Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Beitragssatz. Halbierungsregelung. Rentnerin. Berücksichtigung. Beihilfe. Ehemann. Einbehalt. Abführung. Pflegeversicherungsbeiträge. keine Zuständigkeit der Einzugsstelle
Leitsatz (amtlich)
Pflegeversicherungsbeiträge einer Rentnerin, die als Mitglied in der KVdR auch in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert ist und die bei der Beihilfe ihres beihilfeberechtigten Ehemannes im Krankheits- und Pflegefalle berücksichtigungsfähig ist, sind nicht nach dem halben, sondern nach dem vollen Beitragssatz zu bemessen.
Orientierungssatz
Einbehalt und Abführung der Pflegeversicherungsbeiträge aus der Rente durch den Rentenversicherungsträger (§ 60 Abs 1 S 2 SGB 11 iVm § 255 SGB 5) begründen keine Zuständigkeit der Krankenkasse als Einzugsstelle.
Normenkette
SGB IV §§ 28d, 28h Abs. 2 S. 1; SGB V §§ 4, 5 Abs. 7 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1, §§ 249a, 255; SGB VI § 106; SGB XI § 1 Abs. 3, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 11, § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 28 Abs. 2, § 46 Abs. 1 Sätze 1-2, § 48 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 1 S. 2, § 60 Abs. 1 S. 2, Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Beiträge in der Pflegeversicherung.
Die 1914 geborene Klägerin bezieht von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Altersrente. Sie ist in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert und Mitglied der beklagten Krankenkasse. Seit dem 1. Januar 1995 ist sie deshalb auch Pflichtmitglied der Pflegekasse. Der Ehemann der Klägerin ist als Ruhestandsbeamter nach den Beihilfevorschriften des Bundes beihilfeberechtigt. Seit dem 1. Januar 1995 behält die BfA von der Rente der Klägerin einen nach dem vollen Beitragssatz berechneten Beitragsanteil zur Pflegeversicherung ein. Im Mai 1995 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf Beihilfeansprüche, die Beiträge in der Pflegeversicherung nach dem halben Beitragssatz festzusetzen. Mit Bescheid vom 28. Juni 1995 und Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 1995 lehnte die Beklagte dies ab. Eine Halbierung des Beitragssatzes nach § 55 Abs 1 Satz 2 iVm § 28 Abs 2 des Sozialgesetzbuchs - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) sei nicht zulässig, weil die Klägerin keinen eigenen Anspruch auf Beihilfe habe.
Das Sozialgericht (SG) hat nach Beiladung der BfA (Beigeladene zu 1) mit Urteil vom 24. Januar 1996 die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren ist das Landessozialgericht (LSG) davon ausgegangen, daß die Krankenkasse die Bescheide erlassen hat und im Prozeß Beklagte ist; es hat die Pflegekasse beigeladen (Beigeladene zu 2). Die Klägerin hat sinngemäß beantragt, das Urteil des SG sowie den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene zu 2) zu verpflichten, die Beiträge nach dem halben Beitragssatz festzusetzen. Mit Urteil vom 20. November 1996 hat das LSG unter Abänderung des Urteils des SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben, die Berufung im übrigen aber zurückgewiesen. Die Beklagte sei zum Erlaß des Bescheides nicht zuständig gewesen, weil sie hier nicht Einzugsstelle sei. Da nur die Beigeladene zu 2) der Klägerin gegenüber Beitragsbescheide zur Pflegeversicherung erlassen dürfe, sei der von der Beklagten erlassene Bescheid rechtswidrig. In der Sache komme eine Verpflichtung der Beigeladenen zu 2) entsprechend § 75 Abs 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), die Beiträge nach dem halben Beitragssatz festzusetzen, nicht in Betracht, weil die Klägerin lediglich berücksichtigungsfähige Angehörige eines Beihilfeberechtigten sei und keinen eigenen Anspruch auf Beihilfe iS des § 28 Abs 2 SGB XI habe.
Die Klägerin hat Revision eingelegt, mit der sie ihr Begehren zuletzt nur noch als Feststellungsantrag gegenüber der beigeladenen Pflegekasse verfolgt. Insofern rügt sie eine Verletzung des § 28 Abs 2 und des § 55 Abs 1 Satz 2 SGB XI.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 20. November 1996 und das Urteil des SG vom 24. Januar 1996 aufzuheben, soweit die Klage gegen die Beigeladene zu 2) abgewiesen worden ist, und insofern festzustellen, daß die Klägerin zur Pflegeversicherung Beiträge nur nach dem halben Beitragssatz zu entrichten hat.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des LSG in der Sache für zutreffend, soweit im Verhältnis zur Beigeladenen zu 2) entschieden worden ist.
Die Beigeladene zu 1) sieht von einer Antragstellung ab. Gegenüber der Ansicht der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) weist sie darauf hin, daß auch ein selbst beihilfeberechtigter Beamter, der Rente erhalte, ebenso wie die Klägerin einen Anspruch auf Tragung des halben Beitrags durch den Rentenversicherungsträger habe. Im übrigen schließt sie sich dem Vortrag der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) an.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Im Revisionsverfahren ist nur noch darüber zu entscheiden, ob das Urteil des LSG zutreffend ist, soweit im Verhältnis zur beigeladenen Pflegekasse (Beigeladene zu 2) zu Ungunsten der Klägerin entschieden worden ist. Rechtskräftig ist das Urteil des LSG demgegenüber, soweit der Bescheid der beklagten Krankenkasse aufgehoben und die gegen sie gerichtete Verpflichtungsklage abgewiesen worden ist.
Der gegen die Beigeladene zu 2) gerichtete Feststellungsantrag ist entsprechend § 75 Abs 5 SGG zulässig. Eine Entscheidung über die Höhe des Beitrags zur Pflegeversicherung läßt sich nur auf diesem Wege erreichen (vgl BSGE 57, 184, 186 = SozR 2200 § 385 Nr 10; BSGE 58, 134, 135, 136 = SozR 2200 § 385 Nr 14). Ein Verwaltungsverfahren, das von der beklagten Krankenkasse durchgeführt worden ist, brauchte nicht auch noch bei der Beigeladenen zu 2) stattzufinden. § 75 Abs 5 SGG setzt ein solches Verwaltungsverfahren des Beigeladenen nicht voraus (BSG Nr 27 zu § 75 SGG). Im Übergang vom Verpflichtungs- zum Feststellungsantrag liegt hier keine Klageänderung (vgl BSGE 48, 195, 196 mwN = SozR 2200 § 394 Nr 1).
Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Beigeladene zu 2) und nicht die Beklagte für die Entscheidung über die Beitragshöhe in der Pflegeversicherung zuständig ist. Nach § 1 Abs 3 iVm § 46 Abs 1 Satz 1 SGB XI sind die Pflegekassen Träger der sozialen Pflegeversicherung; ihre Aufgaben werden von den Krankenkassen wahrgenommen. Die Pflegekassen sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 46 Abs 2 Satz 1 SGB XI). Organe der Pflegekassen sind die Organe der Krankenkassen, bei denen sie errichtet sind (§ 46 Abs 2 Satz 2 SGB XI). Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB XI ist für die Durchführung der Pflegeversicherung die Pflegekasse zuständig. Hierzu gehören auch Entscheidungen über die Beitragshöhe. Daran ändert nichts, daß nach § 60 Abs 3 Satz 1 SGB XI die Beiträge zur Pflegeversicherung an die Krankenkasse zugunsten der Pflegeversicherung zu zahlen sind. Denn hierbei handelt es sich nur um eine Zahlungsregelung, welche die Zuständigkeit der Pflegekassen zur Entscheidung über die Beitragshöhe nicht berührt. Die Pflegekassen sind nach § 60 Abs 3 Satz 3 SGB XI auch zur Prüfung der ordnungsgemäßen Beitragszahlung berechtigt. Demgegenüber kommt hier eine Zuständigkeit der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle (§ 28d Satz 2 iVm Satz 1, § 28h Abs 2 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung ≪SGB IV≫) nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht versicherungspflichtig beschäftigt ist und daher Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht zu entrichten sind. Einbehalt und Abführung der Pflegeversicherungsbeiträge aus der Rente durch den Rentenversicherungsträger (§ 60 Abs 1 Satz 2 SGB XI iVm § 255 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung ≪SGB V≫) begründen eine Zuständigkeit der Krankenkasse als Einzugsstelle nicht.
In der Sache hat das LSG zutreffend entschieden, daß die Beigeladene zu 2) den Beitrag zur Pflegeversicherung nicht nach dem halben Beitragssatz zu bemessen hat; es ist der volle Beitragssatz maßgebend.
Nach § 55 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB XI beläuft sich der Beitragssatz für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 30. Juni 1996 auf 1 vH, für die Zeit ab 1. Juli 1996 auf 1,7 vH der beitragspflichtigen Einnahmen. § 55 Abs 1 Satz 2 SGB XI sieht als Ausnahme hierzu vor, daß der Beitragssatz für Personen, bei denen § 28 Abs 2 SGB XI Anwendung findet, die Hälfte des Beitragssatzes nach § 55 Abs 1 Satz 1 SGB XI beträgt. § 28 Abs 2 SGB XI lautet: "Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit und Pflege Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben, erhalten die jeweils zustehenden Leistungen zur Hälfte; dies gilt auch für den Wert von Sachleistungen." Die beiden letztgenannten Vorschriften sind im Gesetzgebungsverfahren vom Bundestags-Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung in Art 1 § 24 und § 52 des Entwurfs eines Pflege-Versicherungsgesetzes (PflegeVG) eingefügt (Beschlußempfehlung BT-Drucks 12/5920 S 34 und S 51) und wie folgt begründet worden (BT-Drucks 12/5952 S 39 und S 42, zu Art 1 § 24 und § 52), wobei § 20 des Entwurfs dem § 22 SGB XI entspricht: "Beihilfeberechtigte und Heilfürsorgeberechtigte, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind, sind in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversicherte Mitglieder, wenn sie nicht von ihrem Befreiungsrecht nach § 20 Gebrauch gemacht haben. Sie erhalten von ihrem Dienstherrn keine Zuschüsse zu den Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung, sondern die Leistungen der Beihilfe und Heilfürsorge. Damit diese Personen ebenso wie Arbeitnehmer nur zur Hälfte mit Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung belastet werden, ist vorgesehen, daß einerseits die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung auf die Hälfte abgesenkt werden. Die Absenkung der Leistungen auf die Hälfte gilt auch für die beitragsfrei mitversicherten Angehörigen, die nach dem Beihilferecht berücksichtigungsfähig sind. Bei der Absenkung wird nicht danach differenziert, wie hoch der Beihilfesatz bei der jeweiligen Person ist. ..." (Ausschußbericht S 39). "Die Personen, die nach § 24 Abs 2 nur die halbe Leistung beziehen können, sollen auch nur mit einem halben Beitragssatz belastet werden" (Ausschußbericht S 42).
Bei der Klägerin ist § 55 Abs 1 Satz 2 iVm § 28 Abs 2 SGB XI nicht anzuwenden. Sie ist in der KVdR und daher nach § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 11 SGB XI auch in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Demgegenüber ist sie selbst, wie Art 1 § 2 der hier maßgebenden Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV) des Bundes vom 10. Juli 1995 (GMBl 470) zu entnehmen ist, nicht beihilfeberechtigt, sondern gemäß Art 1 § 3 Abs 1 Nr 1 BhV lediglich berücksichtigungsfähige Angehörige bei ihrem beihilfeberechtigten Ehemann.
Berücksichtigungsfähige Angehörige wie die Klägerin haben nach dem Beihilferecht keinen eigenen Anspruch auf Beihilfe. Allerdings ist bei ihnen allein aus diesem Grunde ein "Anspruch auf Beihilfe" iS des § 28 Abs 2 SGB XI nicht abschließend zu verneinen. Denn von einem "Anspruch auf Beihilfe" spricht auch § 23 Abs 3 SGB XI (Pflicht zum Abschluß einer beihilfekonformen privaten Pflegeversicherung), obwohl danach in Betracht kommt, daß auch privat krankenversicherte Angehörige nur zum Abschluß einer anteiligen beihilfekonformen privaten Pflegeversicherung verpflichtet sind. Ferner soll nach der erwähnten Begründung zu § 28 Abs 2 und zu § 55 Abs 1 Satz 2 SGB XI die Absenkung der Leistungen auf die Hälfte auch für beitragsfrei mitversicherte berücksichtigungsfähige Angehörige gelten. Diese haben jedoch keinen eigenen Anspruch auf Beihilfe.
Nach dem genannten Ausschußbericht (BT-Drucks 12/5952 S 39) sollen andererseits die Leistungen nur bei solchen berücksichtigungsfähigen Angehörigen abgesenkt werden, die familienversichert sind. Denn unter "beitragsfrei versicherten Angehörigen" können nur die nach § 25 Abs 1 SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung familienversicherten Angehörigen eines sozial pflegeversicherten Beamten verstanden werden, nicht hingegen solche, die nach § 20 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 8 oder 11 SGB XI oder nach § 20 Abs 3 SGB XI selbst versicherungspflichtig sind und daher nach § 25 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XI nicht unter die Familienversicherung fallen. Wenn aber bei einem sozial pflegeversicherten Beamten die eigenständig versicherten Angehörigen von der Halbierung der Beiträge und Leistungen ausgenommen werden, muß das bei den selbst versicherten Angehörigen privat pflegeversicherter Beamten ebenfalls gelten. Für die Klägerin als nach § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 11 SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung Versicherungspflichtige kommt demnach eine Halbierung nach § 55 Abs 1 Satz 2 und § 28 Abs 2 SGB XI unabhängig davon nicht in Betracht, ob ihr Ehemann in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung versichert ist. Auch die folgenden Ausführungen zu den selbst sozial pflegeversicherten Angehörigen von sozial pflegeversicherten Beamten und Ruhestandsbeamten gelten in gleicher Weise für selbst sozial pflegeversicherte Angehörige von privat pflegeversicherten Beamten und Ruhestandsbeamten.
Der Zweck der Halbierungsregelung rechtfertigt ihre Anwendung auf Rentner wie die Klägerin ebenfalls nicht. Wie der genannte Ausschußbericht ergibt, sollen Personen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen (Beamte, Richter, Soldaten) und als freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind (§ 20 Abs 3 SGB XI), wie Arbeitnehmer nur zur Hälfte mit den Beiträgen belastet werden. Arbeitnehmer erhalten die vollen Leistungen der Pflegekassen. Sie sind jedoch insofern nur zur Hälfte mit Beiträgen belastet, wie der Arbeitgeber im Falle ihrer Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V; § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI) die Hälfte der nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge zur Pflegeversicherung trägt (§ 58 Abs 1 SGB XI). Gleiches gilt im Ergebnis für Arbeitnehmer, die in der Krankenversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei (§ 6 Abs 1 Nr 1 SGB V) und als freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 20 Abs 3 SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung oder aufgrund einer privaten Krankenversicherung in der privaten Pflegeversicherung versichert sind; sie erhalten vom Arbeitgeber einen Beitragszuschuß (§ 61 Abs 1, 2 SGB XI). Die in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung versicherten Beamten tragen demgegenüber ihre Beiträge allein und haben keinen Anspruch auf einen Zuschuß ihres Dienstherrn (vgl auch § 61 Abs 8 Satz 1 SGB XI). Jedoch erhalten sie von diesem im Leistungsfall Beihilfe oder Heilfürsorge. Um die Beitragsbelastung der Beamten derjenigen der Arbeitnehmer anzugleichen, sieht das Gesetz in § 55 Abs 1 Satz 2 SGB XI bei den Beamten eine Halbierung des Beitragssatzes vor. Entsprechend erhalten sie nach § 28 Abs 2 SGB XI allerdings aus der Pflegeversicherung nur die Hälfte der Leistungen; die andere Hälfte wird durch die Beihilfe sichergestellt.
Gleiches gilt nach Ende des Erwerbslebens bei einem Vergleich der selbst in der sozialen Pflegeversicherung versicherten Rentner mit Ruhestandsbeamten. Bei den Rentnern trägt - wie bei Arbeitnehmern der Arbeitgeber - der Rentenversicherungsträger entweder die Hälfte der Beitragslast zur Pflegeversicherung aus der Rente, oder er zahlt einen entsprechenden Beitragszuschuß (§ 59 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 249a SGB V; § 106a des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Rentenversicherung ≪SGB VI≫). Eine derartige Beitragsentlastung besteht bei Ruhestandsbeamten nicht, so daß auch bei ihnen die Halbierungsregelung auf der Beitrags- und der Leistungsseite gerechtfertigt ist. Sie kann jedoch nicht auf selbst kranken- und pflegeversicherungspflichtige Rentner wie die Klägerin angewandt werden, weil diese hinsichtlich der Rente beitragsmäßig schon entlastet sind. Eine Anwendung der Halbierungsregelung würde sie insofern ein zweites Mal entlasten.
Allerdings stellt die gesetzliche Regelung Arbeitnehmer und Rentner mit den Beamten und Ruhestandsbeamten nicht vollständig, sondern nur annähernd gleich. In der sozialen Pflegeversicherung bezieht sich die hälftige Beitragsentlastung nur auf Arbeitsentgelt und Rente, nicht aber auf sonstige beitragspflichtige Einnahmen. Im Bundesland Sachsen ist bei der ersten Stufe der Pflegeversicherung eine Entlastung selbst beim Arbeitsentgelt nicht eingetreten, weil kein Feiertag aufgehoben worden ist. Bei den Beamten und Ruhestandsbeamten gilt demgegenüber die Halbierung des Beitragssatzes für alle beitragspflichtigen Einnahmen, auch für Renten und auch in Sachsen (§ 58 Abs 3 Satz 2 SGB XI). Dennoch besteht eine annähernde Gleichstellung, weil in der Regel bei Arbeitnehmern und jedenfalls den versicherungspflichtigen Rentnern die beitragsmäßig entlasteten Einnahmen wie Arbeitsentgelt und Rente die Haupteinkünfte bilden und nicht entlastete sonstige Einnahmen Nebeneinkünfte sind. Bei Beamten und Ruhestandsbeamten verhält es sich umgekehrt. Die ohne Sonderregelung nicht entlasteten Dienstbezüge oder Ruhegehälter (vgl § 68 Abs 1 Satz 2 SGB XI) sind die Haupteinkünfte, andere Einnahmen Nebeneinkünfte. Deshalb fällt auch nicht entscheidend ins Gewicht, daß Ruhestandsbeamte, die außer ihrem Ruhegehalt noch eine Rente beziehen, hinsichtlich der Rente doppelt entlastet werden (durch § 55 Abs 1 Satz 2 SGB XI und den Beitragsanteil oder -zuschuß des Rentenversicherungsträgers).
Die Regelung über die Familienversicherung (§ 25 SGB XI) spricht ebenfalls gegen die Anwendung der Halbierungsregelung auf selbst versicherte Angehörige. Diese beitragsfreie Mitversicherung von Angehörigen ist von der Versicherung eines Mitglieds (Stammversicherten) abgeleitet. Entsprechendes gilt für den beihilferechtlichen Schutz berücksichtigungsfähiger Angehöriger, der von der Beihilfeberechtigung des Beamten abhängt. In der sozialen Pflegeversicherung wird nach § 25 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XI die abgeleitete Familienversicherung regelmäßig durch eine eigene Versicherung des Angehörigen ausgeschlossen, insbesondere auch durch eine eigene Pflichtversicherung als Rentner. Damit wäre eine Verdrängung der eigenen Versicherung von Angehörigen durch die abgeleitete Berücksichtigungsfähigkeit des Beihilferechts unvereinbar.
Die Versicherung der eigenständig versicherten berücksichtigungsfähigen Angehörigen zu vollen Beiträgen und Leistungen gewährleistet einen umfassenden Schutz auch für deren familienversicherte Ehegatten und Kinder, die ihrerseits beim beihilfeberechtigten Beamten oder Ruhestandsbeamten nicht berücksichtigungsfähig sind (zB Enkel, Schwiegersohn, Schwiegertochter des Beamten). Dieser Personenkreis würde im Pflegefall bei Anwendung des § 28 Abs 2 SGB XI entsprechend den Leistungen an den Stammversicherten nur die halbe Leistung erhalten, obwohl - anders als beim Stammversicherten und bei den berücksichtigungsfähigen Angehörigen - die Beihilfe die andere Hälfte der Leistung nicht erbringt. Der Umstand, daß für solche Sachverhalte in der Pflegeversicherung die krankenversicherungsrechtliche Regelung zum ausnahmsweisen Vorrang einer Versicherungspflicht als Student oder Praktikant gegenüber der Familienversicherung (§ 5 Abs 7 Satz 1 SGB V) nicht auf andere Tatbestände der Versicherungspflicht ausgedehnt worden ist, läßt darauf schließen, daß eigenständig versicherte berücksichtigungsfähige Angehörige von Beamten nicht unter die Halbierungsregelung fallen.
Hiernach ergibt sich als Systemabgrenzung zwischen dem vollen Schutz in der sozialen Pflegeversicherung einerseits und dem Schutz durch eine Verbindung von sozialer Pflegeversicherung und beamtenrechtlicher Beihilfe andererseits: Weisen Angehörige eine eigene Versicherung auf, ist diese und nicht die abgeleitete Berücksichtigungsfähigkeit in der Beihilfe maßgebend. Dieses trifft nach der vorliegenden Entscheidung zu, wenn die Ehefrau eines Beamten oder Ruhestandsbeamten krankenversicherungspflichtige Rentnerin ist. Ebenso hat der Senat entschieden, wenn die Ehefrau freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist (Urteil vom 6. November 1997 - 12 RP 5/96) oder wenn das Kind eines Beamten in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert ist (Urteil vom 6. November 1997 - 12 RP 4/96, zur Veröffentlichung vorgesehen). Was gilt, wenn bei Angehörigen von Beamten eine eigene Versicherung mit einer eigenen Beihilfeberechtigung zusammentrifft, war hier nicht zu entscheiden. Dieses kommt etwa bei versicherungspflichtig beschäftigten Witwen oder Waisen verstorbener Beamter oder Ruhestandsbeamter vor.
Die Revision der Klägerin war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen