Entscheidungsstichwort (Thema)
Kranken- und Pflegeversicherung. Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus einer Direktversicherung an Hinterbliebene. Todesfallleistung. betriebliche Hinterbliebenenversorgung. Einbeziehung des Hinterbliebenen als Bezugsberechtigter in Versicherungsvertrag
Leitsatz (amtlich)
Die Beitragspflicht von Hinterbliebenen in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung auf Einnahmen aus einer vom Arbeitgeber begründeten betrieblichen Hinterbliebenenversorgung in Form der Direktversicherung setzt deren Einbeziehung als Bezugsberechtigte in den Versicherungsvertrag zwischen Versicherer, Arbeitgeber und Arbeitnehmer voraus.
Normenkette
SGB V § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5; SGB VI § 46; SGB XI § 57 Abs. 1 S. 1; BGB § 328 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 S. 1, Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. November 2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) auf eine Kapitalleistung aus einer Direktversicherung.
Die 1974 geborene Klägerin ist bei der beklagten Kranken- und der beigeladenen Pflegekasse als Beschäftigte pflichtversichert. Nach dem Tod ihres Ehemanns erhielt sie im Juli 2014 von der H. Lebensversicherung aG (im Folgenden: H.) eine Kapitalleistung ("Todesfallleistung") in Höhe von 46 769,93 Euro. Der Auszahlung lag ein Lebensversicherungsvertrag zugrunde, den die Arbeitgeberin des Verstorbenen zum 1.12.1998 als Direktversicherung abgeschlossen hatte. Versicherungsnehmerin war die Arbeitgeberin, versicherte Person war der Ehemann der Klägerin. Die Beklagte wertete die Zahlung als Versorgungsbezug und erhob auch im Namen der Beigeladenen ab 1.8.2014 für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren monatliche Beiträge zur GKV und sPV in Höhe von insgesamt 68,40 Euro (Bescheid vom 10.9.2014, Widerspruchsbescheid vom 16.7.2015).
Das SG Osnabrück hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 17.3.2017). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 26.11.2018). Es sei unerheblich, ob die Kapitalleistung als Versorgungsbezug an den verstorbenen Arbeitnehmer oder dessen Hinterbliebene ausgezahlt werde. Maßgebend sei allein, dass sie aus einer sog Direktversicherung stamme. Verfassungsrechtliche Bedenken unter Berücksichtigung des Rückwirkungsverbots beständen nicht. Eine eventuelle Ungleichbehandlung dadurch, dass § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V seit 1.1.2018 sog Riesterrenten von der Beitragspflicht ausnehme, sei gerechtfertigt. Zweck der Riesterförderung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung sei es, im Rahmen eines gesetzgeberischen Gesamtkonzepts Geringverdienern die Möglichkeit einer zusätzlichen Altersvorsorge zu eröffnen und damit Altersarmut zu vermeiden.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V sowie von Art 14 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG. Der für die betriebliche Altersversorgung notwendige persönliche Bezug zu einem früheren Berufsleben bestehe für sie gerade nicht. Sie sei betrieblich nicht ausdrücklich in den Versicherungsvertrag seitens der Arbeitgeberin aufgenommen worden. Ein beitragspflichtiger Versorgungsbezug könne nicht aus der schlichten Auszahlung aufgrund ihrer Erbenstellung konstruiert werden. Nur ihr Ehemann sei bezugsberechtigt, sie selbst nur Zahlungsempfängerin gewesen. Die Leistung aus der Lebensversicherung sei deshalb in den Nachlass gefallen und nicht beitragspflichtig. Die Verbeitragung ererbten Vermögens verstoße gegen Art 14 Abs 1 GG. Die Erhebung von Beiträgen auf Direktversicherungen sei jedenfalls seit 1.1.2018 auch unverhältnismäßig und verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil betriebliche Riesterrenten nicht mehr zu Beiträgen herangezogen würden.
|
Die Klägerin beantragt, |
|
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. November 2018 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. März 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juli 2015 aufzuheben. |
|
Die Beklagte beantragt, |
|
die Revision der Klägerin zurückzuweisen. |
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung an das LSG begründet. Ob zu Recht Beiträge auf die Kapitalzahlung der H. festgesetzt worden sind, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
Rechtsgrundlage für die Erhebung von Beiträgen zur GKV ist hier § 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V. Danach wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten - wie der Klägerin - der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Als derartige Versorgungsbezüge gelten auch Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden (§ 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V). Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V in der ab 1.1.2004 anzuwendenden Fassung des Art 1 Nr 143 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Modernisierungsgesetz ≪GMG≫) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, vgl Art 37 Abs 1 GMG) ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate. Nach Maßgabe dieser Regelungen unterliegt eine Direktversicherung als Versorgungsbezug zwar grundsätzlich der Beitragspflicht zur GKV (dazu 1.). Dem stehen verfassungsrechtliche Bedenken nicht entgegen (dazu 2.). Nur an Witwen oder Witwer als Bezugsberechtigte (dazu 3.) ausgezahlte Leistungen aus einer Direktversicherung werden aber zur Hinterbliebenenversorgung erzielt (dazu 4.). Entsprechendes gilt für die Beitragsfestsetzung zur sPV (dazu 5.).
1. Leistungen aus einer betrieblichen Direktversicherung im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) sind grundsätzlich Versorgungsbezüge nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V und damit der Beitragspflicht unterworfen (BSG Urteile vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 25 RdNr 11, - B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24 RdNr 19, - B 12 KR 12/18 R - BSGE 127, 249 = SozR 4-2500 § 229 Nr 26, RdNr 12; BSG Urteil vom 1.4.2019 - B 12 KR 19/18 R - juris RdNr 9). Die hier zu beurteilende Lebensversicherung ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) eine solche Direktversicherung. Sie wurde von der Arbeitgeberin des verstorbenen Ehemanns der Klägerin für diesen als Versicherungsnehmer abgeschlossen. Dass der berufliche Bezug durch eine Änderung in der Person des Versicherungsnehmers gelöst worden sei, hat die Klägerin nicht vorgetragen und ist nicht ersichtlich.
2. Die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, solange der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts nicht verlassen wird (vgl ua BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 9.7.2018 - 1 BvL 2/18 - juris RdNr 19; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 27.6.2018 - 1 BvR 100/15 ua - juris RdNr 17 ff; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10 RdNr 9 ff; BSG Urteil vom 23.7.2014 - B 12 KR 28/12 R - BSGE 116, 241 = SozR 4-2500 § 229 Nr 18, RdNr 10 ff mwN; BSG Urteil vom 13.9.2006 - B 12 KR 5/06 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 4 RdNr 11 f). Der Senat hat bereits entschieden, dass die Beitragspflicht auf Versorgungsleistungen an Hinterbliebene aufgrund eines eigenen Bezugsrechts, soweit sie also nicht in das Erbe fallen, nicht gegen die Erbrechtsgarantie aus Art 14 Abs 1 Satz 1 GG verstößt (BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 17 RdNr 35). Die Einbeziehung nicht wiederkehrender Versorgungsleistungen in die zum 1.1.2004 eingeführte Beitragspflicht auf Kapitalleistungen, die bereits vor dem 1.1.2004 vertraglich vereinbart waren, verletzt auch nicht das Rückwirkungsverbot (stRspr; zuletzt BSG Urteile vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - BSGE 127, 249 = SozR 4-2500 § 229 Nr 26, RdNr 10 und - B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24, RdNr 21). Schließlich ist die Freistellung betrieblicher sog Riesterrenten von der Beitragspflicht unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgebots (Art 3 Abs 1 GG) verfassungsgemäß. Diese Privilegierung ist nach der Rechtsprechung des Senats ua durch das legitime Ziel der Bekämpfung von Altersarmut sachlich gerechtfertigt und auch nicht unverhältnismäßig (vgl BSG Urteile vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 25 RdNr 15 ff und - B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24, RdNr 23 ff; BSG Urteil vom 1.4.2019 - B 12 KR 19/18 R - juris RdNr 10 ff).
3. Renten der betrieblichen Altersversorgung gelten allerdings nur dann als Versorgungsbezüge, wenn sie ua zur Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. "Zur Hinterbliebenenversorgung erzielt" sind Zahlungen aus einer Direktversicherung, wenn sie den Charakter einer unmittelbaren Leistung der Hinterbliebenenversorgung haben. Das setzt voraus, dass an Hinterbliebene (dazu a) geleistet wird, diese die Leistung als Bezugsberechtigte (dazu b) erhalten und die Leistung einem Versorgungszweck (dazu 4.) dient.
a) Die Klägerin gehörte als Witwe ihres verstorbenen Ehemanns zu den Hinterbliebenen im Sinne des § 229 Abs 1 Satz 1 SGB V. Der Begriff der Hinterbliebenen ist gesetzlich nicht definiert. Er umfasst nach seinem Wortsinn Personen, die als Angehörige ein besonderes Näheverhältnis zum Verstorbenen hatten. Dazu zählen jedenfalls Witwen, Witwer und Waisen. Sie werden durch ihre grundsätzliche Anspruchsberechtigung für Hinterbliebenenleistungen nach dem SGB VI auch gesetzlich den Hinterbliebenen zugeordnet (vgl zum Kreis der Hinterbliebenen nach dem BetrAVG BAG Urteil vom 18.11.2008 - 3 AZR 277/07 - juris).
b) Leistungen an Hinterbliebene aus im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherungen unterliegen nur dann der Beitragspflicht, sofern sie aufgrund eines durch den Versicherungsvertrag begründeten eigenen Bezugsrechts erbracht werden.
Wesentliches Merkmal einer Rente der betrieblichen Altersversorgung iS des Beitragsrechts der GKV ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Rente und der früheren Beschäftigung. Entscheidend ist, dass der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts, also im Falle der Direktversicherung der auf den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer laufende Versicherungsvertrag, zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung genutzt wird (BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24, RdNr 18 mwN). Das ist zu Lebzeiten des Versicherten der Fall, solange der Arbeitgeber Versicherungsnehmer der von ihm abgeschlossenen Direktversicherung ist (vgl BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 25 RdNr 13 mwN).
Der durch die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Versicherer begründete institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts wird aber auch dann genutzt, wenn Hinterbliebene als Bezugsberechtigte in den Vertrag einbezogen sind (vgl BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 17 RdNr 20). An Hinterbliebene im Rahmen einer betrieblichen Direktversicherung geleistete Zahlungen beruhen auf dem Versorgungsversprechen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, zu dessen Erfüllung er einen Vertrag mit einem Versicherer schließt. Die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aufgrund eines solchen Versicherungsvertrags zugunsten Dritter im Sinne des § 328 Abs 1 BGB ist Teil der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Versicherer (vgl BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 19/10 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 15, RdNr 18). Das der Direktversicherung immanente Versorgungsversprechen erfüllt sich nach § 331 Abs 1 BGB dadurch, dass der Dritte mit dem Tod des Versprechensempfängers das Recht auf die Versicherungsleistung erwirbt (vgl BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 17 RdNr 23; BAG Urteil vom 31.7.2018 - 3 AZR 731/16 - BAGE 163, 192 RdNr 26 mwN). Bei einem solchen Bezugsrecht fällt die Leistung von vorneherein nicht in den Nachlass, sondern unmittelbar dem Bezugsberechtigten zu. Er erwirbt nach §§ 328, 330, 331 Abs 1 BGB unmittelbar das Recht, die Leistung bei Eintritt des Versicherungsfalls vom Versicherer zu fordern (vgl BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 19/10 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 15 RdNr 18 mwN; BGH Urteil vom 23.10.2003 - IX ZR 252/01 - BGHZ 156, 350, 353 = juris RdNr 12 mwN). Mit der Einbeziehung Hinterbliebener in die vertraglichen Abreden zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Versicherer wird der Bezug der Versicherungsleistung zur Erwerbstätigkeit des Verstorbenen hergestellt und eine Leistung der Hinterbliebenenversorgung aus der betrieblichen Altersversorgung vereinbart.
Demgegenüber ist eine Zahlung im Wege der Erbfolge keine Leistung der Hinterbliebenenversorgung nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V. Sie hat ihre rechtliche Grundlage nicht in einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer sowie Versicherer, ist daher nicht (unmittelbar) auf eine frühere Erwerbstätigkeit zurückzuführen (vgl BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 17 RdNr 22) und liegt deshalb außerhalb des institutionellen Rahmens des Betriebsrentenrechts. Leistungen an Erben werden vielmehr aus dem auf sie übergegangenen Vermögen (Nachlass) nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen in §§ 1922 ff BGB erbracht, die ohne Zutun des Arbeitgebers oder des Versicherers durch Testament (§§ 2064 ff BGB) oder Erbvertrag (§§ 2274 ff BGB) ausgestaltet oder abbedungen werden können. Der Versicherer zahlt im Erbfall nicht an nach §§ 328, 330, 331 Abs 1 BGB in den Versicherungsvertrag einbezogene Dritte, sondern an die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Versicherten (vgl §§ 1922, 2032, 2039 BGB).
Die betriebsrentenrechtliche Einbeziehung Hinterbliebener in das Versorgungsversprechen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer aufgrund eines ihm eingeräumten Bezugsrechts muss sich aus einer versicherungsvertraglichen Vereinbarung unter Berücksichtigung Allgemeiner Geschäftsbedingungen und etwaiger, das Vertragsverhältnis gestaltender Richtlinien des Arbeitgebers ergeben (vgl BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 17 RdNr 31; BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 19/10 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 15 RdNr 17 ff). Ob der Klägerin nach dem Lebensversicherungsvertrag ein eigenes Bezugsrecht zusteht, vermag der Senat indes nicht zu beurteilen. Feststellungen zum Vertragsinhalt im Hinblick auf ein Bezugsrecht Dritter hat das LSG nicht getroffen. Allein die Bezeichnung als "Todesfallleistung" lässt noch nicht darauf schließen, dass die Klägerin die Kapitalzahlung wegen eines versicherungsvertraglichen Bezugsrechts erhalten hat. Ob das der Fall ist, hat das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren festzustellen. Dabei ist das Berufungsgericht nicht auf die Heranziehung der Klägerin zur Vorlage von Unterlagen beschränkt (§ 106 Abs 3 SGG).
4. Der Beitragspflicht steht nicht schon entgegen, dass es hier an dem neben der Bezugsberechtigung auch erforderlichen Versorgungszweck fehlen würde. Den aus der Formulierung in § 229 Abs 1 Satz 1 SGB V, dass Leistungen zur "Hinterbliebenenversorgung erzielt" sein müssen, abzuleitenden Versorgungszweck verfolgt eine Leistung aus einer Direktversicherung nach der Rechtsprechung des Senats (vgl BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 25 RdNr 11; BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - BSGE 127, 249 = SozR 4-2500 § 229 Nr 26, RdNr 15 ff), wenn sie - wie hier - der Sicherung des Lebensstandards des Empfängers zu dienen bestimmt (dazu a) und darin einer Rente nach dem SGB VI vergleichbar ist (dazu b).
a) Zur Sicherung des Lebensstandards bestimmt sind jedenfalls Leistungen, die einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch ersetzen (vgl BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - BSGE 127, 249 = SozR 4-2500 § 229 Nr 26, RdNr 15). Das ist bei Leistungen an bezugsberechtigte Ehegatten der Fall. Eine aus Anlass des Todes des Ehemanns an seine Witwe als Bezugsberechtigte gezahlte Leistung aus einer Direktversicherung ersetzt den mit dem Tod entfallenden (§ 1360a Abs 3, § 1615 Abs 1 BGB) Unterhaltsanspruch und dient der Sicherung des Lebensstandards der Witwe. Ehegatten sind gemäß § 1360 Satz 1 BGB einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Diese zivilrechtliche Unterhaltspflicht unter Lebenden umfasst alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten sowie den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen (§ 1360a Abs 1 BGB). Der Lebensstandard von Eheleuten wird mithin zu Lebzeiten durch die "Verhältnisse" der Ehegatten, also das Einkommen, die Arbeit und das Vermögen beider Eheleute bestimmt. Bezieht ein Ehegatte seinen Ehepartner nach §§ 328, 330, 331 Abs 1 BGB als Bezugsberechtigten in das Versorgungsversprechen des Arbeitgebers ein, sichert er damit seinen Anteil am Ehegattenunterhalt und den Lebensstandard des anderen Ehegatten nach seinem Tod.
b) Die unterhaltsersetzende, an eine bezugsberechtigte Witwe ausgezahlte Leistung aus einer Direktversicherung ist auch mit einer Rente wegen Todes nach dem SGB VI vergleichbar. § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V hat zum Ziel, Bezieher gesetzlicher und betrieblicher Renten gleichzustellen (BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - BSGE 127, 249 = SozR 4-2500 § 229 Nr 26, RdNr 14 mit Hinweis auf BT-Drucks 9/458 S 29, 34 f zu Art 2 Nr 2 § 180 Abs 5 bis 8). Erfasst werden sollen Versorgungsbezüge, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) ersetzen oder ergänzen. Da beitragspflichtige Renten der betrieblichen Altersversorgung "zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt" werden müssen, ist deren Vergleichbarkeit mit Renten der GRV allerdings nur in Bezug auf den jeweiligen Versorgungszweck, also die Unterhaltsersatzfunktion erforderlich. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer vergleichbaren Rente der GRV im Einzelfall erfüllt sind. Entscheidend ist vielmehr, ob der Zweck der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung bei typisierender Betrachtung mit dem Versorgungszweck einer Hinterbliebenenrente nach dem SGB VI vergleichbar ist (vgl BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - BSGE 127, 249 = SozR 4-2500 § 229 Nr 26, RdNr 15 f). Leistungen der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung sind daher dann nicht der Beitragspflicht zur GKV unterworfen, wenn eine Rente wegen Todes nach dem SGB VI bei typisierender Betrachtung von vorneherein nicht in Betracht kommt. Das hat der Senat bisher nur ausnahmsweise für Waisen bejaht, die bei Auszahlung der Leistungen bereits das 27. Lebensjahr vollendet hatten und damit regelmäßig keinen Unterhaltsanspruch mehr hätten (BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - BSGE 127, 249 = SozR 4-2500 § 229 Nr 26). Eine vergleichbare Konstellation besteht bei Witwen und Witwern nicht.
Die Witwenrente der GRV hat ebenso wie eine Leistung der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung Unterhaltsersatzfunktion (vgl zum Begriff Scheiwe/Frey, VSSR 2017, 149, 152 f). Sie ersetzt den Ehegattenunterhalt, den der verstorbene Versicherte vor dem Tod aus seinem Einkommen geleistet hat (vgl BVerfG Beschluss vom 18.2.1998 - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 - BVerfGE 97, 271, 287 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1 S 8 = juris RdNr 70, jeweils mwN). Der zivilrechtliche Anspruch auf Ehegattenunterhalt ist grundsätzlich altersunabhängig. Auch das Recht der GRV sieht keinen für Witwen und Witwer geltenden Zeitpunkt vor, ab dem ein Anspruch auf Rente von vorneherein nicht mehr in Betracht kommt. Wie der Senat bereits entschieden hat, haben Witwen, die das 47. Lebensjahr vollendet und damit gegebenenfalls Anspruch auf große Witwenrente (§ 46 Abs 2 Satz 1 Nr 2, Abs 3 SGB VI) haben, Beiträge auf Leistungen der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung zu entrichten (BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 17; BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 19/10 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 15). Für jüngere Witwen und Witwer gilt nichts anderes. Auch sie können - abhängig von ihrer Lebenssituation im Einzelfall - nach oder während des Bezugs der auf maximal 24 Monate beschränkten kleinen Witwenrente (§ 46 Abs 1 SGB VI) jederzeit einen Anspruch auf zeitlich unbegrenzte (§ 102 Abs 2 Satz 5 SGB VI) große Witwenrente erwerben, wenn der vom Gesetzgeber typisierte Fall der Erwerbsminderung eintritt (§ 46 Abs 2 Satz 1 Nr 3, Abs 3 SGB VI). Anders als bei Waisen (§ 48 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB VI) ist für Witwen und Witwer kein Zeitpunkt gesetzlich festgelegt, ab dem - unabhängig von der persönlichen Lebens- und Einkommenssituation - eine Rente von vorneherein ausscheidet.
Ob eine den Anspruch auf große Witwenrente begründende Erwerbsminderung tatsächlich bereits eingetreten ist oder noch eintritt, spielt für die Frage der Beitragspflicht keine Rolle. Die Hinterbliebenenversorgung verliert ihren Charakter als Unterhaltsersatz nicht deshalb, weil in der solidarisch finanzierten GRV die Unterhaltssicherung durch eine Hinterbliebenenrente auf bestimmte Bedarfssituationen begrenzt ist. Dadurch, dass der Anspruch auf eine große Witwen- oder Witwerrente - sofern das 47. Lebensjahr noch nicht vollendet ist - auf Personen beschränkt ist, die der Gesetzgeber als besonders sozial schutzbedürftig ansieht, weil eine Erwerbstätigkeit wegen eingetretener Erwerbsminderung nicht möglich oder wegen der Erziehung von Kindern nicht zumutbar ist, wird der Versorgungscharakter der Hinterbliebenenleistungen nicht in Frage gestellt, sondern eher unterstützt (vgl Bohlken in jurisPK-SGB VI, 2. Aufl 2013, Stand 25.5.2018, § 46 RdNr 52; kritisch im Hinblick auf nicht verheiratete Eltern Scheiwe/Frey, VSSR 2017, 149, 160 ff). Diesem Versorgungsgedanken in bestimmten Bedarfssituationen entspricht es, dass ein Anspruch auf große Witwen- oder Witwerrente auch während des Bezugs der kleinen Witwen- oder Witwerrente entstehen oder nach zunächst wegen Wiederheirat entfallener Anspruchsberechtigung (wieder) aufleben kann (vgl § 46 Abs 3 SGB VI).
Die Beitragspflicht vom Vorliegen der Voraussetzungen eines Witwen- oder Witwerrentenanspruchs im Einzelfall abhängig zu machen, würde ungeachtet dessen zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen. Dafür, dass eine jüngere kindererziehende Mutter mit typisiert erhöhtem Unterhaltsbedarf beitragspflichtig sein soll, eine kinderlose Witwe im selben Alter aber nicht, ist ein sachlicher Grund nicht zu erkennen.
5. Die vorstehenden Erwägungen gelten für die festgesetzten Beiträge zur sPV entsprechend (§ 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI).
6. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 14048165 |
BSGE 2021, 116 |