Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. kein anderes Aufenthaltsrecht. fehlende Arbeitsgenehmigung-EU für einen rumänischen Staatsangehörigen. Aufenthaltsverfestigung nach mehr als sechsmonatigem Aufenthalt im Inland. Sozialhilfeanspruch nach § 23 Abs 1 S 3 SGB 12. Ermessensreduzierung auf Null
Orientierungssatz
1. Ein vormaliger Arbeitnehmer verfügt nicht über eine Freizügigkeitsberechtigung aus § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU 2004, wenn er während seiner Arbeitnehmertätigkeit nicht über die gemäß § 13 FreizügG/EU 2004 erforderliche Arbeitsgenehmigung-EU nach § 284 Abs 1 SGB 3 verfügte. Liegt kein anderes Aufenthaltsrecht vor, unterliegt der Unionsbürger dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2.
2. Als anderer leistungsverpflichteter Träger ist jedoch ein beigeladener Sozialhilfeträger zu verurteilen, Ermessensleistungen nach § 23 Abs 1 S 3 SGB 12 zu erbringen, wenn der Unionsbürger und seine Familienangehörigen sich seit mehr als sechs Monaten im Inland aufhalten, weil sich durch die Aufenthaltsverfestigung das Ermessen des Sozialhilfeträgers auf Null reduziert (Festhaltung an BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R = BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 47, vom 9.8.2018 - B 14 AS 32/17 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 57 und vom 21.3.2019 - B 14 AS 31/18 R).
Normenkette
SGB 2 § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2; FreizügG/EU § 2 Abs. 3 S. 2; FreizügG/EU 2004 § 2 Abs. 3 S. 2; FreizügG/EU § 13; FreizügG/EU 2004 § 13; SGB III § 284 Abs. 1 S. 1; SGB XII § 23 Abs. 3 S. 1, Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 12. März 2020 geändert.
Die Beigeladene wird verurteilt, den Klägern Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum vom 23. Dezember 2013 bis 15. April 2014 in gesetzlicher Höhe zu erbringen.
Im Übrigen werden die Revisionen zurückgewiesen.
Die Beigeladene hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Ansonsten haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über existenzsichernde Leistungen in dem Zeitraum 23.12.2013 bis 15.4.2014.
Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebenden, in den Jahren 1987 bzw 1975 geborenen Kläger zu 1 und 2 halten sich seit September bzw Oktober 2009 im Bundesgebiet auf. Sie sind die Eltern der 2007 und 2013 geborenen Klägerinnen zu 3 und 4. Die Klägerin zu 3 hält sich seit November 2013 im Bundesgebiet auf und besucht seit dem 1.8.2014 die Schule. In dem hier streitigen Zeitraum wohnten die Kläger gemeinsam in B.
Die Klägerin zu 1 arbeitete in der Zeit vom 7.9. bis 7.10.2010 als Küchenhelferin. Der Kläger zu 2 hatte vom 24.5.2011 bis 31.12.2013 ein Gewerbe als Gerüstbauhelfer angemeldet. Für den Zeitraum März bis Oktober 2013 stellte er der T GmbH in B für diverse Gerüstbauarbeiten jeweils 952 Euro monatlich in Rechnung, für November 2013 einen Betrag iHv 476 Euro. Zum 1.3.2014 schloss er mit dieser Firma einen Arbeitsvertrag, konnte die Tätigkeit als Gerüstbauhelfer wegen Insolvenz des Arbeitgebers jedoch nicht aufnehmen. Am 16.4.2014 begann der Kläger zu 2 eine Beschäftigung als Gerüstbauer bei der Firma P.
Der Beklagte lehnte den Antrag der Kläger vom 23.12.2013 auf Alg II bzw Sozialgeld ab. Sie seien von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen, weil sich das Aufenthaltsrecht der Kläger zu 1 und 2 allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe (Bescheid vom 13.1.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.3.2014). Nach Beiladung der zuständigen Sozialhilfeträgerin hat das SG die Klage abgewiesen. Nach den Umständen habe es sich bei der Tätigkeit des Klägers zu 2 für die T GmbH als ausschließlichem Auftraggeber nicht um eine selbstständige Tätigkeit, sondern um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt. Die Anerkennung eines fortwirkenden Arbeitnehmerstatus als Voraussetzung eines Anspruchs scheitere daran, dass keine Arbeitserlaubnis-EU erteilt worden sei. Zudem hätten die Kläger keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII (Urteil vom 7.6.2017).
Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Kläger seien nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil sie weder die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU noch nach dem begrenzt subsidiär anwendbaren AufenthG erfüllten. Bei unterstellter selbstständiger Tätigkeit des Klägers zu 2 habe ein nachwirkendes Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 FreizügG/EU nicht vorgelegen, weil er vor dem streitigen Zeitraum nicht mehr als ein Jahr als Gerüstbauer tätig gewesen sei. Gehe man unter Berücksichtigung der zutreffenden Ausführungen des SG von einer abhängigen Beschäftigung aus, stehe einem Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU entgegen, dass dem Kläger zu 2 keine Arbeitserlaubnis-EU erteilt worden sei. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII gegen die Beigeladene bestehe entgegen der Rechtsprechung des BSG nicht.
Mit ihren vom LSG zugelassenen Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung von § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II in der bis zum 28.12.2016 geltenden Fassung. Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine selbstständige Tätigkeit ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU nur dann vermittele, wenn diese mehr als ein Jahr ausgeübt werde. § 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU sei auch auf Selbstständige anwendbar, weshalb der Kläger zu 2 wegen seiner selbstständigen Tätigkeit in dem Zeitraum von März bis November 2013 im streitigen Zeitraum über eine Freizügigkeitsberechtigung verfügt habe.
Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 12. März 2020 und des Sozialgerichts Bremen vom 7. Juni 2017 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2014 zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 23. Dezember 2013 bis 15. April 2014 zu erbringen,
hilfsweise,
die Beigeladene zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB XII für den Zeitraum vom 23. Dezember 2013 bis 15. April 2014 zu erbringen.
Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Revisionen hinsichtlich des gestellten Hilfsantrages zurückzuweisen.
Sowohl der Beklagte als auch die Beigeladene verweisen im Wesentlichen auf das ihrer Ansicht nach zutreffende Urteil des LSG.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der Kläger haben keinen Erfolg, soweit sie mit ihrem Hauptantrag Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II begehren. Die Beigeladene war jedoch im Sinne des Hilfsantrags der Kläger zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII zu erbringen.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 13.1.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.3.2014 sowie das Begehren der Kläger auf Zahlung von existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II durch den Beklagten bzw hilfsweise nach dem SGB XII durch die Beigeladene. Die Kläger haben ihr Begehren in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitraum vom 23.12.2013 bis 15.4.2014 beschränkt. Dieses Begehren verfolgen sie zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl § 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG). Zulässig ist auch der bereits beim SG gestellte Hilfsantrag auf Verurteilung der notwendig beigeladenen Sozialhilfeträgerin (vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 13; BSG vom 12.9.2018 - B 14 AS 18/17 R - RdNr 11).
2. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Alg II/Sozialgeld sind §§ 7 ff, 19 ff SGB II in der Fassung, die das SGB II vor Beginn des streitigen Zeitraums zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 7.5.2013 (BGBl I 1167) erhalten hat (Geltungszeitraumprinzip; vgl BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 14 f).
a) Die Kläger erfüllten nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB II. Der Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2 nach § 8 Abs 2 SGB II stand nicht entgegen, dass sie als rumänische Staatsangehörige nach § 284 Abs 1 Satz 1 SGB III in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung (im Folgenden aF) zur Aufnahme einer Beschäftigung einer Arbeitsgenehmigung-EU bedurften, weil ihnen als Rumänen trotz der seinerzeit nur eingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit als EU-Ausländer (vgl hierzu näher unter b)bb)≪3≫) die Aufnahme einer Beschäftigung jederzeit hätte erlaubt werden können (vgl BSG vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 14 ff; BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 15). Die Klägerinnen zu 3 und 4 haben das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet und können als minderjährige, dem Haushalt der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2 angehörende Kinder ohne bedarfsdeckendes Einkommen und Vermögen einen Anspruch auf Sozialgeld haben (§ 7 Abs 3 Nr 4, § 19 Abs 1 Satz 2, § 23 SGB II).
b) Die Kläger sind jedoch nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II von SGB II-Leistungen ausgeschlossen. Hiernach sind "ausgenommen" - also keine Leistungsberechtigten iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und § 7 Abs 2 SGB II und ohne Leistungsberechtigung nach dem SGB II - Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Da bereits ein anderes Aufenthaltsrecht als ein solches zum Zweck der Arbeitsuche sozialrechtlich die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Buchst b SGB II hindert bzw den Leistungsausschluss "von vornherein" entfallen lässt (stRspr; vgl BSG vom 13.7.2017 - B 4 AS 17/16 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 54 RdNr 17 mwN; BSG vom 27.1.2021 - B 14 AS 25/20 R - RdNr 15 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen) hätten die Kläger Anspruch auf Alg II/Sozialgeld, wenn sie sich auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen könnten. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
aa) Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 schon in zeitlicher Hinsicht über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer oder selbstständig Tätige nach § 2 Abs 2 Nr 1 oder 2 FreizügG/EU verfügen konnten (vgl zum Prüfprogramm nur BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R - BSGE 124, 81 = SozR 4-4200 § 7 Nr 53, RdNr 24 ff). Nach den Feststellungen des LSG war die Klägerin zu 1 zuletzt im Jahr 2010 als Küchenhelferin tätig. Der Kläger zu 2 war während des streitigen Zeitraums weder als Arbeitnehmer beschäftigt noch selbstständig tätig (vgl zur Einordnung unter bb), weil er Tätigkeiten für die T GmbH nur in dem Zeitraum März bis November 2013 tatsächlich ausgeübt hatte. Nur für diesen Zeitraum hat er Nachweise in Gestalt von Rechnungen beigebracht. Die reine Anmeldung eines Gewerbes - vorliegend bis zum 31.12.2013 - vermag eine selbstständige Tätigkeit ohnehin nicht zu begründen (vgl dazu bereits BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 19; BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 28; BSG vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 48 RdNr 25). Da der Kläger zu 2 die geplante Beschäftigung bei der T GmbH ab 1.3.2014 tatsächlich nicht aufgenommen hat, vermag diese ebenfalls keinen Arbeitnehmerstatus zu vermitteln.
bb) Die Kläger können sich nicht auf ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht des Klägers zu 2 aus § 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU berufen. Danach bleibt "das Recht aus Absatz 1", also auf Einreise und Aufenthalt, bei "unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung … während der Dauer von sechs Monaten unberührt". Der Senat muss nicht darüber befinden, ob sich aus Art 7 Abs 3 Buchst c) der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog "Unionsbürgerrichtlinie", ABl EU Nr L 158, 77, berichtigt ABl EU Nr L 229, 35) eine fortwirkende Freizügigkeitsberechtigung auch aus einer selbstständigen Tätigkeit von weniger als einem Jahr ergeben kann (vgl hierzu bereits EuGH vom 11.4.2019 - C-483/19 - Neculai Tarola, EU:C:2019:309 = InfAuslR 2019, 232, RdNr 27 f). Nach den tatsächlichen Gegebenheiten der Tätigkeit kann sich ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht allein aus einer abhängigen Beschäftigung des Klägers zu 2 bei der T GmbH ergeben.
(1) Der zugrunde zu legende Begriff des Arbeitnehmers ist europarechtlich zu bestimmen (EuGH vom 23.3.1982 - C-53/81 - Levin, EU:C:1982:105, Slg 1982, 1035 RdNr 11). Um Arbeitnehmer zu sein, muss die betreffende Person eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausüben und während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringen, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 26 mwN; vgl zum Umfang und zur Dauer einer Arbeitnehmertätigkeit sowie zur Höhe des erzielten Entgelts letztens BSG vom 27.1.2021 - B 14 AS 42/19 R - RdNr 17 ff mwN; BSG vom 27.1.2021 - B 14 AS 25/20 R - RdNr 19 ff, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Eine selbstständige Erwerbstätigkeit ist demgegenüber - ebenfalls unter Berücksichtigung der europarechtlichen Implikationen - jede Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, die in eigener Verantwortung und weisungsfrei erfolgt. Die Tätigkeit muss erwerbsorientiert sein. Es werden alle Tätigkeiten erfasst, sofern sie mit einer entgeltlichen Gegenleistung verbunden sind und eine Teilnahme am Wirtschaftsleben darstellen. Der Selbstständige, der sich auf das Freizügigkeitsrecht der Niederlassungsfreiheit iS der Art 49 ff AEUV berufen kann, muss auch tatsächlich eine wirtschaftliche Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit ausüben und damit wirtschaftlich in einen anderen Mitgliedstaat integriert sein (vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 26 mwN).
Geht es um die Abgrenzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit von der Niederlassungsfreiheit ist insbesondere das Kriterium der Unterordnung maßgebend. Als Selbstständige dürfen Unionsbürger nicht im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses arbeiten und müssen die Verantwortung für ihre Tätigkeit tragen (EuGH vom 8.6.1999 - C-337/97 - Meeusen, EU:C:1999:284, Slg 1999, I-3289, RdNr 15; EuGH vom 20.11.2001 - C-268/99 - Jany ua, EU:C:2001:616, Slg 2001, I-8615, RdNr 34, 70, 71). Wenn sie andererseits im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses arbeiten, werden sie als Arbeitnehmer angesehen (EuGH vom 3.7.1986 - C-66/85 - Lawrie-Blum, EU:C:1986:284, Slg 1986, 2121, RdNr 17; EuGH vom 27.6.1996 - C-107/94 - Asscher, EU:C:1996:251, Slg 1996, I-3089, RdNr 26).
(2) Hieran gemessen hat das Berufungsgericht - dem SG folgend - ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Tätigkeit des Klägers zu 2 bei der T GmbH nur als Arbeitnehmertätigkeit eingeordnet werden konnte. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG und den von ihm in Bezug genommenen tatsächlichen Feststellungen des SG (vgl zu deren Einbeziehung durch das Revisionsgericht BSG vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 69/04 R - BSGE 95, 232 = SozR 4-4300 § 144 Nr 11, RdNr 18 sowie BSG vom 1.8.2017 - B 13 R 179/17 B - RdNr 6) handelte es sich um arbeitnehmertypische, arbeitsteilige Arbeiten. Nicht erkennbar ist, dass der Kläger zu 2 Verantwortung für eigene Beschäftigte oder die Arbeitsausführung hatte oder Kenntnisse für unternehmerische Tätigkeiten mitbrachte. Das LSG hat auch zu Recht gewürdigt, dass er ausschließlich bei einem Arbeitgeber beschäftigt war, der seine Einsatzorte bestimmte. Eine freie Verfügung des Klägers zu 2 über seine Arbeitskraft bzw Arbeitszeit bestand nicht. Auch der Umstand, dass er für seine Tätigkeit einen monatlich weitgehend identischen Betrag im Sinne einer Entlohnung erhalten hat, spricht gegen eine selbstständige Tätigkeit, die regelmäßig mit schwankenden Arbeitszeiten und Verdiensten verbunden ist. Zudem hat der Kläger zu 2 in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben, dass eine Anstellung als "Mitarbeiter" nur aufgrund des damals bestehenden Erfordernisses einer Arbeitserlaubnis-EU nicht stattgefunden habe.
(3) Als vormaliger Arbeitnehmer waren der Kläger zu 2 und damit auch seine Töchter (Klägerinnen zu 3 und 4) als Familienangehörige iS von § 3 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU von der Inanspruchnahme einer Freizügigkeitsberechtigung aus § 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU zur Begründung eines Anspruchs auf SGB II-Leistungen ausgeschlossen, weil der Kläger zu 2 während seiner Tätigkeit bei der T GmbH nicht über die erforderliche Arbeitsgenehmigung-EU verfügte. Dies folgt aus § 13 FreizügG/EU.
Nach § 13 FreizügG/EU (in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung; im Folgenden aF) fand, soweit nach Maßgabe ua des Vertrages vom 25.4.2005 über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (BGBl II 2006, 1146) abweichende Regelungen anwendbar sind, "dieses Gesetz" nur Anwendung, wenn die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 284 Abs 1 SGB III genehmigt wurde. Nach § 284 Abs 1 Satz 1 SGB III aF durften Staatsangehörige der Staaten, die nach dem bezeichneten Vertrag vom 25.4.2005 der Europäischen Union beigetreten sind, und deren freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen, soweit nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages abweichende Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit anzuwenden sind.
Übergangsregelungen hinsichtlich des Arbeitsmarktzugangs von Staatsangehörigen der Beitrittsstaaten enthält Art 2 Abs 2 des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumänien iVm Art 23 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht iVm dessen auf Rumänien bezogenen Anhang VII (vgl Amtsblatt der Europäischen Union vom 21.6.2005 - ABL EU Nr L 157, 203 ff; zur Bedeutung der Beitrittsakte Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl 2020, § 13 FreizügG/EU RdNr 7 ff). Den "derzeitigen Mitgliedstaaten" wurde zunächst für zwei Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit um weitere fünf Jahre gestattet, nationale Maßnahmen anzuwenden, um den Zugang rumänischer Staatsangehöriger zu ihren Arbeitsmärkten zu regeln (Anhang VII, 1.2). Gleichzeitig wurde ermöglicht, von der RL 2004/38/EG und damit auch von den hierin enthaltenen aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen abzuweichen, soweit dies zur Umsetzung des eingeschränkten Arbeitsmarktzugangs erforderlich war (Anhang VII, 1.9). Mit der Einbeziehung von bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen in § 284 Abs 1 Satz 1 SGB III aF und § 13 FreizügG/EU aF zum 1.1.2007 durch das Gesetz zur Anpassung von Rechtsvorschriften des Bundes infolge des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union vom 7.12.2006 (BGBl I 2814) hat die Bundesrepublik Deutschland von dieser Möglichkeit eines nur eingeschränkten Arbeitsmarktzugangs und abweichenden aufenthaltsrechtlichen Regelungen während der Übergangszeit bis Ende 2013, also während des Zeitraums der Beschäftigung des Klägers zu 2, Gebrauch gemacht (vgl BT-Drucks 16/2954 S 7 f).
Da sich das Genehmigungserfordernis des § 284 Abs 1 Satz 1 SGB III auf die abhängige, durch Weisungsgebundenheit gekennzeichnete Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (vgl Janda in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl 2019, § 284 RdNr 39 Stand Januar 2019) erstreckt, und der Kläger zu 2 ohne Arbeitsgenehmigung-EU tätig war, konnte er sich für einen Anspruch auf Alg II nicht auf ein durch eine vorangegangene Arbeitnehmertätigkeit begründetes Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU berufen. Insofern entfaltet § 13 FreizügG/EU aufenthaltsrechtliche Bedeutung in denjenigen Fallgestaltungen, in denen sich die Freizügigkeitsberechtigung eines Staatsangehörigen aus dem Arbeitnehmerstatus ableitet (vgl Kurzidem in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 29. Edition, § 13 FreizügG/EU RdNr 10, Stand Januar 2021; zur Geltung des FreizügG/EU im Übrigen für Unionsbürger aus Beitrittsstaaten und ihre Familienangehörigen BT-Drucks 18/6284 S 36). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU entbehrlich war, weil der Kläger zu 2 einer iS von § 288 Abs 1 SGB III iVm der Verordnung über das Verfahren und die Zulassung von im Inland lebenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung vom 22.11.2004 (BGBl I 2934, BeschVerfV, gültig bis 30.6.2013) oder der nachfolgenden Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern vom 6.6.2013 (BGBl I 1499, BeschV, gültig ab 1.7.2013) genehmigungsfreien Tätigkeit nachgegangen ist.
Diese Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit aufgrund von nationalem Recht unter Berücksichtigung von in Beitrittsverträgen bzw den Beitrittsakten geregelten Übergangsbestimmungen begegnen keinen europarechtlichen Bedenken. Eine Vorlage an den EuGH nach Art 267 AEUV ist nicht geboten. Der EuGH hat bereits mit Urteil vom 13.9.2018 in der Rechtssache Prefeta (C-618/16 - EU:C:2018:719) bezogen auf die auf hier bedeutsame materielle Freizügigkeitsberechtigung als vormaliger Arbeitnehmer nach Art 7 Abs 3 RL 2004/38/EG(= § 2 Abs 3 FreizügG/EU) und die insoweit inhaltsgleichen Übergangsbedingungen der Beitrittsakte von 2003 nach Maßgabe des Vertrages vom 16.4.2003 (BGBl II 2003, 1408) entschieden. Danach war es den Alt-Mitgliedstaaten erlaubt, einen Staatsangehörigen eines neuen Mitgliedstaats, der ein innerstaatliches Erfordernis einer registrierten (erlaubten) Erwerbstätigkeit von zwölf Monaten während der Übergangszeit nicht erfüllte, durch nationale Regelungen nicht nur von dem Arbeitsmarktzugang, sondern auch von der nachgehenden Freizügigkeitsberechtigung von sechs Monaten nach Art 7 Abs 3 RL 2004/38/EG auszunehmen. Im Sinne der Übergangsbestimmungen zu den Beitrittsverträgen sei eine Trennung der nachgehenden Freizügigkeitsberechtigung von den unmittelbar den Arbeitsmarktzugang einschränkenden Bestimmungen nicht möglich. Art 7 Abs 3 RL 2004/38/EU betreffe Situationen, in denen wegen der Einbindung der Arbeitsverwaltung innerhalb eines angemessenen Zeitraums mit der Wiedereingliederung des Unionsbürgers in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats gerechnet werden könne. Ein solches Aufenthaltsrecht könne der Zielsetzung, eine sofortige "beträchtliche" Zuwanderung und mögliche Störungen des Arbeitsmarktes zu verhindern, zuwiderlaufen (vgl EuGH vom 13.9.2018 aaO RdNr 35 ff), weshalb - wie auch von § 13 FreizügG/EU umgesetzt - bereits der Erhalt der Erwerbstätigeneigenschaft und das dem folgende Aufenthaltsrecht ausgeschlossen werden könne.
Entgegen der Auffassung der Beigeladenen spielt diesbezüglich - anders als im Rahmen von § 8 Abs 2 SGB II(vgl hierzu bereits 2.a) - keine Rolle, dass dem Kläger zu 2 ggf "fiktiv" eine Arbeitsgenehmigung-EU hätte erteilt werden können. Bereits der Wortlaut von § 13 FreizügG/EU aF stellt allein auf das tatsächliche Vorliegen einer solchen Arbeitsgenehmigung-EU ab.
cc) Die Kläger konnten sich in dem streitigen Zeitraum auch nicht auf andere Aufenthaltsrechte berufen. Zutreffend hat das LSG ein Daueraufenthaltsrecht der Kläger nach § 2 Abs 2 Nr 7 iVm § 4a Abs 1 Satz 1 FreizügG/EU verneint, weil sich die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 seit September bzw Oktober 2009 und die Klägerinnen zu 3 und 4 seit dem Jahr 2013 und damit in dem hier streitigen Zeitraum noch nicht fünf Jahre im Bundesgebiet aufhielten.
Es bestand auch kein (abgeleitetes) Aufenthaltsrecht aus Art 10 der Verordnung (EU) Nr 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.4.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (VO ≪EU≫ Nr 492/2011, ABl EU Nr L 141, 1). Dieses setzt einen Schulbesuch desjenigen Kindes voraus, von dem die die tatsächliche Sorge wahrnehmenden Eltern ggf ihr Aufenthaltsrecht ableiten können (vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - BSGE 120, 139 = SozR 4-4200 § 7 Nr 46, RdNr 30 ff; BSG vom 27.1.2021 - B 14 AS 42/19 R - RdNr 15 und BSG vom 27.1.2021 - B 14 AS 25/20 R - RdNr 17, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, jeweils mit Verweis auf EuGH vom 6.10.2020 - C-181/19 - EU:C:2020:794 = ZESAR 2021, 43). Die Klägerin zu 3, die allein den Klägern ein solches Aufenthaltsrecht potentiell vermitteln konnte, ist ausweislich der Feststellungen des LSG erst zum 1.8.2014 und damit nach dem hier streitigen Zeitraum eingeschult worden.
dd) Ein Ausschluss der Kläger gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II aF von Leistungen nach dem SGB II ist europarechtskonform (vgl BSG vom 17.3.2016 - B 4 AS 32/15 R - RdNr 16 mwN). Art 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) steht nicht entgegen, weil Rumänien kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens ist.
Dem Ausschluss von Alg II bzw Sozialgeld steht auch Verfassungsrecht nicht entgegen. Dieser ist mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip schon deshalb vereinbar, weil für die Kläger grundsätzlich Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII durch die zuständige Sozialhilfeträgerin in Betracht kommen.
3. Die Kläger haben Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach dem SGB XII. Nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII (in der bis 28.12.2016 gültigen Fassung) kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist.
Einem etwaigen Anspruch der Kläger steht zunächst nicht der Leistungsausschluss des § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII idF des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 (BGBl I 3155) entgegen. Dem Gesetz lässt sich nicht entnehmen, dass es sich eine Geltung für die Zeit vor seinem Inkrafttreten am 29.12.2016 beimisst (vgl BSG vom 21.3.2019 - B 14 AS 31/18 R - RdNr 22).
Hinsichtlich der nach § 18 Abs 1 SGB XII (Kenntnisgrundsatz) erforderlichen Kenntnis der beigeladenen Sozialhilfeträgerin ist auf die dieser zuzurechnende Kenntnis des Beklagten zu verweisen (vgl BSG vom 12.9.2018 - B 14 AS 18/17 R - RdNr 35). Diese der Beigeladenen zuzurechnende Kenntnis ist dem Beklagten durch den Antrag der Kläger auf Leistungen nach dem SGB II vom 23.12.2013 vermittelt worden. Da das SGB XII im Anwendungsbereich des Kenntnisgrundsatzes - anders als zB § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II - eine Antragsrückwirkung auf den Monatsersten nicht vorsieht, können nach dem SGB XII zu erbringende Leistungen erst - wie von den Klägern beantragt - am 23.12.2013 einsetzen. Die Kläger erfüllten darüber hinaus ebenfalls - wie in Bezug auf die Leistungen nach dem SGB II bereits ausgeführt - nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG auch die Leistungsvoraussetzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 19 Abs 1, § 27 Abs 1 SGB XII.
Ausgehend von den Feststellungen des LSG liegt eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG ist das Ermessen der Sozialhilfeträgerin dem Grunde und der Höhe nach hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt im Regelfall auf Null reduziert, wenn sich das Aufenthaltsrecht des ausgeschlossenen Ausländers verfestigt hat. Dies ist regelmäßig ab einem sechsmonatigen tatsächlichen Aufenthalt in Deutschland, der von der Ausländerbehörde faktisch geduldet wird, der Fall (vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 53; BSG vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 47 RdNr 45; BSG vom 9.8.2018 - B 14 AS 32/17 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 57 RdNr 42; BSG vom 21.3.2019 - B 14 AS 31/18 R - RdNr 31).
Die Kläger zu 1 und 2 hielten sich seit September bzw Oktober 2009, die Klägerin zu 4 seit ihrer Geburt im Mai 2013 und damit jeweils mehr als sechs Monate im Bundesgebiet auf. Tatsächliche Hinweise darauf, dass von einer Ermessensreduzierung trotz des Zeitablaufs ausnahmsweise abzusehen ist, sind den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Derartige Umstände können insbesondere vorliegen, wenn die tatsächlichen Lebensumstände des Unionsbürgers darauf schließen lassen, dass er nicht auf Dauer im Inland verweilen wird. Gleiches gilt, wenn die Ausländerbehörde bereits konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet hat (vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 58-59). Dafür gibt es vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte.
Im Falle der Klägerin zu 3, die sich nach den Feststellungen des LSG seit November 2013 im Bundesgebiet aufhält, folgt die Ermessensreduzierung auf Null aus dem von ihren Eltern, den Klägern zu 1 und 2, abgeleiteten verfestigten Aufenthalt. Ebenso ist ihr aus der Schutzpflicht des Staats aus Art 6 GG hergeleiteter Anspruch auf Ermöglichung bzw Aufrechterhaltung des familiären Bezugs zu beiden Elternteilen (vgl bereits in anderem Zusammenhang BSG vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 35) insoweit zu berücksichtigen. Auch in ihrem Fall sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die zuständige Ausländerbehörde bereits konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet hatte.
Fundstellen
NZS 2022, 34 |
SGb 2021, 498 |
SGb 2022, 115 |
info-also 2021, 282 |