Beteiligte
Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen |
L Alterskasse Niederbayern-Oberpfalz |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29. April 1997 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Beitragszuschuß zur landwirtschaftlichen Altershilfe.
Der Kläger war als nicht buchführungspflichtiger Landwirt seit März 1987 beitragspflichtiges Mitglied der Beklagten und erhielt zuletzt eine Beitragszuschuß von monatlich 140,- DM im Jahr 1994 aufgrund des Bescheides vom 10. November 1994. Dazu legte die Beklagte einen Wirtschaftswert von 35.998,46 DM zugrunde. Mit Bescheid vom 28. März 1995 lehnte die Beklagte dagegen den Anspruch des Klägers auf Beitragszuschuß für die Zeit ab dem 1. Januar 1995 ab, da bei ihm ein Arbeitseinkommen von 52.432,87 DM zu berücksichtigen sei, das die Einkommensgrenze (40.000,- DM) überschreite. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1996).
Das Sozialgericht (SG) Landshut hat antragsgemäß durch Urteil vom 29. April 1997 den Bescheid der Beklagten vom 28. März 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 1996 aufgehoben. Es hat ausgeführt, die Beklagte habe zwar das Arbeitseinkommen aus Land- und Forstwirtschaft zutreffend nach der Regelung des § 32 Abs 5 und 6 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) berechnet, aber die Rechtswirkungen der früheren Bewilligungsbescheide vom 8. November 1988, 6. April 1994 und 10. November 1994 außer acht gelassen. Das durch Verwaltungsakt bindend festgestellte Beitragszuschußverhältnis sei auch nicht durch einen sog Selbstvollzug des Gesetzes umgestaltet worden. Die Anpassung an die neue Rechtslage im Wege des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) habe die Beklagte versäumt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Sprungrevision und rügt eine Verletzung der §§ 33 Abs 1, 35 Abs 1 und § 48 SGB X. Daß mit dem angefochtenen Bescheid zugleich die Aufhebung der bisherigen Leistungsbewilligung verbunden werden sollte, hätte der Kläger erkennen können. Auch ohne die ausdrückliche Nennung der Rechtsgrundlage des § 48 SGB X sei der Bescheid hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X) und begründet (§ 35 Abs 1 SGB X). Im übrigen könne der angefochtene Ablehnungsbescheid in einen Änderungsbescheid umgedeutet werden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 32 ALG griffen nicht durch (Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ vom 23. Oktober 1996 – 4 RLw 4/96 –).
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Seiner Ansicht nach ist das angefochtene Urteil rechtsfehlerfrei ergangen. Entgegen der Ansicht des SG eigne sich der korrigierte Wirtschaftswert nicht für eine sachgerechte individuelle und damit verfassungsgemäße Ermittlung des Arbeitseinkommens. Gegenüber jener realitätsfernen Pauschalierung gelange die Ermittlung nach § 13a Einkommensteuergesetz (EStG) zu einer erheblich differenzierteren Gewinnermittlung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, dem Kläger für die Zeit ab 1. Januar 1995 Beitragszuschuß zu bewilligen. Dagegen greifen auch keine verfahrens- und verfassungsrechtlichen Bedenken durch.
Mit der Ablehnung, für die Zeit ab 1. Januar 1995 einen Beitragszuschuß gemäß den §§ 32 bis 35 ALG zu gewähren, hat die Beklagte die vorangegangene Leistungsbewilligung durch den angefochtenen Bescheid vom 28. März 1995 deutlich erkennbar in vollem Umfang aufgehoben. Mit Änderungen in der Höhe des bisher gewährten Beitragszuschusses mußte der Kläger um so mehr rechnen, als auch – wie schon in den Beitragszuschußbescheiden zuvor – in dem letzten Beitragszuschußbescheid vom 10. November 1994 der bewilligte monatliche Beitragszuschuß auf das betreffende Kalenderjahr, hier das Jahr 1994, beschränkt und als Rechtsgrundlage ausdrücklich § 3c des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) angegeben war.
Diese Aufhebung der vorangegangenen Leistungsbewilligung begegnet keinen durchgreifenden verfahrensrechtlichen Bedenken. Der angefochtene Bescheid erweist sich als hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X), denn er bringt unzweideutig zum Ausdruck, daß ab dem 1. Januar 1995 kein Beitragszuschuß (hinzuzudenken: „mehr”) gewährt wird; damit hat die Beklagte dem Kläger ihren unmißverständlichen Willen bekundet, daß früheren Bewilligungen keine Rechtswirkung mehr zukommt. Dies genügt auch den Begründungserfordernissen (§ 35 Abs 1 SGB X). Der Umstand, daß die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage (hier in § 34 Abs 4 ALG, dazu unten näher) in der Begründung nicht genannt ist, macht den Verwaltungsakt jedenfalls nicht nichtig iS von § 40 SGB X (vgl BSG vom 14. Dezember 1978, SozR 1500 § 85 Nr 7; 29. Juni 1978, aaO Nr 5 S 7 ff mwN; Kasseler Komm-Krasney, SGB X § 35 RdNr 13). Das folgt auch aus § 41 Abs 1 Nr 2 SGB X, der dem Fehlen der erforderlichen Begründung regelmäßig nur eine nachträglich heilbare Rechtswidrigkeit, aber gerade keine Nichtigkeit beimißt (vgl Kasseler Komm-Steinwedel aaO § 41 RdNr 7). Sollte – was hier offenbleiben kann – die Nichterwähnung des § 34 Abs 4 ALG als Rechtsgrundlage gegen § 35 Abs 1 SGB X verstoßen, könnte der angefochtene Bescheid nicht aus diesem Grunde aufgehoben werden, weil – was das SG nicht geprüft hat – keine andere Entscheidung in der Sache getroffen werden konnte (§ 42 Satz 1 SGB X). Damit schlägt ein Begründungsmangel nicht durch, weil die Beklagte verpflichtet und befugt war, die frühere Zuschußbewilligung wie hier im Wege des § 34 As 4 ALG aufzuheben bzw zu ändern.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte zutreffend erkannt, daß der Anspruch des Klägers auf Beitragszuschuß ab dem 1. Januar 1995 entfallen ist. Die Beklagte ist durch § 34 Abs 4 ALG vom 29. Juli 1994 (BGBl I S 1890) auch ermächtigt, frühere Bewilligungen von Beitragszuschuß, denen eine Dauerwirkung über den 31. Dezember 1994 hinaus zukommt, aufzuheben. Danach gilt: Ändern sich die für Grund oder Höhe des Zuschusses zum Beitrag maßgebenden Verhältnisse, ist der Verwaltungsakt (dh der Bewilligungsbescheid) vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben. Die Bestimmung ist gemäß Art 48 Abs 1 des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (ASRG 1995) vom 29. Juli 1994 (BGBl I S 1890), als dessen Art 1 das ALG verkündet wurde, mit Wirkung vom 1. Januar 1995 in Kraft getreten. Abweichend von § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X wird in § 34 Abs 4 ALG die Rückwirkung nicht eingeschränkt und somit insbesondere beim Fortfall der Voraussetzungen für Grund oder Höhe des Zuschusses kein Vertrauensschutz gewährt (vgl auch BT-Drucks 12/5700 S 78 zu Art 1 § 34).
Auf dieser Grundlage erfüllte der Kläger im Jahr 1995, nachdem ab 1. Januar das ALG an die Stelle des GAL getreten war, nicht (mehr) die Anspruchsvoraussetzungen des Beitragszuschusses. Einen Beitragszuschuß erhalten gemäß § 32 Abs 1 ALG versicherungspflichtige Landwirte zu ihrem Beitrag und zum Beitrag für mitarbeitende Familienangehörige, wenn das nach Abs 2 ermittelte jährliche Einkommen 40.000,- DM nicht übersteigt. Das jährliche Einkommen wird gemäß § 32 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 ALG aus dem Jahreseinkommen des Landwirts ermittelt. Das Einkommen wird auf volle DM abgerundet (§ 32 Abs 2 Satz 2 ALG). Das Arbeitseinkommen des Klägers, der über kein außerlandwirtschaftliches Einkommen verfügt, muß nach § 32 Abs 6 ALG (in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung des ASRG, das ua in § 34 Abs 6 Satz 1 Nr 2 ALG durch das ASRG-Änderungsgesetz vom 15. Februar 1995 ≪BGBl I 1814≫ mit Wirkung ab 1. Januar 1996 neu gefaßt worden ist) ermittelt werden. Dies folgt aus dem Umstand, daß der Kläger nicht zur Einkommensteuer veranlagt, insbesondere sein Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nicht nach § 4 Abs 1 oder Abs 3 EStG ermittelt wurde (§ 32 Abs 5 Satz 1 ALG).
Das Arbeitseinkommen aus der Land- und Forstwirtschaft wird auf der Grundlage von Beziehungswerten ermittelt, die sich aus dem Wirtschaftswert und dem fünfjährigen Durchschnitt der Gewinne der für den Agrarbericht der Bundesregierung ausgewerteten landwirtschaftlichen Testbetriebe ergeben; dabei sind die mit steigendem Wirtschaftswert sich verändernde Ertragskraft je DM Wirtschaftswert und die bei zusätzlicher außerbetrieblicher Berufstätigkeit unterschiedliche Ertragskraft zu berücksichtigen (§ 32 Abs 6 Satz 1 Nr 1 ALG). Gemäß § 32 Abs 6 Satz 1 Nr 2 ALG ist die unterschiedliche Ertragskraft zu berücksichtigen, die aufgrund außerbetrieblichen Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommens des landwirtschaftlichen Unternehmers erzielt wird. Aus der Vervielfältigung des in der Verordnung zur Ermittlung des Arbeitseinkommens aus der Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1995 (AELV 1995) vom 25. November 1994 (BGBl I 3519) festgesetzten Beziehungswertes mit dem zum 1. Juli des jeweiligen Vorjahres maßgebenden Wirtschaftswert (§ 32 Abs 6 Satz 5 ALG) resultiert das für das Jahr 1995 zu berücksichtigende Jahreseinkommen (§ 1 Abs 2 AELV 1995). Der Wirtschaftswert belief sich nach den das BSG bindenden, auch auf den Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1996 Bezug nehmenden Feststellungen des SG (§ 163 SGG) zum Stichtag 1. Juli 1994 auf 32.561,- DM. Hieraus ergibt sich nach Multiplikation mit dem Faktor 1,5998 ein korrigierter Wirtschaftswert in Höhe von 52.091,- DM (abgerundet gemäß § 1 Abs 4 AELV 1995; zur Interpolation bei nicht in der Anlage 1 zu § 1 Abs 2 AELV 1995 aufgeführten Werten vgl § 1 Abs 2 Satz 3 AELV 1995). Damit liegt das Arbeitseinkommen des Klägers – anspruchsschädlich – über dem gesetzlichen Grenzwert von 40.000,- DM.
Gegen die Regelungen des § 32 Abs 5 und 6 ALG sowie die der AELV 1995, auf denen die oben erläuterten Berechnungen beruhen, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Sie sind insbesondere mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl hierzu das Senatsurteil vom heutigen Tage – B 10 LW 1/97 R – mwN, zur Veröffentlichung in SozR bestimmt). Der Senat schließt sich nach näherer Prüfung im Ergebnis der vom 4. Senat des BSG im Urteil vom 23. Oktober 1996 (4 RLw 4/96 – veröffentlicht in GVLAK Rdschr AH 3/97) geäußerten Ansicht an, die Regelung des § 32 ALG sei „augenfällig verfassungsgemäß”. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫) oder das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) nicht vor. Dies gilt namentlich auch im Hinblick auf das vom Kläger geltend gemachte Argument, ua durch die zu zahlende Pacht in Höhe von 26.000,- DM liege sein tatsächlicher Gewinn weit unter dem ermittelten korrigierten Wirtschaftswert. Auch wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, daß sein am Stichtag 1. Juli 1994 tatsächlich erzielter Gewinn erheblich von der fiktiven Einkommensermittlung nach § 32 Abs 5 und 6 ALG abweicht, wird er selbst gegenüber solchen Landwirten nicht gleichheitswidrig behandelt, deren tatsächlicher Gewinn mit dem korrigierten Wirtschaftswert übereinstimmt oder hiervon nur geringfügig abweicht. Denn § 32 Abs 5 und 6 ALG regelt eine sachgerechte Methode zur Feststellung des Arbeitseinkommens.
Bei der Zuschußgewährung aus staatlichen Mitteln steht dem Gesetzgeber ein weitgehender Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Dieser reicht im Rahmen der Leistungsverwaltung weiter als bei der Eingriffsverwaltung (vgl BVerfG vom 26. April 1988, BVerfGE 78, 104, 121 mwN). Er umfaßt die Feststellung des Jahreseinkommens anhand des korrigierten Wirtschaftswertes bei sämtlichen Landwirten, deren Gewinn steuerrechtlich nicht nach § 4 Abs 1 oder 3 EStG ermittelt worden ist, denn die Festsetzung des Arbeitseinkommens beruht auf einer verfassungsrechtlich zulässigen Pauschalierung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist der Gesetzgeber bei der Ordnung von insbesondere im Bereich der Sozialversicherung auftretenden Massenerscheinungen nicht verpflichtet, jede erwägenswerte Fallgestaltung zu regeln. Er ist vielmehr befugt, das aus den ihm vorliegenden Erfahrungen gewonnene Gesamtbild seiner Normsetzung zugrunde zu legen. Aus diesem Gesichtspunkt heraus darf eine Regelung generalisieren, typisieren und pauschalieren, sofern die hiermit verbundenen Härten und Ungerechtigkeiten nur bei einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Personen auftreten und der Gleichheitssatz nicht wesentlich verletzt ist. Dabei sind auch praktische Erwägungen der Verwaltung von Bedeutung (vgl BVerfG vom 17. November 1992, BVerfGE 87, 234, 255 f mwN).
Auch bei der Gewinnermittlung nach § 32 ALG liegt deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG vor. Zum einen kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber eine andere Methode der Gewinnermittlung hätte auswählen können. Er muß nicht die zweckmäßigste oder gerechteste Regelung treffen, sondern hat mit seinem Handeln die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit einzuhalten (vgl BVerfG vom 8. Oktober 1991, BVerfGE 84, 348, 359 mwN). Zum anderen steht es nicht buchführungspflichtigen Landwirten frei, den korrigierten Wirtschaftswert zu widerlegen. Sie können auf die Durchschnittssatzgewinnermittlung verzichten und die Feststellung des Gewinns nach § 4 Abs 1 oder 3 EStG durch Betriebsvermögensvergleich oder Überschußrechnung beantragen (§ 13a Abs 2 EStG), so daß der tatsächliche Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Eine Kumulierung von steuerrechtlicher Subventionierung durch die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen und Beitragszuschuß unter Außerachtlassung des tatsächlichen Arbeitseinkommens kann der Kläger von Verfassungs wegen nicht verlangen. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, daß steuerliche und sozialrechtliche Vergünstigungen unter allen Umständen erhalten bleiben (so auch BSG vom 13. Mai 1998 – B 14 EG 3/97 R –, S 5 des Abdrucks, zur Veröffentlichung in SozR bestimmt).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen