Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. betriebliche Voraussetzung. VEB Schiffselektronik Rostock
Orientierungssatz
1. Auch der mehr oder weniger schematisch anfallende Zusammenbau von im Wege industrieller Massenproduktion massenhaft (selbst) hergestellten Bauteilen zum fertigen Produkt kann seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens sein (vgl BSG vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R = BSGE 108, 300).
2. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion. In diesem Fall ist zu prüfen, ob der Betrieb, in dem gleichermaßen die industrielle Massenproduktion von Einzelteilen und der individualisierte Zusammenbau von Endprodukten anfallen, sein Gepräge durch den erstgenannten Bereich erhält.
Normenkette
AAÜG § 1 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 2, 3 S. 1, Abs. 4 Nr. 1; ZAVtIV § 1; ZAVtIVDBest 2 § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 29. März 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.9.1978 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.
Der am 1953 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Diplom-Ingenieurökonom" zu führen. Zuletzt war er bis 30.6.1990 bei dem VEB S. als Abteilungsleiter Materialwirtschaft tätig. Seine Tätigkeit bestand im Wesentlichen in der Organisation der Bevorratung und Lagerversorgung sowie der Leitung der Abteilung Materialwirtschaft und Technischer Einkauf. Der Kläger war anschließend noch bis Ende 1991 bei dem VEB S. bzw der durch Umwandlung in eine GmbH mit Wirkung zum 7.8.1990 geschaffenen Nachfolgefirma beschäftigt.
Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht.
Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 14.1.2005 und Widerspruchsbescheid vom 13.5.2005).
Das SG Hamburg hat die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide mit Urteil vom 11.4.2008 verurteilt, die Zeit der Beschäftigung des Klägers vom 1.9.1978 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech anzuerkennen und die entsprechenden Arbeitsverdienste festzustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Hamburg mit Urteil vom 29.3.2011 das Urteil des SG Hamburg aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Vorschriften des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫ vom 25.7.1991, BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) fänden auf den Kläger keine Anwendung, weil er Ansprüche aus einem Zusatzversorgungssystem nicht iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben habe. Ihm komme auch nicht die durch die Rechtsprechung des BSG vorgenommene erweiternde verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG zugute. Zwar lägen die persönliche und die sachliche Voraussetzung für eine derartige - fiktive - Versorgungsanwartschaft vor. Nicht erfüllt sei hingegen die betriebliche Voraussetzung, da der VEB S. am 30.6.1990 nicht Sachgüter im Hauptzweck industriell und standardisiert gefertigt habe. Hauptzweck des VEB sei die Herstellung von Schaltanlagen und elektronischen Bauteilen gewesen. Die Schaltanlagen seien in der Regel in Kleinserien von bis zu maximal sechs Stück gefertigt worden, bevor dann aufgrund des geänderten Bedarfs Veränderungen des Produkts erforderlich geworden seien. Zudem belege der Umstand, dass für die Bestückung der Schaltschränke der Einsatz von Facharbeitern erforderlich gewesen sei, dass es sich nicht um eine standardisierte Fertigung im Sinne des fordistischen Produktionsmodells gehandelt habe. Die einmalige Produktion einer Großserie von 8000 Stück Leiterplatinen für Kassettenrekorder habe dem VEB S. nicht das Gepräge gegeben.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 1, 5 und 8 AAÜG. In seinem Fall sei auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt. Die vom Berufungsgericht zur Produktion getroffenen Feststellungen erfüllten nicht die Vorgaben aus dem Urteil des BSG vom 19.7.2011 (B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300). Die verhältnismäßig klein wirkende Zahl sechs stehe daher einer Massenproduktion nicht entgegen. Auch der Einsatz von Facharbeitern spreche nicht gegen eine standardisierte Fertigung im Sinne des fordistischen Produktionsmodells, weil eine ausschließlich schematische Zusammenbauweise nicht erforderlich sei.
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Der Kläger beantragt, |
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das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 29. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. April 2008 zurückzuweisen. |
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Die Beklagte beantragt, |
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die Revision zurückzuweisen. |
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.
Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren (§§ 165 S 1, 153 Abs 1, 123 SGG), das Berufungsurteil aufzuheben und das Urteil des SG Hamburg vom 11.4.2008 wiederherzustellen. Dieses Begehren hat Erfolg, wenn der Bescheid vom 14.1.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2005 aufzuheben und die Beklagte verpflichtet ist, die Beschäftigungszeit vom 1.9.1978 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte) festzustellen.
Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anl 1 Nr 1 bis 27 (§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekanntzugeben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).
Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung ≪Renten-Überleitungsgesetz - RÜG≫ vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), so dass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.
Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.
I. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).
Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).
II. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt; auch das Berufungsgericht teilt mit zutreffenden Ausführungen und mit eingehender Begründung diese Auslegung.
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der AVItech in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben am Stichtag 30.6.1990 auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands ≪Einigungsvertrag - EinigVtr≫ vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) und die Zweite Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl I Nr 62 S 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.
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Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen: |
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von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), |
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von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), |
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und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung). |
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Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Diplom-Ingenieurökonom" zu führen, und am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.
Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB S. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011 sowie am 28.9.2011 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300, 303; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19) nochmals betont hat.
Das LSG hat den Begriff des industriellen Produktionsbetriebs iS des § 1 VO-AVItech iVm § 1 Abs 1 der 2. DB im Ausgang zutreffend bestimmt und dessen Voraussetzungen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 4. sowie des erkennenden Senats festgelegt. Es hat diesen Begriff sodann jedoch in unzutreffender Weise auf den VEB S. angewandt und daher unrichtige Anforderungen an den industriellen Produktionsbetrieb gestellt.
Der versorgungsrechtliche Begriff der Massenproduktion iS der AVItech ist auf die standardisierte Herstellung einer unbestimmten Vielzahl von Sachgütern gerichtet. Er ist damit in quantitativer Hinsicht allein durch die potentielle Unbegrenztheit der betrieblichen Produktion gekennzeichnet. Dagegen kommt es nicht auf das konkrete Erreichen einer bestimmten Anzahl an Gütern an, die der Betrieb insgesamt produziert oder an einzelne Kunden abgibt. In ihrem wesentlichen qualitativen Aspekt unterscheidet sich die Massenproduktion von der auftragsbezogenen Einzelfertigung mit Bezug zu individuellen Kundenwünschen als ihrem Gegenstück (vgl BSGE 108, 300, 305) dadurch, dass der Hauptzweck des Betriebs auf eine industrielle Fertigung standardisierter Produkte in einem standardisierten und automatisierten Verfahren gerichtet ist (so grundlegend BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47; BSG vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 17). Es ist in erster Linie diese Produktionsweise, die den Begriff der Massenproduktion im vorliegenden Zusammenhang kennzeichnet, und die inhaltliche Gesamtbetrachtung des Betriebs insofern, die ihn zu einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens macht. "Standardisiert und automatisiert" in diesem Sinne ist alles hergestellt, was mit einem vom Hersteller vorgegebenen Produkt nach Art, Aussehen und Bauweise identisch ist, aber auch dasjenige Sachgut, das aus mehreren ihrerseits standardisiert und automatisiert hergestellten Einzelteilen zusammengesetzt und Teil einer einseitig und abschließend allein vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette ist. Der Senat hat daher bereits entschieden (Urteil vom 19.7.2011, BSGE 108, 300 ff, 305), dass auch der mehr oder weniger schematisch anfallende Zusammenbau von im Wege industrieller Massenproduktion massenhaft (selbst) hergestellten Bauteilen zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens sein kann. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion. In diesem Fall ist zu prüfen, ob der Betrieb, in dem gleichermaßen die industrielle Massenproduktion von Einzelteilen und der individualisierte Zusammenbau von Endprodukten anfallen, sein Gepräge durch den erstgenannten Bereich erhält.
Die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung, der VEB S. habe "Schaltanlagen in der Regel in Kleinserien von bis zu maximal sechs Stück gefertigt, bevor dann aufgrund des geänderten Bedarfs Veränderungen des Produkts erforderlich wurden", lässt eine eindeutige Zuordnung nicht zu. Das angefochtene Urteil beachtet die gebotene Unterscheidung zwischen Kleinserie als internes Merkmal der betrieblichen Produktionsweise einerseits und als externe Beschreibung des Abnahmeverhaltens von Kunden nicht; dementsprechend blieb auch offen, ob der "geänderte Bedarf" in diesem Sinne interner oder externer Natur war. Die vom LSG festgestellten Tatsachen tragen sein rechtliches Ergebnis nur in Fällen, in denen die Produktionsweise des Betriebs in seiner Gesamtheit von vornherein darauf angelegt ist, auf extern definierte Anforderungen zu reagieren und allein den Wünschen des jeweiligen Auftraggebers entsprechend ein oder mehrere Einzelstücke herzustellen. Kommt es dagegen zur Abgabe von "Kleinserien" deshalb, weil der jeweilige Auftraggeber aus dem betriebsorganisatorisch bzw produktionstechnisch vorgegebenen numerus clausus an Sachgütern, die abstrakt marktorientiert in theoretisch unbestimmter Vielzahl zur Verfügung stehen, nur wenige oder im Extremfall ein einziges abnimmt, gefährdet nicht allein dieser Umstand die Eigenschaft als Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Andernfalls müsste etwa bei Automobilherstellern angenommen werden, dass bei ihnen keine Serienproduktion vorliegt.
Entgegen der Auffassung des LSG sind damit auch Betriebe der Investitionsgüter- oder Schwerindustrie, zB des Maschinen- und/oder Anlagenbaus nicht von vornherein ausgeschlossen. Auch bei ihnen kann in Betracht kommen, dass der einzelne Abnehmer aus einer für beliebige Abnehmer in unbestimmter Vielzahl (auf Lager oder "just in time") vorrätig gehaltenen Produktpalette in "Kleinserie" nur ein einzelnes Sachgut abnimmt. Ebenso wenig schließt allein der Umstand einer Beteiligung von Facharbeitern am Produktionsprozess aus, dass es sich bei dem in Frage stehenden VEB um einen Produktionsbetrieb der Industrie handelt.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Berufungsgerichts vorbehalten.
Fundstellen