nr 7/87) erworben worden waren.
Das Gesetzgebungsverfahren der Volkskammer der DDR zum AufhebG (dazu BSGE 80, 149, 160 mwN) enthält keinen Hinweis darauf, die Volkskammer habe MfS-Offiziere, die als ua OibE getarnt in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft eingesetzt worden waren, hinsichtlich der Altersversorgung gegenüber anderen MfS-Offizieren bevorzugen wollen. Angesichts der Ergebnisse, die der von ihr am 7. Juni 1990 eingesetzte Sonderausschuß zur Kontrolle der Auflösung des MfS/AfNS (Volkskammer-Drucksache Nr 27a) gerade über das Wirken der MfS-OibE erzielt hatte, lag derartiges völlig fern (siehe Richter, Die Staatssicherheit im letzten Jahr der DDR, 1996, S 228 ff mwN). Der Zweck des § 2 AufhebG, „den Rentenempfängern nach der Versorgungsordnung des MfS keine ungerechtfertigt wesentlich günstigeren Startbedingungen für die Zeit nach der Währungsunion einzuräumen als im zivilen Bereich” (Protokolle der Volkskammer der DDR, 10. Wahlperiode 19. Tagung S 765), trifft für alle nach der Versorgungsordnung des MfS im Juli 1990 Versorgungsberechtigten zu. Zu diesen gehörten auch alle OibE; gleiches gilt im übrigen für die von den OibE zu unterscheidenden Hauptamtlichen Inoffiziellen Mitarbeiter (HIM) und die Unbekannten Mitarbeiter (UM) des MfS (daneben gab es verschiedene Formen der nebenamtlichen und sonstigen Mitarbeiter). Auch der Wortlaut von § 2 AufhebG spricht nicht für eine Begünstigung der verdeckt arbeitenden hauptberuflichen Mitarbeiter des MfS; denn er legt nur das Ziel der Angleichung von MfS-Renten an den zivilen Bereich fest, bestimmt aber nicht, daß Tarnrenten der MfS-Berechtigten aus anderen Sicherungssystemen der DDR nicht derart anzugleichen sind.
Jeder OibE war ein MfS-Offizier, der in einem Dienst- und Versorgungsverhältnis zum MfS stand, das in Wirklichkeit sein einziger Arbeitgeber war und dessen Weisungen er gerade auch dann nachkommen mußte, wenn dies mit denjenigen seines Schein-Arbeitgebers nicht vereinbar war (zB Geheimhaltung). Für die Erfüllung seiner „besonderen Aufgaben” im „Einsatzobjekt” wurde er – soweit für den Tarnberuf erforderlich – mit einer gefälschten privaten, beruflichen und sozialen Lebensgeschichte und entsprechend gefälschten Unterlagen („Legendierung”) ausgestattet. Der Tarnberuf war lediglich die Art und Weise, in welcher die Dienstpflicht gegenüber dem MfS ausgeübt wurde. Das Nähere hierzu ergibt sich aus der als geheime Verschlußsache geführten Ordnung Nr 6/86 (der Text findet sich in Fricke, MfS-intern. Macht, Strukturen, Auflösung der Staatssicherheit, Analyse und Dokumentation, Köln 1991, S 53-56), die zum 1. Mai 1986 in Kraft gesetzt wurde und entsprechende frühere Bestimmungen außer Kraft setzte. Eine Ablichtung dieser Ordnung und der ersten sowie der zweiten Durchführungsbestimmung hierzu hat der Senat den Beteiligten zugeleitet und zu den Akten genommen. Hieraus ergibt sich im wesentlichen folgendes Bild:
Jeder OibE war MfS-Offizier mit MfS-Planstelle, mit MfS-Dienst- und Versorgungsverhältnis, stand unter MfS-Befehls- und Disziplinargewalt und hatte einen bestimmten MfS-Einsatzbefehl im jeweiligen Einsatzobjekt unter Tarnung („Legendierung”) zu erfüllen. Hierfür wurden nicht nur seine Lebensgeschichte und hierauf bezogene Urkunden – falls für notwendig erachtet – gefälscht, sondern gemäß den Anforderungen des getarnten Einsatzes mit entsprechend gefälschten Unterlagen auch seine soziale Sicherung ausgestaltet und, soweit die Tarnung dies im nachhinein gebot, nach Beendigung des Einsatzes bzw im Einzelfall auch nach Ausscheiden des OibE aus dem Dienst des MfS, aufrechterhalten oder uU erst geschaffen. Einkünfte und Sozialleistungen aus dem Tarnberuf mußte jeder OibE seinem MfS-Führungsoffizier angeben; die Beträge wurden auf die Geldleistungen des MfS angerechnet; die Differenz zur höheren MfS-Leistung wurde ausgezahlt. Entgegen dem Vorbringen des Klägers gab es keine „Ergänzungsrente”, sondern nur die MfS-Rente, wenn der OibE – wie regelmäßig (und auch im Fall des Klägers) – im MfS-Dienst blieb bzw MfS-versorgungsberechtigt wurde.
Dies ergibt sich weiterhin ua aus folgenden – hier nicht vollständig darzustellenden – Regelungen der OibE-Ordnung:
- OibE, die innerhalb der DDR tätig waren, erhielten Vergütungen nach der Besoldungsordnung des MfS; OibE, die im Ausland eingesetzt waren, erhielten Besoldung und Vergütung gemäß der MfS-Vergütungsordnung Ausland.
- OibE erhielten bei Vorliegen der Voraussetzungen Rentenleistungen nach der Versorgungsordnung des MfS.
- Bezogen ehemalige OibE Rentenleistungen aus der Sozialversicherung bzw gleichartige Versorgungsleistungen und hatten sie bei Beendigung des Einsatzes als OibE und gleichzeitiger Entlassung aus dem Dienst des MfS einen gleichartigen höheren Rentenanspruch im MfS erworben, war vom MfS ein Ausgleich zur Renten-/Versorgungsleistung außerhalb des MfS zu zahlen.
Bestand bei Beendigung des Einsatzes als OibE und gleichzeitiger Entlassung aus dem Dienst des MfS kein Anspruch auf Rentenleistungen des MfS, mußte der die Beitragspflicht entsprechend den Festlegungen der Sozialversicherungsordnung übersteigende Teil der Versorgungsbeiträge des OibE zur Gewährleistung der Einbeziehung in die FZR oder in anderen zusätzlichen Versorgungen in den Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung eingetragen bzw anderweitig bescheinigt werden (Das bedeutete, daß gefälschte Unterlagen über Sozialversicherung, FZR oder Zusatzversorgung nachträglich durch Eintragung höherer (MfS-)Arbeitsentgelte nochmals verfälscht werden sollten.).
Konnte dies aus Gründen der Konspiration, Geheimhaltung und inneren Sicherheit nicht erfolgen, war auf Entscheidung der zuständigen MfS-Stelle den OibE durch die zuständige Abteilung Finanzen eine Mehrverdienstbescheinigung zur Beantragung einer Zusatzrente des MfS auszustellen.
- Die OibE-Ordnung Nr 6/86 galt für alle Diensteinheiten des MfS, ausgenommen nur das Wachregiment Berlin. Sie regelte ua die Besonderheiten des Dienstverhältnisses der OibE als Angehörige des MfS.
- OibE waren danach Angehörige des MfS, die im Interesse der dem MfS übertragenen Verantwortung unter „Legendierung” ihres Dienstverhältnisses mit dem MfS auf der Grundlage eines Arbeitsrechts- oder Dienstverhältnisses in sicherheitspolitisch bedeutsamen Positionen im Staatsapparat, der Volkswirtschaft oder in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens (Einsatzobjekte) eingesetzt und wirksam werden sollten.
- Hauptaufgabe der OibE war es, Informationen zu erarbeiten, ständige Koordination und Abstimmung zwischen dem Einsatzobjekt und dem MfS zu gewährleisten, Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen zu realisieren, wichtige Bereiche vorbeugend zu sichern und zur Lösung sicherheitspolitischer Aufgaben feindliche Pläne und Absichten aufzuklären.
- Die Anwendung aller mit dem Einsatz von OibE verbundenen Maßnahmen, Mittel und Methoden mußte unter strengster Beachtung der Prinzipien der Geheimhaltung und Konspiration erfolgen.
- OibE mußten sich ua durch eine feste Verbundenheit mit dem MfS „auszeichnen”.
- Die OibE waren Teil des Kaderbestandes der für die Lösung der politisch-operativen Einsatzaufgabe verantwortlichen Diensteinheit. Die OibE-Planstellen im MfS waren gesondert auszuweisen. OibE durften nur auf dafür bestätigten Planstellen des MfS eingesetzt werden. Die Bewertung der Planstelle war unter Beachtung der Vergütung im Einsatzobjekt vorzuschlagen. Grundsätzlich waren für den Einsatz als OibE nur Angehörige des MfS auszuwählen.
- Der Einsatz als OibE erfolgte auf Befehl nur über den Minister für Staatssicherheit selbst oder in dessen Auftrag durch den Leiter der Hauptabteilung Kader und Schulung.
- Die Leiter der OibE-führenden Diensteinheiten hatten zur Sicherung des konspirativen und wirkungsvollen Einsatzes von OibE in den Einsatzobjekten die Erarbeitung einer lebensnahen, auf die konkrete Aufgabe und die Persönlichkeit des OibE abgestimmten Einsatzlegende zu gewährleisten, sie mit dem OibE zu beraten bzw ihn in die Ausarbeitung einzubeziehen und die Anwendung der Legende durchzusetzen. Zur Einsatzlegende gehörten ua die Erarbeitung von Personaldokumenten für den OibE, die seine Zugehörigkeit zum MfS durch glaubhaften Nachweis anderer Tätigkeiten vollständig oder teilweise verdeckten, ebenso auch die Ausstellung eines zweiten Versicherungsausweises mit Angaben, die mit den (gefälschten) Personalunterlagen identisch waren.
- Die Leiter der OibE-führenden Diensteinheiten hatten sicherzustellen, daß durch aktive Maßnahmen zur Vervollkommnung und Durchsetzung der Legendierung des Einsatzes, der Herauslösung, der Rückführung und der weiteren Tätigkeit Geheimhaltung und Konspiration umfassend gewährleistet wurden; dabei waren erforderlichenfalls der Ehepartner und weitere Familienangehörige differenziert einzubeziehen.
- Die Ausstattung der OibE mit Ausweisen, Berechtigungen und anderen Dokumenten, die Rückschlüsse auf ihr Dienstverhältnis mit dem MfS zuließen, war im Interesse der Geheimhaltung und Konspiration grundsätzlich nicht zulässig. Die OibE waren in der Abteilung XII für die Hauptabteilung Kader und Schulung zu erfassen.
- Für OibE galten die Rechtsvorschriften über den Wehrdienst, die dienstlichen Bestimmungen und Weisungen zur Regelung des Dienstes im MfS und die sich daraus ergebenden Pflichten und Rechte. Gleichzeitig unterlagen sie den für das jeweilige Einsatzobjekt maßgeblichen arbeitsrechtlichen oder dienstrechtlichen Bestimmungen.
- Die Besoldung der OibE erfolgte nach den Bestimmungen der Besoldungsordnung des MfS auf der Grundlage der bestätigten Planstelle des MfS. OibE hatten ggf Anspruch auf Abgeltungen und Entschädigungen gemäß der Entschädigungsordnung des MfS. Die vom Einsatzobjekt gezahlte Nettovergütung war mit der Nettovergütung des MfS zu verrechnen und die Differenz als Ausgleich zu zahlen. Lag die Nettovergütung im Einsatzobjekt höher als im MfS, war der übersteigende Betrag vom MfS nicht einzuziehen, bei Rentengewährung durch das MfS aber die höhere Vergütung aus dem Einsatzobjekt zugrunde zu legen. Nach Beendigung des Einsatzes erfolgte die Besoldung entsprechend der befehlsmäßig festgelegten Dienststellung im MfS.
- Die im Einsatzobjekt vom OibE entrichteten Beiträge zur FZR bzw zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates sowie der Beiträge zum FDGB waren vom MfS zu erstatten. OibE hatten Anspruch auf Urlaub nach der Urlaubsordnung des MfS.
- Sie unterlagen der Disziplinarordnung des MfS.
- Mit der Beendigung des Einsatzes waren alle Maßnahmen der „Legendierung”, soweit sie nicht für die Geheimhaltung und Konspiration auch nach dem Einsatz erforderlich waren, aufzuheben und im Zusammenhang mit der „Legendierung” gefertigte Unterlagen und Dokumente einzuziehen. Dokumente und Ausweise zur Abdeckung des Einsatzes waren der ausstellenden und nachweisführenden Stelle im MfS zu übergeben.
Vor dem durch die OibE-Ordnung belegten Hintergrund steht außer Zweifel, daß jeder OibE, der mit Beendigung des OibE-Einsatzes zB wegen Invalidität oder Erreichens der allgemeinen Altersgrenze aus dem aktiven MfS-Dienst ausgeschieden war, von der DDR ausschließlich eine nach der MfS-Versorgungsordnung bestehende Versorgung und eine hieraus nach Grund und Höhe festgesetzte Rente erhielt, unabhängig davon, in welchem auf der „Legendierung” aufbauenden scheinbaren rechtlichen Zusammenhang und von welcher Stelle der DDR oder ihrer Untergliederungen die auf dem Tarnberuf beruhende Rentenbewilligung ausgesprochen worden war (zB FDGB, Staatliche Versicherung der DDR, andere Minister in der DDR); §§ 1, 2 AufhebG iVm EinigVtr Nr 9 Buchst b enthalten hierfür keine – offensichtlich rechtsstaatswidrigen – Begünstigungen für Tarnversorgungen oder Scheinversicherungen.
4.) Die Herabsetzung des Wertes der durch MfS-Dienst erworbenen Rentenberechtigungen vollzieht sich auch gegenüber den OibE des MfS materiell-rechtlich von selbst; ein die Kürzung vollziehender Verwaltungsakt ist nicht erforderlich.
§§ 1, 2 AufhebG iVm EinigVtr Nr 9 Buchst b (und Buchst e betreffend solche Versorgungsleistungen ua aus der MfS-Versorgungsordnung, die nicht in die Rentenversicherung überführt wurden) enthalten hinsichtlich der Festsetzung von Rentenhöchstwerten ab Juli 1990 sich selbst vollziehendes Verwaltungsrecht, das keiner Umsetzung durch konkretisierenden Verwaltungsakt bedarf. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 27. Januar 1993 (BSGE 72, 50, 64) gesagt, in seinem Vorlagebeschluß vom 30. März 1994 zu § 10 Abs 2 Satz 1 Nr 1 AAÜG zugrunde gelegt (B 4 RA 32/99 R = früher: 4 RA 33/92; dazu Urteil des BVerfG vom 28. April 1999 ≪1 BvL 11/94≫) und im Urteil vom 25. März 1997 bestätigt (4 RA 23/95 in BSGE 80, 149, 150); die Verfassungsbeschwerde hiergegen wurde vom BVerfG (1 BvR 1560/97) in dessen vorgenanntem Urteil zurückgewiesen. Der Gesetzgeber der DDR hat die zum 1. Juli 1990 bestehenden Berechtigungen aus der MfS-Versorgungsordnung auf die in § 2 AufhebG genannten Höchstwerte begrenzt; dieser gesetzgeberische Akt ist vom Bundesgesetzgeber im EinigVtr ohne Verstoß gegen höherrangiges Recht als weiterhin maßgeblich qualifiziert worden. Hieran ist auch im Blick auf die MfS-OibE festzuhalten.
Der Senat hat bereits in seinem „OibE-Urteil” vom 30. Januar 1996 (4 RA 16/95 in BSGE 77, 253, 258 ff mwN) näher dargelegt, daß nach Bundesverfassungsrecht ein die Organe der vollziehenden Gewalt von der Wahrnehmung der Kernbereichskompetenz zur verbindlichen Einzelfallentscheidung ausschließender Selbstvollzug („belastender”) verwaltungsrechtlicher Gesetze, falls er ausnahmsweise gesetzlich vorgesehen ist, grundsätzlich unzulässig und nur in seltenen Ausnahmefällen nach Art 20 Abs 2 Satz 2, Art 19 Abs 4 Satz 1 und Art 3 Abs 1 GG erlaubt ist; ein solcher Selbstvollzug lag bei der erstmaligen Abschaffung von nicht in die Rentenversicherung des Beitrittsgebiets überführten Leistungen aus seit 1992 insoweit weitergeführten Versorgungsordnungen für einen Teil der MfS-Offiziere (OibE ua) in § 13 Abs 1 Nr 4 AAÜG nicht vor. Es bedarf hier keiner Entscheidung darüber, ob eine allgemeine Rentenwertkürzung – wie in §§ 1, 2 AufhebG geschehen – später unmittelbar durch Bundesgesetz hätte „selbstvollziehend” vorgenommen werden dürfen. Denn der Bundesgesetzgeber durfte mit dem Einigungsvertragsgesetz an die vom Gesetzgeber der DDR getroffene Regelung anknüpfen. Er fand die Rentenansprüche und -anwartschaften in der modifizierten Form vor, die sie durch die Gesetzgebung der DDR erhalten hatten, welche den Anforderungen des GG nicht unterlag und daher an ihr auch nicht gemessen werden kann. Der sachliche Grund, die Renten der MfS-Berechtigten in ihren Höchstbeträgen an den zivilen Bereich heranzuführen, rechtfertigt, daß das Bundesrecht an die von der Volkskammer getroffene übergangsrechtliche, die ab Januar 1992 zu gewährende SGB VI-Rente in ihrem Wert nicht beschränkende, Kürzung anknüpft.
Gerade im Blick auf die besondere, durch den Tarnberuf begründete Stellung der MfS-ObiE bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Übernahme der Kürzungsentscheidung der Volkskammer in das (sekundäre) Bundesrecht. Ein Selbstvollzug des Gesetzes liegt nur vor, wenn das, was im Einzelfall zwischen dem Verwaltungsträger und dem Bürger konkret verbindlich gelten soll, sich jedenfalls für die Betroffenen unzweifelhaft und ohne das Erfordernis, weitere individuelle Tatsachen feststellen zu müssen, von denen der Eintritt der Rechtsänderung abhängen könnte, aus dem Gesetzestext ergibt, wenn also kein die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles prüfender Erkenntnisprozeß und keine individuelle Entscheidung (Feststellung) des Verwaltungsträgers notwendig ist (BSGE 77, 149, 258). Hieran fehlt es hier nicht etwa deshalb, weil § 1 Satz 2 AufhebG von den „bestehenden Versorgungen” und § 2 AufhebG von den „nach der (MfS-)Versorgungsordnung festgesetzten Renten” spricht. Denn (ausnahmslos) jeder MfS-OibE wußte, daß er nur MfS-Bediensteter war und ihm soziale Sicherung ausschließlich und in vollem Umfang nach der Versorgungsordnung des MfS zustand; jeder wußte auch, daß schon aus Gründen der Verhinderung einer Enttarnung die durch „Legendierung” und falsche Urkunden erlangten Renten aus anderen Sicherungssystemen der DDR nach deren Maßgaben bewilligt und gezahlt werden mußten, aber auf die gleichartigen und im Normalfall höheren Ansprüche nach der MfS-Versorgungsordnung angerechnet wurden. Während ihres Einsatzes hatten sie sämtliche Bezüge im Einsatzobjekt einmal jährlich dem Kaderorgan des MfS nachzuweisen; bei jeder Veränderung in der Nettovergütung hatten sie das Kaderorgan sofort zu informieren; ihre Besoldung ergab sich auf der Grundlage der bestätigten Planstelle des MfS, wobei die vom Einsatzobjekt gezahlte Nettovergütung mit der Nettovergütung des MfS zu verrechnen war; gleiches galt für die Zeit des Rentenbezuges, soweit nicht Gründe der Konspiration und Geheimhaltung entgegenstanden.
Für jeden MfS-Offizier lag auf der Hand, daß die Volkskammer durch die Wortwahl in §§ 1, 2 AufhebG ihn nicht von den Kürzungen der MfS-Versorgungsberechtigungen ausnehmen wollte, soweit ihm eine Rentenberechtigung aus einem anderen Sicherungssystem aufgrund seines Tarnberufs zuerkannt worden war. Jeder MfS-OibE und jeder OibE-Rentenbezieher wußte, welche Rechte und Pflichten er im Verhältnis zum MfS hatte. Jeder wurde von einem anderen MfS-Offizier (Kaderorgan) hinsichtlich der Erfüllung seiner Pflichten und Obliegenheiten kontrolliert. Die MfS-OibE waren im übrigen eine vom MfS besonders ausgewählte Kategorie von Geheimagenten, die in Schlüsselpositionen des Staatsapparates, der Wirtschaft, der Universitäten und in anderen gesellschaftlichen Bereichen einschließlich der Kirchen eingesetzt waren und einen Überblick auch über ihre Versorgungsverhältnisse hatten. Demgegenüber stand – wie jeder OibE wußte – der demokratisch gewählten Volkskammer und ihrer og Sonderkommission (sowie der am 16. Mai 1990 eingesetzten Regierungskommission) im Juni 1990 keine auch nur annähernd vollständige Liste der OibE (der HIM, UM) und ihrer Einsatzobjekte, nicht einmal ein authentischer Text der OibE-Ordnung, der MfS-Versorgungsordnung oder einer anderen Sonderversorgungsordnung zur Verfügung, weil es kein von der SED oder ihrer DDR amtlich oder in sonstiger Weise veröffentlichtes Exemplar gab; denn jede Niederschrift dieser Ordnungen war als geheime Verschlußsache geführt worden und mußte an die Zentralstelle zurückgegeben oder vernichtet werden, wenn sie geändert worden war oder Veröffentlichung „drohte”.
Die Feststellung weiterer, noch nicht bekannter individueller Tatsachen war ebenfalls nicht notwendig, weil die Kürzungen nach § 2 AufhebG jeweils nach einer für alle Betroffenen gleichen Rechtsänderungsformel aufgrund bekannter Ausgangswerte nach mathematischen Verfahren erfolgten. Ferner ging es im Rahmen der friedlichen Revolution in der DDR darum, möglichst rasch und einheitlich die Grundlagen für die neue Entwicklung herzustellen. Daher war es auch unter Beachtung des Übermaßverbotes unvermeidbar, die für alle Betroffenen gleichen Rechtsänderungsformeln der §§ 1, 2 AufhebG „kraft Gesetzes” auch in Durchbrechung ggf von der früheren DDR erlassener Einzelfallentscheidungen zu einem bestimmten Zeitpunkt einheitlich durchzusetzen. Es lag eine historisch einmalige Umbruchsituation von der Diktatur zur Demokratie vor, die Rechtslage und die Verwaltungspraxis im Versorgungs- und Versicherungsrecht der vordemokratischen DDR waren schwer durchschaubar, die vorgefundenen Unterlagen nach den „Aktenvernichtungs- und Aktenreinigungsmaßnahmen” waren gefälscht oder sonst unzuverlässig, rasches Handeln war jedoch geboten (so BSGE 72, 50, 63). In dieser Lage war der notwendige Neubeginn zeitnah nicht zu bewerkstelligen, wenn zunächst eine außerordentlich große Vielzahl von Verwaltungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen (das MfS hatte im September 1989 etwa 85.000 hauptamtliche Mitarbeiter zuzüglich seiner Bestandsrentner). Es lag somit auch ein sog „Funktionsausfall der vollziehenden Gewalt” vor (BSGE 77, 149, 258 ff, 268), welcher (ausnahmsweise) sogar nach Bundesverfassungsrecht den Erlaß eines sich selbst vollziehenden Gesetzes rechtfertigen kann.
Gegen den Selbstvollzug der §§ 1, 2 AufhebG (am 1. Juli 1990 in der DDR) auch gegenüber dem MfS-OibE spricht schließlich nicht, daß der Bundesgesetzgeber später § 10 Abs 2 Satz 2 AAÜG mittels Art 1 Nr 4 Buchst c des Gesetzes zur Änderung des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG-ÄndG) vom 18. Dezember 1991, verkündet am 24. Dezember 1991 (BGBl I 2207) und in Kraft getreten am 1. Dezember 1991, ausdrücklich geändert und dadurch einen speziellen Kürzungstatbestand für Werte von solchen Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenrenten (aus Versorgungen oder Versicherungen) eingeführt hat, die (und soweit sie) durch eine verdeckte Beschäftigung als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS erworben worden waren. Hierbei ging es nicht um die von der DDR durchgeführte, vom Deutschen Bundestag vorgefundene Begrenzung durch die §§ 1, 2 AufhebG, sondern um eine zusätzliche, bundesrechtlich erstmalig eingeführte weitere Begrenzung auf Höchstwerte unter denjenigen des AufhebG. Dabei unterlag der Deutsche Bundestag allein bundesverfassungsrechtlichen Bindungen. Er hat diesen weiteren Eingriff nicht „selbstvollziehend” durchgeführt, sondern die Organe der vollziehenden Gewalt dazu ermächtigt und verpflichtet (§ 10 Abs 5 AAÜG). Die ursprüngliche Eingriffsermächtigung für diese weitere Kürzung erfaßte aber die Versorgungsrechte der verdeckten hauptamtlichen Mitarbeiter (ua OibE) nur zum Teil, deren „Versicherungsrechte” aus den Tarnberufen nach dem Gesetzeswortlaut überhaupt nicht. Deren Einbeziehung sollte deshalb durch die Änderung des § 10 Abs 2 Satz 2 AAÜG „sichergestellt” werden (BT-Drucks 12/1275, S 10).
Offen bleibt in diesem Zusammenhang, ob § 10 Abs 5 AAÜG iVm Abs 2 aaO den Versorgungsträgern eine ausreichende Ermächtigung gibt, nach dem 30. Juni 1990 erlassene rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakte (teilweise) zurückzunehmen, soweit der Wert der Versicherungs- oder Versorgungsrentenberechtigung durch die verdeckte hauptamtliche Beschäftigung beim MfS erworben wurde, die Wertfestsetzung wegen des Tarnberufes aber über den Höchstbeträgen des § 2 AufhebG lag.
Der Kläger hatte somit ab Juli 1990 ein gegen den beklagten Funktionsnachfolger gerichtetes Recht auf eine MfS-Altersrente mit einem monatlichen Wert von 950,00 DM.
5.) Der Kläger hat seine MfS-Versorgungsberechtigung, sein Recht auf eine Altersrente gemäß der MfS-Versorgungsordnung, vor Inkrafttreten der §§ 1, 2 AufhebG am 1. Juli 1990 nicht verloren. Seine Ansicht ist unbegründet, das Komitee zur Auflösung des AfNS habe ihn durch das von ihm dem BSG vorgelegte Schreiben vom 25. Juni 1990 in vollem Umfang aus der Zugehörigkeit zur Versorgungsordnung des MfS entlassen, so daß er hieraus nichts mehr zu beanspruchen gehabt habe.
Ein solcher Verwaltungsakt stünde der bundesrechtlichen Beachtlichkeit der Kürzungen des AufhebG von vornherein nach Art 19 Satz 2 EinigVtr nicht entgegen. Es kann dahinstehen, ob solche Akte einer vollziehenden Gewalt mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbart werden könnten, obwohl sie absolut kompetenzlos, weil ohne Ermächtigung durch die frei gewählte Volkskammer und durch deren erst am 29. Juni 1990 beschlossenes AufhebG, erlassen worden wären und ersichtlich nur dem Zweck hätten dienen können, den möglichen Anwendungsbereich des (damals noch zukünftigen) AufhebG im Vorgriff sinnwidrig einzuschränken. Jedenfalls wären solche Verwaltungsakte mit den Regelungen des EinigVtr zur übergangsrechtlichen Weiteranwendung der (am 30. Juni 1990 aufgehobenen) MfS-Versorgungsordnung unvereinbar.
Für den Geltungs- und Anwendungsbereich der §§ 1, 2 AufhebG, an den das Bundesrecht mit dem EinigVtr maßgeblich angeknüpft hat, kommt es nur auf die Entscheidungen der am 18. März 1990 frei gewählten Volkskammer an. Sie hat das AufhebG zur Umsetzung ua des Art 20 Abs 2 des Staatsvertrages vom 18. Mai 1990 (BGBl II 537) erlassen. Danach kam es für die zukünftige Einordnung von Berechtigungen aus Zusatz- oder Sonderversorgungen nicht auf eine formale „Zugehörigkeit” zu einem Versorgungssystem, sondern auf den Erwerbsgrund, also darauf an, wodurch Ansprüche oder Anwartschaften „erworben” worden waren; vereinbart war, daß ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen waren.
Die Volkskammer hat das durch die Modrow-Regierung am 8. Februar 1990 eingesetzte Auflösungskomitee nicht ermächtigt, Vorentscheidungen über die weitere Behandlung von durch MfS-Beschäftigung erworbenen Rentenberechtigungen zu treffen (vgl Beschluß des Ministerrats der DDR 13/4/90, Wortlaut abgedruckt bei: Gill/Schröter, Das MfS, 1991, S 197 - 200, dort näher zum Auflösungsprozeß des MfS ab S 177 ff; dort S 200 zur Auswirkung des Beschlusses der Modrow-Regierung vom 16. Dezember 1989 ≪6/18c/89≫ über die soziale Sicherung von Angehörigen des AfNS beim Ausscheiden aus dem Dienst). Das Auflösungskomitee, das zu mehr als einem Drittel aus (ehemaligen) hauptamtlichen Mitarbeitern des MfS bestand und dessen Büroleiter ein MfS-OibE war (Richter, Die Staatssicherheit im letzten Jahr der DDR, 1996, S 177, 230) hatte schlechthin nicht die Rechtsmacht, durch Einzelentscheidungen MfS-Versorgungsberechtigte vom Geltungs- und Anwendungsbereich ua des AufhebG auszunehmen, also die Maßgeblichkeit dieses Gesetzes im Vorgriff und vor dessen Inkrafttreten einzuschränken.
Eine iS von § 1 Satz 2 AufhebG „bestehende Versorgung” lag daher am 1. Juli 1990 stets dann vor, wenn bei normaler Anwendung der MfS-Versorgungsordnung (die mit dem 30. Juni 1990 aufgehoben worden war) und ungeachtet der seit Oktober 1989, insbesondere aber seit der Regierungserklärung vom 17. November 1989 durchgeführten Umstrukturierungs- und Auflösungsmaßnahmen eine Rentenberechtigung (Recht, Anspruch, Anwartschaft) gemäß der MfS-Versorgungsordnung festgesetzt war oder bestanden hätte oder wenn eine solche Berechtigung gemäß der MfS-Versorgungsordnung (iV mit zB der OibE-Ordnung) in einem anderen Sicherungssystem (des Versorgungs- oder Versicherungsrechts der DDR) begründet worden oder zu schaffen war. Soweit also eine Rentenberechtigung in der DDR durch eine Beschäftigung im Geltungsbereich der MfS-Versorgungsordnung „erworben” worden war, der MfS-Dienst somit nach Grund und/oder Höhe der Erwerbsgrund der Berechtigung war, gilt das AufhebG. Schon deshalb kommt es auf den vom Kläger behaupteten Verwaltungsakt nicht an.
Im übrigen verlautbart das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Auflösungskomitees vom 25. Juni 1990 keinen Verwaltungsakt mit dem Inhalt, der Kläger werde aus der Zugehörigkeit zur Versorgungsordnung des MfS entlassen und habe hieraus nichts zu beanspruchen.
Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
KOMITEE ZUR AUFLÖSUNG DES AMTES FÜR NATIONALE SICHERHEIT Leiter |
Gotlindestraße Berlin 1130 25. Juni 1990 |
Einstellung von Rentenleistungen ab 1. 7. 1990
Mit dem Gesetz über die Aufhebung der Versorgungsordnung
des ehemaligen MfS/AfNS wurde festgelegt, die Zahlung
ungerechtfertigter Leistungen zu beseitigen.
Der Ihnen bisher gewährte Zuschlag zur Rente der Sozialversicherung ist davon betroffen und wird deshalb mit
Wirkung vom 1. Juli 1990 eingestellt.
I. V.
Schmutzler
Zugunsten des Klägers war zu unterstellen, daß seine Behauptung zutraf, ihm sei dieses Schreiben vor dem 1. Juli 1990 zugegangen, obwohl es keine Adresse enthält. Ein Ausschluß aus der MfS-Versorgungsordnung ist darin nicht einmal andeutungsweise ausgesprochen, ebensowenig, daß er nach der MfS-Versorgungsordnung nichts zu beanspruchen habe. Der Text vom 25. Juni 1990 gibt in Satz 1 einen Kurzhinweis auf einen der Zwecke des AufhebG, das allerdings erst am 29. Juni 1990 von der Volkskammer beschlossen wurde. In Satz 2 wird verfügt, ein bisher gewährter Zuschlag des MfS zur Rente der Sozialversicherung werde mit Wirkung vom 1. Juli 1990 eingestellt. Nach den Feststellungen des SG und nach den Mitteilungen der Beteiligten ist jedoch bislang nicht bekannt, daß der Kläger neben seiner MfS-Versorgungsaltersrente, auf welche die Zahlungen der Volkspolizei ausdrücklich angerechnet worden waren, noch eine „Rente der Sozialversicherung” bezogen hat; desgleichen ist bislang nicht belegt, daß er vom MfS einen Zuschlag zu einer solchen Rente erhalten hat. Eine Zusatzrente des MfS war bei solchen OibE vorgesehen, die aus dem MfS-Dienst bei Beendigung des Einsatzes als OibE ohne Anspruch auf eine Rentenleistung ausgeschieden waren und – aus Tarnungsgründen – in einem anderen Sicherungssystem nicht in der Höhe ihrer erworbenen MfS-Anwartschaft versichert werden konnten. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger jedoch nicht. Vor allem gibt das „Formular” vom 25. Juni 1990 nichts dafür her, dem Kläger solle sein seit Jahren durch Rentenbescheid des MfS festgesetztes Recht auf eine MfS-Versorgungsaltersrente entzogen werden.
6.) Im Ergebnis zutreffend hat das SG verneint, zugunsten des Klägers könnten die Verhaltensweisen des Beklagten (oder der Beigeladenen) seit dem 3. Oktober 1990 ein rechtlich schutzwürdiges Vertrauen in die (gesetzwidrige) Weiterzahlung von 1.405,00 DM begründet haben. Allerdings verlangt das Rechtsstaatsprinzip, das für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet, vom Sozialleistungsträger auch die Prüfung, ob im Einzelfall schutzwürdige Belange des Bürgers die durch das Gesetz ausgestalteten materialen Gerechtigkeitserwägungen überwiegen (dazu Senatsurteil vom 29. September 1994 - 4 RA 7/94 - in: SozR 3-8570 § 11 Nr 3); dies gilt auch dann, wenn die gesetzliche Regelung Vertrauensschutzaspekte nicht näher ausgestaltet hat oder sogar deren Beachtlichkeit für den Regelfall ausschließt. Daher kann es rechtsmißbräuchlich sein, wenn ein Verwaltungsträger rückwirkend in eine Rechtsposition eingreift, die er zuvor begünstigend erweitert hat, obwohl er wußte, daß die Eingriffsvoraussetzungen bereits erfüllt waren und er deswegen schon damals hätte eingreifen müssen. Ein derart treuwidriges und mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes unvereinbares Verhalten eines Versicherungs- oder Versorgungsträgers kann gegenüber einem MfS-OibE jedoch überhaupt nur dann vorliegen, wenn der Träger dem OibE nach dem 30. Juni 1990 ein Recht auf eine Rente bewilligt hatte, obwohl er wußte, daß der Begünstigte die Berechtigung hierfür (ganz oder zum Teil) durch eine Beschäftigung als MfS-OibE erworben hatte. Nur unter dieser Voraussetzung könnte es uU eine verfassungswidrige Rechtsanwendung im Einzelfall sein, wenn der rechtswidrig erteilte Begünstigungsakt für Zeiten vor der Überführung der Versorgungsrechte in das Rentenversicherungsrecht (also für Zeiten vor dem 31. Dezember 1991 oder bei den Versorgungssystemen nach Anlage 1 Nrn 23 bis 27 AAÜG vor dem 30. Juni 1993) aufgehoben wird, soweit der gesetzlich zum 1. Juli 1990 festgesetzte Höchstwert der Rente überschritten war. Hierauf ist nicht näher einzugehen, weil der Kläger weder dem beklagten Versorgungsträger seine Tätigkeit als MfS-OibE mitgeteilt hat noch der Versorgungsträger ihm trotz – ggf anderweitig erlangter – Kenntnis von seinem OibE-Status ein Recht auf eine Altersrente mit einem Wert oberhalb des Höchstwertes von 950,00 DM bewilligt hatte. Auf das – hier gleichfalls nicht treuwidrige – Verhalten der Beigeladenen kommt es für die Feststellung des im Dezember 1991 maßgeblichen Wertes der Versorgungsrente von vornherein nicht an.
7.) Der Beklagte hat mit der angefochtenen Rentenwertkürzung vom 15. Dezember 1996 in den Wert des Rechts des Klägers auf eine MfS-Versorgungsaltersrente rückwirkend eingegriffen, indem er den Rentenwert von 950,00 DM auf 802,00 DM herabsetzte. Dieser Eingriff war rechtswidrig. Das BVerfG hat auf Vorlage des erkennenden Senats in dem genannten Urteil vom 28. April 1999 (1 BvL 11/94) entschieden, daß § 10 Abs 2 Satz 1 Nr 1 AAÜG in seiner ursprünglichen Fassung vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606, 1607) mit Art 14 GG unvereinbar und nichtig ist. Damit ist die Herabsetzung des bisherigen Höchstbetrages von 950,00 DM auf den neuen Höchstbetrag des § 10 Abs 2 Satz 1 AAÜG von 802,00 DM ohne gesetzliche Ermächtigung erfolgt. Denn insoweit enthält die Ermächtigungsgrundlage des § 10 Abs 5 Satz 1 AAÜG, nach der die Begrenzung nach den Abs 1 und 2 aaO vom Versorgungsträger durch Bescheid vorzunehmen ist, keinen Eingriffstatbestand. Ein ermächtigungsloser (Grundrechts-)Eingriff ist rechtswidrig; dadurch ist der Kläger in seinem gegen das Land gerichteten Recht auf Altersrente mit einem monatlichen Wert von 950,00 DM verletzt. Der Eingriff war also – entgegen der Ansicht des SG – aufzuheben; die Revision ist insoweit begründet.
Da der Kläger – wie ausgeführt – von der DDR Zahlung nur einer MfS-Altersrente verlangen konnte, deren Wert ab Juli 1990 auf höchstens 950,00 DM festgesetzt war, lag im übrigen der behauptete Eingriff in ein Recht mit einem monatlichen Wert von 1.405,00 DM nicht vor, also auch keine Rechtsverletzung. Insoweit hat das SG richtig entschieden.
Damit steht zwischen den Beteiligten zugleich folgendes fest (§ 141 Abs 1 SGG):
- Der Beklagte schuldete dem Kläger für Dezember 1991 Zahlung von 950,00 DM.
- Die Beigeladene hat in ihrem rentenversicherungsrechtlichen Verhältnis zum Kläger für Bezugszeiten einer SGB VI-Rente ab Januar 1992 einen durch die Zahlbetragsgarantie des EinigVtr Nr 9 Buchst b Satz 4 eigentumsrechtlich geschützten Betrag von 950,00 DM zugrunde zu legen (dazu näher Senatsurteil vom 3. August 1999, B 4 RA 24/98 R, zur Veröffentlichung vorgesehen).
- Der nach § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI maßgebliche Vergleichsbetrag beläuft sich auf 950,00 DM.
Nach alledem konnte die Revision des Klägers nur insoweit Erfolg haben, als die Beklagte ermächtigungslos den Wert seiner Versorgungsaltersrente von 950,00 DM auf 802,00 DM herabgesetzt hatte. Im übrigen war die Revision unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 542906 |
BSGE, 195 |
AuA 2000, 234 |
NJ 1999, 668 |
NZS 2000, 98 |
SozSi 2000, 364 |