Beteiligte
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. Dezember 2000 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. August 1999 aufgehoben.
Der Bescheid des Arbeitsamts Reutlingen vom 15. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 1999 wird aufgehoben. Die Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger ab 22. Januar 1999 Arbeitslosenhilfe zu zahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger erstrebt Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 22. Januar 1999.
Der 1938 geborene ledige Kläger bezog bis zur Erschöpfung des Anspruchs im April 1995 Arbeitslosengeld (Alg). Antragsgemäß bewilligte ihm die Beklagte Anschluß-Alhi, und zwar nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von anfangs 700 DM wöchentlich. Der Kläger bezog diese Leistung bis zum 21. Januar 1999, zuletzt in Höhe von wöchentlich 241,43 DM nach einem Bemessungsentgelt von 710 DM. Im Januar 1998 hob die Beklagte die Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 13. April 1995 bis 21. Januar 1997 mit der Begründung auf, der Kläger sei wegen eines zu berücksichtigenden Vermögens von 65.719,48 DM für 93 Wochen (= 65.719,48 DM: 700 DM), das er weder bei Antragstellung noch den Weiterbewilligungen angegeben habe, nicht bedürftig gewesen. Gleichzeitig forderte die Beklagte die Erstattung von 23.314,20 DM gezahlter Alhi sowie 6.696,09 DM und 638,06 DM an Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Berufung des Klägers wies das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 11. November 1998 – L 5 AL 2256/98 – zurück. Die Erstattungsforderung hat der Kläger im März 1999 beglichen.
Die Weiterbewilligung der Alhi ab 22. Januar 1999 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger sei wegen seines zu berücksichtigenden Vermögens von noch 35.083,94 DM für 50 Wochen (= 35.083,94 DM: 700 DM) nicht bedürftig; von den vorhandenen 73.719,48 DM seien lediglich die zu erstattenden 30.635,54 DM und der Freibetrag von 8.000 DM abzusetzen (Bescheid vom 15. März 1999, Widerspruchsbescheid vom 16. April 1999). Die Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 6. August 1999). Die Berufung des Klägers hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 6. Dezember 2000).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi nach § 190 Abs 1 Nr 1 bis 4 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) lägen zwar vor. Der Kläger erfülle aber nicht die Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit (§ 190 Abs 1 Nr 5 SGB III), da mit Rücksicht auf sein verbliebenes Vermögen die Erbringung von Alhi für 49 Wochen nicht gerechtfertigt sei (§ 193 Abs 2 SGB III). Nach § 6 Abs 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiVO) sei Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar sei, die Verwertung zumutbar sei und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar sei, jeweils 8.000 DM übersteige. Zutreffend habe die Beklagte von dem Gesamtvermögen des Klägers die 30.635,54 DM abgesetzt, die der Kläger der Beklagten zu erstatten gehabt habe. Nach Abzug des Freibetrages verblieben somit 35.083,94 DM. In dieser Höhe sei das Vermögen verwertbar gewesen. Der Kläger habe sein Vermögen auf Spar- und Festgeldkonten angelegt. Solche Gelder seien kurzfristig verwertbar. Die Verwertung sei auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Inhaber von Spar- und Festgeldkonten erhielten ihr Vermögen zum Nennwert ohne Abzüge ausgezahlt. Bei vorzeitiger Kündigung erleide der Kontoinhaber lediglich geringfügige Zinsverluste. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Verwertung seines Vermögens nicht zumutbar sei, weil es zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt sei (§ 6 Abs 3 Nr 3 AlhiVO). Es sei nicht glaubhaft, daß er sein Vermögen hierfür bestimmt habe; denn eine solche Zweckbestimmung stehe nicht mit den objektiven Gegebenheiten in Übereinstimmung. Sowohl Sparbuch wie auch Festgeld seien Geldanlagen, die typischerweise nicht der Altersvorsorge dienten. Gerade der Umstand, daß dem Kläger wegen Auslandsaufenthalt zehn Jahre Rentenversicherungsbeiträge fehlten, hätte es nahegelegt, das Geld langfristig anzulegen, so daß es zu einem Zeitpunkt zur Verfügung stehe, zu dem üblicherweise Rente bezogen werde. Gegen die behauptete Zweckbestimmung spreche auch, daß der Kläger falsche Angaben gemacht habe. Das Argument des Klägers, er habe sein Vermögen nicht langfristig anlegen können, weil er im Ungewissen gewesen sei, wie hoch die Rückforderung der Beklagten ausfallen werde, sei nicht überzeugend, weil der genaue Betrag aufgrund der ergangenen Bescheide bekannt gewesen sei. Der Kläger sei durch nichts gehindert gewesen, jedenfalls 35.000 DM langfristig anzulegen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, daß der Kläger inzwischen das 60. Lebensjahr vollendet habe und erst mit 65 Jahren eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erwarten könne. Denn an die Zweckbestimmung seien unterschiedliche Anforderungen nicht je nach dem Alter des Arbeitslosen zu stellen. Unerheblich sei, daß die 35.083,94 DM schon einmal berücksichtigt worden seien. Es gebe keine Regelung, wonach Vermögen, das im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zwar bereits berücksichtigt worden sei, tatsächlich jedoch nicht verbraucht worden sei, von der Anrechnung ausgeschlossen bleibe. Aus der Regelung des § 9 AlhiVO, nach der Bedürftigkeit nicht für Zahl voller Wochen bestehe, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergebe, nach dem sich die Alhi richte, lasse sich dies nicht ableiten. Die Vorschrift regele allein den Zeitraum, für den die Beklagte Alhi versagen dürfe. Die Frage, ob und in welchem Umfang Vermögen zu verwerten sei, werde allein in § 6 AlhiVO geregelt. Wenn der Verordnungsgeber Vermögen, das bereits einmal berücksichtigt worden sei, von einer weiteren Verwertung hätte ausnehmen wollen, hätte es nahegelegen, insoweit eine Regelung in § 6 oder § 7 AlhiVO zu treffen. Gegen die Freistellung schon einmal berücksichtigten Vermögens spreche ferner, daß bei jeder neuen Beantragung von Alhi sämtliche materiellen Voraussetzungen erneut und in vollem Umfang zu überprüfen seien. Im übrigen wäre es unerträglich, wenn ein Arbeitsloser, der mit äußerster Sparsamkeit den Zeitraum nach § 9 AlhiVO überstehe, anschließend in den Genuß von Sozialleistungen käme, obwohl er noch über erhebliches Vermögen verfüge. Sonstige Umstände, die die Verwertung der 35.083,94 DM als unzumutbar erscheinen ließen, lägen nicht vor. Der Ausfall von zehn Beitragsjahren in der Rentenversicherung sei nicht so gravierend, daß deswegen die Alterssicherung des Klägers Vorrang vor der Vermögensanrechnung habe. Bei einem zu berücksichtigenden Vermögen von 35.083,94 DM sei der Kläger bei einem Arbeitsentgelt von 710 DM, nach dem sich die Alhi gerichtet hätte, für 49 Wochen nicht bedürftig. Die Beklagte habe dem Kläger somit zu Recht Alhi ab 22. Januar 1999 versagt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger eine Verletzung des § 193 Abs 2 SGB III und der §§ 6 und 9 AlhiVO geltend. Er trägt vor, sein Vermögen sei zum Zeitpunkt der Antragstellung zu seiner Alterssicherung bestimmt gewesen. Die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens ergebe sich schon aus seinem Umgang mit dem Geld. Wie aus den Feststellungen des LSG ersichtlich, habe er während der beiden Verfahren sein Vermögen nur durch geringe Beträge zur Lebenshaltung und durch die Rückzahlung der gewährten Alhi geschmälert. Der Versuch, das Vermögen zu erhalten, spreche für die Zweckbestimmung als Alterssicherung. Auch müsse sein Alter berücksichtigt werden. Zwar sei es möglich gewesen, die Gelder langfristig gesperrt für eine Rentenauszahlung anzulegen. Dies wäre aber grob unwirtschaftlich gewesen. Für kurzfristige Anlagen seien höhere Zinsen zu erzielen gewesen als für langfristige. Das Vermögen sei daher zur Alterssicherung bestimmt gewesen, die auch hinsichtlich der Höhe angemessen gewesen sei. Dem LSG sei ferner nicht zu folgen, als die 35.083,94 DM erneut zur Ablehnung von Alhi berücksichtigt worden seien. Eine solche erneute Berücksichtigung widerspreche der pauschalierenden Vermögensberücksichtigung nach § 9 AlhiVO. Die Argumentation des LSG, wonach bei geringerem als erwartetem Vermögensverbrauch zu unterstellen sei, daß der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt zumindest teilweise auf andere Weise als angegeben bestritten habe, sei nicht überzeugend. Gerade ältere Leute bewege die Sorge um die Alterssicherung dazu, Vermögen nicht großzügig auszugeben, sondern durch sparsamste Lebensführung den Notgroschen unangetastet zu lassen. Die Auffassung des LSG führe dazu, daß die sparsame Lebensführung bestraft und das gedankenlose Geldausgeben belohnt werde. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß der Kläger sich zehn Jahre in Afrika aufgehalten habe und es ihm von dort aus nicht möglich gewesen sei, durch regelmäßige Einzahlung von freiwilligen Beiträgen eine Versicherung bei einem deutschen Rentenversicherungsträger aufrechtzuerhalten. Der Kläger sei daher gezwungen gewesen, Barvermögen quasi unters Kopfkissen zu legen. Infolgedessen sei es ihm nicht zuzumuten, weitere Nachteile dadurch hinzunehmen, daß ihm nun nicht die günstigste Vermögensanlage für die Altersabsicherung gestattet werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. Dezember 2000, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. August 1999 sowie den Bescheid vom 15. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe ab 22. Januar 1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, zur Glaubhaftmachung der Zweckbestimmung von Vermögen zur Alterssicherung habe der Kläger keine neuen rechtserheblichen Tatsachen vorgetragen, die nicht schon das LSG berücksichtigt habe. Unzutreffend sei die Auffassung der Revision, das bei der Prüfung der Bedürftigkeit bereits berücksichtigte Vermögen dürfe bei einer späteren Prüfung der Bedürftigkeit nicht noch einmal berücksichtigt werden. Die Alhi diene – wie die Sozialhilfe – dazu, einer tatsächlich bestehenden Hilfebedürftigkeit abzuhelfen. An einer solchen fehle es, wenn der Arbeitslose tatsächlich Vermögen besitze, das den Freibetrag übersteige und dessen Verwertung zumutbar sei. Darauf, ob das Vermögen schon bei früherer Gelegenheit hätte eingesetzt werden können oder müssen oder nicht mehr vorhanden wäre, wenn es bei dieser Gelegenheit zur Beseitigung der Bedürftigkeit eingesetzt worden wäre, könne es daher wegen der Subsidiarität der steuerfinanzierten Alhi nicht ankommen (vgl BVerwG Urteil vom 20. Oktober 1981 – V C 16/80 – Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr 3). Bei der Bedürftigkeit bezüglich der Alhi komme es entscheidend darauf an, ob der Lebensunterhalt während des jeweiligen Zeitraumes gesichert sei, für den Alhi beansprucht werde (BSG Urteil vom 30. Mai 1990 – 11 RAr 33/88 –). Das bedeute, daß tatsächlich nicht vorhandenes Vermögen nicht berücksichtigt werden dürfe (BSG SozR 4100 § 134 Nr 16). Wenn aber nicht vorhandenes Vermögen nicht berücksichtigt werden dürfe, dann dürfe konsequenterweise auch tatsächlich vorhandenes Vermögen nicht weggedacht werden. Soweit der 7. Senat des BSG im Urteil vom 19. Juni 1995 (SozR 3-4100 § 137 Nr 6) bezüglich der Zumutbarkeit der Vermögensverwertung Zweifel geäußert habe, sei über einen besonders gelagerten Einzelfall entschieden worden. Dieser sei dadurch gekennzeichnet gewesen, daß die dem Kauf der Bundesschatzbriefe zugrundeliegenden Beträge mit der dem damaligen Kläger von seinem Arbeitgeber für den Verlust des Arbeitsplatzes gewährten Abfindung bezahlt worden seien. Vor allem aber sei die Anlage mit den Bundesschatzbriefen von Anfang an so konzipiert gewesen, daß der wirtschaftlich höchste Nutzen in etwa mit dem voraussichtlichen Ruhestand des Klägers erreicht würde. Ein vergleichbarer Sachverhalt sei hier nicht gegeben.
Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Ihm steht ab 22. Januar 1999 Alhi zu.
1. Anspruch auf Alhi haben nach § 190 Abs 1 SGB III – in der hier anwendbaren Fassung des Art 1 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl I 594) – Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (Nr 1), sich arbeitslos gemeldet haben (Nr 2), einen Anspruch auf Alg nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben (Nr 3), die besonderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt haben (Nr 4) und bedürftig sind (Nr 5). Daß der Kläger die Nrn 1 bis 3 erfüllt, ist nach den Feststellungen des LSG nicht zweifelhaft. Auch die beiden anderen Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des LSG erfüllt; insbesondere ist der Kläger bedürftig gewesen (Nr 5).
2. Der Kläger ist jedenfalls nach Ablauf von 93 Wochen nach dem 12. April 1995, für die die Beklagte und mit ihr SG und LSG im vorangegangenen Prozeß mit guten Gründen Bedürftigkeit wegen Vermögens verneint haben, dh ab 22. Januar 1997 bedürftig gewesen; denn die Revision macht zu Recht geltend, daß – entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und der Beklagten – die Gewährung bzw Erbringung von Alhi nicht mit Rücksicht auf Vermögen versagt werden kann, das schon zur Ablehnung von Alhi geführt hat. Das Bundessozialgericht (BSG) hat schon zum Recht des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) entschieden, daß § 9 der AlhiVO (vom 7. August 1974, BGBl I 1929, im Januar 1999 in der zuletzt durch die 5. Änderungsverordnung vom 25. September 1998, BGBl I 112, geänderten Fassung geltend) besagt, von welchem Zeitpunkt an der Arbeitslose jedenfalls (wieder) Anspruch auf Alhi hat (SozR 4100 § 134 Nr 16 S 58), und der Arbeitslose im Rahmen der Alhi zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nur einmal auf das gleiche Vermögen verwiesen werden kann (SozR 4100 § 138 Nr 25 S 135; SozR 3-4100 § 137 Nr 12 S 86). An dieser Auffassung, die im Schrifttum sowohl für die AlhiVO (vgl Schmidt BArbBl 1974, 544, 546 f; derselbe im Gemeinschaftskommentar zum AFG, § 137 Rz 71; Ebsen in Gagel, SGB III, § 193 Rz 100 ff; aA Schweiger in Wissing/Eicher, SGB III, § 193 Rz 10 f), wie für die Vorläuferregelung der 12. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 25. April 1961 (BGBl I 478) vertreten wird (Rüdig BArbBl 1961, 318, 319; Schönefelder/Kranz/Wanka, AFG, § 137 Rz 28, Stand August 1973) und von der Beklagten bis 1997 praktiziert worden ist (vgl Durchführungsanweisungen 3.6 (5) zu § 137 AFG, Stand ErgLfg 8/96), ist festzuhalten; das seit dem 1. Januar 1998 geltende Recht des SGB III hat insoweit keine Änderungen bewirkt.
Anspruch auf Alhi haben nur Arbeitnehmer, die bedürftig sind (§ 190 Abs 1 Nr 5 SGB III). Nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf ua sein Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist (§ 193 Abs 2 SGB III). Wie lange und mit Rücksicht auf welches Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist, hat das SGB III – wie früher das AFG – nicht bestimmt, sondern der Regelung durch Rechtsverordnung überlassen, inwieweit Vermögen zu berücksichtigen ist (vgl § 206 Nr 1 SGB III, § 137 Abs 3 AFG).
Die aufgrund der Ermächtigung des § 137 Abs 3 AFG hierzu getroffenen Regelungen der §§ 6 bis 9 AlhiVO finden, wie das LSG zutreffend entschieden hat, weiterhin Anwendung, obwohl das AFG und damit die Ermächtigungsgrundlage für diese Bestimmungen durch Art 82 Abs 1 Nr 1 AFRG aufgehoben worden sind. Denn Wegfall und Änderung einer Verordnungsermächtigung lassen die Wirksamkeit der auf ihrer Grundlage ordnungsgemäß erlassenen Verordnungen grundsätzlich unberührt (BVerfGE 9, 3, 12; 12, 341, 346 f; 14, 245, 249; BVerwGE 59, 195, 197; BVerwG Buchholz 451.20 § 139 i GewO Nr 1; vgl BSG SozR 3-2200 § 180 Nr 3; BSGE 71, 244, 245 = SozR 3-2500 § 224 Nr 2). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Verordnung mit der neuen Gesetzeslage unvereinbar ist oder allein keine sinnvolle Regelung darstellt (BVerfGE 78, 179, 199; BVerwG Buchholz 406.11 § 144 BBauG Nr 1). Davon kann hier jedoch keine Rede sein, da das AFRG mit den §§ 193 Abs 2, 206 Nr 1 SGB III das Regelungssystem des § 137 Abs 2 und 3 AFG übernommen hat und selbst davon ausgegangen ist, daß aufgrund des AFG erlassene Rechtsverordnungen grundsätzlich weiterhin gelten (vgl Art 81 Satz 1 AFRG).
Nach § 6 Abs 1 AlhiVO ist Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, 8.000 DM übersteigt. Bedürftigkeit besteht nach § 9 AlhiVO nicht für die Zeit voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt, nach dem sich die Alhi richtet. Die vom Verordnungsgeber vorgesehene „Dauer der Berücksichtigung”, so die amtliche Bezeichnung der Vorschrift, beschränkt sich hiernach auf die genannten vollen Wochen.
Zur Bestimmung der Dauer, für die Alhi nicht zu zahlen ist, ist das berücksichtigungsfähige Vermögen durch das Arbeitsentgelt, nach dem sich die Alhi (früher: der Hauptbetrag der Alhi) richtet, zu teilen, also nicht durch das um die gesetzlichen (Entgelt-) Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Arbeits- oder Bemessungsentgelt. Zu teilen war mithin während der Geltung des AFG durch das Arbeitsentgelt nach § 136 Abs 2 usw AFG (BSG SozR 4100 § 138 Nr 25 S 134; Urteil vom 14. Februar 1989 – 7 RAr 62/87 – DBlR 3498a AFG § 137; Urteil vom 20. Februar 1991 – 11 RAr 35/89 – AuB 1991, 347; Schmidt aaO § 137 Rz 70; Ebsen in Gagel, AFG, § 137 Rz 262; aA Kärcher in Niesel, AFG, 2. Aufl 1997, § 137 Rz 23), das dem Bruttoarbeitsentgelt entsprach. Seit Inkrafttreten des SGB III ist Teiler das dem Arbeitsentgelt nach § 136 Abs 2 AFG gleichstehende Bemessungsentgelt nach §§ 200 ff SGB III (Ebsen in Gagel, SGB III, § 193 Rz 252; Schweiger aaO § 193 Rz 69), wie es die Beklagte im vorliegenden Fall auch zugrunde gelegt hat, nicht das geringere Leistungsentgelt, dh das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt (§ 136 Abs 1 SGB III), das zu einer längeren Versagenszeit führt (so aber Kärcher in Niesel, SGB III, § 206 Rz 26). Da das berücksichtigungsfähige Vermögen nach § 9 AlhiVO nicht durch den Leistungssatz der Alhi, das Leistungsentgelt oder ein Nettoarbeitsentgelt, sondern durch das einem Bruttoarbeitsentgelt entsprechende Bemessungsentgelt zu teilen ist, ist nach den Wochen, für die Alhi nicht zu gewähren ist, regelmäßig jedenfalls ein Teil des berücksichtigten Vermögens noch vorhanden; denn der für seinen Unterhalt auf sein Vermögen verwiesene Arbeitslose wird dies allenfalls in Höhe des bisher aus einer Beschäftigung erzielten Nettoeinkommens, regelmäßig jedoch nicht in Höhe eines Bruttoeinkommens in Anspruch nehmen, das ihm für seinen Lebensunterhalt nie zur Verfügung stand. Die Alhi wird damit wegen vorhandenen Vermögens nach den §§ 6 ff AlhiVO nur zeitweise und nicht bis zur Erschöpfung des Vermögens versagt. Träfe die Ansicht der Beklagten zu, das noch vorhandene Vermögen sei ungeachtet des Umstandes, daß es schon zur Versagung von Alhi geführt hat, bei jeder nachfolgenden Entscheidung wiederholt gemäß §§ 6 ff AlhiVO zu berücksichtigen, hätte sich der Verordnungsgeber auf die Bestimmung beschränken können, Alhi sei nicht zu gewähren, solange das zumutbar verwertbare Vermögen den Freibetrag übersteigt.
Der Verordnungsgeber, dem die Bestimmung oblag, „inwieweit Vermögen zu berücksichtigen” ist (§ 137 Abs 3 AFG), hat eine weitere Berücksichtigung von Vermögen, als in § 9 AlhiVO geregelt, daher nicht vorgesehen. Dies schließt es schon nach dem Regelungszusammenhang des Gesetzes, der Verordnungsermächtigung und den Verordnungsbestimmungen aus, nach Ablauf der Wochen nach § 9 AlhiVO Alhi mit der Begründung zu verweigern, im Hinblick auf schon berücksichtigtes, noch vorhandenes Vermögen sei die Erbringung von Alhi weiterhin nicht gerechtfertigt. Das gilt jedenfalls, solange nicht neues Vermögen erworben ist, der Verkehrswert des Vermögens sich nicht erheblich verändert (vgl § 8 AlhiVO) hat und die Arbeitslosigkeit andauert.
Dagegen läßt sich nicht einwenden, die Nichtberücksichtigung des bei Entscheidung über Alhi für eine spätere Zeit noch vorhandenen Vermögens widerspreche dem Grundsatz der Subsidiarität der steuerfinanzierten Alhi (so aber Schweiger aaO § 193 Rz 10 f). Es mag zutreffen, daß nach Sozialhilferecht auf noch vorhandenes Vermögen, das schon bei früherer Gelegenheit zur Ablehnung von Sozialhilfe geführt hat, auch für einen späteren Bedarf verwiesen werden kann, weil dies dem (strengeren) Subsidiaritätsprinzip entspricht, das dem Bundessozialhilfegesetz zugrunde liegt (vgl BVerwG Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr 3). Die Beklagte übersieht mit ihrem Einwand, daß im Recht der Alhi das Subsidiaritätsprinzip bisher jedenfalls nicht in gleicher Weise, sondern hinsichtlich der Berücksichtigung von Vermögen jedenfalls für den Anspruchsteller großzügiger ausgestaltet worden ist (vgl Spellbrink ZfS 2000, 193, 194 mwN); denn das Alhi-Recht verweist, wie dargelegt, den Anspruchsteller nicht darauf, zumutbar verwertbares Vermögen gänzlich zu verbrauchen, bevor die Alhi einsetzt. Es ist zutreffend, daß es bei der Bedürftigkeit bezüglich der Alhi grundsätzlich entscheidend darauf ankommt, ob der Lebensunterhalt während des Zeitraums gesichert ist, für den Alhi beansprucht wird (Urteil des Senats vom 30. Mai 1990 – 11 RAr 33/88 – DBlR 3732a AFG § 137). Hieraus läßt sich indes nicht ableiten, daß über die in § 9 AlhiVO genannten Wochen hinaus wegen des gleichen Vermögens ein Alhi-Anspruch nicht besteht. Das Urteil verhält sich nicht zu der Frage, wie zumutbar verwertbares Vermögen berücksichtigt wird; § 9 AlhiVO erwähnt das Urteil nicht. Soweit dem Urteil allerdings entnommen werden könnte, der Arbeitslose müsse vor (Wieder-)Inanspruchnahme von Alhi sein zumutbar verwertbares Vermögen über 8.000 DM gänzlich verbraucht haben, wäre hieran wegen § 9 AlhiVO nicht festzuhalten.
Die Nichtberücksichtigung im Zeitpunkt der Wiederbewilligung von Alhi vorhandenen Vermögens widerspricht auch nicht der Verpflichtung der Beklagten, vor einer erneuten Bewilligung die Voraussetzungen des Anspruchs zu prüfen, wie das LSG meint. Allerdings hat die Beklagte nach § 190 Abs 3 Satz 2 SGB III bei der Entscheidung über die Leistung für einen neuen Bewilligungsabschnitt unabhängig von der bisherigen Bewilligung alle Voraussetzungen zu prüfen, mithin auch, ob vorhandenes Vermögen der künftigen Alhi-Gewährung entgegensteht. Maßstab für diese Prüfung ist indes das materielle Recht (vgl BSGE 68, 42, 43 f = SozR 3-4100 § 139a Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 3 und § 138 Nr 13). Da dieses vorsieht, daß Vermögen bei anhaltender Arbeitslosigkeit nur einmal zu berücksichtigen ist, hat es, wenn dies zutreffend schon geschehen ist, für den neuen Bewilligungsabschnitt damit sein Bewenden. Die gegenteilige Auffassung des LSG übersieht, daß mit dem durch das 4. AFG-Änderungsgesetz (vom 12. Dezember 1977, BGBl I 2557) eingeführten § 139a AFG, auf den § 190 Abs 3 SGB III zurückgeht, lediglich die Bewilligungsweise der Beklagten gerechtfertigt, nicht dagegen die Voraussetzungen für den Alhi-Anspruch verändert werden sollten.
3. Kann der Kläger hiernach nach Ablauf der 93 Wochen nach dem 12. April 1995 nicht auf sein schon berücksichtigtes Vermögen verwiesen werden, und zwar unabhängig davon, ob das verbliebene Vermögen zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt war (§ 6 Abs 3 Nr 3 AlhiVO), sind auch die besonderen Anspruchsvoraussetzungen (§ 190 Abs 1 Nr 4 SGB III) erfüllt, da Vermögen, das noch nicht berücksichtigt worden ist, oder anrechenbares Einkommen in Höhe der Alhi nicht festgestellt ist. Der Kläger hat in der Vorfrist Alg bezogen, ohne daß die Anspruchsberechtigung sperrzeitbedingt erloschen ist (§ 191 Abs 1 Nr 1 SGB III). Dabei kann offenbleiben, ob die Vorfrist, die nach § 192 Abs 1 Satz 1 SGB III ein Jahr beträgt und mit dem Tage vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi beginnt, schon nach Erschöpfung des Alg am 12. April 1995 oder mangels Bedürftigkeit erst nach Ablauf von 93 Wochen begonnen hat. Denn fehlte es 1995 an der Bedürftigkeit, verlängerte sich die zum 22. Januar 1997 zu beurteilende Vorfrist gemäß § 192 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III (vgl § 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 AFG) um 93 Wochen, so daß die verlängerte Vorfrist den 1995 endenden Arbeitslosengeldbezug ohne Zweifel erfaßt hat.
4. Sind hiernach alle Anspruchsvoraussetzungen des § 190 Abs 1 SGB III gegeben, kann das angefochtene Urteil des LSG und der Gerichtsbescheid des SG keinen Bestand haben. Vielmehr sind gemäß § 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) diese Entscheidungen und der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben und die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, dem Kläger ab 22. Januar 1999 Alhi zu zahlen. Die Verurteilung dem Grunde nach berechtigt die Beklagte, die Zinsen, die der Kläger nach dem 21. Januar 1999 aus seinem Vermögen erzielt haben dürfte, gemäß § 193 Abs 1, § 194 SGB III bei der Bestimmung der Höhe der Alhi als Einkommen zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen