Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagter und Revisionskläger |
Tatbestand
I
Der im März 1904 geborene Kläger stellte im Januar 1973 einen Versorgungsantrag auf Anerkennung eines chronischen Magen- und Darmleidens. Nach Beweiserhebung wurde dieser Antrag durch Bescheid des Versorgungsamtes ( VersorgA ) Trier vom 22. November 1973 im wesentlichen abgelehnt. Dieser Bescheid wurde noch am gleichen Tage an den Kläger abgesandt. Er enthält eine vorgedruckte Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen den Bescheid innerhalb eines Monats schriftlich oder mündlich Widerspruch beim VersorgA Trier eingelegt werden kann. Am 28. Dezember 1973 (Freitag) ging beim VersorgA ein vom 22. Dezember datiertes Widerspruchsschreiben ein. Das Landesversorgungsamt (LVersorgA) hat den Widerspruch durch Bescheid vom 8. Mai 1974 als unzulässig - weil verspätet - verworfen.
Zur Klagebegründung gab der Kläger an, ein Bekannter habe ihn am 27. Dezember vormittags aufgesucht, ein vorbereitetes Widerspruchsschreiben zur Unterschrift vorgelegt und dieses Schreiben sogleich in Bernkastel-Kues zur Post gebracht. Das Schreiben sei mit Sicherheit am gleichen Tage in das Postfach des VersorgA Trier gelangt und somit i. S. des Gesetzes rechtzeitig "eingegangen". Im übrigen sei die Rechtsbehelfsbelehrung in dem angefochtenen Bescheid unvollständig und unverständlich.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 13. November 1974 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 9. September 1975 das Urteil des SG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen. Das LSG hat ausgeführt, die Widerspruchsfrist sei zwar vom Kläger um einen Tag versäumt worden. Dabei könne dahinstehen, ob die Widerspruchsschrift noch am 27. Dezember während der Öffnungszeit der Schließfachanlage bis 22.00 Uhr einsortiert worden sei; denn jedenfalls sei mit der Abholung der Post durch das VersorgA an diesem Tage nicht mehr zu rechnen gewesen. Eine Wiedereinsetzung komme nicht in Betracht, da der Kläger an dem verspäteten Eingang nicht schuldlos sei. Die Widerspruchsfrist sei jedoch nicht in Lauf gesetzt worden, da die Rechtsbehelfsbelehrung in dem angefochtenen Bescheid unvollständig gewesen sei. Der Kläger sei darin nicht über die gem. § 84 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bestehende Möglichkeit belehrt worden, den Widerspruch zur Fristwahrung bei einer anderen inländischen Behörde, einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde einzureichen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Beklagte hat Revision eingelegt.
Er beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. September 1975 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 13. November 1974 zurückzuweisen.
In seiner Revisionsbegründung rügt er eine Verletzung der §§ 66 Abs. 1, 84 Abs. 2 SGG und trägt dazu vor, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei die Widerspruchsfrist durch eine ausreichende Rechtsbehelfsbelehrung in Gang gesetzt worden. Diese habe die wesentlichen Einzelheiten einer wirksamen Einlegung des Rechtsbehelfs i. S. der §§ 66 Abs. 1, 84 Abs. 1 SGG enthalten. Die in § 84 Abs. 2 SGG gegebene Möglichkeit gehöre nicht zum notwendigen Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten. Er erstrebt sinngemäß die Zurückweisung der Revision des Beklagten.
II
Die Revision ist von dem Beklagten frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Der Beklagte hat mit seinem Rechtsmittel Erfolg; die Widerspruchsfrist ist von dem Kläger versäumt worden.
Nach § 84 Abs. 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten "bekanntgegeben" worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Der Lauf einer Frist beginnt gemäß § 64 Abs. 1 SGG, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach der Eröffnung oder Verkündung. Nach § 27 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung (VerwVG-KOV) sind Bescheide und andere Verwaltungsakte demjenigen bekanntzugeben, an den sie sich richten; eine Zustellung ist also gesetzlich nicht vorgeschrieben (anders bei Widerspruchsbescheiden, vgl. § 87 Abs. 2 SGG). Erfolgt die Bekanntgabe durch einfachen Brief, so gilt sie mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bewirkt, außer wenn der Brief nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (vgl. § 27 Abs. 2 VerwVG-KOV; siehe auch § 4 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG -). Ein späterer Zugang ist von dem Kläger nicht geltend gemacht.
Nach den Feststellungen des LSG und dem Akteninhalt wurde der Bescheid, des VersorgA Trier vom 22. November 1973 dem Kläger durch einfachen Brief übersandt. Die Aufgabe zur Post erfolgte am gleichen Tage, so daß die Bekanntgabe mit dem 25. November 1973 als bewirkt gilt. Die Frist von einem Monat zur Einlegung des Widerspruchs begann gemäß § 64 Abs. 1 SGG, § 37 Abs. 1 VerwVG-KOV mit dem 26. November zu laufen; sie endete mit dem Ablauf des 27. Dezember 1973, da der 25. und 26. Dezember gesetzliche Feiertage sind (§ 64 Abs. 3 SGG; § 39 VerwVG-KOV). Die Widerspruchsschrift, die der Kläger am 27. Dezember vormittags in Bernkastel-Kues zur Post gegeben hat, ist jedoch erst am 28. Dezember beim VersorgA Trier eingegangen. Jedenfalls war sie - nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG - am 27. Dezember gegen 15.30 Uhr, als das Postschließfach letztmalig an diesem Tage von dem VersorgA geleert wurde, noch nicht in das Postschließfach gelangt. Nach den vom LSG eingeholten Auskünften des Postamts Trier vom 12. und 26. August 1975 war das selbst unter den günstigsten Bedingungen "völlig ausgeschlossen".
Das SG und das LSG sind zutreffend davon ausgegangen, daß es zur Fristwahrung nicht genügt, wenn der Betroffene - insbesondere wenn er nicht am Sitz der Behörde wohnt - sein Schreiben am Tage des Fristablaufs als einfachen Brief zur Post gibt und darauf vertraut, dieses Schreiben werde noch am gleichen Tage befördert, sortiert und "irgendwann" vor 24.00 Uhr in das Postschließfach der Behörde gelangen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist ein in das Postschließfach einer Behörde gelangter Brief damit noch nicht bei der Behörde "eingereicht" (vgl. § 84 Abs. 1 SGG). Die gesetzliche Regelung unterscheidet sich deutlich von (z.B.) § 1 b Abs. 2 des Abzahlungsgesetzes (i.d.F. vom 15. Mai 1974, BGBl. I S. 1169), wonach zur Wahrung der Widerrufsfrist (von einer Woche) die rechtzeitige Absendung des Widerrufs genügt. Dieser gesetzliche Unterschied würde nahezu verwischt werden, wenn der Auffassung des Klägers zu folgen wäre, daß die postalische Absendung am letzten Tage der Frist genügt, sofern - möglicherweise - das Schriftstück noch in den späten Abend- oder Nachstunden in das Postschließfach der Behörde einsortiert worden ist. Zwar darf der Bürger die ihm vom Gesetz eingeräumten Fristen bis zu ihren Grenzen ausnutzen (vgl. BVerfGE 40, 42; Entscheidung BVerfG vom 16. Dezember 1975 - 2 BvR 854/75 - in MDR 76, 377). Diese Grenzen werden aber u.a. auch durch den Postbeförderungslauf und den Dienstbetrieb der jeweiligen Behörde gezogen. Dabei ist auch bedeutsam, daß es sich bei dem Schreiben des Klägers um einen einfachen Brief handelte, dessen Laufzeiten - mit Ausnahme des Absendestempels - üblicherweise nicht festgehalten oder abgestempelt werden. Von einer Behörde kann nicht erwartet werden, daß sie ständig und auch außerhalb der Dienstzeit - bis 24.00 UM - Postsendungen aus ihrem Postfach abholt. Das würde nicht nur einen unverhältnismäßigen Verwaltungs- und Personalaufwand erfordern, sondern eine derartige Regelung müßte im Hinblick auf §§ 84 Abs. 2, 91 Abs. 1 SGG und jetzt § 16 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil (SGB-AT) auf sämtlicher Behörden ausgedehnt werden. Wird daher ein durch die Post befördertes (einfaches) Schriftstück in das Postschließfach des Empfängers einsortiert, so ist es nur dann am Tage der Einsortierung zugegangen, sofern nach der Verkehrsauffassung und der - zeitlich begrenzten - Dienstbereitschaft der Behörden mit der Abholung des Schriftstücks noch an diesem Tage zu rechnen ist (vgl. BGH in Lindenmaier-Möhring BGB § 130 Nr. 2; RGZ 142, 402, 407; 144, 289). Der Empfänger - hier: die Behörde - kann nicht so behandelt werden, als habe sie ihre Dienststelle in das Postamt verlegt. Vielmehr ist von vornherein und für den Staatsbürger erkennbar davon auszugehen, daß ein Postschließfach nur zu bestimmten Zeiten und innerhalb der Dienststunden geleert wird (vgl. RGZ 142, 402, 407).
Die Dienststunden der Behörden und auch die Dienstleistungen der Postanstalten (Postzustellung) sind zwar in den letzten Jahrzehnten zunehmend eingeschränkt worden; darunter darf aber der Staatsbürger bei seiner Rechtswahrnehmung nicht leiden (vgl. BVerfG vom 11. Februar 1976 - 2 BvR 652/75 - in NJW 76, 747). Eine Beeinträchtigung der Rechts des Klägers liegt jedoch nicht vor. Die Versorgungsverwaltung hat sich nicht auf die eingeschränkte - heute meist einmalige und auf den Vormittag festgelegte - Postzustellung verlassen, sondern das VersorgA hat ein Postschließfach eingerichtet und dieses regelmäßig am Morgen und erneut am Nachmittag - kurz vor Dienstschluß - geleert. Die Versorgungsverwaltung hat damit sachgerechte Vorkehrungen zur Bearbeitung der jeweils an diesem Tage eingereichten Post getroffen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofes -BFH- vom 22. Oktober 1975 -BStBl. II 1976 S. 76). Schon das Wort "einzureichen" in § 84 Abs. 1 SGG läßt erkennen, daß damit mehr gemeint ist als der bloße Eingang der Post (vgl. § 84 Abs. 2 SGG), nämlich eine vorläufige Sichtung und Bearbeitung durch die Behörde (Eingangsstempel). Der Kläger war durch diese Einrichtung keinesfalls schlechter gestellt, als wenn die Post eine zweimalige Postzustellung vorgenommen hätte. Er war auch nicht schlechter gestellt als ein Staatsbürger, der persönlich bei der Behörde vorsprechen und dort einen Widerspruch "zur Niederschrift" einlegen will (vgl. BVerfG vom 7. April 1976 in, NJW 76, 1255). Jedem Bürger ist der Gedanke vertraut, daß er sein Anliegen nur während der Dienststunden bzw. spätestens bis Dienstschluß vorbringen kann. Entsprechendes muß bei Benutzung der Post und unter Verwendung eines einfachen Briefes gelten. Maßgebend ist dabei der tatsächliche Postzugang; das war hier am 28. Dezember bei der Morgenleerung des Postfaches durch die Versorgungsverwaltung. Zu diesem Zeitpunkt war die Widerspruchsfrist bereits abgelaufen.
Der Senat vermag der Auffassung des LSG, daß die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen habe, weil die Rechtsbehelfsbelehrung in dem angefochtenen Bescheid unvollständig und daher "unrichtig" gewesen sei, nicht zuzustimmen. Nach § 66 Abs. 1 SGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so beginnt diese Frist nicht zu laufen; vielmehr ist das Einlegen des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung oder Eröffnung des Bescheides zulässig (§ 66 Abs. 2 SGG). Unrichtig ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch eine unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. BSG SozR SGG § 66 Nrn. 2, 3, 5, 15, 17, 23, 29, 31, 32, § 90 Nrn. 1 u. 2). Das BSG hat jedoch nicht gefordert, daß eine Rechtsbehelfsbelehrung alle im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten zur Fristwahrung enthalten muß (vgl. BSG SozR SGG § 66 Nrn. 13, 19 u. 21 = BSGE 7, 1).
Der Kläger ist in dem angefochtenen Bescheid entsprechend § 66 Abs. 1 SGG über Form und Frist des Widerspruchs nach § 84 Abs. 1 SGG belehrt worden. Entgegen der Auffassung des LSG ist ein Hinweis auf die durch § 84 Abs. 2 SGG eröffnete Möglichkeit, daß die Frist zur Einlegung des Widerspruchs auch dann als gewahrt gilt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger … eingegangen ist, in der Rechtsbehelfsbelehrung nicht erforderlich. Schon der Wortlaut des Gesetzes spricht gegen die vom LSG vorgenommene Auslegung. § 66 Abs. 1 und § 84 Abs. 1 SGG stehen in einem deutlich erkennbaren, inneren Zusammenhang. Unter Verwaltungsstelle oder Gericht im Sinne des § 66 Abs. 1 SGG, "bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist", kann nur die für den Erlaß des Verwaltungsakts zuständige Stelle (vgl. § 84 Abs. 1 SGG) bzw. das zuständige Gericht (vgl. § 90 SGG), nicht aber jede "andere inländische Behörde" gemeint sein. Andernfalls hätte es des Erfordernissee in § 66 Abs. 1 SGG, daß auch der "Sitz" der Verwaltungsstelle oder des Gerichts anzugeben ist, nicht bedurft. Diese Regelung wird für das Versorgungsrecht durch § 23 VerwVG-KOV verdeutlicht, denn dort heißt es ausdrücklich, daß auch die "Anschrift" der Stelle, bei welcher der Rechtsbehelf anzubringen ist, angegeben werden muß. Das ist nach § 84 Abs. 1 SGG die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Dem Betroffenen wird lediglich ein Wahlrecht insoweit eingeräumt, als er den Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift bei dieser Stelle einreichen kann. Dagegen hat § 84 Abs. 2 SGG - im Gegensatz zu Abs. 1 - nicht den Zweck, dem Betroffenen ein bestimmtes Verhalten bindend vorzuschreiben, sondern will nur Vorsorge treffen, daß eine an sich versäumte Frist durch das Einreichen, der Rechtsbehelfsschrift bei einer unzuständigen Stelle als gewahrt "gilt" (vgl. BSGE 6, 256; 7, 1).
Dem LSG ist zwar darin zuzustimmen, daß der notwendige Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung ihrem Zweck Rechnung tragen muß, insbesondere Rechtsunkundige vor Rechtsnachteilen durch Unwissenheit zu schützen (vgl. Großer Senat des BSG in BSGE 38, 248). Durch die Rechtsbehelfsbelehrung soll dem Beteiligten der richtige und regelmäßige Weg des Widerspruchs bzw. der Klageerhebung gezeigt werden. Dieser Zweck darf nicht dadurch verwässert werden, daß die Rechtsbehelfsbelehrung auch alle anderen Möglichkeiten, die das Gesetz zur Fristwahrung genügen läßt, aufzählen muß. Die Rechtsbehelfsbelehrung wird dadurch nicht übersichtlicher, sondern länger und verwirrend. Gerade im Interesse des rechtsungewandten Leistungsbewerbers liegt es, wenn er eine möglichst kurze, übersichtliche und leicht verständliche Rechtsbehelfsbelehrung erhält. Der Leistungsbewerber weiß regelmäßig, welche Leistung er beansprucht und welche Verwaltungsstelle dafür zuständig ist. Jedenfalls ersieht er aus dem ihm erteilten Bescheid, welche Verwaltungsstelle über sein Leistungsbegehren entschieden hat. Wenn das Gesetz daher in § 84 Abs. 1 SGG vorschreibt, daß der Widerspruch bei der Stelle einzureichen ist, die den Verwaltungsakt erlassen hat (vgl. auch §§ 22, 23 VerwVG-KOV), so ist das eine eindeutige, unmißverständliche Regelung, die gem. § 66 Abs. 1 SGG den notwendigen Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung bildet (vgl. auch Urteil des 8. Senats des BSG vom 10. Dezember 1975, SozR 1500 SGG § 66 Nr. 2).
Aus diesen Erwägungen hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 11. Februar 1958 (BSGE 7, 1) ausgesprochen, daß der Widerspruchsbescheid keine Belehrung über die in § 91 SGG vorgesehene Möglichkeit, die Klagefrist durch Einreichung der Klageschrift bei einer unzuständigen Stelle zu wahren, enthalten muß (vgl. auch BSGE 6, 256). Dieser Auffassung hat sich der 9. Senat des BSG in seinem Urteil vom 28. Oktober 1975 - 9 RV 452/74 - (vgl. SozR 1500 SGG § 92 Nr. 2; dort nur teilweise abgedruckt) angeschlossen. § 84 Abs. 2 SGG beschreibt - ebenso wie § 91 Abs. 1 SGG für das Klageverfahren - nicht den ordnungsgemäßen Vorgang der Widerspruchseinlegung. Vielmehr handelt es sich um Ausnahmen, die nicht zum notwendigen Bestandteil der Rechtsbehelfs bzw. Rechtsmittelbelehrung gehören. Die dem Kläger in dem angefochtenen Bescheid erteilte Rechtsbehelfsbelehrung war daher korrekt und vollständig. Die Widerspruchsfrist ist mit der Bekanntgabe des Bescheides (vgl. § 27 VerwVG-KOV) in Lauf gesetzt worden.
Gründe, die einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. § 67 Abs. 1 SGG) rechtfertigen könnten, sind vom LSG nicht festgestellt worden; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere ist der Kläger nicht durch Krankheit oder Alter gehindert gewesen, die Widerspruchsschrift, die bereits vom 22. Dezember datiert ist, vor dem 27. Dezember zur Post zu geben. Sollte sich der Kläger allerdings erst am 27. Dezember, also am letzten Tage der Frist, endgültig zur Einlegung des Widerspruchs entschlossen haben, so konnte er nicht damit rechnen, daß sein Schreiben - als einfacher Brief - zur Post gegeben - noch rechtzeitig vor Fristablauf das VersorgA erreichen werde. Der Kläger ist deshalb nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, die Widerspruchsfrist einzuhalten (§ 67 Abs. 1 SGG).
Der angefochtene Bescheid ist infolge Versäumung der Widerspruchsfrist für den Kläger bindend geworden (vgl. § 77 SGG, § 24 Abs. 1 VerwVG-KOV); er kann im Rechtszuge nicht mehr überprüft werden. Auf die Revision des Beklagten war das anderslautende Urteil des LSG aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.10 RV 225/75
Bundessozialgericht
Fundstellen
Haufe-Index 518761 |
BSGE, 140 |