Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen (Rentenantragsteller) durch Sozialhilfeträger. Rechtsweg
Leitsatz (amtlich)
§ 13 BSHG begründet keine Beitragspflicht des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der Krankenversicherung.
Orientierungssatz
Für eine Klage eines Versicherungsträgers, die sich auf gesetzliche Beitragspflichten zur Sozialversicherung stützt - gleichviel ob es sich um originäre Beitragspflichten handelt oder um Beitragspflichten aufgrund eines gesetzlichen Schuldnerwechsels -, ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Es ist von wesentlicher Bedeutung, daß es für die Rechtsnatur einer Forderung nicht auf die Person des Verpflichteten ankommt, vielmehr auf die Art der Forderung, und daß diese sich nicht ändert, wenn der Verpflichtete wechselt (vgl BGH vom 16.2.1984 IX ZR 45/83 = BGHZ 90, 187, 192).
Normenkette
BSHG § 13 Abs 1 Fassung: 1974-03-25; RVO § 381 Abs 3 S 2 Fassung: 1969-07-27; SGG § 51 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 15.08.1984; Aktenzeichen L 11 Kr 30/83) |
SG Duisburg (Entscheidung vom 21.02.1983; Aktenzeichen S 21 Kr 93/82) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der beklagte Sozialhilfeträger verpflichtet ist, gem § 13 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) Krankenversicherungsbeiträge für den beigeladenen U. Sch. für die Zeiträume 10. April bis 5. Juni und 11. Juni bis 23. Juli 1979 an die klagende Ortskrankenkasse zu zahlen.
Der Beigeladene war im Jahre 1979 zunächst bis 31. März nach § 155 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) versichert. Danach bestand eine Versicherung nach § 315a der Reichsversicherungsordnung (RVO) aufgrund einer Rentenantragstellung. (Der ablehnende Bescheid wurde nach Angaben der BfA am 12. Juni 1980 bindend).
Mit Bescheid vom 20. Dezember 1979 setzte die Klägerin die Krankenversicherungsbeiträge für die Versicherung nach § 315a RVO für das Jahr 1979 auf DM 117,-- und ab 1. Januar 1980 auf DM 123,-- fest.
In der Folgezeit versuchte die Klägerin von verschiedenen Sozialämtern, gestützt auf § 13 BSHG, die festgesetzten Beiträge zu erhalten, weil der Beigeladene selbst sie nicht aufbringen konnte. (Der Beigeladene befand sich ab 31. März 1979 in verschiedenen Vollzugsanstalten und in der Zeit vom 10. April bis 5. Juni 1979 sowie vom 11. Juni bis 23. Juli 1979 in der Landesklinik W., für die die Beklagte der örtliche Sozialhilfeträger ist).
Die Ablehnung von Beitragsleistungen durch die Sozialämter erfolgte teils, weil wegen Unterbringung in Justizvollzugsanstalten kein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 11 Abs 1 BSHG bestehe, teils aus Zuständigkeitsgründen. Die Klägerin erhob daraufhin Klage, mit der sie geltend machte, daß der Beigeladene sehr wohl Anspruch auf Beihilfe zum Lebensunterhalt nach § 11 Abs 1 BSHG gehabt habe und die Beklagte auch örtlich zuständig sei.
Die Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Duisburg -SG- vom 21. Februar 1983). Die Berufung wurde zurückgewiesen (Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen -LSG- vom 15. August 1984). Beide Gerichte haben den Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht für gegeben erachtet, soweit sich die Klägerin auf Vorschriften des Sozialhilferechts stützt. Das LSG hat außerdem ausgeführt, daß materielle Ansprüche auf Beitragszahlung aufgrund der Vorschriften der RVO, über die die Sozialgerichte zu entscheiden hätten, nicht gegeben seien.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Auffassung, § 13 BSHG regele einen gesetzlichen Schuldübergang. Der Sozialhilfeträger werde anstelle des Versicherten der Kasse gegenüber zum Beitragsschuldner. Aufgrund dieser gesetzlichen Konstruktion sei auch der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben, da diese darüber zu entscheiden hätten, wer Beiträge schulde.
Die Klägerin beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie Beiträge zur Krankenversicherung des U. Sch. (für die Zeit vom 10. April 1979 bis 5. Juni 1979 und vom 11. Juni 1979 bis 23. Juli 1979) in Höhe von DM 386,10 zu zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf das angefochtene Urteil.
Der Beigeladene hat keine Anträge gestellt.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Für eine Klage eines Versicherungsträgers, die sich auf gesetzliche Beitragspflichten zur Sozialversicherung stützt - gleichviel ob es sich um originäre Beitragspflichten handelt oder um Beitragspflichten aufgrund eines gesetzlichen Schuldnerwechsels -, ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben (§ 51 SGG).
Nach der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (BSGE 37, 292, zum Rechtsweg für Ansprüche nach § 405 RVO), dem sich auch das Bundessozialgericht -BSG- (s neuestens BSGE 58, 247, 248 unten) angeschlossen hat, richtet sich der Rechtsweg nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dabei kommt es allerdings grundsätzlich nicht darauf an, wie die Klägerin das Rechtsverhältnis rechtlich einordnet, aus dem sie ihren Anspruch herleitet (BGHZ 49, 282, 285). Maßgebend ist vielmehr, wie es sich nach dem Vorbringen der Klägerin objektiv darstellt. Das Rechtsverhältnis, aus dem die Klägerin ihren Anspruch herleitet, ist dem Sozialrecht zuzuordnen; denn zum Sozialrecht gehört das Versicherungsverhältnis mit allen seinen Rechten und Pflichten, mithin auch die Feststellung, ob und in welcher Höhe Beiträge zu entrichten sind und wer diese Beiträge zu entrichten hat. Auch wenn dabei die Verpflichtung einer bestimmten Person zur Erfüllung einer im Sozialrecht wurzelnden Beitragsforderung auf einen außerhalb des Sozialrechts liegenden Rechtsgrund gestützt wird (zB Gesellschafterhaftung), bleibt das geltend gemachte Rechtsverhältnis grundsätzlich ein sozialrechtliches und der Rechtsweg zu den Sozialgerichten erhalten (BSGE 40, 96; SozR 7680 § 176 Nr 2; BSGE 56, 76). Dabei ist von wesentlicher Bedeutung, daß es für die Rechtsnatur einer Forderung nicht auf die Person des Verpflichteten ankommt, vielmehr auf die Art der Forderung, und daß diese sich nicht ändert, wenn der Verpflichtete wechselt (BGHZ 90, 187, 192).
Im vorliegenden Fall steht die Norm, aus der die Klägerin die Pflicht der Beklagten zur Erfüllung einer Beitragsforderung herleitet, nicht in der RVO oder anderen sozialrechtlichen Gesetzen, sondern im BSHG. Dem Ort, an dem eine Norm untergebracht ist, wird zwar in der bereits genannten Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes zu § 405 RVO ebenfalls Bedeutung beigemessen (BSGE 37, 292, 295). Die Plazierung einer Norm kann aber nur im Zweifel Bedeutung haben, sofern nämlich nicht ihr Inhalt sie eindeutig einem bestimmten Rechtsbereich (hier: einem sozialrechtlichen Rechtsverhältnis) zuweist. Letzteres ist hier der Fall; denn die Frage, ob einem Versicherungsträger ein Anspruch auf Sozialversicherungsbeiträge gegen eine bestimmte Person oder Stelle zusteht, betrifft eindeutig ein Rechtsverhältnis des Sozialrechts. Wird also, wie hier, aus einer nicht in sozialrechtlichen Gesetzen enthaltenen Norm hergeleitet, daß sie eine Beitragsschuld der in Anspruch genommenen Person oder Stelle gegenüber einer gesetzlichen Krankenkasse begründet, so handelt es sich um ein sozialrechtliches Rechtsverhältnis, über das die Sozialgerichte zu entscheiden haben. Für Ansprüche des Beigeladenen gegen die Beklagte auf Übernahme der Beiträge wäre hingegen der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten gegeben (§ 40 VwGO). Dies gilt ebenso für Fälle des Gläubigerwechsels, zB durch Abtretung, gesetzlichen Forderungsübergang oä. Solche Ansprüche werden aber von der Klägerin, soweit ersichtlich, nicht erhoben.
Das Begehren der Klägerin, über das hier zu entscheiden ist, ist allerdings unbegründet. Aus § 13 BSHG folgt keine Beitragspflicht des Sozialhilfeträgers gegenüber der Kasse. Er regelt lediglich einen Anspruch des Sozialhilfeempfängers gegen den zuständigen Sozialhilfeträger auf Übernahme der Beiträge. So wird § 13 BSHG auch in der Kommentarliteratur verstanden (vgl ua Gottschick/Giese 9. Aufl, § 13 Anm 8; Schellhorn ua 12. Aufl, § 13 Anm 10, 18, 32; Mergler/Zink, § 13 Anm 19). Es wird lediglich in dem von der Klägerin zitierten Kommentar von Knopp/Fichtner, BSHG, 5. Aufl (§ 13 Anm 6) die Auffassung vertreten, daß in den Fällen des § 13 BSHG der Sozialhilfeträger die Beiträge unmittelbar der Krankenkasse gegenüber schuldet. Damit ist aber nicht gesagt, daß die Verpflichtung schon kraft Gesetzes eintritt, so daß die Krankenkasse ohne weiteres bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen einen Anspruch auf die Beiträge gegen den Sozialhilfeträger hat und über diesen auch verbindlich entscheiden kann. Da weitere Ausführungen aaO dazu nicht gemacht werden, kann auch aus dieser Kommentarstelle allenfalls geschlossen werden, daß nach Ansicht der Kommentatoren bei Anerkennung der Übernahmepflicht durch den Sozialhilfeträger unmittelbare Ansprüche der Krankenkasse auf Zahlung der Beiträge entstehen.
Auch im Gesetzgebungsverfahren ist ausdrücklich betont worden, daß es sich bei der Verpflichtung des Sozialhilfeträgers nach § 13 BSHG um eine fürsorgerechtliche Angelegenheit, dh um eine Verpflichtung gegenüber dem Hilfsbedürftigen, handelt (BR-Drucks 53/60 = BT-Drucks III/1799 S 69). Es heißt dort: "Nach § 315a RVO sind Rentenantragsteller unter bestimmten Voraussetzungen ... versicherungspflichtig ...Ein beträchtlicher Teil dieses Personenkreises ist hilfsbedürftig iS des vorliegenden Gesetzes oder wird es durch die Beitragszahlung (im Durchschnitt etwa 20 vH aller Rentenantragsteller, deren Rente endgültig abgelehnt wird). Die Krankenkassen haben diesem Personenkreis alle Leistungen zu gewähren, ohne dafür Beiträge zu erhalten. Die Fürsorgeverbände haben bisher eine Übernahme der Beiträge oftmals abgelehnt. Es ist daher notwendig, die Übernahme der Beiträge durch den Träger der Sozialhilfe verbindlich vorzusehen. Es handelt sich hier nicht um eine sozialversicherungsrechtliche, sondern um eine fürsorgerechtliche Angelegenheit, die im Sozialhilfegesetz zu regeln ist."
Deutlich sprechen ferner die Materialien zum 3. BSHG-Änderungsgesetz vom 25. März 1974 (BGBl I 777), durch das auch § 13 BSHG geändert wurde, gegen einen unmittelbaren Anspruch der Krankenkassen. Es heißt dort (BT-Drucks 7/308, S 10), daß dem Sozialhilfeempfänger die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes durch freiwillige Weiterversicherung ermöglicht werden soll (s ergänzend BT-Drucks 7/1511, S 2).
Schließlich sprechen die Konsequenzen, die sich aus der Auffassung der Klägerin ergeben würden, gegen eine unmittelbare Beitragsschuld des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Versicherungsträger. Über den Anspruch des einzelnen Antragstellers auf Sozialhilfe entscheidet der Sozialhilfeträger und bei Anfechtung seiner Entscheidung das Verwaltungsgericht. Hätte nun die Krankenkasse gegen den Sozialhilfeträger einen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung der Beiträge, so müßte sie bei ihrer Entscheidung über die Beitragszahlungspflicht des Sozialhilfeträgers (uU durch Bescheid) auch die sozialhilferechtlichen Voraussetzungen als Vorfrage prüfen. Diese Entscheidung wäre dann beim Sozialgericht anzufechten. Auf diese Weise könnte es zu widersprechenden Entscheidungen zweier Verwaltungsträger und zweier Gerichtszweige kommen, für die eine ausreichende sachliche Rechtfertigung nicht ersichtlich ist. Es könnte lediglich erwogen werden, ob die Krankenkasse als Einzugsstelle gegenüber dem Sozialhilfeträger tätig werden kann, wenn dieser seine Pflicht zur Beitragsübernahme bereits anerkannt hat. Dieser Fall liegt aber hier nicht vor.
Für den hier zu entscheidenden Fall muß deshalb daran festgehalten werden, daß Beitragsschuldner der Kasse gegenüber nur der Versicherte ist und die Kasse diesem gegenüber den Umfang der Beitragspflicht festzustellen und die Beiträge anzufordern hat. Der Sozialhilfeträger hat dann seinerseits darüber zu entscheiden, ob er die vom Hilfebedürftigen geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge zu übernehmen hat (oder gem § 13 Abs 2 BSHG übernimmt). Die Entscheidung der Kasse ist von den Sozialgerichten, die Entscheidung des Sozialhilfeträgers von den allgemeinen Verwaltungsgerichten zu überprüfen.
Die Revision konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen