Beteiligte
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft – Zentrales Justitiariat – |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. August 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang der Kläger Kostenerstattung wegen der Erneuerung seiner durch einen Arbeitsunfall zerstörten Brille verlangen kann.
Der Kläger erlitt am 17. Mai 1999 bei seiner Tätigkeit als Kraftfahrer einen Arbeitsunfall, bei dem die von ihm getragene Brille zerstört wurde. Er legte der Beklagten eine Optikerrechnung vom 2. Juli 1998 über die bei dem Unfall zerstörte Brille vor, die sich auf einen Betrag von insgesamt 1.483,00 DM belief; darin waren je Glas 405,50 DM, für Veredelung je 128,50 DM, für Dickenreduktion je 60,00 DM, für Refraktion je 7,50 DM und für die Brillenfassung 280,00 DM berechnet. Die Rechnung für die als Ersatz angeschaffte Brille vom 27. Juni 1999 wies einen Gesamtbetrag von 1.689,00 DM auf, dessen Erstattung der Kläger beantragte; je Glas waren darin 406,00 DM, für Dickenreduktion je 65,00 DM, für Entspiegelung je 133,50 DM, für Refraktion je 7,50 DM und für die Brillenfassung 465,00 DM aufgeführt. Der in beiden Rechnungen ausgewiesene Anteil der Krankenkasse (KK) betrug 215,00 DM. Die Beklagte überwies der KK des Klägers 215,00 DM und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 1999 mit, er erhalte als Kostenersatz 200,00 DM; eine Kostenerstattung für die Gläser entfalle, da der Optiker den gesetzlichen Anteil bereits mit der KK abgerechnet habe. Den vom Kläger hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 1999 zurück. Mit der Erneuerung eines Hilfsmittels iS des § 27 Abs 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei nicht zwingend die Naturalrestitution iS des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts gemeint. Entsprechend dem Charakter der gesetzlichen Unfallversicherung müsse bei der Erneuerung des Hilfsmittels die Wiederherstellung oder Unterstützung der Körperfunktion „Sehen” im Vordergrund stehen. Daher sei unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie der Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Wertes Ersatz nur in Höhe eines Fest- bzw Pauschbetrages angemessen. Nach den für die Berufsgenossenschaften (BGen) geltenden Richtlinien könne sie sich bei den Kosten der Erneuerung von Brillengestellen bis zu einer Höhe von 200,00 DM beteiligen; beim Ersatz der Brillengläser sei analog der Festpreisregelung für die KKn zu verfahren. Da aus der vorgelegten Brillenrechnung hervorgehe, daß die KK einen Anteil von jeweils 100,00 DM an den Brillengläsern getragen habe und es ihr freistehe, dafür bei der BG Ersatz zu verlangen, sich aber an der Brillenfassung nicht beteiligt habe, habe die BG einen Zuschuß in Höhe von 200,00 DM gewähren können.
Hiergegen hat der Kläger bei dem Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Während des Sozialgerichtsverfahrens hat die Beklagte die angefochtenen Bescheide durch Bescheid vom 1. Dezember 1999 dahin geändert, daß dem Kläger ein weiterer Betrag in Höhe von 215,00 DM, der dem Anteil der KK für Gläser und Refraktion entsprach, gewährt wurde. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat sie ein weiteres – vom Kläger angenommenes – Teilanerkenntnis über 11,00 DM abgegeben, da dem Kläger für das linke Brillenglas ein Festbetrag von 111,00 DM zustehe. Das SG hat die auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.263,00 DM gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 14. März 2000).
Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Beklagte unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils sowie der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger weitere 1.078,00 DM zu erstatten; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe nach § 27 Abs 2 SGB VII Anspruch auf vollen Ersatz der bei dem Arbeitsunfall zerstörten Brille. Eine Begrenzung dieses auf dem Grundsatz der Naturalrestitution beruhenden Wiederherstellungs- oder Erneuerungsanspruchs sei entgegen der hierzu vom LSG Rheinland-Pfalz und vom LSG für das Saarland vertretenen anderslautenden Meinung den §§ 31, 29 SGB VII nicht zu entnehmen. Aus der Verweisung des § 31 Abs 1 Satz 3 SGB VII auf § 29 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB VII ergebe sich, daß eine Begrenzung auf Festbetragsregelungen nur dann gelten solle, wenn damit das Ziel der – unfallversicherungsrechtlich gebotenen – Heilbehandlung zu erreichen sei; auch nach ihrem gesetzessystematischen Zusammenhang beziehe sich die Anwendung von Festbetragsregelungen nur auf die Versorgung mit Hilfsmitteln im Rahmen der Heilbehandlung. Auch aus der Entstehungsgeschichte ergebe sich nichts anderes. Selbst die Beklagte gehe nicht davon aus, daß der Gesetzgeber mit der Neuregelung einen gegenüber der bisherigen großzügigeren Praxis der Unfallversicherungsträger beim Ersatz von Brillen verkürzten Schadensersatz einführen gewollt habe. Der vom Kläger in Höhe von 1.263,00 DM geltend gemachte Anspruch sei allerdings nur in Höhe von 1.078,00 DM begründet. Der Preis der vom Kläger infolge des Arbeitsunfalls erstandenen Brillenfassung von 465,00 DM übersteige den Wert der im Juli 1998 zum Preis von 280,00 DM gekauften Brillenfassung um 185,00 DM. Es sei nicht erkennbar, daß ein gleichwertiges Brillenmodell binnen eines Jahres einen Preisanstieg von 60 % zu verzeichnen hätte, so daß von einer höherwertigen Ersatzbrille auszugehen sei, welche die Beklagte nicht ersetzen müsse.
Mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision macht die Beklagte geltend, das LSG habe materielles Recht verletzt, indem es den zu leistenden Ersatz für infolge eines Unfalls beschädigte Hilfsmittel über die in § 31 Abs 1 Satz 3 iVm § 29 Abs 1 Satz 3 SGB VII für Hilfsmittel geltenden Festbeträge hinaus ausgedehnt habe. § 27 Abs 2 SGB VII könne nur im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte und der Stellung dieser Vorschrift im SGB VII interpretiert werden. Grundsätzlich ersetze die gesetzliche Unfallversicherung nur Körperschäden und nicht Sachschäden. Hiervon stelle § 8 Abs 3 SGB VII eine Ausnahme dar. Dessen Vorgängervorschrift (§ 548 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht auf Brillen anzuwenden gewesen, da es sich dabei nicht um nach dieser Vorschrift zu ersetzende Körperersatzstücke oder größere orthopädische Hilfsmittel gehandelt habe. Mit der Definition des Hilfsmittels in § 31 Abs 1 Satz 1 SGB VII und der Gleichstellung der Beschädigung oder des Verlustes eines Hilfsmittels mit einem Gesundheitsschaden in § 8 Abs 3 SGB VII habe der Gesetzgeber allein die Problematik um die Definition der Begriffe „Körperersatzstücke” bzw „größere orthopädische Hilfsmittel” lösen wollen. Er habe nicht beabsichtigt, mit dieser Regelung einen Anspruch auf vollen Schadensersatz zu begründen, sondern lediglich bezweckt, daß die den Gesundheitsschäden gleichgestellten Sachschäden auch nur insoweit ersetzt werden sollten, wie dies bei einer unfallbedingten erstmaligen Versorgung mit einer Brille der Fall wäre. Weder die Gesetzesbegründung noch der Wortlaut der §§ 8 Abs 3, 27 Abs 2 SGB VII noch die Stellung des § 27 Abs 2 im SGB VII sprächen dafür, daß der Gesetzgeber mit der Neuregelung eine Lösung vom bisherigen Prinzip der Unfallversicherung, die infolge eines Arbeitsunfalls eingetretenen Gesundheitsschäden zu beseitigen oder zu bessern, bezweckt und den der Naturalrestitution entsprechenden Schadensersatz für Sachschäden erstmals hätte normieren wollen. Seien als Gesundheitsschäden geltende Sachschäden zu ersetzen, solle die durch den Verlust oder die Zerstörung des bereits vor dem Unfall benötigten Hilfsmittels entstandene gesundheitliche Beeinträchtigung beseitigt werden. Im Falle der zerstörten oder verlorenen Brille bedeute dies nach Gesetzeszweck und -systematik des § 27 SGB VII, daß der Unfallversicherungsträger die Beeinträchtigung der Funktion „Sehen” zu beseitigen habe. Komme es wie hier auch zu einer Zerstörung der Brille, gehöre zum „Erfolg der Heilbehandlung” auch, die Folgen eines nicht unfallbedingten Gesundheitsschadens – der bereits vorhandenen Sehschwäche – durch Wiederherstellung oder Erneuerung der Brille nach § 27 Abs 2 SGB VII zu beseitigen; über die Höhe der Kostenübernahme besage dies indes nichts. Der Umfang der Entschädigung für nicht unfallbedingt erforderlich gewordene Hilfsmittel sei gleich dem für erst unfallbedingt erforderlich gewordene Hilfsmittel; er sei auch für den in § 27 Abs 2 SGB VII generell geregelten Fall speziell in der Festbetragsregelung festgelegt. Da der Unfallversicherungsträger die Wiederherstellung der Funktion „Sehen” schulde, müsse er auch in einem bestimmten Umfang die Kosten für ein Brillengestell übernehmen, da der Betroffene die ersetzten Brillengläser sonst nicht benutzen könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24. August 2000 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Mannheim vom 14. März 2000 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für die abschließende Entscheidung über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch nicht aus.
Da die Beklagte mit den nur wegen der Höhe des bewilligten Geldbetrages angefochtenen Bescheiden ihre Verpflichtung zur Kostenerstattung für die Erneuerung der Brille anerkannt hat, steht außer Streit, daß der Kläger insoweit dem Grunde nach einen auf Kostenerstattung gerichteten Anspruch hat. Es kann daher offen bleiben, ob § 27 Abs 2 SGB VII einen originären Kostenerstattungsanspruch vermittelt, oder ob es sich im vorliegenden Falle um einen unter den im Unfallversicherungsrecht entsprechend anwendbaren Voraussetzungen des § 13 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫ (vgl dazu BSG SozR 3-2200 § 557 Nr 1) umgewandelten Sachleistungsanspruch nach § 26 Abs 4 Satz 2 SGB VII handelt.
Gemäß § 27 Abs 2 SGB VII wird in den Fällen des § 8 Abs 3 SGB VII, wonach als Gesundheitsschaden iS des § 8 Abs 1 SGB VII auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels gilt, ein beschädigtes oder verlorengegangenes Hilfsmittel „wiederhergestellt oder erneuert”. Diese Vorschriften, die durch das Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) mit Wirkung vom 1. Januar 1997 geschaffen worden sind, haben den Kreis der erfaßten Hilfsmittel erweitert, indem die nach altem Recht bestehende Beschränkung auf Körperersatzstücke und größere orthopädische Hilfsmittel (vgl § 557 Abs 4 und § 548 Abs 2 RVO) entfallen ist.
Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 27 Abs 2 SGB VII liegen vor. Nach den insoweit nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG liegt ein Versicherungsfall des Arbeitsunfalles (§ 7 Abs 1 SGB VII) vor, der zu einer Beschädigung der Brille des Klägers, deren Erneuerung hier im Streit ist, geführt hat. Diese ist Hilfsmittel iS des § 27 Abs 2 SGB VII, da sie eine (Seh-)Behinderung ausgleicht (vgl § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 27 RdNr 5; Kater/Leube, SGB VII, § 27 RdNr 5).
Als Rechtsfolge ordnet § 27 Abs 2 SGB VII die Wiederherstellung bzw Erneuerung des beschädigten oder zerstörten Hilfsmittels an. Da die Brille nach den Feststellungen des LSG zerstört wurde, kommt hier nur ihre Erneuerung in Form des Ersatzes durch eine neue Brille in Betracht.
Der Senat hat bereits entschieden, daß die Festbetragsregelung des § 31 Abs 1 Satz 3 SGB VII auf einen Ersatzanspruch des § 27 Abs 2 SGB VII nicht anzuwenden, dieser aber insoweit begrenzt ist, als Ersatz für Luxusausführungen nicht verlangt werden kann (BSG Urteil vom 20. Februar 2001 – B 2 U 9/00 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 3 vorgesehen). Daran wird festgehalten.
Der Anspruch des Versicherten auf Ersatz oder Erneuerung des durch einen Arbeitsunfall beschädigten oder zerstörten Hilfsmittels ist, anders als der Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls, nicht durch die in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geltenden Festbeträge begrenzt. Zwar verweist § 31 Abs 1 Satz 3 SGB VII auf § 29 Abs 1 Sätze 2 und 3 SGB VII und § 36 SGB V und ordnet an, daß der Unfallversicherungsträger die Kosten für Hilfsmittel nur bis zur Höhe der Festbeträge iS des § 36 SGB V trägt, soweit solche festgesetzt sind (§ 29 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Diese Begrenzung der Leistungspflicht gilt indes nur für den Fall, daß die Verordnung des Hilfsmittels wegen eines durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit entstandenen Körperschadens notwendig wird. § 31 Abs 1 Satz 3 SGB VII schließt insoweit an den in § 27 Abs 1 SGB VII und dort in der Nr 4 definierten Umfang des gemäß § 26 Abs 1 SGB VII begründeten Anspruchs auf Heilbehandlung an. Heilbehandlung in diesem Sinne bezieht sich allein auf die Behandlung des durch den Versicherungsfall (§ 7 Abs 1 SGB VII) verursachten Gesundheitsschadens (§ 26 Abs 2 Nr 1 SGB VII). Der in § 27 Abs 2 SGB VII besonders geregelte Anspruch auf Wiederherstellung oder Erneuerung eines Hilfsmittels ist jedoch nicht Heilbehandlung in diesem Sinne, weil er unmittelbar nicht auf die Beseitigung, Besserung, Verhütung der Verschlimmerung oder Milderung der Folgen eines durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit verursachten Gesundheitsschadens abzielt. Vielmehr handelt es sich dabei um einen unmittelbar auf Ausgleich eines Sachschadens gerichteten Anspruch, der nur mittelbar den vorhandenen, oftmals nicht durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit verursachten Gesundheitsschaden, ausgleichen will.
Auf diesen Schadensersatzanspruch sind die Vorschriften des § 31 Abs 1 SGB VII und insbesondere dessen Satz 3 mit seiner Anordnung der Geltung der Festbeträge nicht anwendbar. § 31 Abs 1 Satz 1 SGB VII definiert als Hilfsmittel nämlich nur diejenigen Sachen, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen. Die Verpflichtung zur Heilbehandlung bezieht sich indessen gemäß § 26 Abs 2 Nr 1 SGB VII allein auf den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden und damit nicht auf den Ersatz des Sachschadens gemäß § 27 Abs 2 SGB VII. Soweit in dieser Vorschrift selbst der Begriff des Hilfsmittels verwandt wird, ist damit nicht der in § 31 Abs 1 SGB VII gebrauchte Begriff iS der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern der Begriff des Hilfsmittels iS der GKV in § 33 SGB V gemeint. Denn der Anspruch nach § 27 Abs 2 SGB VII bezieht sich auf alle Hilfsmittel, die einen regelwidrigen Körperzustand iS der GKV ohne Rücksicht auf dessen Entstehung ausgleichen und nicht nur auf diejenigen, die einen durch einen Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung hervorgerufenen Gesundheitsschaden ausgeglichen oder gemildert haben. Im Rahmen des § 8 Abs 3 und des § 27 Abs 2 SGB VII ist es ohne Bedeutung, warum das beschädigte oder zerstörte Hilfsmittel benötigt worden war; es muß also nicht wegen eines Versicherungsfalls nach § 7 Abs 1 SGB VII erforderlich sein (vgl Lauterbach/Schwerdtfeger, UV-SGB VII, 4. Aufl, § 8 RdNr 603; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 27 RdNr 5). § 31 SGB VII betrifft hingegen Hilfsmittel, die rechtlich wesentlich durch einen Versicherungsfall nach § 7 Abs 1 SGB VII notwendig geworden sind (vgl Benz in Hauck, SGB VII, K § 31 RdNr 4).
Für diese Auslegung spricht auch die amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum UVEG (BT-Drucks 13/2204). Danach soll die Gleichstellung von Beschädigung oder Verlust eines Hilfsmittels mit einer gesundheitlichen Schädigung iS von Abs 1 weitgehend dem geltenden Recht (§ 548 Abs 2 RVO) entsprechen (BT-Drucks 13/2204, S 77 zu § 8 Abs 3). § 27 Abs 2 SGB VII soll „den Ersatz für ein bei einem Arbeitsunfall beschädigtes Hilfsmittel regeln” (aaO, S 83). § 31 Abs 1 Satz 3 SGB VII soll die in § 29 getroffene Regelung für Arzneimittel mit Festbeträgen bei Hilfsmitteln mit Festbeträgen für entsprechend anwendbar erklären (aaO, S 84). In der Tat entspricht § 8 Abs 3 SGB VII nur weitgehend dem Recht der RVO. Gemäß § 548 Abs 2 RVO war für eine durch Arbeitsunfall zerstörte Brille kein Ersatz zu leisten, weil es sich bei einer Brille nicht um ein Körperersatzstück oder ein größeres orthopädisches Hilfsmittel handelt (BSGE 41, 61, 62 = SozR 2200 § 548 Nr 12). Daß die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung trotzdem auch unter Geltung der RVO für eine durch Arbeitsunfall zerstörte Brille Ersatz leisteten, entsprach einem in dem Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 16. Oktober 1997 (VB 86/97) zitierten Richtlinienbeschluß des Hauptverbandes (Rundschreiben VB 103/92). Durch § 8 Abs 3 SGB VII ist die Ersatzpflicht auf alle Hilfsmittel ausgedehnt worden, so daß damit auch Brillen vom Gesetz unmittelbar erfaßt werden. Dieser erkennbaren Erweiterung der Ersatzpflicht widerspräche es, würde man auch für die Ersatzbeschaffung einer durch Arbeitsunfall zerstörten Brille über § 31 Abs 1 Satz 3 SGB VII die im Bereich der GKV geltende Festbetragsregelung anwenden. Zwar verweist § 31 Abs 1 Satz 3 SGB VII ausdrücklich nur auf § 36 SGB V als Spezialnorm für die Festbeträge für Hilfsmittel. Vertretbar wäre es aber auch, die gesamten Regelungen über Hilfsmittel in der GKV als durch § 31 Abs 1 Satz 3 SGB VII geltend anzusehen. Dann wäre aber auch § 33 Abs 1 Satz 3 SGB V anzuwenden, wonach der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen die Kosten des Brillengestells nicht umfaßt. Letztlich bleibt entscheidend, daß der amtlichen Begründung zu der im Gesetz vorgenommenen Trennung der Versicherungsfälle einer durch Arbeitsunfall notwendigen Erstversorgung mit einer Brille und der durch Arbeitsunfall verursachten Beschädigung oder Zerstörung einer vorhandenen Brille keinerlei Hinweise dazu zu entnehmen sind, daß in beiden Fällen die Festbetragsregelung der GKV gelten soll.
Daß die Festbetragsregelung des § 31 Abs 1 Satz 3 SGB VII im Rahmen des § 27 Abs 2 SGB VII nicht anzuwenden ist, wird auch in der Literatur überwiegend vertreten (vgl KassKomm-Ricke, § 27 SGB VII RdNr 3 und § 31 SGB VII RdNr 2; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl, § 27 SGB VII RdNr 11; Brackmann/Krasney, aaO, § 27 RdNr 5; Kater/Leube, SGB VII, § 27 RdNr 4 und 5; wohl auch Schmitt, SGB VII, § 27 RdNr 9; aA Benz in Hauck, SGB VII, K § 27 RdNr 12).
Der Anspruch nach § 27 Abs 2 SGB VII ist indessen in zweifacher Weise begrenzt. Als Schadensersatzanspruch geht er allein auf den Ersatz des tatsächlich entstandenen Schadens. Die auch hier rechtsgrundsätzlich anwendbare Grundnorm des Schadensersatzrechts in § 249 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmt, daß der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Schuldner ist damit nur zur Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes verpflichtet (Naturalrestitution). Demzufolge ist der Anspruch gemäß § 27 Abs 2 SGB VII auf die Wiederherstellung oder Erneuerung des Hilfsmittels begrenzt, welches beschädigt oder zerstört worden ist, so daß hier noch tatsächliche Feststellungen des LSG darüber erforderlich sind, welche Art und Güte die beschädigte oder zerstörte Brille des Klägers hatte.
Darüber hinaus ist der Anspruch aus § 27 Abs 2 SGB VII dadurch begrenzt, daß Ersatz für Luxusausführungen nicht verlangt werden kann (vgl KassKomm-Ricke, § 27 SGB VII RdNr 3). Dies ergibt sich nicht allein daraus, daß es sich bei § 27 Abs 2 SGB VII um eine sozialversicherungsrechtliche Regelung handelt (KassKomm-Ricke, aaO). Entscheidend für diese Begrenzung ist der Umstand, daß es sich im Grundsatz um einen auf vollständige Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch handelt, der sich tatbestandlich aber allein auf Hilfsmittel bezieht. Hilfsmittel sind gemäß § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V Sachen, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen. Eine Brille/Sehhilfe ist daher nur insoweit als Hilfsmittel anzusehen, als sie zum Ausgleich der im Einzelfall bestehenden Sehstörung medizinisch erforderlich ist, so daß eine etwa medizinisch nicht notwendige Gestaltung der Gläser den Begriff des Hilfsmittels insoweit nicht erfüllen würde. Die Auflösung dieses Spannungsverhältnisses zwischen der Reichweite des Schadensersatzanspruchs und der begrifflichen Eingrenzung als Hilfsmittel führt dazu, als Hilfsmittel iS des § 27 Abs 2 SGB VII auch diejenigen Sachen anzusehen, die zum Ausgleich einer Behinderung zwar medizinisch nicht unbedingt notwendig sind, ihm aber doch noch sinnvollerweise dienen. Als Beispiel hierfür wäre etwa die Ausstattung mit Gleitsichtgläsern (bei einem Kurz- und Weitsichtigen) oder mit entspiegelten oder getönten Gläsern bei entsprechender medizinischer Indikation anzusehen. Auch Kontaktlinsen wären davon erfaßt. Demgegenüber scheiden Sachen aus, die darüber hinausgehend luxuriös gestaltet sind und im wesentlichen nicht mehr dem Ausgleich der Behinderung, sondern vor allem der Zierde und dem Schmuck des Trägers zu dienen bestimmt sind.
Das LSG hat – aus seiner rechtlichen Sicht zu Recht – keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen. Da der Senat hierzu außerstande ist (§ 163 SGG), war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), damit die noch notwendigen Feststellungen nachgeholt werden können.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 651126 |
NZA 2001, 1376 |