Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsausbildungsbeihilfe. Einkommensanrechnung. Berücksichtigung des absehbaren Einkommens im Bewilligungszeitraum. Berechnung des monatlichen Durchschnittseinkommens. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Berechnung der Berufsausbildungsbeihilfe ist ausgehend von der für den Bewilligungszeitraum absehbaren Gesamtvergütung ein monatliches Durchschnittseinkommen zu bilden.
2. Die Durchschnittsberechnung steht in Einklang mit § 22 Abs 2 BAföG, dessen entsprechende Anwendung der Gesetzgeber zum Zwecke der Harmonisierung des Ausbildungsförderungsrechts vorgegeben hat.
Orientierungssatz
1. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die die Anwendung der Regelung des § 22 Abs 2 BAföG und die Durchschnittsberechnung bestehen nicht.
2. Die nach § 21 Abs 2 S 1 Nr 1 BAföG für rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer und für Auszubildende geltende Pauschale betrifft nur die Abzüge für Sozialversicherungsbeiträge gem § 21 Abs 1 S 3 Nr 4 SGB 3. Die Steuern sind vom Einkommen daher gem § 21 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB 3 generell zusätzlich abzuziehen.
3. Die Vergütung aus einem Ausbildungsverhältnis ist gem § 23 Abs 3 BAföG - ohne Freibeträge nach § 23 Abs 1 BAföG - voll anzurechnen. Der in § 71 Abs 2 S 2 Nr 2 SGB 3 vorgesehene Freibetrag ist nur anzusetzen, wenn der Auszubildende gerade wegen der Ausbildung gezwungen war, den Haushalt der Eltern zu verlassen.
Normenkette
SGB 3 § 59 Nr. 3; SGB 3 § 71 Abs. 1, 2 Sätze 1, 2 Nrn. 1, 1 Fassung: 2001-12-10, Nr. 2 Fassung: 2001-12-10, Nr. 2 Fassung: 2005-12-22, Nr. 3 Fassung: 2005-12-22; SGB 3 § 73 Abs. 1 S. 2; BAföG § 21 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nrn. 3-4, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 23 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB), seit dem Berufungsverfahren nur noch für die Zeit von September bis November 2005 und für Januar 2006.
Der am 24. März 1982 geborene Kläger beantragte im Juni 2005 bei der Beklagten die Gewährung von BAB für seine Ausbildung zum Industriemechaniker vom 1. September 2005 bis 28. Februar 2009 bei der S. AG in V: In der Zeit von September 2005 bis Januar 2006 erhielt der Kläger eine monatliche Bruttoausbildungsvergütung in Höhe von 619,30 Euro, von Februar bis August 2006 in Höhe von 641,30 Euro, von September 2006 bis August 2007 in Höhe von 664,30 Euro, von September 2007 bis August 2008 in Höhe von 701,30 Euro und ab September 2008 in Höhe von 749,30 Euro. Zusätzlich erhielt er an einmaligen Zahlungen im Jahr 2005 131,84 Euro, im Jahr 2006 878,05 Euro, im Jahr 2007 920,91 Euro und im Jahr 2008 970,99 Euro. Außerdem erstattete der Ausbildungsbetrieb dem Kläger die Kosten für Fahrten zwischen Unterkunft, Ausbildungsstätte und Berufsschule in voller Höhe und stellte die Arbeitskleidung. Nach seinen Angaben wohnte der Kläger seit dem 1. Mai 2004 - vorübergehend - mit seiner Lebensgefährtin in S. Für die Wohnung machte er monatlich 320 Euro Miete zuzüglich 80 Euro Nebenkosten geltend, ferner Kosten für die Fahrten zwischen seiner Wohnung und seinem Ausbildungsbetrieb bzw seiner Berufsschule in V.
Die Beklagte lehnte die Zahlung von BAB ab und führte zur Begründung aus, dass dem Kläger die für seinen Lebensunterhalt und für seine Berufsausbildung erforderlichen Mittel anderweitig zur Verfügung stünden. Dabei legte sie für die Zeit vom 1. September 2005 bis 28. Februar 2007 einen monatlichen Gesamtbedarf für den Lebensunterhalt in Höhe von 507 Euro zu Grunde und stellte dem ein monatliches Einkommen in Höhe von 535,79 Euro gegenüber (Bescheid vom 16. November 2005). Im Widerspruchsverfahren wies sie darauf hin, dass das monatliche Einkommen ausgehend von der jeweiligen auf die einzelnen Vergütungszeiträume entfallenden Gesamtvergütung für die ersten 18 Monate der Ausbildung unter Berücksichtigung der Einmalzahlungen und abzüglich der Sozialversicherungspauschale richtigerweise mit monatlich 548,68 Euro anzusetzen sei. Diesem Einkommen stehe lediglich ein Bedarf von 507 Euro monatlich gegenüber. Bei einer beruflichen Ausbildung werde bei einer Unterbringung außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils ein Betrag in Höhe von 310 Euro zu Grunde gelegt. Dieser Bedarf erhöhe sich für die Unterkunft um 133 Euro. Da die Miet- und Nebenkosten für die Unterkunft 133 Euro überstiegen, erhöhe sich der genannte Bedarf um weitere 64 Euro. Der Bedarf für den Lebensunterhalt betrage demnach insgesamt 507 Euro (310 Euro + 133 Euro + 64 Euro). Den Widerspruch wies die Beklagte anschließend zurück (Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2006). Eine Überprüfung lehnte sie ebenso ab (Überprüfungsbescheid vom 6. März 2006) wie die gesondert beantragte Übernahme von Kosten für Familienheimfahrten nach A. zum Vater des Klägers (Bescheid vom 12. Juni 2006, Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2006).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte nach Teilrücknahme der Klage hinsichtlich der Familienheimfahrten verurteilt, dem Kläger für die Monate September bis November 2005 und für Januar 2006 jeweils 20,84 Euro und für die Monate Februar bis August 2006 jeweils 3,58 Euro BAB zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das nach § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) absehbare Einkommen sei entgegen der vom Gesamteinkommen ausgehenden Durchschnittsberechnung der Beklagten bedürftigkeitsbezogen zu ermitteln und der Bedarfssatz jeweils monatsbezogen um das zu erwartende künftige Einkommen - unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen - zu kürzen (Urteil vom 19. April 2007). Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom SG zugelassene Berufung eingelegt. Nachdem der Kläger erklärt hatte, dass er für die Monate Februar bis August 2006 keine BAB und auch keine Pauschale für Arbeitskleidung mehr geltend mache, hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage vollständig abgewiesen. In dem noch streitgegenständlichen Zeitraum September bis November 2005 und Januar 2006 habe der Kläger keinen Anspruch auf BAB. Auf den Gesamtbedarf seien das Einkommen des Auszubildenden, seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten, des Lebenspartners und seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen. Bereits das eigene Einkommen des Klägers übersteige seinen von der Beklagten zutreffend errechneten Bedarf für den Bewilligungszeitraum. Die Beklagte habe zu Recht sämtliche im Bewilligungszeitraum vom 1. September 2005 bis 28. Februar 2007 absehbaren Einnahmen berücksichtigt und daraus ein monatliches Durchschnittseinkommen gebildet. Diese Vorgehensweise ergebe sich aus § 71 Abs 2 Satz 1 SGB III iVm § 22 Abs 2 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) sowie aus § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III. Gemäß § 22 Abs 2 BAföG werde auf den Bedarf jedes Kalendermonats des Bewilligungszeitraums der Betrag angerechnet, der sich ergebe, wenn das Gesamteinkommen durch die Zahl der Kalendermonate des Bewilligungszeitraums geteilt werde. Gemäß § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III sei dabei dasjenige Einkommen maßgebend, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar sei. Dies sei die von der Beklagten zugrunde gelegte jeweilige Ausbildungsvergütung entsprechend der Bescheinigung der S. AG vom 1. September 2005 unter Einschluss der zugesagten Einmalzahlungen für die Jahre 2005 und 2006. Richtig sei zwar, dass die Beklagte damit erst in der Zukunft liegendes Einkommen berücksichtigt habe; diese Vorgehensweise entspreche jedoch der eindeutigen gesetzlichen Regelung (Urteil vom 15. April 2008).
Der Kläger hat die im Urteil des LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung von § 71 Abs 2 SGB III. Bei der dort angeordneten entsprechenden Anwendung der BAföG-Vorschriften sei der Bedarfsgrundsatz anzuwenden, sodass nur die ihm in dem entsprechenden Monat tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel und keine zukünftigen Einkünfte berücksichtigt werden dürften. Die vom LSG vorgenommene Berechnung führe dagegen zu einer Absenkung der Leistungshöhe unter das soziokulturelle Existenzminimum. Folge man dennoch der Sichtweise des LSG, müssten auch alle Frei- und Absetzbeträge des BAföG übernommen werden, insbesondere Freibeträge nach § 23 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BAföG, sodass sich danach ein Anspruch auf BAB ergebe.
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Der Kläger beantragt nach Klarstellung, dass angesichts der Fahrtkostenerstattung durch den Arbeitgeber eine Werbungskostenpauschale nicht mehr geltend gemacht werde, |
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das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 15. April 2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. |
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass das LSG unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zutreffend entschieden habe. Freibeträge nach § 23 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BAföG seien nicht abzusetzen, da sich der Kläger in keiner der dort genannten Ausbildungsstätten befunden habe.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Die Bescheide der Beklagten vom 16. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2006 und vom 6. März 2006 sind, soweit sie sich auf den noch streitgegenständlichen Zeitraum beziehen, rechtmäßig. Der Kläger hat in dem streitigen Zeitraum von September bis November 2005 und Januar 2006 (dazu unter 1.) keinen Anspruch auf BAB (dazu unter 2.), da sein Gesamtbedarf (dazu unter 3.) schon durch eigenes Einkommen (dazu unter 4.) gedeckt ist.
1. Streitgegenständlich sind die Bescheide der Beklagten vom 16. November 2005, 27. Januar und 6. März 2006 nur noch, soweit die Beklagte darin die Gewährung einer BAB für die Monate September bis November 2005 und Januar 2006 abgelehnt hat. Im Übrigen hat der Kläger keine Berufung gegen das abweisende Urteil des SG betreffend Dezember 2005 und den Zeitraum ab September 2006 eingelegt bzw die Klage für die Zeit von Februar bis August 2006 vor dem LSG zurückgenommen, sodass die Ablehnung von BAB insoweit rechtskräftig bzw bindend geworden ist. Entsprechendes gilt hinsichtlich der durch Klagerücknahme erledigten Fahrkosten für Familienheimfahrten, unabhängig davon, ob der Bescheid vom 12. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2006 kraft Gesetzes (§ 96 SGG) Gegenstand des Verfahrens gewesen ist (vgl dazu näher Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 40 RdNr 9 mwN).
2. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind die §§ 59 ff SGB III. Nach § 59 SGB III haben Auszubildende während einer beruflichen Ausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme Anspruch auf BAB, wenn eine ausbildungsbezogene und persönliche Förderungsfähigkeit besteht (§ 59 Nr 1 und 2 SGB III) und die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Lehrgangskosten (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung stehen (§ 59 Nr 3 SGB III). Auszugehen ist vom Bewilligungszeitraum, der regelhaft 18 Monate umfasst (vgl § 73 Abs 1 Satz 2 SGB III idF des Ausbildungsförderungsreformgesetzes vom 19. März 2001, BGBl I 390, ≪AföRG≫). Unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen scheitert der Anspruch danach jedenfalls daran, dass der Bedarf im Bewilligungszeitraum von September 2005 bis Februar 2007 gedeckt ist. Dem monatlichen Gesamtbedarf (dazu unter 3.) für den streitgegenständlichen Zeitraum von September bis November 2005 und Januar 2006 steht ein höheres monatliches Einkommen des Klägers (dazu unter 4.) gegenüber.
3. Der zu deckende Gesamtbedarf setzt sich nach § 59 Nr 3 SGB III aus dem Bedarf für den Lebensunterhalt, den Fahrkosten, den sonstigen Aufwendungen und den Lehrgangskosten zusammen. Bei der Bestimmung des Bedarfs für den Lebensunterhalt bei einer beruflichen Ausbildung und bei einer Unterbringung außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils ist nach § 65 Abs 1 Satz 1 SGB III idF AföRG als Bedarf der jeweils geltende Bedarf für Studierende nach § 13 Abs 1 Nr 1 BAföG zugrunde zu legen. Dieser erhöht sich für die Unterkunft um den jeweiligen Betrag nach § 13 Abs 2 Nr 2 BAföG. § 13 Abs 3 BAföG gilt entsprechend. Der Betrag nach § 13 Abs 1 Nr 1 BAföG idF des AföRG beläuft sich auf 310 Euro, der nach § 13 Abs 2 Nr 2 BAföG idF des AföRG auf 133 Euro. Nach § 13 Abs 3 Satz 1 BAföG idF des AföRG erhöht sich der Bedarf für die Unterkunft zudem um bis zu monatlich 64 Euro, soweit die Mietkosten - wie hier im streitigen Zeitraum - für Unterkunft und Nebenkosten nachweislich den Betrag nach § 13 Abs 2 Nr 2 BAföG übersteigen. Insgesamt ergibt sich damit der vom LSG zutreffend berechnete monatliche Gesamtbedarf von 507 Euro (310 Euro + 133 Euro + 64 Euro).
Bei der Höhe dieses Gesamtbedarfs sind vom LSG zu Recht keine Kosten für Fahrten zwischen Unterkunft, Ausbildungsstätte und Berufsschule nach § 67 Abs 1 Nr 1 SGB III, ferner für Familienheimfahrten nach § 67 Abs 1 Nr 2 SGB III und für Arbeitskleidung nach § 68 Abs 3 Satz 1 SGB III idF des AföRG berücksichtigt worden, da beim Kläger nach den Feststellungen der Vorinstanz (§ 163 SGG) Aufwendungen für Familienheimfahrten zu seinem Vater nicht angefallen sind, der Ausbildungsbetrieb dem Kläger die Kosten für Fahrten zwischen Unterkunft, Ausbildungsstätte und Berufsschule in voller Höhe erstattet und ihm außerdem jährlich einen Arbeitsanzug und ein Paar Schuhe zur Verfügung gestellt und der Kläger die Übernahme dieser Kosten im Verfahren deshalb auch nicht weiter verfolgt hat.
4. Nach § 71 Abs 1 SGB III idF des Gesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl I 266) sind auf den Gesamtbedarf das Einkommen des Auszubildenden, seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten, des Lebenspartners und seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen. Für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen gelten § 11 Abs 4 sowie die Vorschriften des Vierten Abschnitts des BAföG mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen entsprechend (§ 71 Abs 2 Satz 1 SGB III idF des AföRG).
a) Hinsichtlich der Ermittlung des Einkommens regelt § 21 Abs 1 Satz 1 BAföG idF des Neunzehnten BAföG-Änderungsgesetzes vom 25. Juni 1998 (BGBl I 1609), dass als Einkommen grundsätzlich die Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gilt, welche der Besteuerung unterliegen. Bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG) ist dies der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs 2 Nr 2 iVm §§ 8 bis 9a EStG). Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zählt die vom Kläger bezogene Ausbildungsvergütung (§ 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG) unter Einschluss der Einmalzahlungen. Dieses im Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes stehende weite Verständnis der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit wird bestätigt durch die Gesetzesmaterialien, die - ohne eine Differenzierung zwischen Einkommen von Eltern und Ehegatten und des Auszubildenden selbst - ausdrücklich darauf hinweisen, dass mit § 71 Abs 2 SGB III die unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten problematische Regelung des § 18 Abs 6 Nr 1 der Anordnung der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung, nach der aus Gründen der Praktikabilität Einmalzahlungen nicht als Einkommen galten, entfallen kann (vgl BT-Drucks 13/4941, S 166; aA Fuchsloch in Gagel, SGB III, § 71 RdNr 71b). Die Summe der Einnahmen im Bewilligungszeitraum deckt sich danach mit dem von der Vorinstanz zugrunde gelegten Gesamtbetrag von 12.581,29 Euro (619,30 Euro x 5 + 641,30 Euro x 7 + 664,30 Euro x 6 + 131,84 Euro + 878,05 Euro).
Von diesen Einnahmen sind zwar bis zum Ausschluss ihrer Berücksichtigungsfähigkeit in § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III durch das Gesetz vom 22. Dezember 2005 (BGBl I 3676) Werbungskosten grundsätzlich in tatsächlicher Höhe (§ 9 EStG) oder in Höhe von Pauschbeträgen (§ 9a EStG) abzuziehen (zur modifizierenden, einschränkenden Berücksichtigung von Werbungskosten vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 22. Dezember 2005, aaO, vgl BSG SozR 4-4300 § 71 Nr 1, S 5; BSG SozR 4-4300 § 71 Nr 2, S 8). Der Kläger hat jedoch auf die Geltendmachung der Werbungskostenpauschale im Termin vom 8. Juli 2009 verzichtet (allgemein zur Möglichkeit, Teilelemente eines Anspruchs unstreitig zu stellen vgl BSGE 99, 131 = SozR 4-3500 § 28 Nr 1; BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 1; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 10; BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 - B 11 AL 37/07 R, zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR). Die verbleibende Möglichkeit des Abzugs der konkreten Werbungskosten wäre demgegenüber hier berechnungsneutral. Denn bei den als Abzugsposten allein in Betracht kommenden Fahrkosten stünden in demselben Umfang die Erstattungen durch den Arbeitgeber als zusätzliche Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit nach § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG gegenüber. Im Gegensatz zur unentgeltlichen Überlassung typischer Berufskleidung (§ 3 Nr 31 EStG) ist nämlich die Erstattung von Fahrtkosten im Fall des Klägers nicht steuerfrei (vgl Ausnahmeregelung in § 3 Nr 32 EStG; vgl auch Heinicke in Schmidt, EStG, 28. Aufl, § 3 ABC "Fahrtkosten"). Auch nach Abzug von Werbungskosten verblieben im Bewilligungszeitraum also Einkünfte von insgesamt 12.581,29 Euro (698,96 Euro monatlich).
b) Von den so ermittelten positiven Einkünften können nach § 21 Abs 1 Satz 3 Nr 3 BAföG die für den Berechnungszeitraum zu leistende Einkommen- und Kirchensteuer und nach § 21 Abs 1 Satz 3 Nr 4 BAföG idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 2848) die zu leistenden Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesagentur für Arbeit (BA) abgezogen werden. Allerdings vermag der Senat der Rechtsansicht des LSG nicht darin zu folgen, dass zur Abgeltung der zu leistenden Einkommen- und Kirchensteuer sowie der Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur BA gemäß § 21 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BAföG insgesamt nur eine Pauschale in Höhe von 21,5 vom Hundert (vH) für rentenversicherungspflichtige Auszubildende in Abzug zu bringen sei. Die nach § 21 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BAföG idF des AföRG für rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer und für Auszubildende geltende Pauschale betrifft ausschließlich die Abzüge nach Abs 1 Satz 3 Nr 4. Steuern nach Abs 1 Satz 3 Nr 3 sind daher generell zusätzlich abzuziehen. Im Ergebnis erweist sich die Annahme des LSG hier gleichwohl als zutreffend, weil im Bewilligungszeitraum von September 2005 bis Februar 2007 die monatlichen Einkünfte unter keinen Umständen den Schwellenbetrag von 815,51 Euro überschreiten, welcher die Grenze für die von der BA praktizierte Pauschalbesteuerung bildet. Diese Praxis der BA, erst ab einer monatlichen Ausbildungsvergütung von 815,51 Euro einen Steuerabzug - und dann pauschal in Höhe von 23 % - vorzunehmen (vgl Durchführungsanweisungen BAB 71.2 B 21.1.31) bedarf keiner Korrektur. Sie entspricht Ziff 21.1.31 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BAföG idF vom 20. Dezember 2001 (≪BAföGVwV 2001≫, GMBl 1143) und ist nicht zu beanstanden, solange die - hier nicht genutzte - Möglichkeit vorgehalten wird, auf Verlangen des Auszubildenden eine genaue Berechnung vorzunehmen (Ziff 21.1.32 BAföGVwV 2001, hierzu Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl, § 22 RdNr 9). Unter Berücksichtigung des danach allein verbleibenden Abzugspostens der Sozialpauschale von 21,5 vH (= 2.704,98 Euro) errechnet sich im Bewilligungszeitraum das auch vom LSG zugrunde gelegte Gesamteinkommen von 9.876,31 Euro.
c) Hinsichtlich der Anrechnung des Einkommens bestimmt § 22 Abs 2 BAföG, dass auf den Bedarf jedes Kalendermonats des Bewilligungszeitraums der Betrag angerechnet wird, der sich ergibt, wenn das Gesamteinkommen durch die Zahl der Kalendermonate des Bewilligungszeitraums geteilt wird. Damit ist das auf die Monate des Bewilligungszeitraums entfallende Durchschnittseinkommen auf den Bedarf der einzelnen Monate des Bewilligungszeitraums anzurechnen. Der Senat folgt insoweit nicht der in der Literatur vertretenen Auffassung, dass die Regelung des § 22 Abs 2 BAföG nur die Grundregel des § 22 Abs 1 BAföG ausführt, diese aber durch die speziellere Regelung des § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 bzw Nr 2 SGB III verdrängt wird und damit auch die Regelung des § 22 Abs 2 BAföG nicht zur Anwendung kommt (so Fuchsloch in Gagel, SGB III, § 71 RdNr 71d). Während nach § 22 Abs 1 Satz 1 BAföG idF des Siebzehnten BAföG-Änderungsgesetzes vom 24. Juli 1995 (BGBl I 967) für die Anrechnung des Einkommens des Auszubildenden die Einkommensverhältnisse im Bewilligungszeitraum maßgebend sind, bestimmen § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III idF des Ersten SGB-III Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2970) bzw § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III idF des Gesetzes vom 22. Dezember 2005 (BGBl I 3676), dass abweichend von § 22 Abs 1 BAföG das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbare Einkommen des Auszubildenden maßgebend ist, jedoch Änderungen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen sind. Dies hat jedoch lediglich zur Folge, dass Änderungen bei der Ausbildungsvergütung, die während des Bewilligungszeitraums eintreten, zur Vermeidung von erheblichem Verwaltungsaufwand abweichend von § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht zu einer Änderung des Bewilligungsbescheides führen (vgl BSG SozR 4-4300 § 71 Nr 3, S 12 ff). § 22 Abs 2 BAföG bleibt demgegenüber ausdrücklich unberührt und weiter anwendbar. Nicht nur bei der Berechnung von BAföG-Leistungen, sondern auch von BAB-Leistungen ist folglich durch § 22 Abs 2 BAföG die Durchschnittsberechnung als Rechenschritt vorgegeben. Dies widerspricht weder dem Willen des Gesetzgebers noch dem Zweck der BAB (aA Fuchsloch in Gagel, SGB III, § 71 RdNr 71). Die Verweisung des § 71 Abs 2 Satz 1 SGB III auf die Regelungen des BAföG dient vielmehr gerade dazu, das Recht der Ausbildungsförderung weiter zu harmonisieren (BT-Drucks 13/4941, S 166 zu § 71 Abs 2). Gründe, warum eine Durchschnittsberechnung im Interesse der Vereinfachung bei BAföG-Leistungen sinnvoll, bei Leistungen nach §§ 59 ff SGB III aber sinnwidrig sein soll, sind nicht erkennbar. Dass BAföG-Leistungen üblicherweise an Leistungsempfänger erbracht werden, die kein eigenes Einkommen aus der Ausbildung selbst erzielen, während für die Auszubildenden nach den §§ 59 ff SGB III typischerweise das Gegenteil gilt, steht einer Durchschnittsberechnung der für den Bewilligungszeitraum absehbaren Gesamtvergütung nicht entgegen. Wie vom LSG zutreffend ausgeführt, beträgt das monatliche Einkommen ausgehend von einem - nach den verbindlichen Feststellungen des LSG absehbaren - Gesamteinkommen von 9876,31 Euro im Bewilligungszeitraum (18 Monate) somit durchschnittlich 548,68 Euro (9876,31 Euro : 18).
Der Senat teilt nicht die in der Literatur geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung der Regelung des § 22 Abs 2 BAföG, mit der Durchschnittsberechnung könne in einzelnen Monaten das in der BAB verkörperte Existenzminimum unterschritten werden (Fuchsloch in Gagel, SGB III, § 71 RdNr 71). Konsequenz der über § 71 Abs 2 Satz 1 SGB III anwendbaren Regelung des § 22 Abs 2 BAföG ist zwar, dass bei einem Empfänger von BAB-Leistungen genauso wie bei einem Empfänger von BAföG-Leistungen nicht das in jedem Monat tatsächlich anfallende Einkommen auf den Bedarf dieses Monats angerechnet wird, sondern das im Bewilligungszeitraum durchschnittlich im Monat anfallende Einkommen. Dies kann allerdings dazu führen, dass dem Auszubildenden - wie auch im vorliegenden Fall - in einzelnen Monaten, vornehmlich am Anfang der Ausbildung, weniger als der errechnete Gesamtbedarf der BAB zur Verfügung steht, da neben der BAB grundsätzlich keine bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistungen gewährt werden (vgl § 7 Abs 5 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch ≪SGB II≫). Vorübergehende Unterschreitungen können allerdings ausnahmsweise in besonderen Härtefällen dadurch ausgeglichen werden, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden (vgl § 7 Abs 5 Satz 2 SGB II; vgl hierzu auch BSGE 99, 67 = BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 6).
Ebenso wenig besteht aufgrund der Durchschnittsberechnung bei der Einkommensanrechnung eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Auszubildenden mit niedriger Ausbildungsvergütung im Vergleich zu Arbeitnehmern mit niedrigem Entgelt (so Fuchsloch in Gagel, SGB III, § 71 RdNr 71c). Dass der Gesetzgeber die Leistungsvoraussetzungen für die Sicherung des Lebensunterhalts für Erwerbstätige einerseits und für Studenten und Auszubildende, die nach dem BAföG oder dem SGB III förderungsfähig sind, andererseits unterschiedlich geregelt hat, mithin die Sicherung des Lebensunterhalts bei förderungsfähigen Ausbildungen durch ein anderes Sozialleistungssystem erfolgt, ist wegen der bestehenden Unterschiede dieser Personengruppen gerechtfertigt. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 14. Oktober 1997 - 1 BvL 5/93 (= BVerfGE 96, 330) zur Verfassungsmäßigkeit des Wohngeldausschlusses bei BAföG verdeutlicht (vgl zur Differenzierung der Gruppe der Auszubildenden, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, im Vergleich zu Auszubildenden, die außerhalb der Elternwohnung leben BSG SozR 4-4300 § 64 Nr 3; auch BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, S 27 f). Die von Fuchsloch (aaO) maßgeblich zitierte abweichende Entscheidung zum Wohngeldausschluss beim Begleitstudium (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1997 - 1 Bvl 5/89 = BVerfGE 96, 315) betrifft demgegenüber die hier nicht vergleichbare Sondersituation berufsbegleitend studierender Erwerbstätiger.
d) Entgegen der Auffassung der Revision reduziert sich das monatliche Einkommen nicht um einen Freibetrag nach § 71 Abs 2 Satz 1 SGB III iVm § 23 Abs 1 Satz 1 Nr 1a BAföG (jeweils idF des AföRG) in Höhe von 112 Euro. Denn hinsichtlich der Berücksichtigung von Freibeträgen bestimmt § 23 Abs 3 BAföG, dass die Vergütung aus einem Ausbildungsverhältnis voll angerechnet wird. Zwar sehen § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III idF des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10. Dezember 2001 (BGBl I 3443) bzw § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGB III idF des Gesetzes vom 22. Dezember 2005 (BGBl I 3676) vor, dass abweichend von § 23 Abs 3 BAföG 52 Euro anrechnungsfrei bleiben, wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils möglich ist. Dieser Freibetrag ist jedoch nur anzusetzen, wenn der Auszubildende gerade wegen der Ausbildung gezwungen war, den Haushalt der Eltern zu verlassen (Wagner, in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, 3. Aufl 2008, § 71 RdNr 94). Dies war beim Kläger jedoch schon deswegen nicht der Fall, weil er seine Wohnung in S. zusammen mit seiner Lebensgefährtin im Mai 2004 in großem zeitlichen Abstand und damit unabhängig von seiner Ausbildung am 1. September 2005 in V. bezogen hat. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob die Vermittlung in eine Ausbildungsstelle der vom Kläger gewählten Ausbildungsart auch bei Unterbringung im elterlichen Haushalt möglich gewesen wäre (hierzu BSG, Urteil vom 27. August 2008 - B 11 AL 12/07 R, zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR).
Da der Gesamtbedarf des Klägers schon durch eigenes Einkommen gedeckt ist, kann dahingestellt bleiben, ob neben dem Einkommen des Klägers zusätzlich Einkommen seines Vaters anzurechnen gewesen wäre.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2245270 |
NZS 2010, 147 |
SGb 2009, 598 |
SGb 2010, 211 |
info-also 2010, 86 |