Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung der ganzjährigen Beschäftigung. Anspruch auf Saison-Kurzarbeitergeld und ergänzende Leistungen. Einsatz auf Baustellen im Ausland. Beschränkung auf Inlandsbeschäftigung. Verfassungsmäßigkeit. Europarechtskonformität
Leitsatz (amtlich)
Saison-Kurzarbeitergeld ist nicht für einen im Ausland eingetretenen Arbeitsausfall zu erbringen.
Normenkette
SGB I § 30; SGB III § 175 Abs. 1 Fassung: 2006-04-24, § 175a Abs. 1, 4; SGB IV § 4 Abs. 1; EGV 883/2004 Art. 3 Abs. 1 Buchst. h, Art. 4, 5 Buchst. b; AEUV Art. 45 Abs. 2, Art. 56; GG Art. 3 Abs 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit sind Saison-Kug für Arbeitnehmer der Klägerin und weitere das Saison-Kug ergänzende Leistungen.
Die Klägerin ist ein im Inland ansässiges Unternehmen, das auf Baustellen der Auftragnehmer Arbeiten in Lohnarbeit ausführt. Im Februar 2012 ließ sie Schalungs-, Beton- und Rohbauarbeiten auf einer jeweils in Deutschland und Luxemburg sowie fünf in Österreich gelegenen Baustellen ausführen, im März 2012 auf jeweils einer Baustelle in Deutschland und Luxemburg.
Auf entsprechende Anträge der Klägerin bewilligte die Beklagte wegen des Arbeitsausfalls bei den im Inland eingesetzten Arbeitnehmern Saison-Kug sowie Mehraufwands-Wintergeld und erstattete Sozialversicherungsbeiträge für Februar 2012 in Höhe von 2732,41 Euro (Saison-Kug 1598,49 Euro, Mehraufwands-Wintergeld 32,50 Euro, Sozialversicherungsbeiträge 1101,42 Euro) und für März 2012 in Höhe von 1191,81 Euro (Saison-Kug 707,95 Euro, Sozialversicherungsbeiträge 483,86 Euro). Die weitergehenden Anträge auf entsprechende Leistungen für die auf Auslandsbaustellen beschäftigten Arbeitnehmer lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, Arbeitsausfälle auf Auslandsbaustellen könnten aufgrund des Territorialitätsprinzips keine Ansprüche auf Saison-Kug und ergänzende Leistungen begründen (Bescheid vom 10.5.2012 und Widerspruchsbescheid vom 10.7.2012 betreffend Februar 2012; Bescheid vom 23.4.2012 und Widerspruchsbescheid vom 11.7.2012 betreffend März 2012).
Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des SG vom 8.4.2014; Urteil des LSG vom 28.6.2018). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die bezweckte Förderung ganzjähriger Beschäftigung im Bereich der Bauwirtschaft ziele auf den inländischen Arbeitsmarkt. Eine Winterbauförderung von Auslandsbaustellen komme daher nicht in Betracht. Das BSG habe dies für die ergänzenden Leistungen bereits entschieden. Für das Saison-Kug könne nichts anderes gelten. Die Winterbauförderung stelle ein geschlossenes, miteinander verzahntes System dar. Verfassungsrecht werde dadurch ebenso wenig verletzt wie Europarecht. Die VO (EG) 883/2004 sei nur auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit anwendbar, wozu das Saison-Kug nicht zähle. Ein Verstoß gegen die bereits primärrechtlich gewährleistete Arbeitnehmerfreizügigkeit liege nach der Rechtsprechung des EuGH bei Annahme einer Entsendung nicht vor.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin neben einer unterlassenen Vorlage des Verfahrens an den EuGH die Verletzung von §§ 175 und 175a SGB III aF. Eine Förderung der Baubranche erfolge auch durch die Einbeziehung der auf ausländischen Baustellen tätigen Arbeitnehmer im Falle der Annahme von Aufträgen aus dem Ausland. Es erschließe sich nicht, weshalb der ins Ausland entsandte Arbeitnehmer anders als der im Inland verbleibende Arbeitnehmer keinen Anspruch habe, selbst wenn beide den gleichen Witterungsverhältnissen unterworfen seien und Zahlungen an die Arbeitslosenversicherung entrichteten.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Koblenz vom 8. April 2014 und des Urteils des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 2018 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 10. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2012 und des Bescheides vom 23. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2012 die Beklagte zu verurteilen, ihr Saison-Kurzarbeitergeld nebst ergänzender Leistungen für die Monate Februar und März 2012 unter Berücksichtigung der witterungsbedingt auf den Baustellen in Österreich und Luxemburg ausgefallenen Arbeitsstunden zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat ohne Verletzung von Bundesrecht (§ 162 SGG) ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen, denn ein Anspruch auf weiteres Saison-Kug und ergänzende Leistungen, einschließlich der Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen, besteht nicht.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den Entscheidungen der Vorinstanzen der Bescheid vom 10.5.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2012 sowie der Bescheid vom 23.4.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2012. Mit den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte hinsichtlich der auf Auslandsbaustellen beschäftigten Arbeitnehmer der Klägerin die Zahlung von Saison-Kug und ergänzenden Leistungen sowie die pauschalierte Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Monate Februar und März 2012 abgelehnt. Gegen diese Entscheidung im Leistungsverfahren (vgl zum zweistufig ausgestalteten Verwaltungsverfahren BSG vom 14.9.2010 - B 7 AL 21/09 R - SozR 4-4300 § 173 Nr 1 RdNr 16) wendet sich die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1, 4 SGG (vgl BSG vom 21.6.2018 - B 11 AL 4/17 R - juris RdNr 14 mwN), zulässigerweise gerichtet auf ein Grundurteil (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG). Dabei macht sie Ansprüche der Arbeitnehmer ihres Betriebs auf Saison-Kug und ergänzende Leistungen zu Recht im Wege der Prozessstandschaft geltend (vgl nur BSG vom 14.9.2010 - B 7 AL 21/09 R - SozR 4-4300 § 173 Nr 1 RdNr 10 mwN).
2. Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche auf Saison-Kug ist § 175 Abs 1 SGB III (in der ab dem 1.4.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006, BGBl I 926), der dem ab dem 1.4.2012 geltenden § 101 SGB III (in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854) entspricht. Danach haben Arbeitnehmer in der Zeit vom 1.12. bis 31.3. (Schlechtwetterzeit) Anspruch auf Saison-Kug, wenn sie in einem Betrieb beschäftigt sind, der dem Baugewerbe oder einem Wirtschaftszweig angehört, der von saisonbedingtem Arbeitsausfall betroffen ist (Nr 1), der Arbeitsausfall erheblich ist (Nr 2), die betrieblichen Voraussetzungen sowie die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Nr 3) und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist (Nr 4).
Zu Recht hat das LSG offengelassen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Denn dem Anspruch auf Saison-Kug steht schon entgegen, dass Saison-Kug nicht für einen im Ausland eingetretenen Arbeitsausfall zu erbringen ist. Ein solcher Arbeitsausfall auf Baustellen in Luxemburg und Österreich ist nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) jedoch hier im Streit.
Eine Beschränkung des Anspruchs auf Saison-Kug auf im Inland eingetretenen Arbeitsausfall folgt zwar nicht schon aus dem Territorialitätsprinzip. Dieses Prinzip ist in § 30 SGB I verortet (vgl den Entwurf der Gesetzesbegründung, BT-Drucks 7/868 S 27 zu § 30) und besagt im Grundsatz, dass staatliche Hoheitsgewalt nur im eigenen Hoheitsbereich ausgeübt wird und das Sozialstaatsgebot nur diejenigen begünstigt, für die der nationale Gesetzgeber verantwortlich ist (vgl BSG vom 27.8.2008 - B 11 AL 22/07 R - BSGE 101, 224 = SozR 4-4300 § 421l Nr 2, RdNr 24 mwN; zur Geltung des Territorialitätsprinzips bei Leistungen an Arbeitslose Mutschler, SGb 2000, 110 ff). Denn jedenfalls hinsichtlich des Leistungsrechts hängt die Bestimmung des Anwendungsbereichs letztlich vom Inhalt der jeweiligen Sachnorm ab (so bereits BSG vom 20.4.1977 - 7 RAr 55/75 - BSGE 43, 255, 258 = SozR 4100 § 80 Nr 1 S 4 = juris RdNr 33). Die Auslegung der hier maßgeblichen Sachnorm des § 175 SGB III aF nach ihrer Entstehungsgeschichte unter Berücksichtigung ihres Sinn und Zwecks sowie der systematischen Zusammenhänge ergibt jedoch, dass Saison-Kug nur für Arbeitsausfall im Inland zu erbringen ist.
3. a) Entstehungsgeschichtlich geht die Vorschrift zurück auf Regelungen zur Bekämpfung der Winterarbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft, die ihren Ausgang in den späten 1950er Jahren genommen haben (§§ 143a - 143n AVAVG) und seitdem - mit Änderungen - fortbestehen (§§ 74 - 90 AFG; §§ 209 - 214a SGB III in der ab 1.1.1998 geltenden Fassung des AFRG vom 24.3.1997, BGBl I 594; zur Rechtsentwicklung im Einzelnen Bieback in Gagel, SGB II/SGB III, § 101 SGB III RdNr 7 ff, Stand März 2018). Diese sog Winterbauförderung kombiniert eine Entgeltersatzleistung mit weiteren Leistungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber und verfolgt neben sozialpolitischen (Lohnsicherung) auch wirtschaftspolitische Ziele. Während die Entgeltersatzleistung aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen finanziert wird, werden die Mittel für die ergänzenden Leistungen über eine Umlage von Arbeitgebern und Arbeitnehmern des betroffenen Wirtschaftszweiges aufgebracht (§§ 354 ff SGB III iVm der WinterbeschV).
Die im Jahr 2006 vorgenommene Ausgestaltung des bis heute bestehenden Fördersystems war weiterhin darauf gerichtet, dem Anstieg der Arbeitslosigkeit in den Wintermonaten entgegenzuwirken, was nach wie vor als drängendes Problem erkannt wurde (vgl BT-Drucks 16/429 S 11). Die gewünschte Verstetigung der Beschäftigungsverhältnisse sollte jedoch nicht mehr auf die Bauwirtschaft beschränkt werden, sondern auch anderen Wirtschaftszweigen mit hohen saisonbedingten Arbeitsausfällen zugutekommen (BT-Drucks 16/429 S 11). Unter Integration der bisherigen Vorschriften über die Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft in das System des Kug (BT-Drucks 16/429 S 11) wurde ein Leistungssystem zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung geschaffen (vgl BT-Drucks 16/429 S 14 zu § 175a), in dem die bisherige Winterbauförderung in dem breiter gefassten Ansatz eines Saison-Kug aufgegangen ist (vgl BT-Drucks 16/429 S 16 zu Nr 15). Als zentrale Entgeltersatzleistung trat das Saison-Kug an die Stelle des Winterausfallgeldes, das nunmehr neben witterungsbedingten auch auftragsbedingte Arbeitsausfälle erfasste, allerdings trotz dieser Verbreiterung des Förderansatzes unter Anknüpfung an das bisherige System der Winterbauförderung (vgl nur Bieback, SGb 2007, 197, 198).
b) In der Rechtsprechung des BSG wurden die Leistungen der früheren Winterbauförderung indes auf inländische Sachverhalte beschränkt, weil die wirtschaftspolitische Zwecksetzung einer gleichmäßigen jahreszeitlichen Verteilung des Bauvolumens auf das deutsche Inland bezogen sei, die Festlegung der Förderungszeit den deutschen Witterungsverhältnissen entspreche und zudem die umfangreiche Kontroll- sowie Prüftätigkeit der Behörde eine Beschränkung auf das Inland erforderten (BSG vom 20.4.1977 - 7 RAr 55/75 - BSGE 43, 255 = SozR 4100 § 80 Nr 1). Eine Leistungsgewährung für Sachverhalte im Ausland ist erst nachträglich im Verordnungswege, beschränkt auf das Wintergeld, eröffnet worden, was ebenfalls als Argument dafür angeführt wurde, dass diese Möglichkeit vom Gesetzgeber im Grundsatz nicht vorgesehen war (so BSG vom 30.11.1977 - 12 RAr 16/77 - juris RdNr 9). Diese Überlegungen zur Begrenzung des Wintergeldanspruchs auf Inlandstätigkeiten hat das BSG auf das für witterungsbedingte Arbeitsausfälle zu erbringende Schlechtwettergeld nach §§ 83 ff AFG übertragen und zur Begründung auf die Konzeption der Leistungen der Produktiven Winterbauförderung als geschlossenes System von sich ergänzenden Einzelleistungen verwiesen, aus dem folge, dass Leistungsgrundlagen wie der räumliche Anwendungsbereich für alle Leistungen einheitlich beurteilt werden müssten (BSG vom 25.7.1985 - 7 RAr 114/83 - SozR 4100 § 83 Nr 2).
4. An dieser einschränkenden Auslegung hält der Senat für die ab dem 1.4.2006 geltende Neuregelung fest. Die in der bisherigen Rechtsprechung angeführten Gründe sind weiterhin von Bedeutung. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Verbreiterung des Förderansatzes durch die Integration der Winterbauförderung in das System des Kug von der bisherigen, auf das Inland beschränkten Förderung abrücken wollte. Andernfalls wäre eine Anpassung des Wortlauts zu erwarten gewesen, die indes nicht erfolgt ist (vgl demgegenüber die Änderung von § 183 SGB III aF mit der ausdrücklichen Beschränkung auf Inlandstätigkeiten unter Bezugnahme auf Rspr des BSG BT-Drucks 14/7347 S 73).
Hinzu kommt, dass auch im Rahmen der Neuregelung an der Konzeption der Regelungen als geschlossenes System von sich ergänzenden Einzelleistungen (vgl dazu bereits BSG vom 25.7.1985 - 7 RAr 114/83 - SozR 4100 § 83 Nr 2 S 3 = juris RdNr 13) festgehalten wurde. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, kam es dem Gesetzgeber gerade auf die Verzahnung zwischen Leistungen der Arbeitsförderung in Gestalt des Saison-Kug mit brancheneigenen, umlagefinanzierten ergänzenden Leistungen an (vgl BT-Drucks 16/429 S 12). Diese Verzahnung der Leistungen wird gesetzessystematisch dadurch deutlich, dass die Sozialversicherungsbeiträge, die der Arbeitgeber bei der Gewährung von Kug grundsätzlich zu tragen hat, im Fall der Gewährung von Saison-Kug als ergänzende Leistung ebenfalls aus der Umlage finanziert werden (§ 175a Abs 4 SGB III aF; § 102 Abs 4 SGB III). Außerdem besteht eine Verknüpfung des Saison-Kug mit dem Zuschuss-Wintergeld in der Weise, dass Letzteres nachrangig ist. Zuschuss-Wintergeld soll den Anreiz schaffen, in Zeiten besserer Arbeitsauslastung Arbeitszeitguthaben aufzubauen und diese in der Schlechtwetterzeit in Anspruch zu nehmen (vgl BT-Drucks 16/429 S 11), um den Bezug von Saison-Kug zu vermeiden.
Für die ergänzenden Leistungen, mit denen das Saison-Kug verzahnt ist, hat der Senat aber bereits entschieden, dass der Gesetzgeber mit der zum 1.4.2006 erfolgten Neuregelung, ebenso wie anlässlich der Übernahme des Rechts der Winterbauförderung in das SGB III, am Ausschluss einer Förderung von Auslandsbaustellen festhalten wollte (vgl BSG vom 17.3.2016 - B 11 AL 3/15 R - SozR 4-4300 § 175a Nr 1 RdNr 19 zum Mehraufwands-Wintergeld). Es besteht nämlich für im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer im Ergebnis schon keine Umlagepflicht, weil die für im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer entrichtete Umlage auf Antrag zu erstatten ist (vgl BSG vom 17.3.2016 - B 11 AL 3/15 R - SozR 4-4300 § 175a Nr 1 RdNr 22). Zudem hat der Gesetzgeber für die umlagefinanzierten Leistungen im Baugewerbe ausdrücklich erklärt, dass durch die gesetzliche Fortentwicklung weder eine Ausweitung noch eine Einschränkung des Kreises der Förderberechtigten im Vergleich zur bisherigen Winterbauförderung beabsichtigt ist (BT-Drucks 16/429 S 15 zu § 175a Abs 5).
Dem steht nicht entgegen, dass für die im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer jedenfalls Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu entrichten sind, wie die Revision geltend macht. Denn in der Arbeitslosenversicherung ist es nicht geboten, bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistung herzustellen (vgl hierzu bereits BSG vom 25.7.1985 - 7 RAr 114/83 - SozR 4100 § 83 Nr 2 S 6 = juris RdNr 19; BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 23/08 R - SozR 4-4300 § 132 Nr 3 RdNr 29 - 30, mwN). Soweit die Revision weiter darauf verweist, dass mit der Abschaffung von § 216 SGB III aF ein territorialer Bezug entfallen sei, ist darauf hinzuweisen, dass § 216 SGB III, der auf § 80 Abs 2 AFG zurückgeht (eingefügt durch das Vierte Gesetz zur Änderung des AFG vom 12.12.1977, BGBl I 2557), eine Zahlung von Wintergeld in Gebieten außerhalb des Geltungsbereiches des SGB III ermöglichen sollte, die in der gesetzlichen Grundkonzeption gerade nicht vorgesehen war (vgl dazu BSG vom 30.11.1977 - 12 RAr 16/77 - juris RdNr 9 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung, BT-Drucks 8/857 S 8). Insofern stützt die spätere Abschaffung der ausnahmsweisen Förderung von Auslandstätigkeiten nicht die von der Revision vertretene Auffassung. Im Gegenteil beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Abschaffung, Arbeitnehmer für die Dauer der Auslandsbeschäftigung vom Bezug des Wintergeldes auszuschließen (vgl BR-Drucks 155/04 S 78 zu Nr 2, § 216 SGB III).
Aus der von der Revision angeführten Regelung über die Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) ergibt sich nichts anderes. Unabhängig von der Frage, ob § 4 SGB IV wegen seiner Auffangfunktion im vorliegenden Fall durch Gemeinschaftsrecht verdrängt (vgl dazu Dietrich in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 4 SGB IV RdNr 13) bzw modifiziert wird (vgl Udsching in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 4 RdNr 6, Stand April 2014), bezieht sich § 4 Abs 1 SGB IV nur auf das Bestehen von Versicherungspflicht oder -berechtigung. Leistungsansprüche kommen allenfalls in Betracht, wenn das nationale Recht keine Ausnahme vorsieht (vgl Dietrich in Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 4 SGB IV RdNr 48), was aber vorliegend der Fall ist (vgl dazu BSG vom 17.3.2016 - B 11 AL 3/15 R - SozR 4-4300 § 175a Nr 1 RdNr 23 für Mehraufwands-Wintergeld als ergänzende Leistungen nach § 175a SGB III).
5. a) Der Beschränkung der Leistungsgewährung auf Inlandsbeschäftigung steht nationales Verfassungsrecht nicht entgegen. Diese ist insbesondere im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG nicht zu beanstanden und findet ihre Rechtfertigung in der Verfolgung eines legitimen, sich auf den inländischen Arbeitsmarkt beziehenden Zwecks, nämlich dem Abbau der Winterarbeitslosigkeit und der Verstetigung der von saisonaler Arbeitslosigkeit betroffenen Beschäftigungsverhältnisse.
b) Auch das Europäische Gemeinschaftsrecht erfordert keine andere Auslegung. Zwar dürfte das Saison-Kug, anders als das LSG meint, vom sachlichen Anwendungsbereich der sekundärrechtlichen VO (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, die zum 1.5.2010 in Kraft getreten ist (vgl Art 97 VO ≪EG≫ 987/2009), erfasst sein. Unter den von Art 3 Abs 1 lit h VO (EG) 883/2004 genannten Leistungen bei Arbeitslosigkeit werden Leistungen verstanden, die den aufgrund der Arbeitslosigkeit verlorenen Arbeitslohn ersetzen sollen und deshalb für den Unterhalt des arbeitslosen Arbeitnehmers bestimmt sind (vgl nur Brall in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl 2018, Art 3 VO ≪EG≫ 883/2004 RdNr 51, mwN). Darunter fällt das Saison-Kug, das ebenfalls Entgeltersatzfunktion hat (vgl Brall in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl 2018, Art 3 VO ≪EG≫ 883/2004 RdNr 56). Zudem wird Kurzarbeit in Art 65 Abs 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 aufgeführt, der sich im 6. Kapitel des 3. Titels (Leistungen bei Arbeitslosigkeit) befindet.
Doch unabhängig davon, ob die hier betroffenen Arbeitnehmer überhaupt vom persönlichen Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 883/2004 umfasst waren, wozu ausreichende Feststellungen des LSG fehlen, folgt aus der VO (EG) Nr 883/2004 jedenfalls kein Anspruch auf Saison-Kug für Auslandssachverhalte. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem allgemeinen, für alle von der VO erfassten Sozialleistungen geltenden Gleichbehandlungsgebot nach Art 4 VO (EG) 883/2004, das den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten die gleichen Rechte und Pflichten einräumt wie Inländern und gebietet, den EU-Ausländer gegenüber einem Inländer nicht anders zu behandeln. Mit der Beschränkung der Gewährung von Saison-Kug auf inländischen Arbeitsausfall liegt jedoch kein Fall vor, der den Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgebotes eröffnete, was etwa der Fall wäre, wenn Aufenthalt, Wohnsitz oder Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat zu Nachteilen führen würde (Hauschild in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl 2018, Art 4 VO ≪EG≫ 883/2004 RdNr 27). Vielmehr sind EU-Ausländer ebenso wie Inländer dem Ausschluss der Gewährung von Saison-Kug im Ausland unterworfen.
Der vom nationalen Recht geforderte Inlandsbezug des Arbeitsausfalls wird auch nicht von der Tatbestandsgleichstellung des Art 5 lit b VO (EG) 883/2004 als Sonderfall des allgemeinen Gleichbehandlungsgebots (vgl Eichenhofer in ZESAR 2018, 3, 5) erfasst, mit der Folge, dass der vorliegende Auslandssachverhalt einem (anspruchsbegründenden) Inlandssachverhalt gleichgestellt wäre. Art 5 zielt nicht auf eine Harmonisierung ab, sondern verpflichtet den jeweils zuständigen Mitgliedstaat zur Berücksichtigung entsprechender Sachverhalte, die sich im mitgliedstaatlichen Ausland ereignet haben. Der sachliche Anwendungsbereich des aufgrund kollisionsrechtlicher Bestimmungen anwendbaren inländischen Sozialrechts wird auf Auslandssachverhalte erweitert, indem das materielle Recht eines Staates auf Auslandssachverhalte erstreckt wird (vgl Eichenhofer, ZESAR 2018, 3, 7). Ausgangspunkt ist demnach das nationale Recht, das hinsichtlich einzelner Tatbestandsmerkmale offen für die Berücksichtigung ausländischer Sachverhalte sein muss (vgl Fuchs/Kahil-Wolff in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 7. Aufl 2017, Art 4 VO ≪EG≫ 883/2004 RdNr 1, 5, 6, mwN). Die Anwendung der Tatbestandsgleichstellung kommt nicht in Betracht, wenn die Auslegung des nationalen Rechts ergibt, dass ein rein nationales Merkmal vorliegt und in der Festlegung dieses Merkmals keine unzulässige Diskriminierung iS des Art 4 VO (EG) 883/2004 liegt (vgl Fuchs/Kahil-Wolff in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 7. Aufl 2017, Art 4 VO ≪EG≫ 883/2004 RdNr 4; Dern in Schreiber/Wunder/Dern, VO ≪EG≫ 883/2004, 2012, Art 4 RdNr 4, 8). So liegt es im vorliegenden Fall einer auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bezogenen Beschäftigungsförderung für die aufgrund der inländischen Witterungsverhältnisse von saisonaler Arbeitslosigkeit betroffenen (Bau-)Betriebe.
Das primärrechtliche Gebot der Gleichbehandlung bei Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 45 Abs 2 AEUV ist ebenfalls nicht verletzt. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG, wonach die betroffenen Arbeitnehmer der Klägerin für beschränkte Zeiträume auf fremden Baustellen zur Ausführung bestimmter von der Klägerin zu erbringenden Bauarbeiten eingesetzt worden sind, ist nämlich von einer Entsendung (vgl Art 12 Abs 1 VO ≪EG≫ 883/2004) auszugehen. Arbeitnehmer, die von ihrem Arbeitgeber zur Erbringung einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat entsandt worden sind, unterfallen indes nicht dem Anwendungsbereich von Art 45 ff AEUV (vgl EuGH vom 25.10.2001 - C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98, C-68/98 bis C-71/98 - ≪Finalarte≫, Slg 2001, I-7831, 7897 = juris RdNr 22), sondern werden von ihrem Arbeitgeber im Rahmen der diesem eröffneten Dienstleistungsfreiheit (Art 56 ff AEUV) eingesetzt (vgl Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl 2018, Art 56 AEUV RdNr 26; vgl auch EuGH vom 19.6.2014 - C-53/13 und C-80/13 - ≪Strojirny Prostejov und ACO Industries Tabor≫ - juris RdNr 30 mwN).
Doch wird auch die Dienstleistungsfreiheit (Art 56 AEUV), deren Anwendungsbereich im Fall der grenzüberschreitenden Ausführung von Bauarbeiten grundsätzlich für die Klägerin eröffnet ist (vgl EuGH vom 27.3.1990 - C-113/89 - ≪Rush Portuguesa≫, Slg 1990, I-1417, 1445; EuGH vom 28.3.1996 - C-272/94 - ≪Guiot≫, Slg 1996, I-1905, 1921, 1922), durch die Beschränkung der Gewährung von Saison-Kug auf Inlandsbaustellen nicht verletzt. Unter einer verbotenen Beschränkung sind die von einem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen zu verstehen, die, obwohl sie unterschiedslos anwendbar sind, den Marktzugang von Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten beeinträchtigen (vgl EuGH vom 14.2.2019 - C-630/17 - juris RdNr 57 mwN; der Zugang zum kroatischen Markt für Finanzdienstleistungen von Kreditgebern mit Sitz außerhalb Kroatiens war von der Erteilung einer Zulassung durch die kroatische Nationalbank abhängig). Eine solche Zugangsbeeinträchtigung liegt hier schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin als inländische Marktteilnehmerin von einer nationalen Norm betroffen wird, deren Anwendungsbereich zwar auf das Inland beschränkt ist, ansonsten aber keinerlei Differenzierung bezogen auf die Marktteilnehmer und deren wirtschaftliche Betätigung vorsieht (vgl Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art 45 AEUV RdNr 220 f, Stand September 2010).
Einer Vorlage an den EuGH bedarf es mangels ungeklärter Rechtsfragen zum Gewährleistungsgehalt der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit nicht (vgl zu den Voraussetzungen der Vorlagepflicht eines nationalen letztinstanzlichen Gerichts nur BVerfG vom 29.5.2012 - 1 BvR 3201/11 - juris RdNr 37).
6. Rechtsgrundlage für die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Wintergeld als Zuschuss-Wintergeld und Mehraufwands-Wintergeld ist § 175a Abs 2, 3 SGB III aF (§ 102 Abs 2, 3 SGB III) sowie § 175a Abs 4 SGB III aF (§ 102 Abs 4 SGB III) für den Anspruch der Klägerin als Arbeitgeberin auf Erstattung der von ihr zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung.
Einem Anspruch steht auch hier - im Einklang mit Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht - entgegen, dass die Arbeiten nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) im Ausland ausgeführt wurden (vgl BSG vom 17.3.2016 - B 11 AL 3/15 R - SozR 4-4300 § 175a Nr 1; kritisch hierzu Bieback, jurisPR-SozR 21/2016 Anm 2). Die zum 1.5.2010 in Kraft getretene VO (EG) 883/2004 führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung hinsichtlich der an Arbeitnehmer zu gewährenden ergänzenden Leistungen, denn diese erfasst nur Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Für das Mehraufwands-Wintergeld gilt, dass die Anspruchsberechtigten weder arbeitslos noch konkret von Arbeitslosigkeit bedroht sind, sondern vielmehr ggf Leistungen zur Förderung des Verbleibs in Beschäftigung erhalten (vgl BSG vom 17.3.2016 - B 11 AL 3/15 R - SozR 4-4300 § 175a Nr 1 RdNr 31). Für das Zuschuss-Wintergeld, das ebenfalls zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit dienen soll und an den Einsatz von Arbeitszeitguthaben anknüpft, gilt nichts anderes.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. § 197a Abs 1 Satz 1 SGG findet keine Anwendung (vgl BSG vom 17.3.2016 - B 11 AL 3/15 R - SozR 4-4300 § 175a Nr 1 RdNr 35 - 36, mwN).
Fundstellen