Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den ihr vom Kläger in Rechnung gestellten vollen Pflegesatz um den von einer Versicherten nicht gezahlten Kostenanteil i.S. des § 184 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) kürzen darf.
Die bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte J… K… ist im Januar 1983 in dem vom Kläger unterhaltenen Landeskrankenhaus H… stationär behandelt worden. Sie hat auch nach mehrmaliger schriftlicher Aufforderung durch den Kläger den gemäß § 184 Abs. 3 RVO auf sie entfallenden Anteil der Behandlungskosten nicht gezahlt.
Der Kläger hat danach der Beklagten die Pflegekosten in voller Höhe in Rechnung gestellt. Diese hat jedoch den Zahlungsbetrag um den Zuzahlungsbetrag der Versicherten - 70 DM - gekürzt. Der Kläger meint, er sei nur Empfangsberechtigter des Versichertenkostenanteils, jedoch nicht zu dessen Einziehung verpflichtet. Da die Versicherte trotz Mahnung nicht gezahlt habe, dürfe er nunmehr von der Beklagten die gesamten Pflegekosten fordern. Die Beklagte hat die Zahlung mit der Begründung verweigert, bezüglich des Versichertenkostenanteils sei nur der Kläger anspruchsberechtigt; er könne sich auch nicht bei der Beklagten schadlos halten, wenn der Versicherte nicht zahle.
Das Amtsgericht Hamburg hat die zunächst bei ihm erhobene Klage auf Zahlung des vorgenannten Betrages an das Sozialgericht (SG) verwiesen. Das SG Kiel hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Krankenhaus sei nicht Gläubiger, sondern lediglich Zahlstelle für den Betrag nach § 184 Abs. 3 RVO. Sein Anspruch auf die vollen Pflegekosten werde dadurch nicht gemindert.
Hiergegen richtet sich die Sprungrevision der Beklagten. Sie hält die Rechtsauffassung des SG für unzutreffend. Nach der Zielsetzung des § 184 Abs. 3 RVO sei der Krankenhausträger allein anspruchsberechtigt. Aber selbst wenn die Krankenkasse im Verhältnis zum Versicherten als anspruchsberechtigt anzusehen sei, könne der Kläger im Innenverhältnis zur Beklagten die Zahlung des Pflegesatzes in Höhe des Zuzahlungsbetrages nicht beanspruchen, weil die Beklagte befugt sei, mit einem Schadenersatzanspruch aufzurechnen, der ihr aus der Nichtbeitreibung des Zuzahlungsbetrages durch den Kläger entstanden sei.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 22. Februar 1984 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Sprungrevision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
II.
Die kraft Zulassung statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Sprungrevision der Beklagten führt zur Zurückverweisung der Sache an die Tatsacheninstanz; der Senat hält die Zurückverweisung an das Landessozialgericht (LSG) für zweckmäßig (§ 170 Abs. 4 SGG).
Das SG hat zutreffend die Versicherte nicht gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen. Denn die Beteiligten streiten nur darüber, ob der Kläger den vollen Pflegesatz beanspruchen darf, nachdem die Versicherte den Kostenanteil i.S. des § 184 Abs. 3 RVO nicht gezahlt hat. Der Streit betrifft damit weder den Grund noch die Höhe der Leistungspflicht des Versicherten, sondern nur das Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsträger und dem Krankenhaus. An der Entscheidung darüber ist die Versicherte nicht derart beteiligt, daß die Entscheidung über den von ihr aufzubringenden Kostenanteil nur einheitlich ergehen könnte.
Das SG hat ferner zutreffend den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit bejaht, weil hier eine gemäß § 52 Abs. 2 SGG bindende Rechtswegverweisung durch das Amtsgericht Hamburg erfolgt ist. Außerdem handelt es sich bei der Geltendmachung der Pflegekosten durch den Krankenhausträger auch um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der Sozialversicherung (§ 51 SGG).
Da, wie aus §§ 371 ff. RVO folgt, die Rechtsbeziehungen zwischen den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung und den Krankenhausträgern vertraglich zu regeln sind, stehen sich die Beteiligten bei Streitigkeiten, die sich zwischen ihnen im Zusammenhang mit Leistungen der Krankenhauspflege und der Abrechnung der Pflegeleistungen ergeben, gleichberechtigt gegenüber, so daß ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Der Kläger hat deshalb seinen Zahlungsanspruch zutreffend im Wege einer sogenannten echten Leistungsklage i.S. des § 54 Abs. 5 SGG geltend gemacht.
Der Rechtsstreit ist jedoch noch nicht entscheidungsreif. Ob der vom Kläger geltend gemachte Anspruch bereits fällig ist, kann erst nach der Nachholung weiterer tatsächlicher Feststellungen beurteilt werden. Der Anspruch des Klägers richtet sich nicht, wie das SG meint, nach § 184 Abs. 3 RVO (i.d.F. durch Art. 19 Nr. 13 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20. Dezember 1982 -BGBl I 1837-). In dieser Vorschrift ist lediglich bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Versicherte die Zuzahlung aufzubringen und an wen er sie zu bewirken hat; mit ihr sollte nach der Begründung des Entwurfes (BT-Drucks 9/2074 S. 99, zu Nr. 5) zunächst nur die Stabilisierung der Beitragssätze erreicht werden. Deshalb war im Entwurf auch die Zahlung des Versichertenkostenanteils an die leistungspflichtige Krankenkasse vorgesehen. Demgegenüber hatte der Haushaltsausschuß des Bundestages empfohlen, die Zuzahlung des Versicherten unmittelbar an das Krankenhaus entrichten zu lassen; er hat dies wegen der aus sozialpolitischen Gründen der Verdeutlichung für zweckmäßig angesehenen Fälligstellung des Versichertenkostenanteils zu Beginn der Krankenhauspflege für erforderlich gehalten, jedoch zugleich hervorgehoben, daß die Entrichtung des Versichertenkostenanteils an das Krankenhaus dessen Anspruch gegen die Krankenkasse auf den jeweils zu zahlenden (vollen) Pflegesatz nicht berühren sollte (BT-Drucks 9/2283, S. 68 und 9/2290). Demgemäß handelt es sich sowohl nach dem Wortlaut als auch nach der Zielsetzung des § 184 Abs. 3 RVO bei dieser Regelung weder um eine "bloße Inkassovollmacht" für das Krankenhaus (so Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl., Stand April 1983, Anm. 19.3 zu § 184 RVO) noch um die Begründung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Versichertem und Krankenhaus mit befreiender Wirkung für die Krankenkasse hinsichtlich des vom Versicherten zu tragenden Kostenanteils (so Meydam, BlStSozArbR 1983, 102). Geregelt wird vielmehr allein die Verpflichtung des Versicherten, unter bestimmten Voraussetzungen einen bestimmten Teil der Kosten selbst aufzubringen und diesen bei Beginn der Krankenhauspflege an das Krankenhaus zu zahlen, das zur Annahme verpflichtet ist. Die Vorschrift enthält hingegen keine Regelung über die Rechtsbeziehungen zwischen dem Krankenhausträger und der Krankenkasse bezüglich der Auswirkungen der Zahlung oder Nichtzahlung des Versichertenkostenanteils. Die Ausgestaltung dieser Rechtsbeziehungen hat vielmehr gemäß § 372 Abs. 2 Nr. 1a RVO in dem zwingend vorgeschriebenen Rahmenvertrag i.S. des § 372 RVO zu erfolgen. Diese Vorschrift ist eine Blankettnorm, die die Krankenkassenverbände - mit bindender Wirkung für die Mitgliedskassen - und die Krankenhausträger verpflichtet, verbindliche vertragliche Regelungen über die Art und Weise der öffentlich-rechtlichen Leistungsgewährung im Bereich der Krankenhauspflege zu treffen. Die Rahmenverträge müssen - soweit hier von Bedeutung - auch eine Regelung Wer die Abrechnung der Zuzahlung des Versicherten enthalten (§ 372 Abs. 2 Nr. 1a RVO). Dabei ist der Begriff der Abrechnung im Hinblick auf die Zielsetzung des § 372 RVO, Art und Umfang der Krankenhauspflege insgesamt einer Regelung in den Rahmenverträgen zu unterwerfen, weit abzugrenzen. Die Vorschrift eröffnet den Vertragspartnern die Möglichkeit der freien Gestaltung des Abrechnungsverfahrens, wobei allerdings die in § 184 Abs. 3 RVO geregelte Pflicht des Versicherten zur Leistung an das Krankenhaus nicht geändert werden darf. Durch die Bestellung des Krankenhauses zum Empfänger des vom Versicherten gemäß § 184 Abs. 3 RVO aufzubringenden Kostenanteils wird weder der Anspruch des Versicherten auf die Sachleistung "Krankenhauspflege" noch der Anspruch des Krankenhauses auf den vollen Pflegesatz gemindert. Vielmehr überlagert die sich aus § 184 Abs. 3 RVO ergebende Leistungspflicht des Versicherten nur die Verpflichtung der Krankenkasse zur Bezahlung des Pflegesatzes. Bei fristgerechter Zahlung des Versicherten - Kostenbeitrages könnte nach dem Vertrag der Anspruch des Krankenhauses auf den dem Zuzahlungsbetrag entsprechenden. Teil des Pflegesatzes durch Erfüllung infolge der Drittleistung der Versicherten i.S. des § 267 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erlöschen. Zahlt der Versicherte hingegen seinen Kostenanteil nicht fristgerecht, so könnte der Vertrag die Fälligkeit des entsprechenden Pflegekostenanteils infolge der Bestellung des Krankenhauses zum Empfänger dieser Leistung hinausschieben. Deshalb muß der in § 372 Abs. 2 Nr. 1a RVO vorgeschriebene Rahmenvertrag nicht nur eine Regelung über die Abrechnung der vom Versicherten tatsächlich gezahlten Beträge treffen, sondern vor allem auch darüber enthalten, in welchem Umfange und auf wessen Kosten das Krankenhaus verpflichtet ist, den Versicherten zur Entrichtung seiner Zuzahlung zu veranlassen.
Das SG hätte daher in erster Linie prüfen müssen, wie der für die Beklagte zuständige Landesverband mit dem Kläger in dem von ihnen abzuschließenden Rahmenvertrag i.S. des § 372 Abs. 2 Nr. 1a RVO die Art und Weise der Abrechnung der Zuzahlung des Versicherten gemäß § 184 Abs. 3 RVO geregelt haben. Erst wenn feststeht, daß der Kläger die ihm nach dem Vertrage obliegende Pflicht zur Bewirkung der Zahlung des Versichertenkostenanteils erfüllt hat, wäre möglicherweise sein Anspruch auf den Pflegekostensatz in Höhe des Versichertenkostenanteils fällig.
Sollten der für die Beklagte zuständige Landesverband und der Kläger einen Vertrag i.S. des § 372 Abs. 2 Nr. 1a RVO noch nicht geschlossen haben - was einer Nichterfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung der Landesverbände und der Krankenkassen gleichkäme - würde das LSG zu prüfen haben; ob die Beklagte die Erfüllung des vom Kläger erhobenen Anspruchs in Höhe des Kostenanteils des Versicherten solange verweigern darf, wie das Krankenhaus der ihm im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Pflegegewährungsverhältnisses als Nebenpflicht obliegende Mitwirkung bei der Abwicklung der Zuzahlung des Versicherten gemäß § 184 Abs. 3 RVO nicht voll erfüllt hat. Diese Pflicht würde zumindest darin bestehen, daß das Krankenhaus den Versicherten in Verzug setzt. Eine weitergehende, insbesondere mit Kosten verbundene zwangsweise Durchsetzung des Versichertenkostenanteils hätte das Krankenhaus jedoch im Hinblick auf die aus der Zielsetzung des § 184 Abs. 3 RVO abzuleitende begrenzte Mitwirkungspflicht nicht.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 518501 |
NJW 1985, 699 |