Beteiligte
1. Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen |
2. Prothetik-Einigungsausschuß bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen |
1. AOK – Die Gesundheitskasse für Niedersachsen |
Niedersächsische Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales |
Tenor
Auf die Revisionen der Beklagten zu 1. und 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 1. Dezember 1999 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen fehlerhafter Prothetik.
Die Kläger sind niedergelassene Zahnärzte. In ihrer Gemeinschaftspraxis wurden im Februar 1996 einem bei der zu 1. beigeladenen AOK versicherten Patienten eine Brücke und zahlreiche Kronen eingegliedert. Da der Patient bei der Beigeladenen zu 1. über Beschwerden klagte, ließ diese die prothetische Versorgung im Rahmen des vorgesehenen Gutachterverfahrens durch den Gutachter Zahnarzt K. untersuchen, der die prothetischen Leistungen als mangelhaft beurteilte. Daraufhin beantragte die Beigeladene zu 1. bei dem Prothetik-Einigungsausschuß (PEA – Beklagter zu 2. –) die Feststellung eines Mängelanspruchs. Der PEA gab dem Mängelanspruch statt. Die der Beigeladenen zu 1. entstandenen Behandlungskosten seien von den Klägern zurückzuerstatten (Beschluß vom 1. Oktober 1997, Bescheid vom 16. Oktober 1997). Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides lautete, daß die Klage zulässig sei.
Die Kläger haben gegen den Bescheid Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben und als Beklagte die Kassenzahnärztliche Vereinigung ≪KZÄV≫ (Beklagte zu 1.) aufgeführt. Das SG hat den PEA zum Verfahren beigeladen, den Bescheid aufgehoben und den „beklagten PEA” zur Tragung der Kosten verurteilt (Urteil vom 17. Februar 1999). Es hat ausgeführt, vor Erhebung einer Anfechtungsklage sei gemäß § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Durchführung eines Vorverfahrens zwingend vorgeschrieben. Das gelte auch für die Bescheide des PEA. Zwar sei eine Widerspruchsstelle von den Partnern der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung nicht eingerichtet worden. Das könne aber nicht zu einer Umgehung des Gebotes des § 78 SGG führen. Die Kläger würden durch das Fehlen einer Widerspruchsmöglichkeit in ihren Rechten verletzt.
Die KZÄV und der PEA haben Berufungen zum Landessozialgericht (LSG) erhoben. Im Berufungsverfahren haben die Kläger ihre Klage auch gegen den PEA als Beklagten zu 2. gerichtet. Das LSG hat daraufhin dessen Beiladung aufgehoben.
Das LSG hat das Urteil des SG geändert. Es hat die Klage gegen die zu 1. beklagte KZÄV wegen Fehlens ihrer Passivlegitimation abgewiesen und die Berufung, soweit sie gegen die Aufhebung des Bescheides des Beklagten zu 2. gerichtet war, zurückgewiesen (Urteil vom 1. Dezember 1999). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig. Bestehe keine Widerspruchsstelle, so müsse trotz der Regelung des § 78 Abs 1 SGG eine Klage im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) statthaft sein. Die für die vertragszahnärztliche Versorgung im Primärkassenbereich maßgeblichen Vertragspartner, also die Primärkassen bzw ihre Verbände sowie die KZÄV, seien für die Konstituierung einer Widerspruchsstelle zuständig, die gegen Entscheidungen des PEA angerufen werden könne. Ihre Zuständigkeit ergebe sich zwar weder aus § 106 Abs 4 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) noch aus § 4 Abs 2 Satz 1 der Anlage 12 zum Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z). Sie folge jedoch aus einer ungeschriebenen Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs. Das Verfahren vor dem PEA sei erst dann vollständig geregelt, wenn der zwingenden Vorgabe des § 78 Abs 1 SGG durch Einrichtung einer Widerspruchsstelle genügt sei. Bis zu deren Errichtung bestehe auch keine Zuständigkeit des für Wirtschaftlichkeitsprüfungen zuständigen Beschwerdeausschusses. Einer fristgerechten Klageerhebung stehe nicht entgegen, daß diese erst später ausdrücklich auf den PEA erstreckt worden sei. Die Klage sei auch begründet. Die Kläger hätten ein Recht auf Überprüfung in einem Widerspruchsverfahren, das eine weitere Instanz darstelle und in dem die Überprüfung teilweise intensiver als im gerichtlichen Verfahren erfolgen könne, da sie in Bereichen mit Ermessens- und Beurteilungsspielräumen nicht beschränkt sei. Solange aber keine Widerspruchsstelle eingerichtet und ihr Verfahren nicht geregelt sei, fehle es an einer dem Gesetz entsprechenden Regelung insgesamt. Dies mache auch das Verfahren des PEA und dessen Entscheidung fehlerhaft, so daß diese aufzuheben gewesen sei.
Mit den vom LSG zugelassenen Revisionen wenden sich die Beklagten zu 1. und 2. gegen das Urteil des LSG, soweit dieses die vom SG ausgesprochene Aufhebung des Bescheides des Beklagten zu 2. hat bestehen lassen. Auch die von der Beklagten zu 1. eingelegte Revision sei zulässig, da sie materiell beschwert sei, denn sie trage hinsichtlich der Tätigkeit des PEA eine Aufgabenmitverantwortung. In der Sache sei das Berufungsurteil unzutreffend. Ihm liege eine falsche Anwendung der §§ 77 ff SGG und des § 62 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zugrunde. Für verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen könne sich eine Grundlage nur aus Art 84 Abs 1 GG und nicht aus Art 74 Abs 1 Nr 1 GG ergeben. Dementsprechend lasse sich die Forderung nach Schaffung eines Widerspruchsverfahrens nur auf § 62 SGB X bzw § 79 Verwaltungsverfahrensgesetz und nicht auf die direkte Anwendung des SGG bzw der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) stützen. § 62 SGB X schreibe aber keinen bestimmten Behördenaufbau vor, setze vielmehr dessen Bestehen voraus. Als Widerspruchsstelle komme – entgegen der Auffassung des LSG – auch der PEA selbst in Betracht, wie dieser es seit dem erstinstanzlichen Urteil in seinen Rechtsbehelfsbelehrungen zugrunde lege. Die früheren Hinweise auf die Möglichkeit direkter Klagen zum SG – wie auch in der Belehrung praktiziert, die dem angefochtenen Bescheid beigefügt gewesen sei – seien nur Folge eines 1994 ergangenen anderslautenden LSG-Urteils gewesen. Im übrigen könne auch gänzlich auf ein Widerspruchsverfahren verzichtet werden. Eine Pflicht zu seiner Einführung lasse sich Art 19 Abs 4 Satz 1 GG nicht entnehmen. Solle dennoch eine Widerspruchsstelle eingerichtet werden, so liege die Zuständigkeit dafür entgegen der Auffassung des LSG nicht bei den niedersächsischen Vertragsparteien. Ein Sachzusammenhang mit der durch § 4 Abs 2 Satz 1 der Anlage 12 zum BMV-Z eingeräumten Zuständigkeit bestehe nicht. Diese Vorschrift ermächtige nur zu Verfahrensregelungen, nicht aber auch zur – davon zu trennenden – Schaffung weiterer Gremien mit Behördenqualität. Eine Kompetenz hierzu ergebe sich weder aus dem SGB V noch aus §§ 77 ff SGG. Vielmehr obliege es den Bundes-Vertragsparteien – dh der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen (KKn), die durch § 4 Abs 2 Satz 1 der Anlage 12 zum BMV-Z den PEA konstituiert hätten –, auch eine Widerspruchsstelle zu schaffen. Solange diese fehle, sei entgegen der Auffassung des LSG nicht etwa die Tätigkeit des PEA rechtswidrig, denn die Kompetenz zu deren Schaffung bedeute nicht auch eine entsprechende Pflicht. Auch der Bürger habe kein Recht auf einen bestimmten Behördenaufbau. Im Ergebnis jedenfalls sei die Klage auch ohne vorheriges Widerspruchsverfahren zulässig. In der Sache sei sie aber abzuweisen, weil der angefochtene Regreßbescheid rechtmäßig sei. Den Revisionen sei schon aus diesen Gründen stattzugeben.
Selbst wenn dieser Auffassung nicht gefolgt werde, sei das angefochtene Urteil aufzuheben; denn dem LSG seien Verfahrensfehler anzulasten. Es hätte den Beteiligten Gelegenheit geben müssen, noch während des Gerichtsverfahrens ein eventuell fehlendes Widerspruchsverfahren nachzuholen. Jedenfalls hätte es den angefochtenen Bescheid nicht ohne Sachprüfung aufheben dürfen, zumal es früher bei ohne Vorverfahren erhobenen Klagen in die Sachprüfung eingetreten sei. Das LSG habe auch keine Rücksicht darauf genommen, daß seit dem Jahr 2000 ein Vertragsentwurf der niedersächsischen Vertragsparteien vorliege, der die Schaffung eines zweiten PEA mit der Funktion einer Widerspruchsstelle vorsehe. Das LSG hätte ferner nicht hinnehmen dürfen, daß die Kläger im Berufungsverfahren ihre Klage auf den PEA erstreckten. Dieses Vorgehen überschreite die Befugnisse von Berufungsbeklagten, hätte nämlich eine Anschlußberufung erfordert, die nicht eingelegt worden sei. Eine Auslegung als Anschlußberufung hätte das LSG in der Verhandlung ansprechen müssen, um Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Für diesen Fall hätte die KZÄV als zunächst einzige Beklagte ihre Berufung möglicherweise zurückgenommen, um einer Klageerweiterung die Grundlage zu nehmen. Das LSG habe ferner die vom SG vorgenommene Beiladung des PEA nicht einfach aufheben dürfen. Damit habe es seinem – des PEA – Berufungsvorbringen den Boden entzogen, mit dem er beanstandet habe, vom SG verurteilt worden zu sein, obgleich er dort nur beigeladen gewesen sei. Zudem sei die Aufhebung von Beiladungen nur bei Fehlen der Beteiligungsfähigkeit oder der Interessenberührung zulässig. Die Beiladung des zu 2. beigeladenen Landes sei mangels Interessenberührung rechtswidrig gewesen, so daß das LSG sie hätte aufheben müssen.
Die Beklagten beantragen,
Die Kläger und die zu 1. beigeladene AOK stellen keine Anträge.
Nach Auffassung des zu 2. beigeladenen Landes, das ebenfalls keinen Antrag stellt, kann den vorinstanzlichen Urteilen nicht gefolgt werden. Das Ergebnis, daß Mängelregresse nicht durchgesetzt werden könnten, wäre allenfalls vertretbar, wenn – was aber nicht der Fall sei – das Fehlen der Widerspruchsstelle den regreßberechtigten KKn(-Verbänden) zuzurechnen wäre. Zur Schaffung eines Widerspruchsverfahrens und einer Widerspruchsstelle seien die Vertragsparteien auf Landesebene durch § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z von den Bundes-Vertragsparteien ermächtigt. Bis zu einer solchen Regelung könne der PEA selbst über die Widersprüche entscheiden. Der Klage mangels Regelung eines Widerspruchsverfahrens stattzugeben, sei jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem ein Interessenausgleich zwischen den Zahnärzten auf der einen und den KKn auf der anderen Seite gefordert sei, unvertretbar. Folge davon wäre, daß der jeweils beim PEA unterlegene Teil erfolgreich Klage erheben könne.
Im übrigen sei die Revision der Beklagten zu 1. unzulässig, weil sie weder im Urteil des LSG noch in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zugelassen worden sei.
II
Die Revisionen der Beklagten zu 1. und 2. haben iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG Erfolg.
Auch die von der zu 1. beklagten KZÄV eingelegte Revision ist zulässig. Sie ist ungeachtet dessen, daß das LSG die Klage, soweit diese gegen sie gerichtet war, abgewiesen hat, durch das Berufungsurteil materiell beschwert. Denn der Bescheid des PEA – und mithin auch seine Aufhebung durch das SG und die insoweit bestätigende Entscheidung des LSG – betrifft die KZÄV in ihrer Mitverantwortung, die sie für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung trägt, und wirkt gestaltend auf die Rechtsbeziehungen zwischen ihr, den KKn(-Verbänden) und dem Vertragszahnarzt ein (so schon Urteil des Senats vom 18. Februar 1986, BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 4).
Auf die Revisionen der Beklagten war das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Dieses hat den Beteiligten Gelegenheit zu geben, ein Widerspruchsverfahren nachzuholen.
Die von den Beklagten erhobenen formellen Rügen greifen, sofern ihnen überhaupt Bedeutung für das Verfahren zukommt, nicht durch. Das gilt zunächst für den Einwand, im Verhältnis zum Beklagten zu 2. (PEA) fehle es an einer zulässigen Klage. Die im Berufungsverfahren vorgenommene Erstreckung der Klage auf den PEA, den das SG nur beigeladen hatte, war wirksam. Dem steht nicht entgegen, daß die Klagefrist schon abgelaufen war. Denn Klagen können auch noch nach Fristablauf auf die Behörde erstreckt werden, die den Verwaltungsakt erlassen hatte, sofern der Verwaltungsakt schon in der fristgerecht erhobenen Klage eindeutig bezeichnet war (BVerwG DVBl 1993, 563). Im vorliegenden Fall war die Klage gegen „den Bescheid der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen Prothetik-Einigungsausschuß vom 1. Oktober 1997” gerichtet. Damit war von vornherein erkennbar, daß – ungeachtet der Angabe der KZÄV als Beklagter – der PEA als der richtige Beklagte anzusehen war, der vom SG demgemäß auch zur Kostentragung verurteilt worden ist (zu dessen Beteiligtenfähigkeit s BSG SozR 1500 § 70 Nr 3; BSG, Urteil vom 21. November 1986, USK 86217).
Die Zulässigkeit der Klage gegen den PEA scheitert auch nicht etwa daran, daß die Klageerstreckung seiner Zustimmung bedurft hätte. Die Erweiterung einer Klage auf andere Beklagte ist im sozialgerichtlichen Verfahren auch noch in der Berufungsinstanz zulässig, ohne daß deren Zustimmung erforderlich ist (Pawlak in Hennig, SGG, § 99 RdNr 16; s auch Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 99 RdNr 8 und 12 am Ende). Im übrigen stünde einer Zustimmungsversagung des PEA der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegen, weil er schon in der ersten Instanz – als Beigeladener – am Prozeß beteiligt war (vgl Rennert in Eyermann, VwGO, 11. Aufl 2000, § 91 RdNr 32; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl 2000, § 91 RdNr 20).
Der Erstreckung der Klage auf den PEA kann schließlich nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Kläger hätten im Berufungsverfahren lediglich die Position von Beklagten gehabt, so daß es zur Erweiterung des Klagegegenstandes der Einlegung einer Anschlußberufung bedurft hätte (zum Erfordernis einer Anschlußberufung des Berufungsbeklagten s Meyer-Ladewig aaO § 99 RdNr 12). Denn von deren Einlegung ist auszugehen. Sie muß nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern ergibt sich in der Regel wie auch im vorliegenden Fall konkludent aus der Erweiterung des Klagebegehrens (vgl BSG SozR Nr 11 und Nr 13 zu § 521 ZPO mwN; BVerwG NVwZ-RR 1995, 98 f; Meyer-Ladewig, aaO, § 143 RdNr 5g; Bernsdorff in Hennig, SGG, § 143 RdNr 29; Kopp/Schenke, aaO, § 127 RdNr 6). Diese Grundsätze sind bei rechtskundig vertretenen Beteiligten als bekannt vorauszusetzen. Deshalb bedurfte es entgegen der Ansicht der Beklagten insoweit keines ausdrücklichen Hinweises des LSG an die Beteiligten.
Nach § 78 Abs 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen (Satz 1 aaO), sofern hiervon nicht nach Abs 1 Satz 2 aaO ausnahmsweise abgesehen werden kann. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor.
§ 78 Abs 1 Satz 1 SGG gilt auch für das auf bundesrechtlicher Ermächtigungsgrundlage eingeführte Verfahren über Regreßansprüche der KKn bei Mängeln der prothetischen Versorgung durch einen Vertragszahnarzt. Wie der Senat bereits zum früheren Rechtszustand entschieden hat, ist die Institution des PEA auf gesetzlicher Grundlage (§ 368g Abs 2 und 3 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫; nunmehr § 82 Abs 1, § 83 Abs 1 SGB V) durch normative Regelungen des BMV-Z (§ 2 Abs 3 BMV-Z iVm der Anlage 12 zum BMV-Z) und gesamtvertragliche Vereinbarungen – entsprechend der gesetzlichen Konzeption – als ein selbständiger Ausschuß der gemeinsamen Selbstverwaltung der KZÄV und der Primärkassen geschaffen worden (vgl BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 4 und S 5 f; BSG USK 86217). Basierend auf diesen Vorschriften ist der PEA im Bereich der Beklagten zu 1. aufgrund gesamtvertraglicher Regelung errichtet worden. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften berechtigen und verpflichten den PEA, mit rechtsgestaltender Wirkung Entscheidungen zwischen den KKn, der KZÄV und dem Vertragszahnarzt zu treffen, insbesondere über Regreßansprüche von KKn gegen einen Zahnarzt wegen mangelhafter prothetischer Versorgung von Versicherten der KKn entscheiden. Da mit der Feststellung von Schadensansprüchen zugleich Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung berührt sind (vgl BSG USK 92162 S 801), handelt es sich um besondere Prüfungseinrichtungen (BSG SozR 5545 § 24 Nr 2 S 3), deren Entscheidungen und Verfahrensweise auf der gegenüber § 23 Abs 1 Satz 2 BMV-Z speziellen Rechtsgrundlage des § 2 Abs 3 BMV-Z iVm der Anlage 12 zum BVM-Z beruhen (so schon BSG SozR aaO S 3). Daran hat sich durch die Neukodifikation des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung im SGB V durch das Gesundheits-Reformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) nichts geändert.
Die Entscheidungen des PEA sind Regelungen iS des § 31 Satz 1 SGB X, also – ggf auch belastende – Verwaltungsakte (BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 4; USK 86217 S 1020), die der gerichtlichen Überprüfung im Wege der Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 1 SGG unterliegen. Die Zulässigkeit einer solchen Klage setzt voraus, daß der angefochtene Verwaltungsakt zuvor in einem Widerspruchsverfahren überprüft worden ist. Die Durchführung des Vorverfahrens ist eine unverzichtbare Sachurteilsvoraussetzung für die Anfechtungsklage (vgl zB BSG 3-1500 § 78 Nr 3 S 5, mwN). Diese vorherige Überprüfung soll der Verwaltung die Gelegenheit bieten, Fehlentscheidungen selbst zu korrigieren, und damit zugleich iS einer Filterfunktion dem Interesse der Entlastung der Gerichte dienen (vgl zB BSG 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 10 f). Sie soll weiterhin dem Bürger eine zusätzliche Kontrolle durch die Verwaltung bieten, in deren Rahmen außer der von den Gerichten überprüfbaren Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der Entscheidung geprüft wird. Das gilt auch für Entscheidungen des PEA, für die demgemäß ein Widerspruchsverfahren stattzufinden hat.
Gegenüber der Folgerung, die Sache an das LSG zurückzuverweisen, damit dieses den Beteiligten Gelegenheit gibt, das gebotene Widerspruchsverfahren nachzuholen, greift nicht der Einwand durch, es fehle an der erforderlichen Widerspruchserhebung. In Fällen der vorliegenden Art ist in der Klageerhebung zugleich die Einlegung des Widerspruchs zu sehen (vgl zB BSGE 26, 174, 177 mwN, insoweit in SozR Nr 7 zu § 368f RVO nicht abgedruckt; BSGE 35, 267, 271 = SozR Nr 5 zu § 551 RVO mwN; BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 3 S 8 mwN).
Zuständigkeit und Verfahren der Widerspruchsbehörde bei Widersprüchen gegen Entscheidungen des PEA ergeben sich aus den einschlägigen bundesmantelvertraglichen Regelungen.
In Ausfüllung der Ermächtigung des § 2 Abs 3 BMV-Z haben die Vertragspartner des Primärkassenbereichs auf Bundesebene das Gutachterverfahren der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen vereinbart (Anlage 12 zum BMV-Z). In § 4 der Anlage 12 zum BMV-Z ist bestimmt, daß Mängelansprüche bei prothetischen Leistungen innerhalb von 24 Monaten nach der Eingliederung bei dem PEA geltend gemacht werden können (§ 4 Abs 1 Satz 1), sowie, daß die KZÄVen, die Landesverbände der KKn und die Landwirtschaftliche KK das Nähere über den PEA regeln (§ 4 Abs 2 Satz 1 aaO). In der dazu von den Vertragspartnern im Primärkassenbereich vereinbarten Regelung ist das Verfahren zur Entscheidung über Mängelansprüche bei prothetischen Leistungen und zur Entscheidung über Einsprüche gegen Stellungnahmen der Gutachter als einstufiges Verwaltungsverfahren ausgebildet (vgl § 4 des zwischen der Beklagten zu 1. und den Primärkassen≪-verbänden≫ geschlossenen Landesmantelvertrages). Die Entscheidung einer Widerspruchsstelle ist nicht vorgesehen. Die Vertragspartner haben sich auch bisher nicht über die Besetzung und das Verfahren einer solchen Widerspruchsstelle einigen können. Das steht indessen der Überprüfung der Entscheidung des PEA in einem Vorverfahren nicht entgegen. Nach § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z richten sich bis zu einer Regelung des PEA und seines Verfahrens durch die Gesamtvertragspartner gemäß Satz 1 aaO die Bestellung, die Zusammensetzung, das Verfahren des PEA und die Durchsetzung seiner Entscheidungen nach den Vorschriften des BMV-Z und der Verfahrensordnung.
Hiermit wird, wie der Senat bereits früher ausgeführt hat, für die Übergangszeit bis zur Schaffung eigenständiger Regelungen im PEA-Bereich auf die Vorschriften verwiesen, die für Wirtschaftlichkeitsprüfungen maßgeblich sind (BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 5; USK 86217 S 1020). Diese Verweisung ist dahin auszulegen, daß sie auch das Widerspruchsverfahren betrifft, dh daß die für Wirtschaftlichkeitsprüfungen zuständigen Beschwerdeausschüsse über Widersprüche entscheiden, soweit noch keine speziellen Regelungen für Widersprüche gegen Entscheidungen des PEA getroffen worden sind. Für die Geltung auch für Widerspruchsverfahren spricht vor allem die in § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z ausdrücklich angesprochene „Durchsetzung seiner Entscheidungen”. Dies zeigt, daß ein effektives Instrumentarium zur Verfügung stehen soll. Zur Effektivität von Verwaltungsverfahren gehört aber, daß die Entscheidungen Bestandskraft erlangen und vollzogen werden können. Dies impliziert die Schaffung eines Widerspruchsverfahrens, evtl mit einer speziellen Widerspruchsstelle, sowie die Auslegung, daß die Ermächtigung dazu in § 4 Abs 2 Satz 1 aaO enthalten ist und bis zu einer entsprechenden Regelung die Auffangzuständigkeit nach Satz 2 gilt. Vorschriften, die gegenüber § 4 Abs 2 der Anlage 12 zum BMV-Z eine neuere speziellere Bestimmung geschaffen haben könnten, sind nicht erlassen worden.
Allein diese Auslegung des § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z iS einer Verweisung auf die Vorschriften über das Widerspruchsverfahren bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen wird § 78 Abs 1 SGG und der – bereits dargelegten – Funktion des Widerspruchsverfahrens vor der Erhebung der Anfechtungsklage gerecht. Eine Ausnahme hiervon ergibt sich nicht daraus, daß die gesamtvertragliche Regelung im Bereich der Beklagten zu 1. ein Widerspruchsverfahren nicht vorsieht; denn dabei handelt es sich nicht um eine Regelung iS des § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG. Nach dieser Vorschrift bedarf es eines Vorverfahrens nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle für entbehrlich erklärt hat. Unter Gesetz in diesem Sinne sind bundes- oder landesgesetzliche Bestimmungen zu verstehen (vgl BVerfGE 35, 65, 73 f; 84, 34, 47 f); es muß sich aber jeweils um Regelungen durch förmliche Gesetze oder Rechtsverordnungen handeln (s. BVerfGE 84, 34, 48; BSG SozR 1500 § 78 Nr 26 S 37; Rennert in Eyermann, VwGO, 11. Aufl 2000, § 68 RdNr 24). Der Verzicht auf ein Vorverfahren kann jedenfalls nicht durch eine Vorschrift lediglich im Rang unterhalb einer Rechtsverordnung geregelt werden. Dementsprechend hat der Senat bereits früher in Disziplinarangelegenheiten eine Regelung nur im Ersatzkassenvertrag-Ärzte als unzureichend für die Entbehrlichkeit des Vorverfahrens angesehen (vgl BSG SozR 1500 § 78 Nr 26 S 36 f).
Mithin sind für Widerspruchsverfahren gegen Entscheidungen des PEA im Bereich der Beklagten zu 1. derzeit gemäß § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z die für Wirtschaftlichkeitsprüfungen eingerichteten Beschwerdeausschüsse zuständig und die für deren Verfahren geltenden Vorschriften anzuwenden (s dazu § 106 Abs 4 und 5 SGB V iVm § 20 Abs 1 Satz 2, § 22 Abs 3 und Abs 6 BMV-Z iVm § 10 der Anlage 4 zum BMV-Z). Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß nach der durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) geschaffenen Rechtslage auch Vertreter der Ersatzkassen in den Wirtschaftlichkeitsprüfungsgremien vertreten sind und somit über Mängelansprüche im Primärkassenbereich mitzuentscheiden haben. Das entspricht der Intention des Gesetzes, Primärkassen- und Ersatzkassenbereich zusammenzuführen.
Die im Revisionsverfahren vorgetragene Ansicht, für die Errichtung einer Widerspruchsstelle und die Regelung eines Widerspruchsverfahrens seien die Vertragsparteien auf Bundesebene ausschließlich zuständig, trifft nicht zu. Unabhängig davon, ob die Kompetenz an sich den Vertragsparteien auf Bundesebene zukäme, haben sie sie jedenfalls wirksam an die Vertragsparteien auf Landesebene delegiert, indem sie diese durch § 82 Abs 1, § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V (bzw früher: § 368g Abs 3, § 368 Abs 1 Satz 3 RVO) iVm der Regelung des § 4 Abs 2 der Anlage 12 zum BMV-Z für zuständig erklärt haben. Schon früher hat der Senat in landesrechtlichen Verfahrensregelungen durch Vereinbarungen der KZÄV mit den Landesverbänden der KKn keinen Verstoß gegen Bundesrecht gesehen (BSGE 69, 166, 167 = SozR 3-2500 § 87 Nr 2 S 5; – s zu Landesregelungen auch BVerfGE 35, 65, 73 f; zur Delegation auf die Landesebene s ferner BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 4 betr Errichtung des PEA). Die Zuständigkeit der Vertragsparteien auf Landesebene bedeutet zugleich, daß Widerspruchsentscheidungen des PEA selbst nur auf der Grundlage entsprechender normativer Regelungen möglich wären.
Wurde vor Klageerhebung kein Widerspruchsverfahren durchgeführt, so führt das im Regelfall nicht zur Abweisung einer Klage als unzulässig. Bedurfte es eines Widerspruchsverfahrens, so geben die Gerichte den Beteiligten vielmehr Gelegenheit zur Nachholung (vgl dazu zum einen § 88 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 2 SGG und zum anderen die Rechtsprechung zu Fällen, in denen die Erforderlichkeit oder Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens unklar gewesen war: BSGE 25, 66, 68 = SozR Nr 4 zu § 1538 RVO; BSGE 26, 174, 176 f, insoweit in SozR Nr 17 zu § 368f RVO nicht abgedruckt; s ferner zB BSG SozR 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 9 ff; SozR 3-1500 § 78 Nr 3 S 5 ff).
Die Zurückverweisung an das LSG hat nach der dargestellten Rechtslage zur Folge, daß dem für Wirtschaftlichkeitsprüfungen eingerichteten Beschwerdeausschuß Gelegenheit zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens gegen die Entscheidung des PEA zu geben ist, sofern nicht zwischenzeitlich spezielle Bestimmungen für Widerspruchsverfahren gegen PEA-Entscheidungen getroffen werden und so die übergangsweise Aufgabenwahrnehmung durch die Beschwerdeausschüsse beendet wird.
Das LSG wird, nachdem es den Beteiligten Gelegenheit gegeben hat, das Vorverfahren durchzuführen, im Zusammenhang mit der Entscheidung des Rechtsstreits über die Kosten des Verfahrens einschließlich derer des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen