Beteiligte
Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen |
Landwirtschaftliche Alterskasse Württemberg |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Januar 1997 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Beitragszuschüssen und Leistungen zur Beitragsentlastung.
Die beklagte landwirtschaftliche Alterskasse gewährte dem bei ihr versicherten Kläger vom 1. Januar 1986 an antragsgemäß einen monatlichen Beitragszuschuß nach § 3c des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) in Höhe von 50,– DM („Mitteilung” vom 6. August 1986). Dem legte sie zugrunde, daß der Kläger im letzten Kalenderjahr (1985) kein anrechenbares außerlandwirtschaftliches Einkommen erzielt und der Wirtschaftswert des landwirtschaftlichen Unternehmens am 1. Januar 1986 11.460,– DM betragen hatte. Daraus ermittelte die Beklagte 38,20 Vomhundertanteile und damit als Zuschuß das Zweifache des Grundbetrages. Am 6. März 1987 machte sie eine entsprechende „Mitteilung” über einen monatlichen Beitragszuschuß in Höhe von 50,– DM für die Zeit ab 1. Januar 1987, wonach der Wirtschaftswert am 1. Januar 1987 18.653,– DM betrug. In den Folgejahren gewährte die Beklagte Beitragszuschüsse in Höhe von insgesamt 1.080,– DM für 1988, 1.272,– DM für 1989 und 1.536,– DM für 1990, ohne dem Kläger weitere „Mitteilungen” zukommen zu lassen.
Mit ihrer „Mitteilung über die Gewährung einer Entlastung von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung nach dem Sozialversicherungs-Beitragsentlastungsgesetz (SVBEG)” vom 26. November 1986 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 1. Januar 1986 zusätzlich eine jährliche Beitragsentlastung der Stufe 2 für zwölf Monate in Höhe von 750,– DM. Die Beitragsentlastung in dieser Höhe wurde in den Folgejahren bis einschließlich 1990 gezahlt; der Kläger erhielt hierüber „Mitteilungen” vom 22. Juni 1987, 30. März 1988, 25. Januar 1989 und 24. Januar 1990 für die jeweiligen Jahre. Die „Mitteilungen” für die Jahre 1986 und 1987 enthielten einen Hinweis auf die Pflicht zur Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beitragsentlastung für den Fall einer falschen Berechnung bzw Einkommensschätzung. Die „Mitteilungen” enthielten außerdem Hinweise zu den Mitwirkungspflichten des Leistungsberechtigten. Von dem Jahr 1988 an enthielten sie darüber hinaus folgenden Zusatz: „Die Bewilligung der Leistung wird vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet, wenn eine der Voraussetzungen, nämlich die Höhe des Bruttoeinkommens, nicht abschließend geprüft und festgestellt werden kann”.
Auf Aufforderung der Beklagten gab der Kläger am 25. Oktober 1990 an, er habe als Weinausfahrer im Jahre 1989 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 18.613,75 DM bezogen. Die Beklagte forderte daraufhin Nachweise über das Bruttoarbeitsentgelt der Jahre 1985 bis 1989 an. Dafür legte der Kläger am 7. Dezember 1990 Einkommensteuerbescheide für 1985, 1986 und 1988 vor (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 1985: 48.762,– DM; 1986: 35.171,– DM; 1988: 65.666,– DM; Arbeitsentgelt 1986: 19.989,– DM; 1988: 21.924,– DM). Nach erneuter Aufforderung legte er am 11. November 1991 auch die Einkommensteuerbescheide für 1987 (Arbeitsentgelt 21.298,– DM) und 1989 (Arbeitsentgelt 19.237,– DM; Arbeitsentgelt der Ehefrau 5.280,– DM) vor.
Mit Bescheid vom 6. April 1992 hob die Beklagte „die in 1987 bis 1990 an Sie ergangenen Bescheide” über die Bewilligung von Sozialkostenentlastung und den am 6. März 1987 ergangenen Bescheid über Beitragszuschuß mit Wirkung vom 1. Januar 1987 auf und forderte die für 1987 bis 1990 gewährten Leistungen in Höhe von 7.488,– DM zurück. Bei dem jährlich zu berücksichtigenden Wirtschaftswert hier in Höhe von 18.653,– DM ergebe sich – gemessen an der Obergrenze von 30.000,– DM – ein Vomhundertanteil von 62,18. Zusätzlich zu berücksichtigen sei das Arbeitsentgelt mit den anhand der jeweiligen Bezugsgröße zu berechnenden Vomhundertanteilen von 46,11; 48,00; 48,33 und 40,60, so daß der Kläger den Höchstprozentsatz von 100 % überschritten und den Leistungsanspruch verloren habe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ebenso ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 1993) wie die Klage (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Stuttgart vom 17. März 1994) und die Berufung des Klägers.
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 23. Januar 1997 die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, die Bescheide vom 6. August 1986 und 26. November 1986, durch welche die regelmäßig wiederkehrenden Leistungen über das Jahr 1986 hinaus bewilligt worden seien, erwiesen sich nur für das Jahr 1985 (kein Arbeitsentgelt) als zutreffend, jedoch für die Jahre 1986 bis 1990 als rechtswidrig. Sie seien gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) ab 1. Januar 1987 wegen der wesentlichen Änderung in den Einkommensverhältnissen, die mit der „Vollendung des Jahreseinkommens” 1986 am 31. Dezember 1986 eingetreten sei, aufzuheben. Bei den späteren Bewilligungsbescheiden habe es sich um rechtlich unselbständige Folgebescheide iS der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (Hinweis auf das Urteil vom 16. November 1995, SozR 3-5850 § 3c Nr 3) gehandelt. Der auf § 45 SGB X gestützte angefochtene Bescheid sei in einen Aufhebungsbescheid nach § 48 SGB X umzudeuten. Die Jahresfrist für die Rücknahme nach Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen gem § 48 Abs 4 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X sei gewahrt worden. Auch wenn die Beklagte bereits am 7. Dezember 1990 mit Eingang des Einkommensteuerbescheides 1986 Kenntnis von den außerlandwirtschaftlichen Einkünften des Klägers im Jahre 1986 erlangt habe, so sei der Lauf der Jahresfrist doch erst nach Ermittlung der Einkommensverhältnisse der Jahre 1987 und 1989 in Gang gesetzt worden. Erst ab dem 11. November 1991 habe die Beklagte den gesamten Sachverhalt beurteilen können. Unwesentlich sei, daß die Bescheide über die vorläufige Bewilligung der Beitragsentlastungen für die Jahre 1988 bis 1990 keiner Aufhebung bedürften (Hinweis auf BSG, Urteil vom 16. November 1995, SozR 3-1300 § 31 Nr 10); die Beklagte habe in die Gesamtbeurteilung mit einbeziehen dürfen, inwieweit auch hier die Rückforderung möglich war. Die Rückforderungen beruhten hinsichtlich der aufgehobenen Leistungen auf § 50 Abs 1 SGB X, im übrigen auf § 43 Abs 2 iVm § 42 Abs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I), § 50 Abs 3 Satz 1 SGB X.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von Verfahrensrecht. Für die Rückabwicklung der vom 1. Januar 1987 an rechtswidrigen Bewilligung von Beitragszuschuß und Beitragsentlastung sei § 48 SGB X einschlägig. Es fehle an der hinreichend bestimmten Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 6. August 1986 und 26. November 1986. Die Aufhebung des Bescheides über die Gewährung einer Beitragsentlastung vom 26. November 1986 scheitere zudem an der Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X iVm § 48 Abs 4 SGB X. Die Beklagte habe bereits mit Eingang des Einkommensteuerbescheides 1986 am 7. Dezember 1990 vollständige Kenntnis von dem für die Leistung im Jahre 1987 maßgebenden Einkommen gehabt, so daß der Aufhebungsbescheid vom 6. April 1992 die Jahresfrist nicht gewahrt habe. Hinsichtlich der für die Jahre 1988 bis 1990 bewilligten Beitragsentlastung sei die (insoweit nicht streitige) Aufhebung rechtlich nicht erforderlich gewesen, sondern es hätte statt dessen eine Rückabwicklung entsprechend § 42 Abs 2 und 3 SGB I erfolgen müssen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Urteile den Bescheid der Beklagten vom 6. April 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 1993 aufzuheben, soweit die Gewährung der Beitragsentlastung für 1987 und der Beitragszuschüsse aufgehoben und diese Leistungen zurückgefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Erst nach umfassender Klärung der maßgebenden Einkommensverhältnisse habe sie eine einheitliche, abschließende Entscheidung über die Ansprüche des Klägers auf Beitragszuschuß und Beitragsentlastung im abgelaufenen Bewilligungszeitraum treffen können.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Streitgegenstand ist nach dem Revisionsantrag noch die Rücknahme der Bewilligung von Beitragszuschuß für die Jahre 1987 bis 1990 und von Beitragsentlastung für das Jahr 1987 sowie die Rückforderung dieser Leistungen. Soweit in den Vorinstanzen die Rücknahme der für die Jahre 1988 bis 1990 bewilligten Beitragsentlastung Streitgegenstand war, verfolgt der Kläger sein Prozeßziel nicht mehr weiter.
Die Beklagte hat – soweit es die Leistungen für das Jahr 1987 betrifft – die streitbefangene Gewährung von Beitragszuschuß und Beitragsentlastung – ohne Verletzung des Bestimmtheitserfordernisses (1.) – zutreffend gem § 45 SGB X zurücknehmen dürfen (2.). Auf dieser Grundlage konnte sie auch die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen gem § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Recht geltend machen (3.). Den Beitragszuschuß für die Folgejahre 1988 bis 1990 konnte die Beklagte auf der Grundlage von § 50 Abs 2 SGB X zurückfordern, soweit sie für diese Jahre ohne Verwaltungsakte geleistet hatte und § 45 SGB X entsprechend anzuwenden war (4.).
1. Der angefochtene Bescheid vom 6. April 1992 genügt hinreichend den Bestimmtheitsanforderungen des § 33 Abs 1 SGB X. Gegen die Rücknahme ergeben sich insoweit keine verfahrensrechtlichen Bedenken. Der Rücknahmebescheid nennt ausdrücklich den (als rechtswidrig erachteten) Bescheid vom 6. März 1987 und bringt im übrigen – auch ohne eine Aufzählung aller betroffenen Bewilligungsbescheide („Mitteilungen”; es fehlte die Aufzählung der einschlägigen Mitteilungen über die jeweilige Beitragsentlastung) – unzweideutig zum Ausdruck, daß vom 1. Januar 1987 an die Gewährung des Beitragszuschusses und der Beitragsentlastung rechtswidrig gewesen sei. Aus diesem Grunde sind die betroffenen Bescheide zurückgenommen und die überzahlten Leistungen zurückgefordert worden. Dies genügt im Ergebnis den Begründungserfordernissen. Entgegen der Ansicht der Revision bedurfte es auch der Nennung der Bewilligungsbescheide vom 6. August 1986 und 26. November 1986 nicht: Wie im folgenden gezeigt wird, kam es für die Rückabwicklung der zu Unrecht gezahlten Leistungen – anders als es das LSG von seinem rechtlichen Standpunkt aus annahm – nicht auf die Rücknahme dieser Bescheide an.
2. Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts setzt nach § 45 Abs 1 SGB X zunächst voraus, daß der Verwaltungsakt von Anfang an rechtswidrig ist. Das ist hier der Fall, weil der Anspruch des Klägers auf Beitragszuschuß und Beitragsentlastung mit Wirkung vom 1. Januar 1987 weggefallen ist. Insoweit hat er nämlich – nach den das BSG bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) – zusätzlich aus seiner Tätigkeit als Weinausfahrer Arbeitsentgelt in einer Höhe bezogen, daß die Voraussetzungen für die vorgenannten Leistungen nicht mehr erfüllt waren. Dies folgt aus § 3c GAL iVm § 1 der GAL-Beitragszuschußverordnung vom 21. Mai 1986 (BGBl I 750) sowie aus § 1 SVBEG. Damit aber waren die für das Jahr 1987 einschlägigen Bescheide, nämlich der Bewilligungsbescheid vom 6. März 1987 über Beitragzuschuß ab dem 1. Januar 1987 und der entsprechende Bewilligungsbescheid vom 22. Juni 1987 über Beitragsentlastung, fehlerhaft.
a) Anspruch auf Beitragszuschuß besteht gemäß § 3c Abs 1 GAL idF des Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2475), wenn das erzielte Einkommen des Landwirts und seines Ehegatten den Grenzwert nach § 3c Abs 3 GAL nicht überschreitet. Der maßgebliche Grenzwert wird aber gemäß § 3c Abs 3 GAL überschritten, wenn die Summe der Vomhundertanteile, wie sie aus Einkommen und Wirtschaftswert zu ermitteln sind, den Wert 100 überschreiten. Dies war nach den in tatsächlicher Hinsicht nicht angegriffenen Feststellungen des LSG infolge der Verhältnisse im Jahre 1986 der Fall. Entsprechendes gilt wegen der Verweisung in § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SVBEG für den Anspruch auf Beitragsentlastung.
b) Maßgeblich war gemäß § 3c Abs 1 GAL das im letzten Kalenderjahr erzielte Einkommen, wozu nach § 3c Abs 2 Satz 1 Buchst a GAL auch Arbeitsentgelt zählte. Damit bestimmt sich der Anspruch auf Beitragszuschuß (und entsprechend auf Beitragsentlastung) für ein laufendes Kalenderjahr nach den Verhältnissen im vorausgegangenen Kalenderjahr. Während § 3c Abs 4 GAL für die Feststellung des Wirtschaftswerts auf die Verhältnisse am 30. November des vergangenen Jahres abstellt, findet auf das Arbeitsentgelt – mangels näherer Bestimmung im GAL – § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) Anwendung (§ 1 Abs 1 SGB IV). Danach ist auf die Summe aller laufenden oder einmaligen Einnahmen aus der Beschäftigung abzustellen, und zwar nach dem Umfang, den das Arbeitsentgelt am letzten Tag des Kalenderjahres erreicht hatte. Das Jahresprinzip für die Gewährung von Beitragszuschuß und Beitragsentlastung folgt dem Jahresprinzip der Beitragserhebung. Denn nach § 12 Abs 4 Satz 2 GAL kann die landwirtschaftliche Alterskasse mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf einen Zuschuß zum Beitrag bis zur Höhe des Zahlbetrages aufrechnen. Die Beiträge sind monatlich fällig (§ 12 Abs 4 Satz 1 GAL). Gemäß § 12 Abs 2 Satz 2 GAL ist der monatliche Beitrag für jedes Kalenderjahr festzusetzen. Dem entspricht § 4b Abs 6 GAL idF des Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes vom 27. September 1990 (BGBl I 2110), wonach der Beitragszuschuß monatlich gewährt und zum selben Zeitpunkt wie der Beitrag fällig wird. Auf dieser Grundlage hätten die Bewilligungen somit nicht erfolgen dürfen, da – wie sich aus dem angefochtenen Verwaltungsakt im einzelnen ergibt – sich wegen des erstmals im Jahre 1986 bezogenen Arbeitsentgelts des Klägers kein Anspruch auf eine der genannten Leistungen mehr errechnete.
c) Zurückgenommen hat die Beklagte zutreffend die Bescheide vom 6. März 1987 (Beitragszuschuß für 1987) und hinsichtlich der Beitragsentlastung – mit der Wendung: „die in 1987 bis 1990 an Sie ergangenen Bescheide” – den allein noch streitgegenständlichen Bescheid vom 22. Juni 1987. Der Senat kann offen lassen, ob er der vom LSG herangezogenen Rechtsprechung des 4. Senats des BSG über den Rechtsbegriff der „wiederholenden Verfügung” (vgl BSG vom 16. November 1995, SozR 3-5850 § 3c Nr 3 S 15; 16. November 1995 - 4 RLw 3/94 -, GVLAK RdSchr AH 1/96; vgl zum wiederholenden Verwaltungsakt auch das Urteil des 1. Senats des BSG vom 17. April 1991, BSGE 68, 228, 230 = SozR 3-2200 § 248 Nr 1 S 3 f jeweils mwN; Senatsurteil vom 27. Februar 1996, SozR 3-1300 § 48 Nr 47 S 105 zu Folgebescheiden im Kindergeldrecht) zur Anwendung auf Bescheide über Beitragsentlastung (und Beitragszuschuß) folgt, mit denen in den (auf die Erstbewilligung) folgenden Jahren keine Entscheidungen über den Grund oder die Höhe der Ansprüche zu treffen sind (vgl BSG vom 1. März 1979, BSGE 48, 56, 58, und vom 11. Juni 1987, BSGE 62, 32, 36 zur Auslegung von Verwaltungsakten als Aufgabe des Revisionsgerichts). Denn abweichend von den Sachverhalten, die den Entscheidungen des 4. Senats zugrunde lagen, hat die Beklagte vorliegend durch die „Mitteilung” vom 6. März 1987 selbständig über den Anspruch des Klägers auf Beitragszuschuß auf der Grundlage eines veränderten Wirtschaftswertes (18.653,– DM im Jahre 1987 gegenüber 11.460,– DM in 1986) entschieden, also durch einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X). Sie hat im Bescheid vom 22. Juni 1987 über Beitragsentlastung ausdrücklich auf den Bescheid vom 6. März 1987 Bezug genommen; damit hat sie allenfalls („wiederholend”) auf den Beitragszuschußbescheid verwiesen, mit dem der oa Beitragsentlastungsbescheid dann das Schicksal teilen würde. Mit der Gewährung von Beitragszuschuß und Beitragsentlastung für das Jahr 1987 hat die Beklagte jedenfalls eigenständige und vollinhaltlich erneute Bewilligungen vorgenommen (vgl BSG vom 26. Juni 1990, SozR 3-1500 § 77 Nr 1 S 4: Weitergewährung von Zeitrente; ebenso BSG vom 24. Oktober 1996, SozR 3-2600 § 300 Nr 8 S 32; zur Auslegung von Verwaltungsakten als Willenserklärungen vgl Senatsurteil vom 8. Dezember 1993, SozR 3-1300 § 34 Nr 2 S 4 mwN).
Gegen die Annahme eigenständiger Verwaltungsakte spricht nicht, daß den genannten Bewilligungen jeweils der Antrag des Klägers vom 28. Februar 1986 zugrunde lag, der innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 10 Abs 2 Satz 1 GAL gestellt worden war. Zwar folgt die Leistungsbemessung dem Jahresprinzip; der einmal gestellte Antrag deckt jedoch die Gewährung der Leistung darüber hinaus solange ab, wie die übrigen Leistungsvoraussetzungen vorliegen (§ 10 Abs 2 Satz 1 GAL). Auch der 4. Senat des BSG geht davon aus, daß der einmal gestellte Entlastungsantrag nach § 5 Abs 1 Satz 2 SVBEG zugleich für die folgenden Kalenderjahre wirkt (BSG vom 16. November 1995, SozR 3-5850 § 3c Nr 3 S 14 mwN). Daß auch hinsichtlich der Beitragsentlastung der Antrag des Klägers vom 28. Februar 1986 zugrunde gelegt wurde, entspricht § 5 Abs 2 SVBEG, wonach ein Antrag auf einen Beitragszuschuß zugleich als Antrag auf Gewährung der Beitragsentlastung gilt.
3. Die genannten Bewilligungsbescheide sind nicht nur rechtswidrig, sondern es liegen auch die Rücknahmevoraussetzungen gemäß § 45 Abs 2, 3 und 4 SGB X vor.
a) Auf ein (schutzwürdiges) Vertrauen (§ 45 Abs 2 SGB X) kann sich der Kläger nicht berufen, weil er die Rechtswidrigkeit der – die Leistungen für 1987 bis 1990 bewilligenden – Verwaltungsakte („Mitteilungen”) kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X). Er mußte – bereits bei Kenntnisnahme des Erstbewilligungsbescheids vom 6. August 1986 – wissen, daß die Beklagte für die Feststellung des Anspruchs auf Beitragszuschuß jeweils von einem Arbeitsentgelt in Höhe von 0,00 DM ausgegangen war. Den Hinweisen in den „Mitteilungen” (vgl den entsprechenden Sachverhalt im Urteil des BSG vom 16. November 1995, SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12 f) konnte er – ohne Anspannung einer außergewöhnlichen Einsichts- oder Urteilsfähigkeit – entnehmen, daß er – auf Grundlage der gesetzlichen Mitwirkungspflichten gemäß § 60 Abs 1 Nr 2 SGB I (unverzügliche Mitteilung von wesentlichen Änderungen) – verpflichtet war, Änderungen des Erwerbseinkommens – wie hier das Hinzutreten des Bezugs von Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung als Weinausfahrer – der Beklagten anzuzeigen. Teilt aber ein solchermaßen Begünstigter Tatsachen, welche für jeden erkennbar erheblich sind, nicht mit, obwohl er dazu verpflichtet gewesen und auch unmißverständlich belehrt worden ist, liegen die Regelvoraussetzungen für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit („wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat”, § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 Halbsatz 2 SGB X) vor. Die vom LSG festgestellten, unangegriffenen Tatsachen (§ 163 SGG) reichen aus, um hier von grober Fahrlässigkeit in dem oa Sinne auszugehen.
b) Die Beklagte hat auch die maßgeblichen gesetzlichen Fristen eingehalten.
aa) Dies gilt zum einen hinsichtlich der Zehn-Jahres-Frist: In Fällen von § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X kann ein Verwaltungsakt noch bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs 3 Satz 3 SGB X).
bb) Zum anderen hat die Beklagte auch die Jahresfrist gemäß § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X gewahrt, innerhalb derer die Behörde den Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen muß. Diese Frist beginnt mit der Kenntnis der Tatsachen zu laufen, welche die Rücknahme rechtfertigen (vgl dazu grundlegend BSG vom 8. Februar 1996, BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr 27; Senatsurteil vom 22. März 1995, SozR 3-1300 § 45 Nr 24 S 81). Die Kenntnis erstreckt sich sowohl auf diejenigen Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit ergibt, als auch auf jene, welche in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X vorausgesetzt werden (vgl BSGE 77, 295, 299 f mwN; 25. Januar 1994, SozR 3-1300 § 48 Nr 32 S 55 f, 63 zum erforderlichen Grad der Gewißheit von „Tatsachen”); dies schließt die für eine Ermessensausübung entscheidenden Tatsachen ein (vgl Steinwedel in Kasseler Komm § 45 SGB X RdNr 27). Aus der (insoweit maßgeblichen: vgl BSG vom 31. Oktober 1991, SozR 3-1300 § 45 Nr 10 S 35) Sicht der Beklagten zählt – nach ihrer Begründung des Bescheides vom 6. April 1992 – zu den entscheidenden Tatsachen auch der Gesamtumfang der Erstattungsforderung; denn sie wägt die aus der Rückforderung für den Kläger möglicherweise resultierende Härte mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme und Erstattung ab (vgl dazu BSG vom 21. März 1990, SozR 3-1300 § 45 Nr 2 S 14 f mwN). Damit hat die Beklagte pflichtgemäß von dem ihr zustehenden Ermessen Gebrauch gemacht und auch insoweit den gesetzlichen Anforderungen genügt. Das entkräftet den Vorwurf, die Beklagte habe den Fristablauf unrechtmäßig „hinausgeschoben”.
cc) Anstelle einer Teilrücknahme auf der Grundlage der im Dezember 1990 bekannten Überzahlung des Jahres 1987 (zur ebenfalls zu diesem Zeitpunkt bekannten Überzahlung im Jahre 1989 vgl 4.) hat es die Beklagte rechtsfehlerfrei vorgezogen, zur Ermittlung der für die Annahme einer Härte zu berücksichtigenden Tatsachen dem Kläger aufzugeben, sein Arbeitsentgelt auch in den für die Jahre 1988 und 1990 maßgeblichen Vorjahren nachzuweisen. Bei diesen für die Ermessensentscheidung wichtigen Tatsachen handelt es sich demnach weder um nur aus der „subjektiven” Sicht der Beklagten erforderliche Tatsachen noch drohte eine unzulässige Verfahrensverzögerung (vgl dazu BSGE 77, 295, 299). Die Frage nach dem Gesamtschaden erweist sich nicht als „überflüssig” (vgl BSGE 77, 295, 302 ua zum Hinausschieben der Frist wegen Anhörung), sondern erfüllt einen Anspruch des Klägers auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (vgl § 39 Abs 1 Satz 2 SGB I; vgl BSG vom 31. Oktober 1991, aaO S 35), und ist gerade auch dazu bestimmt, dem wohlverstandenen Interesse des Klägers zu dienen.
dd) An der Rechtmäßigkeit der weiteren Aufklärung ändert der Umstand nichts, daß die Beklagte die Erwägungen zu den wirtschaftlichen Folgen auch im Wege zeitlich abfolgender Teilrücknahmen hätte verwirklichen können. Handelt die Behörde wie hier im Rahmen ihrer rechtlichen Bindungen, so zwingt auch die „disziplinierende Funktion” der Jahresfrist (BSGE 77, 295, 301 f) nicht dazu, die Möglichkeiten der Behörde zur zeitlichen Gestaltung nicht auszuschöpfen. Auf ein Versäumnis der Beklagten unter diesem Gesichtspunkt kann sich der Kläger im übrigen auch schon mit Blick auf Treu und Glauben nicht berufen: Solange er nämlich – wie hier der Fall – die von ihm (im November 1990) angeforderten Einkommensnachweise für die Jahre 1985 bis 1989 nicht vollständig vorgelegt hatte, konnte er sich auf den Beginn der Jahresfrist nicht einstellen und verlassen (vgl BSG vom 25. Januar 1994, BSGE 74, 20, 26 = SozR 3-1300 § 48 Nr 32 S 62 f). Auch sonst bietet das Vorgehen der Beklagten keinen Anhalt für ein mißbräuchliches Hinausschieben der Jahresfrist durch nicht gebotene Ermittlungsmaßnahmen; diese erstreckten sich von vornherein auf die Leistungen in den Jahren 1986 bis 1990, ohne daß im Verlaufe der Ermittlungen weitere Abschnitte hinzugetreten wären.
ee) Entsprechendes gilt mit Blick auf die vom Kläger angestrebte Lösung: Auch soweit es der Beklagten möglich gewesen ist, die Erstattung nach den für den Vorschuß geltenden Regelungen in § 42 SGB I geltend zu machen (BSG SozR 3-1300 § 31 Nr 10), war sie dazu nicht im Sinne einer Ausschlußregelung gezwungen, den (einfacheren) Weg über § 42 SGB I einzuschlagen mit der Folge, daß die im Anwendungsbereich von § 45 liegenden Tatsachen, die für die Ausübung ihres Ermessens wichtig waren, nicht mehr berücksichtigt werden durften. Denn auch insoweit gilt, daß die Ermessensausübung im Interesse des Klägers vorgenommen wird und Vorrang beanspruchen darf. Der Beklagten war es übrigens im Falle des Beitragszuschusses – anders als bei der Rückabwicklung der Beitragsentlastung – für die Jahre 1988 bis 1990 nicht möglich, über § 42 SGB I vorzugehen, weil bei dieser Leistungsart entsprechende „Mitteilungen” mit ausdrücklichen Vorläufigkeitsvermerken (vgl dazu BSG aaO) fehlten.
4. Für die Rücknahme und Erstattung des in den Folgejahren 1988 bis 1990 gezahlten Beitragszuschusses ergibt sich vorliegend kein anderes Ergebnis. Soweit in der Gewährung der Leistung durch die Beklagte nicht bereits ein konkludenter Verwaltungsakt (vgl zum Verwaltungsakt ohne Leistungsbescheid grundlegend: BSG vom 20. Dezember 1978, BSGE 47, 288 ≪„Schalterakt über Krankengeld”≫; ebenso für den Bereich des Kindergeldes: Senatsurteil vom 14. Dezember 1982, SozR 5870 § 20 Nr 3 S 3) gesehen werden kann – was der Senat auf sich beruhen läßt –, bestimmt sich die Rückabwicklung nach § 50 Abs 2 SGB X. Danach sind Leistungen zu erstatten, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind. Da in diesem Falle § 45 SGB X entsprechend gilt, kann der Senat auf die vorstehenden Ausführungen verweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen