Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Regelbedarf. Höhe bei gemischter Bedarfsgemeinschaft mit Leistungen nach dem AsylbLG beziehendem Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
Lebt ein nach dem Sozialgesetzbuch II (juris: SGB 2) Leistungsberechtigter in Bedarfsgemeinschaft mit einer nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (juris: AsylbLG) leistungsberechtigten Person, steht ihm jedenfalls im Jahr 2014 der Regelbedarf für Personen in Bedarfsgemeinschaft zu.
Normenkette
SGB 2 § 20 Abs. 2 S. 1 Fassung: 2011-05-13, Abs. 4 Fassung: 2011-05-13, § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a; AsylbLG § 3 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1997-05-26
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. September 2016 und des Sozialgerichts Duisburg vom 8. Dezember 2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtstreit geht um die Frage, ob dem Kläger als Leistungsberechtigtem nach dem SGB II, der mit einer Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG in Bedarfsgemeinschaft lebt, für September 2014 Leistungen in Höhe des Regelbedarfs für einen alleinstehenden Leistungsberechtigten (Regelbedarfsstufe 1: 391,00 Euro) oder in Höhe des Regelbedarfs für eine volljährige Person in Bedarfsgemeinschaft (Regelbedarfsstufe 2: 353,00 Euro) zustehen.
Der 1950 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und bezog bis 31.7.2012 Leistungen nach dem AsylbLG. Seit 1.8.2012 steht er im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er wohnte 2014 mit der Familie in einem Übergangswohnheim. Die Ehefrau des Klägers besaß eine Duldung und bezog im September 2014 Leistungen nach § 3 AsylbLG. Die Stadt H bewilligte ihr eine Grundleistung von 326,00 Euro zuzüglich Kosten der Unterkunft (Bescheid vom 21.8.2014), hiervon sind ihr 126,00 Euro in bar ausbezahlt und im Übrigen Wertgutscheine ausgegeben worden.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs von 353,00 Euro auch für September 2014 (Bescheid vom 10.7.2014). Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, die Zahlung der Leistung nach Regelbedarfsstufe 2 sei rechtswidrig, er habe Anspruch auf den Regelbedarf eines Alleinstehenden (§ 20 Abs 2 SGB II analog). Der Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22.9.2014). Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die mit einer nach § 3 AsylbLG leistungsberechtigten Person in Bedarfsgemeinschaft lebten, sei der Regelbedarf für volljährige Partner in Bedarfsgemeinschaft zu leisten. Ausgelöst durch das Urteil des BVerfG vom 18.7.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2) hätten Asylbewerber nach § 3 AsylbLG seit dem 1.1.2011 Anspruch auf Leistungen, die sich der Höhe nach nur unwesentlich von den Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII unterschieden. Die Bedarfe seien nach den Vorschriften des § 20 Abs 2 Satz 1, Abs 5 SGB II aF iVm der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs 5 SGB II berechnet.
Das SG hat den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 26.6.2014 bis zum 30.11.2014 weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 38,00 Euro monatlich zu zahlen (Urteil vom 8.12.2015). Der Kläger habe Anspruch auf die Gewährung des Regelbedarfs für Alleinstehende (§ 20 Abs 2 Satz 1 SGB II analog). Dem Kläger sei weder in direkter noch in analoger Anwendung von § 20 Abs 4 SGB II der Regelbedarf für Partner in Bedarfsgemeinschaft zu zahlen (unter Hinweis auf: Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 171/10 R - BSGE 109, 176 = SozR 4-4200 § 20 Nr 16). Hieran habe sich durch die Entscheidung des BVerfG vom 18.7.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2) nichts geändert.
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Der Beklagte hat gegen das Urteil des SG Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, worauf das LSG die Berufung zugelassen und das Berufungsverfahren fortgeführt hat (Beschluss vom 18.3.2016). In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat der Kläger die Klage betreffend den Monat November 2014 zurückgenommen. Darüber hinaus haben die Beteiligten folgenden gerichtlichen Vergleich geschlossen: |
"1. |
Der Beklagte verpflichtet sich, den Bescheid vom 10.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 betreffend den Leistungszeitraum vom 26.06.2014 bis zum 31.08.2014 und vom 01.10.2014 bis zum 31.10.2014 ohne Berufung auf die Präklusionsfrist der §§ 40 Abs. 1 S. 2 SGB II, 44 SGB X zu überprüfen und bei der Überprüfung den im rechtskräftigen Urteil im Rechtsstreit L 19 AS 577/16 festgestellten Regelbedarf für September 2014 zugrunde zu legen. |
2. |
Die Kostenentscheidung folgt der Kostenentscheidung in dem rechtskräftigen Urteil. |
3. |
Die Beteiligten betrachten damit den Rechtsstreit betreffend die Leistungszeiträume vom 26.06.2014 bis zum 31.08.2014 und vom 01.10.2014 bis zum 31.10.2014 als erledigt." |
Im Übrigen, dh wegen der Leistung für September 2014, hat das LSG die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 19.9.2016). § 20 Abs 4 SGB II erfasse nur die Konstellation, dass beide volljährige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft dem Leistungssystem des SGB II unterfallen (vgl BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 171/10 R - BSGE 109, 176 = SozR 4-4200 § 20 Nr 16 zur Vorgängervorschrift). Eine Vergleichbarkeit zwischen den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und den Grundleistungen nach dem AsylbLG bestehe weiterhin nicht.
Der Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung von § 20 Abs 2 Satz 1 und Abs 4 SGB II aF. Unter Anwendung der vom BVerfG angeordneten Übergangsregelung seien die Leistungen an SGB II-Berechtigte und AsylbLG-Berechtigte der Höhe nach vergleichbar. Daher sei es beim Zusammenleben von zwei Personen aus diesen Leistungsbereichen nicht mehr erforderlich, dem nach dem SGB II leistungsberechtigten Partner den Regelsatz für einen alleinstehenden Leistungsberechtigten zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Duisburg vom 8.12.2015 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19.9.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt die Urteile von SG und LSG.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision des Beklagten ist zulässig. Die Revisionsbegründung ist zwar nicht fristgerecht beim BSG eingegangen, der Senat hat dem Beklagten aber Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist gewährt (Beschluss vom 8.3.2017; vgl § 67 Abs 4 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand der Revision ist nach dem vor dem LSG geschlossenen Vergleich nur noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für September 2014.
Für die weiteren Zeiträume, die Gegenstand des Verfahrens gewesen sind, haben die Beteiligten vor dem LSG einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, der prozessrechtlich und materiell wirksam ist. Es handelt sich bei dem geschlossenen Vergleich um einen sog Unterwerfungsvergleich (§ 54 Abs 1 SGB X). Ein solcher ist wirksam, wenn durch ihn ein Streit zwischen Beteiligten im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Vorliegend sind die Erklärungen der Beteiligten ua darauf gerichtet gewesen, die bestehende Ungewissheit über die Rechtslage (Engelmann in von Wulffen/Schütze, 8. Aufl 2014, SGB X, § 54 RdNr 10) - konkret über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen nach § 20 SGB II - teilweise beizulegen und das anhängige Gerichtsverfahren (überwiegend) zu beenden. Dies ist im Wege gegenseitigen Nachgebens geschehen.
Wegen der Kosten der Unterkunft und Heizung haben die Beteiligten in einem gesondert geschlossenen Vergleichsvertrag (§ 54 Abs 1 SGB X) prozessrechtlich und materiell wirksam eine nochmalige Überprüfung und Entscheidung vereinbart. Damit haben sie über diesen abtrennbaren Streitgegenstand (BSG vom 16.6.2015 - B 4 AS 37/14 R - SozR 4-4200 § 27 Nr 2 RdNr 12 mwN) eine abschließende Regelung getroffen, sodass auch dieser nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist.
3. Die Revision des Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Die angefochtenen Urteile des LSG und des SG sind aufzuheben. Die auf die Zahlung von weiteren 38,00 Euro für September 2014 gerichtete Anfechtungs- und Leistungsklage ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nach einem Regelbedarf für alleinstehende Leistungsberechtigte (Regelbedarfsstufe 1: 391,00 Euro) hat.
Zwar hat der Kläger auch im September 2014 dem Grunde nach die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II erfüllt (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 2 und 4 SGB II), denn er hat das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik. Er ist erwerbsfähig (§ 8 SGB II) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3, § 9 SGB II), da weder er noch seine Familienangehörigen im September 2014 über anrechenbares Einkommen oder zu berücksichtigendes Vermögen verfügten. Leistungsausschlüsse greifen zu Lasten des Klägers nicht ein.
Damit hat der Kläger Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II, während die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf (§ 21 SGB II) nach den bindenden Feststellungen des LSG nicht vorgelegen haben. Der Kläger hat analog § 20 Abs 4 und 5 SGB II iVm der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs 5 SGB II für die Zeit ab 1.1.2014 (BGBl I 2013, 3857; im Folgenden Bekanntmachung 2014) Anspruch auf eine Regelleistung nach Regelbedarfsstufe 2, also auf Zahlung von 353,00 Euro.
Denn wie das LSG festgestellt hat, lebt er mit seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft. Eine solche bilden gemäß § 7 Abs 3 Nr 3a SGB II Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben (vgl zur Heranziehung des § 7 SGB II auch im Kontext des § 20 SGB II: Behrend in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 20 RdNr 100). Der Kläger ist volljährig und mit einer ebenfalls volljährigen Frau verheiratet. Er lebt von ihr nicht dauernd getrennt und führt mit ihr einen gemeinsamen Haushalt (vgl § 8 Abs 1 Nr 2 RBEG).
Zwar hat das BSG § 20 Abs 3 SGB II (in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, das ist die unmittelbare Vorgängerregelung zu § 20 Abs 4 SGB II) dahingehend ausgelegt, dass die Vorschrift nur die Konstellation erfasse, in denen beide volljährigen Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft dem Leistungssystem des SGB II unterfallen (BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 171/10 R - BSGE 109, 176 = SozR 4-4200 § 20 Nr 16; aA Hannes in Gagel, SGB II/SGB XII, § 20 RdNr 121, 124a, Stand Juni 2017). § 20 Abs 3 SGB II aF sei auf eine Bedarfsgemeinschaft aus SGB II- und AsylbLG-Leistungsberechtigten weder unmittelbar noch analog anwendbar (BSG aaO; kritisch hierzu Bieback, jurisPR-SozR 23/2012 Anm 2). Der Gesetzgeber habe mit einem Regelsatz von jeweils 90 vH für Partner in Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II Haushaltsersparnisse berücksichtigen wollen. Das Urteil des BSG vom 6.10.2011 ist zur Rechtslage des Jahres 2006 ergangen, in der die Partner der gemischten Bedarfsgemeinschaft "ungleich wertige Existenzsicherungsleistungen erhalten" haben (so Adolph in Adolph, SGB II/ SGB XII/AsylbLG § 20 SGB II RdNr 88, Stand Januar 2017).
Diese Entscheidung des BSG kann auf die hier zu beurteilende Sach- und Rechtlage des Jahres 2014 keine Anwendung mehr finden; vielmehr ist im vorliegenden Fall der Regelsatz des Klägers durch analoge Anwendung des § 20 Abs 4 SGB II zu ermitteln. Denn die Leistungen in den beiden hier fraglichen existenzsichernden Leistungssystemen sind nach dem Urteil des BSG vom 6.10.2011 einander weitgehend angeglichen worden. Insoweit hat das BVerfG mit Urteil vom 18.7.2012 entschieden (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2), dass die bestehenden Leistungsunterschiede zwischen SGB II und AsylbLG, die 2012 etwa 35 vH betragen haben (das AsylbLG 2012 sah für den Haushaltsvorstand 224,97 Euro vor, während ein SGB II- oder SGB XII-Leistungsempfänger nach Regelbedarfsstufe 1 einen Anspruch in Höhe von 374,00 Euro hatte), nicht (mehr) mit dem GG vereinbar sind. Das BVerfG hat deshalb übergangsweise und rückwirkend ab 1.1.2011 angeordnet, dass Leistungen für Asylbewerber auf das Niveau anzuheben sind, das sich aus § 20 Abs 5 SGB II und § 27a Abs 3, § 28 SGB XII iVm den Regelbedarfsstufen des jeweils gültigen Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes (RBEG) ergibt. Durch diese Entscheidung, die Gesetzeskraft hat (§ 31 BVerfGG), ist das Leistungsniveau des AsylbLG demjenigen der anderen Bereiche der Existenzsicherung weitgehend angeglichen worden (vgl Lenze in Münder LPK-SGB II, 6. Aufl 2017, § 20 RdNr 37).
Allerdings existieren auch im hier zu beurteilenden Zeitraum Unterschiede. So werden bei der Höhe der Leistungen nach § 3 AsylbLG die Verbrauchsausgaben für die Abteilung 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und Haushaltsgegenstände; das sind Stand 2012: 27,41 Euro) nicht berücksichtigt (BVerfG, aaO, BVerfGE 132, 134 RdNr 103 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 RdNr 129). Berechtigten, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, werden diese nach der speziellen Regelung des § 3 Abs 2 Satz 4 AsylbLG gesondert erbracht, sodass der Unterschied in der Leistungshöhe ausgeglichen wird. Das BVerfG hat die Entscheidung des Gesetzgebers in § 3 Abs 2 Satz 1 AsylbLG gebilligt und insoweit angeordnet, die Regelung werde durch die Übergangsregelung nicht berührt. § 3 Abs 2 Satz 1 AsylbLG (in der ab 8.11.2006 geltenden Fassung) schreibt vor, dass die Leistungen des AsylbLG als Sachleistung, oder - soweit erforderlich - als Wertgutschein, als vergleichbare unbare Abrechnungsart oder durch Geldleistung im gleichen Wert erbracht werden können. Bereits zuvor ist durch das BVerfG schon klargestellt worden, dass der Gesetzgeber bei der Regelung von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums einen Gestaltungsspielraum hat (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, 224 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 138). Er ist ohne Verletzung von Verfassungsrecht ermächtigt zu bestimmen, ob er das Existenzminimum durch Geld- oder Sachleistungen sichert.
Trotz der aufgezeigten Unterschiede ist während der Geltungsdauer der vom BVerfG getroffenen Übergangsregelung die wesentliche Voraussetzung für einen geminderten Regelbedarf für erwachsene Leistungsberechtigte, die in Bedarfsgemeinschaft leben, erfüllt. Denn § 20 Abs 4 SGB II nimmt für Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II typisierend an, dass die betreffenden Personen durch gemeinsames Wirtschaften (aus einem Topf) Haushaltsersparnisse erzielen können (dazu BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 230 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 154; BVerfG vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353 RdNr 53 ff mwN; BSG vom 11.2.2015 - B 4 AS 27/14 R - BSGE 118, 82 = SozR 4-4200 § 21 Nr 21 mwN).
Da für gemischte Bedarfsgemeinschaften keine ausdrückliche Regelung besteht (BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 171/10 R - BSGE 109, 176 = SozR 4-4200 § 20 Nr 16), ist die Regelungslücke für den hier streitigen Zeitraum durch eine entsprechende Anwendung des § 20 Abs 4 SGB II zu schließen. Denn wie für Bedarfsgemeinschaften von SGB II-Leistungsberechtigten ist das Erzielen von Haushaltsersparnissen auch solchen Personen möglich, die in gemischter Bedarfsgemeinschaft von SGB II- und AsylbLG-Berechtigten leben (so auch Bieback in jurisPR-SozR 23/2012 Anm 2). Das Erzielen von Einsparungen im gemeinsamen Haushalt ist insbesondere nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Teil des Bedarfs der Partnerin oder des Partners als Sachleistung erbracht wird. Auch bei der Erbringung von Sachleistungen kann die Bedarfsgemeinschaft in den meisten regelbedarfsrelevanten Verbrauchen - wie zB Ernährung, Verkehr, Freizeit usw - gemeinsam wirtschaften und so Einsparungen erzielen. Werden die Sachleistungen - wie hier - durch Wertgutscheine, unbare Abrechnungsarten oder ersetzende Geldmittel erbracht, können diese ohnehin weitgehend wie Geldleistungen eingesetzt werden. Für die analoge Anwendung des § 20 Abs 4 SGB II spricht zudem der Umstand, dass die Bedarfslage von Personen in Bedarfsgemeinschaft aus einem SGB II-Leistungsberechtigten und einer nach § 3 AsylbLG berechtigten Person eher der in § 20 Abs 4 SGB II geregelten Situation als derjenigen nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II vergleichbar ist. Dies entspricht auch der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl Hannes in Gagel, SGB II/SGB III, § 20 RdNr 124 mwN, Stand Juni 2017; Bieback in jurisPR-SozR 23/2012 Anm 2; Saitzek in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 20 RdNr 18, 24; Adolph in Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 20 SGB II, RdNr 88, Stand Januar 2017; ähnlich SG Bremen vom 17.11.2016 - S 6 AS 64/14 - juris; aA die Vorinstanzen; SG Berlin vom 28.1.2016 - S 26 AS 26515/13 - juris).
Der Senat hat bei seiner Entscheidung weiter zu berücksichtigen, dass im Fall der Zuerkennung der Regelbedarfsstufe 1 an Personen wie den Kläger, die gemischten Bedarfsgemeinschaften aus SGB II- und AsylbLG-Berechtigten besser stünden, als Bedarfsgemeinschaften bestehend aus zwei Leistungsberechtigten nach dem SGB II oder dem SGB XII oder gemischt aus diesen Gruppen. Schließlich kann die hier zu entscheidende Rechtsfrage nicht differenzierend danach beantwortet werden, ob und in welchem Umfang der nach dem AsylbLG leistungsberechtigte Partner Sachleistungen, Wertgutscheine oder andere Arten von unbaren Zuwendungen erhält.
Auch in Bezug auf die absolute Höhe der dem Kläger zustehenden Regelleistung sieht der Senat keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit hat das BVerfG bereits entschieden, dass die ab 1.1.2011 nach dem SGB II iVm dem RBEG zu berechnenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Bezug auf ihre Höhe verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind (BVerfG vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34).
Der Senat lässt dahinstehen, ob diese Entscheidung auch für spätere Zeiträume, insbesondere nach Inkrafttreten weiterer Gesetzesänderungen, Geltung beanspruchen kann. Insofern sind durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 (BGBl I 390; sog Asylpaket II) die Leistungen nach dem AsylbLG wieder unter das Niveau des SGB II und des SGB XII abgesenkt worden (vgl dazu Siefert, jM 2016, 329, 331 f). Weitere für die hier vorliegende Konstellation wesentliche Änderungen dürften durch das Gesetz zur Änderung des RBEG sowie zur Änderung des SGB II und SGB XII vom 22.12.2016 (BGBl I 3159) eingetreten sein. Damit hat der Gesetzgeber zum 1.1.2017 auf die Rechtsprechung des BSG (zB BSG vom 23.7.2014 - B 8 SO 12/13 R - FEVS 68, 107) reagiert und in § 8 RBEG geregelt, dass die Regelbedarfsstufe 2 auf "jede erwachsene Person" Anwendung findet, "wenn sie in einer Wohnung mit einem Ehegatten, Lebenspartner, in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft mit einem Partner zusammenlebt" (dazu Coseriu in Jahrbuch des Sozialrechts, Band 38 ≪2017≫, 311, 312, 319).
Jedenfalls für den hier zu beurteilenden Zeitraum, in dem aufgrund der Übergangsregelung des BVerfG eine weitgehende Angleichung der Höhe von Leistungen nach dem SGB II und dem AsylbLG gegolten hat, ist § 20 Abs 4 SGB II auf gemischte Bedarfsgemeinschaften analog anzuwenden. Hiermit weicht der Senat nicht von der Entscheidung des BSG vom 6.10.2011 (B 14 AS 171/10 R - BSGE 109, 176 = SozR 4-4200 § 20 Nr 16) ab. Diese bezog sich auf die bis Ende 2010 geltende abweichende Rechtslage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 11351318 |
NJW 2018, 10 |
FEVS 2018, 457 |
InfAuslR 2018, 141 |
NDV-RD 2018, 77 |
NZS 2018, 116 |
ZfF 2018, 19 |
Breith. 2018, 959 |