Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie. Arbeitnehmer. Montanunion. Montanunionvertrag. EGKS. EGKS-Vertrag. Lohn. Gehalt. Lohnbeihilfe. Gehaltsbeihilfe. Einbuße. Lohneinbuße. Stillegung. Maßnahme. Stilllegungsmaßnahme. Betroffenheit. Auswirkung – unmittelbar. Auswirkung – mittelbar. Ausscheiden. Entlassung. Versetzung. Entlassener. Versetzter. Fiktion. Wiederbeschäftigter. Grund. Vertretenmüssen. Ursache. Zusammenhang. Beschäftigung. Arbeitsplatz. unterwertig. Unterwertigkeit. Springer. betriebsbedingt. Ermessen
Leitsatz (amtlich)
- Die Richtlinien über die Gewährung von Beihilfen für Arbeitnehmer der Eisen- und Stahlindustrie, die von Maßnahmen iS des Art 56 § 2 des Montanunionvertrages betroffen sind (MUVRL Eisen- und Stahlindustrie), sind in ihrer jeweils gültigen Fassung Normbestandteil der weitergeltenden AVAVGDV 16.
- Sowohl das Unternehmen als auch der jeweilige Arbeitnehmer sind berechtigt, die Gewährung von Einzelleistungen nach den MUVRL Eisen- und Stahlindustrie zu beantragen.
- Ein versetzter Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine Lohnbeihilfe (§ 9 Abs 1 S 1 MUVRL Eisen- und Stahlindustrie), wenn sein Ausscheiden aus dem Unternehmen zumindest mittelbare Folge der Stillegungsmaßnahme ist.
Normenkette
SGG § 144 Abs. 1 Nr. 2; AFG § 3 Abs. 5, § 242 Abs. 3; AVAVG § 1 Abs. 1-2, § 38; EGKSVtr Art. 56 § 2; AVAVGDV 16 § 1 Nr. 1; MUVRL Eisen- und Stahlindustrie §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 1-2, Nrn. 5-6, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 2, § 9 Abs. 1 S. 1, §§ 10, 15 Abs. 1, § 16 Abs. 1-2, § 17
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 17.02.1993; Aktenzeichen L 12 Ar 119/91) |
SG Aachen (Urteil vom 04.06.1991; Aktenzeichen S 9 (14) Ar 35/90) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 1993 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt Lohnbeihilfen auf der Grundlage von Richtlinien über die Gewährung von Beihilfen für Arbeitnehmer der Eisen- und Stahlindustrie, die von Maßnahmen iS des Art 56 § 2 des Montanunionvertrages (MUV-RL E/S) betroffen werden.
Der Kläger war ab 2. April 1962 im E.…-St.… E.… der Eisenwerk-Gesellschaft M.… MBH (nachfolgend M.… genannt) beschäftigt. Er arbeitete zuletzt als Spektrallaborant. Zugleich war er Mitglied des Betriebsrates. Auf Antrag des Unternehmens legte der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Einvernehmen mit den Bundesministern für Wirtschaft und Finanzen den Beginn von Stillegungsmaßnahmen im Stahlwerk auf den 31. Juli 1986 fest. Die Stillegung erfolgte zum 1. Oktober 1986. Der Kläger wurde ohne Lohneinbuße in das fortbestehende Rohrwerk versetzt, das nicht zum Montanbereich gehörte.
Mit Schreiben vom 6. November 1986 teilte die M.… dem Kläger mit, daß sich im Zusammenhang und aus Anlaß der Stillegung des Elektro-Stahlwerkes und weiterer Rationalisierungsmaßnahmen im Werk E.… die Notwendigkeit ergebe, die Zahl der Mitarbeiter den betrieblichen Erfordernissen anzupassen. Aus diesen Gründen sei das Unternehmen gezwungen, das Arbeitsverhältnis mit ihm fristgerecht im gegenseitigen Einvernehmen zum 30. Juni 1987 aufzulösen. Ihm werde gemäß den §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und der Betriebsvereinbarung Nr 910 vom 30. Juli 1986 eine Abfindung iHv acht Bruttoverdiensten gewährt. Er wurde aufgefordert, eine Zweitschrift unterschrieben an das Unternehmen zurückzusenden.
Mit Schreiben vom 19. Mai 1987 teilte der Kläger dem Unternehmen mit, daß er sein “Arbeitsverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen ohne Einhaltung der tariflichen Kündigung zum 31. Mai 1987 kündigen” möchte. Er schied mit Ablauf dieses Datums aus dem Unternehmen aus. Zum 1. Juni 1987 nahm er ein neues Beschäftigungsverhältnis bei den R.…-W.… E.… (RWE) auf.
Am 1. August 1988 beantragte der Kläger beim Arbeitsamt (AA) Aachen, ihm eine Lohnbeihilfe nach § 9 MUV-RL E/S zu gewähren. Auf Anfrage des AA teilte der Konkursverwalter der inzwischen in Konkurs gegangenen M.… mit, daß der Kläger ab 1. Oktober 1986 zur Qualitätsstelle Rohrwerk versetzt worden sei (Schreiben vom 31. Oktober 1989). Dort sei er bis zu seinem Ausscheiden als Abnahmekontrolleur eingearbeitet worden. Sein Ausscheiden sei einvernehmlich geregelt worden, um die Basis für die Gewährung von Leistungen nach der Betriebsvereinbarung Nr 910 zu schaffen. Auf Wunsch des Klägers sei der Austrittstermin auf den 31. Mai 1987 vorverlegt worden. Wegen seiner Unkündbarkeit als Betriebsratsmitglied habe er nicht ausscheiden müssen. Er sei deshalb nicht in die Ursprungsliste aufgenommen worden.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, er gehöre nicht zum förderungsfähigen Personenkreis des § 2 Abs 1 Nr 4 MUV-RL E/S. Nach Satz 2 dieser Norm gelte als Entlassener ein versetzter Arbeitnehmer nur dann, wenn er aus Gründen, die er nicht zu vertreten habe, aus dem Unternehmen ausscheiden müsse. Der Kläger sei unkündbar gewesen. Er habe nicht ausscheiden müssen (Bescheid vom 26. Januar 1990, Widerspruchsbescheid vom 15. März 1990).
Im Klageverfahren hat der Kläger ua geltend gemacht, daß er im Rohrwerk unterwertig als Lückenbüßer überall dort eingesetzt worden sei, wo Not am Mann gewesen sei. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, den Antrag des Klägers vom 1. August 1988 auf Gewährung einer Lohnbeihilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden (Urteil vom 4. Juni 1991). In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt worden, daß die Lohnbeihilfe nach § 9 MUV-RL E/S sowohl “wiederbeschäftigten” als auch “versetzten” Arbeitnehmern gewährt werden könne. Der Kläger sei zwar auch versetzter Arbeitnehmer iS des § 2 Abs 1 Nr 4 Satz 2 MUV-RL E/S, dies sei jedoch ohne Bedeutung. Jene Norm erweitere nur den begünstigten Personenkreis. Der Kläger sei auch Entlassener iS des § 2 Abs 1 Nr 4 Satz 1 Buchst b) MUV-RL E/S. Er sei innerhalb von zwölf Monaten seit Beginn der Stillegungsmaßnahme im Einvernehmen mit dem Unternehmen aus diesem ausgeschieden. Damit gehöre er zum förderungsfähigen Personenkreis.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Februar 1993). Die Entscheidungsgründe stützen sich darauf, daß der Kläger nicht die Voraussetzungen des § 9 MUV-RL E/S erfülle. Er sei nicht Entlassener iS von § 2 Abs 1 Nr 4 Satz 1 Buchst a) oder b) MUV-RL E/S. Als versetzter Arbeitnehmer falle er ausschließlich unter Satz 2 dieser Norm. Hierbei handele es sich um eine Spezialvorschrift, die die Anwendung des Satzes 1 ausschließe. Als versetzter Arbeitnehmer habe er keinen Anspruch, da er die Gründe, aus denen er habe ausscheiden müssen, zu vertreten habe. Der Begriff des “Vertretens” sei nicht als Schuldvorwurf zu verstehen, sondern im Sinne einer Zurechenbarkeit. Das Unternehmen habe keine Möglichkeit gesehen, ihn als Betriebsratsmitglied zur Aufgabe des Arbeitsplatzes zu veranlassen. Neben dem unbeachtlichen Argument der angeblichen Unterwertigkeit der Arbeit im Rohrwerk habe sich der Kläger – nach seinem Vorbringen im Berufungsverfahren – vor allem wegen Schwierigkeiten mit dem neuen Vorgesetzten eine neue Arbeitsstelle gesucht. Sein Ausscheiden sei allein seinem Verantwortungsbereich zuzuordnen.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 4 Satz 1 Buchst a) und b) MUV-RL E/S iVm Satz 2 dieser Norm. Die letztgenannte Vorschrift sei keine eigenständige Spezialvorschrift. Es werde lediglich klargestellt, wann ein “Versetzter” wieder zu einem “Entlassenen” werde. Dies führe zu keiner Besserstellung des Versetzten. Bei ihm komme es darauf an, ob das Arbeitsverhältnis wegen verhaltensbedingter Gründe beendet worden sei. Damit sei entscheidend, ob der Arbeitnehmer die Beendigung schuldhaft iS von § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verursacht habe. Da das LSG ein solches Verschulden verneint habe und die übrigen Anspruchsvoraussetzungen vorlägen, könne dessen Entscheidung keinen Bestand haben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfallen vom 17. Februar 1993 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 4. Juni 1991 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ursächlich für den Wechsel des Arbeitsplatzes sei allein die persönliche Unzufriedenheit des Klägers mit seiner neuen Arbeitsstelle gewesen. Vor solchen Nachteilen solle er nicht durch die MUV-RL E/S geschützt werden, sondern nur vor Einkommensverlusten infolge einer Stillegungsmaßnahme.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫)
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 26. Januar 1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1990. Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte die Gewährung einer Lohnbeihilfe nach den MUV-RL E/S abgelehnt. Es handelte sich insoweit um die MUV-RL E/S vom 31. März 1970 (BAnz Nr 69 vom 14. April 1970) idF der Bekanntmachung vom 26. April 1978 (BAnz Nr 100 vom 2. Juni 1978), der Änderungen vom 30. November 1979 (BAnz Nr 231 vom 11. Dezember 1979), vom 15. Februar 1982 (BAnz Nr 45 vom 6. März 1982), vom 10. Juni 1987 (BAnz Nr 121 vom 7. Juli 1987) und vom 27. Juni 1988 (BAnz Nr 120 vom 2. Juli 1988); die beiden letztgenannten Änderungs-RL traten jeweils rückwirkend zum 1. Januar 1987 in Kraft. Gegen die Ablehnung wendet sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage.
1. Verfahrenshindernisse, die bei zulässiger Revision zu beachten sind, stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Die Berufung der Beklagten ist zulässig gewesen. Dies beurteilt sich nach den Berufungsvorschriften, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege (RpflEntlG) vom 11. Januar 1993 (BGBl I 50), also bis zum 28. Februar 1993 gegolten haben (Art 8 Nr 5, Art 14 Abs 1 Satz 1 und Art 15 Abs 1 RpflEntlG). Ein Berufungsausschluß nach § 147 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aF greift nicht ein. Streitig ist nicht die Höhe der Leistung, sondern das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach.
Auch § 144 Abs 1 Nr 2 SGG aF schließt die Berufung nicht aus. Zwischen den Beteiligten können wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als 13 Wochen bzw drei Monaten im Streit sein. Leistungen iS von § 144 Abs 1 Nr 2 SGG aF sind – wie hier – auch Ermessensleistungen (BSG SozR Nr 29 zu § 144 SGG; BSGE 47, 35, 36). Auf die Frage, ob die für den Klageanspruch heranzuziehenden MUV-RL E/S überhaupt Rechtssatzqualität besitzen, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an; hierauf ist an späterer Stelle einzugehen.
Für die Zulässigkeit der allein von der Beklagten eingelegten Berufung ist maßgeblich, in welchem Umfang die Beklagte im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung durch das Urteil des Sozialgerichts (SG) beschwert ist. Weder aus dem erstinstanzlichen Antrag des Klägers noch aus dem Tenor des SG-Urteils ergibt sich, für welchen Zeitraum eine Lohnbeihilfe gezahlt werden soll. Somit sind die Entscheidungsgründe jenes Urteils zur Auslegung heranzuziehen.
Das SG ist davon ausgegangen, daß der Kläger (auch) “entlassener” Arbeitnehmer gewesen sei. Demzufolge hätte er nach dem vom SG in Bezug genommenen § 9 Abs 1 Satz 1 MUV-RL E/S Anspruch auf eine zwölfmonatige Lohnbeihilfe. Deren konkrete Dauer bemißt sich in Konsequenz der erstinstanzlichen Auffassung nicht vom Zeitpunkt der erstmaligen Versetzung, sondern der Entlassung (des Ausscheidens), also für die Zeit vom 1. Juni 1987 bis 31. Mai 1988. Auch unter Beachtung der Ausschlußfrist des § 5 Abs 2 MUV-RL E/S folgt damit aus dem SG-Urteil für die Beklagte die Verpflichtung, über eine Lohnbeihilfe an den Kläger für zehn Monate neu entscheiden zu müssen, nämlich für die Zeit vom 1. August 1987 bis 31. Mai 1988.
Angesichts dessen ist es hier unerheblich, daß nach der vom LSG vorgenommenen Rechtsanwendung nur ein Zeitraum von zwei Monaten streitig sein kann. Das LSG hat den Kläger – wie noch darzulegen ist, zutreffend – als “versetzten” Arbeitnehmer iS des § 2 Abs 1 Nr 4 Satz 2 und Nr 6 MUV-RL E/S angesehen. Gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 MUV-RL E/S könnte er demzufolge allenfalls für zwölf Monate ab erstmaliger Versetzung, also für die Zeit vom 1. Oktober 1986 bis 30. September 1987 Anspruch auf Lohnbeihilfe haben. Da er den Antrag am 1. August 1988 gestellt hat, kämen im Hinblick auf die Ausschlußfrist des § 5 Abs 2 MUV-RL E/S (Ausschluß für mehr als zwölf Monate zurückliegende Zeiten) nur Leistungen für zwei Monate in Betracht, nämlich für August und September 1987. Maßgebend für den Umfang der Beschwer der Beklagten bei Berufungseinlegung ist jedoch nicht die Rechtsauffassung des Berufungs- oder Revisionsgerichts, sondern allein die aus dem SG-Urteil folgende Beschwer.
An dieser und ihrem für § 144 Abs 1 Nr 2 SGG aF maßgeblichen Umfang ändert es nichts, daß das SG nicht festgestellt hat (ebensowenig übrigens das LSG), ob der Kläger in seiner neuen Beschäftigung ab 1. Juni 1987 überhaupt Lohneinbußen erlitten hat, was nach § 9 Abs 2 MUV-RL E/S aber Voraussetzung dafür wäre, daß dem Kläger eine Lohnbeihilfe zustehen könnte. Die Beschwer und damit das Rechtsschutzinteresse der Beklagten ergibt sich bereits aus der ihr vom SG auferlegten Verpflichtung, dem Kläger einen neuen Bescheid über die Gewährung von Lohnbeihilfen für zehn Monate erteilen zu müssen. Insoweit ist es ausreichend, daß die Möglichkeit einer die Grenzen des § 144 Abs 1 Nr 2 SGG aF übersteigenden Leistungsdauer grundsätzlich besteht (BSG, Urteil vom 14. Januar 1982 – 4 RJ 11/81 –). Im vorliegenden Fall ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, daß Lohneinbußen für einen Zeitraum von mehr als 13 Wochen bzw drei Monaten eingetreten sind.
Auch die erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist gegeben. Dies folgt bereits aus § 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Danach prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Der Senat hat deshalb nicht mehr zu prüfen, ob der Streit um die Gewährung einer Lohnbeihilfe nach § 9 Abs 1 Satz 1 MUV-RL E/S eine Angelegenheit aus dem Bereich der übrigen Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit (BA) iS von § 51 Abs 1 SGG betrifft (BSG SozR 3-2500 § 15 Nr 1).
Die Zulässigkeit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) begegnet auch sonst keinen Bedenken. Nach § 3 Abs 1 MUV-RL E/S besteht kein Rechtsanspruch auf die Zahlung einer Lohnbeihilfe. Die Gewährung steht im Ermessen der Beklagten. Nach diesen Richtlinien – gleichgültig, welche Rechtsqualität sie haben – könnte der Kläger unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide immer nur die Verpflichtung der Beklagten anstreben, ihm unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen. Eine solche Bescheidungsklage ist Verpflichtungsklage (Meyer-Ladewig, Komm z SGG, 5. Aufl, § 54 Rz 6).
Schließlich ist der Kläger zur Prozeßführung befugt, dh er kann den Anspruch auf Lohnbeihilfe im eigenen Namen einklagen. Hinsichtlich der Anfechtungsklage folgt dies schon daraus, daß er Adressat des ihn belastenden Bescheides vom 26. Januar 1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1990 ist. Diese Befugnis besteht auch hinsichtlich der Verpflichtungsklage; denn die MUV-RL E/S räumen dem Kläger ein eigenes Antragsrecht ein. Für diese Bewertung ist es ebenfalls nicht von Bedeutung, welche Rechtsqualität diese Richtlinien besitzen, eine Frage, auf die allerdings später noch einzugehen ist.
Der Senat kann es offenlassen, ob die in § 15 Abs 1 MUV-RL E/S vorgeschriebene Antragstellung durch das Unternehmen lediglich die generelle Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Anpassungsbeihilfen iS von § 1 MUV-RL E/S betrifft oder auch die Geltendmachung der Einzelansprüche von Arbeitnehmern gemäß den §§ 6 bis 14 MUV-RL E/S. Für ersteres könnte sprechen, daß der Antrag nach § 15 Abs 1 MUV-RL E/S beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und beim Bundesminister für Wirtschaft, also nicht bei dem für die Sachentscheidung über Einzelansprüche zuständigen AA zu stellen ist. Gemäß § 16 Abs 1 MUV-RL E/S ermächtigt der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung – nach zumindest interner Ankennung der Förderungsvoraussetzungen – im Einvernehmen mit den Bundesministern für Wirtschaft und Finanzen lediglich die BA, Leistungen nach diesen Richtlinien zu gewähren.
Andererseits kann die Antragstellung nach § 15 Abs 1 MUV-RL E/S auch im Zusammenhang mit § 16 Abs 2 MUV-RL E/S gesehen werden. Danach kann die BA mit den Unternehmen vereinbaren, daß diese die Beihilfen nach den §§ 6 bis 10 und 13 berechnen und auszahlen. Sie kann die Abrechnung mit den Unternehmen in ähnlicher Weise wie beim Kurzarbeitergeld (Kug) regeln (§ 72 Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫). Dieses Abrechnungs- und Auszahlungsverfahren setzt voraus, daß es durch einen Antrag des Unternehmens eingeleitet worden ist.
Nach Auffassung des Senats ergibt sich aus den §§ 15 Abs 1 und 16 Abs 2 MUV-RL E/S, daß das Unternehmen durchaus berechtigt ist, Ansprüche des einzelnen Arbeitnehmers beim zuständigen AA geltend zu machen. Dies schließt jedoch ein eigenes Antragsrecht des Arbeitnehmers nicht aus. § 16 Abs 2 Satz 2 MUV-RL E/S nimmt nur wegen der Abrechnung, nicht aber der Antragstellung auf § 72 AFG Bezug. Er ermöglicht, insoweit “in ähnlicher Weise” zu verfahren. Eine klare auf das Unternehmen begrenzte Antragsbefugnis ergibt sich nicht aus dieser Vorschrift. Darüber hinaus sieht § 72 Abs 2 Satz 1 AFG beim Kug zum Schutze der Arbeitnehmer auch ein Antragsrecht des Betriebsrates vor. Ein solches besteht nach den Regelungen des MUV-RL E/S nicht. Auch dies spricht dafür, dem Arbeitnehmer ein eigenständiges Antragsrecht einzuräumen, weil ihm ansonsten jede eigene Rechtsschutzgarantie – auch über Repräsentanten – vorenthalten wäre.
Zudem deutet auch § 5 Abs 2 MUV-RL E/S auf ein solches Recht hin. Diese Norm differenziert zwischen der listenmäßigen Abrechnung durch das Unternehmen und sonstigen Fällen, also auch solchen, in denen das Unternehmen nicht beteiligt ist. Noch deutlicher wird dies durch die Regelung in § 13 Abs 1 MUV-RL E/S. Diese Vorschrift macht die Zahlung einer Abfindung ausdrücklich von einem Antrag des Entlassenen abhängig. Schließlich läßt sich ein eigenes Antragsrecht des Arbeitnehmers auch aus § 17 MUV-RL E/S herleiten. Wenn wegen der Rückforderung von einem Arbeitnehmer auf § 152 AFG verwiesen wird, bedeutet dies, daß dem Arbeitnehmer – dies galt auch für die Fassung des § 152 AFG vor Inkrafttreten des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) – zuvor ein Leistungsbescheid erteilt worden sein muß. Einen solchen erhält der einzelne Arbeitnehmer aber nur nach vorheriger Antragstellung.
Aus den Regelungen der MUV-RL E/S läßt sich somit kein ausschließliches Antragsrecht des Unternehmens herleiten. Es fehlt eine mit dem Kug vergleichbare eindeutige Regelung. Dem Kläger ist ein eigenständiges Antragsrecht eingeräumt. Er ist damit zur Prozeßführung befugt.
2. In der Sache ist mangels hinreichender Feststellungen des LSG eine abschließende Entscheidung über den Klageanspruch nicht möglich. Rechtsgrundlage für die Sachentscheidung sind die MUV-RL E/S in der oa Fassung.
Die Richtlinien entsprechen qualitativ dem Gesetzesvorbehalt des § 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I). Danach dürfen Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des SGB nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zuläßt. Mit Inkrafttreten des SGB I zum 1. Januar 1976 ist die ältere Rechtsprechung, die den Vorbehalt des Gesetzes bei “reiner” Leistungsgewährung für entbehrlich ansah (vgl zB BSGE 36, 175, 177), gegenstandslos geworden. Die hier strittige Lohnbeihilfe ist dem Regelungsbereich des SGB zuzuordnen.
Gemäß § 1 Nr 1 der 16. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (16. DVO-AVAVG) vom 13. April 1962 (BGBl I 237) ist die BA beauftragt worden, nach Richtlinien der Bundesregierung Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer vor Folgen der Arbeitslosigkeit, zur Erleichterung der Arbeitsaufnahme oder zur Sicherung ihrer produktiven Beschäftigung durchzuführen, die in einem Zusammenhang stehen mit der Durchführung des Art 56 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS-Vertrag = Montanunionvertrag) vom 18. April 1951 (BGBl 1952 II 445, 448). Aus dem Zusammenhang der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs 2 AVAVG mit den in den §§ 1 Abs 1, 38 AVAVG geregelten Aufgaben der BA (ua Maßnahmen zur Vermeidung des Eintritts von Arbeitslosigkeit, Arbeitsvermittlung etc) folgt, daß der Verordnungsgeber der 16. DVO-AVAVG Leistungen nach Maßgabe des Art 56 § 2 EGKS-Vertrag als arbeitsförderungsrechtliche Leistungen (in der Terminologie des AFG) qualifiziert hat. Die 16. DVO-AVAVG gilt gemäß § 242 Abs 3 AFG, der über Art II § 1 Nr 2 SGB I Bestandteil des SGB ist, weiter. Damit sind Lohnbeihilfen nach den MUV-RL E/S dem Sozialleistungsbereich des SGB zuzurechnen und unterliegen dem Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I.
Diesem Vorbehalt ist genügt worden. Nach Auffassung des Senats erfüllt bereits ein Haushaltsgesetz iVm Verwaltungsvorschriften die Erfordernisse des § 31 SGB I (BSG SozR 1200 § 31 Nr 1 mwN). Das Haushaltsgesetz 1987 vom 19. Dezember 1986 (BGBl I 2568) und das Haushaltsgesetz 1988 vom 18. Dezember 1987 (BGBl I 2747) führen jeweils im Kap 1102 unter dem Titel 681 21-253 “Anpassungsbeihilfen nach dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaften für Kohle und Stahl” und unter der Überschrift “Erläuterungen” ua die MUV-RL E/S auf. Der Senat braucht deshalb nicht weiter zu erörtern, daß durch die in § 242 Abs 3 AFG angeordnete Weitergeltung der 16. DVO-AVAVG verstärkt der Vorbehalt erfüllt worden ist.
Die MUV-RL E/S sind auch Rechtsnormen iS außenwirksamer Regelungen im Verhältnis Staat-Bürger sind. Bislang hat das Bundessozialgericht (BSG) nicht zur Rechtsnatur dieser Richtlinien Stellung genommen. Lediglich in einer Entscheidung zu § 2 der – vergleichbaren – “Richtlinien über die Gewährung von Beihilfen für Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus, die von Maßnahmen iS des Art 56 § 2 des Montanunionvertrages betroffen werden” (MUV-RL Steinkohlenbergbau), sind diese Richtlinien ohne weitere Begründung als Rechtsnormen behandelt worden (SozR Nr 1 zu Art 56 EGKSV). Der Senat schließt sich dieser Qualifizierung für die MUV-RL E/S an.
Er geht hierfür von der Rechtsprechung des BSG zur Rechtsnatur der Richtlinien zur Förderung der Arbeitsaufnahme im Lande Berlin (Berlin-RL) vom 31. Januar 1962 (BAnz Nr 26) in der jeweiligen Änderungsfassung aus. Es handelt sich dort um eine mit den MUV-RL E/S vergleichbare Konstellation. Auf der Grundlage des § 1 Abs 2 AVAVG wurde die Zuständigkeit der BA durch die 14. Verordnung zur Durchführung des AVAVG vom 30. Januar 1962 (BGBl I 58 – 14. DVO-AVAVG) begründet. Art, Voraussetzungen und Umfang der Leistungen ergaben sich nicht aus der Rechtsverordnung. Diese kennzeichnete nur den begünstigten Personenkreis und den Leistungszweck. Entsprechend der 16. DVO-AVAVG wurde die BA in der 14. DVO-AVAVG beauftragt, die Leistungen “nach Richtlinien zu gewähren, welche die Bundesregierung im Benehmen mit dem Senat von Berlin erläßt”. Das BSG hat hierzu ausgeführt, daß die Berlin-RL kraft Verweisung an der Normqualität der 14. DVO-AVAVG teilnehmen (BSGE 34, 115, 117 mit zahlreichen Nachweisen = SozR Nr 1 zu § 1 der 14. DVO-AVAVG). Die 14. DVO-AVAVG habe die Richtlinien in ihren Geltungswillen aufgenommen. Beide gemeinsam enthielten den konkreten Leistungsauftrag des Verordnungsgebers an die Beklagte. Die Verweisung hebe zwar die Richtlinien als solche nicht in den Rang einer Rechtsverordnung. Dies sei mit Art 80 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Die Berlin-RL in ihrer jeweils geltenden Fassung seien jedoch Normbestandteil der 14. DVO-AVAVG.
An dieser Rechtsprechung zu den Berlin-RL hat das BSG in nachfolgenden Entscheidungen festgehalten (BSG SozR Nr 2 zu § 1 der 14. DVO-AVAVG; BSG SozR 4720 Allg Nr 1, 2, 3 und 4). Die dafür maßgeblichen Gründe sind auch für die MUV-RL E/S heranzuziehen. Dem steht nicht entgegen, daß die MUV-RL E/S noch nicht existierten, als die Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs 2 AVAVG mit Inkrafttreten des AFG zum 1. Juli 1969 wegfiel. Insoweit hat § 242 Abs 3 AFG nämlich ausdrücklich die Weitergeltung der 16. DVO-AVAVG angeordnet. Entscheidend ist allein, ob eine dynamische Verweisung als gesetzestechnisches Gestaltungsmittel es zuläßt, auch solche Verwaltungsvorschriften zum Bestandteil einer Rechtsverordnung werden zu lassen, die im Zeitpunkt ihres Erlasses noch nicht existierten. Dies ist im Ergebnis zu bejahen.
Folgte man dieser Auffassung nicht, würde dies zu einer “Zementierung” des Rechtszustandes führen, der im Zeitpunkt des Erlasses der verweisenden Rechtsverordnung bestand. Selbst die in jenem Zeitpunkt bereits existierenden Richtlinien würden “konserviert”, dh spätere Veränderungen könnten nicht mehr Normbestandteil werden. Sie wären nur über den Aspekt der Selbstbindung der Verwaltung zu beachten, sofern sie – wie hier – iVm einem Haushaltsgesetz eine Leistungserbringung ermöglichen (vgl dazu BVerwGE 58, 45, 51; BVerwG NJW 1988, 2907; siehe auch BSGE 36, 175, 177). Dies hätte die Konsequenz, daß der “ältere” Teil der Richtlinien als Bestandteil einer Rechtsnorm normativen Charakter hätte und etwaige unbestimmte Rechtsbegriffe grundsätzlich der vollen gerichtlichen Überprüfung unterlägen. Demgegenüber würde sich die Rechtmäßigkeit der Interpretation und Handhabung späterer Veränderungen derselben Richtlinie durch die Verwaltung in erster Linie nach der tatsächlich geübten und vom Gericht festzustellenden Verwaltungspraxis unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes beurteilen. Dabei wären die Verwaltungsvorschriften wie Willenserklärungen des Vorschriftengebers nach der auch im öffentlichen Recht geltenden Regelung des § 133 BGB auszulegen (BVerwG, Buchholz 451.512 MGVO Nr 78).
Die gerichtliche Überprüfung wäre insoweit erheblich eingeschränkt. Eine solche qualitativ unterschiedliche Rechtskontrolle dürfte bei den Betroffenen kaum auf Verständnis stoßen. Das gleiche gilt für die MUV-RL. Auch insoweit wäre es kaum nachzuvollziehen, daß allein wegen des Datums des Erlasses die Richtlinien in einem Bereich (so im Steinkohlebergbau, wenn auch nur in der “konservierten” Form) normative Qualität haben sollen, in anderen Bereichen (so zB in der Eisen- und Stahlindustrie) dagegen nicht, obwohl beide dem Montanbereich angehören und Maßnahmen sind, die im Zusammenhang mit der Durchführung des Art 56 § 2 EGKS-Vertrag stehen, also denselben rechtlichen Ausgangspunkt haben.
Nicht zuletzt deshalb hat das BSG zu den Berlin-RL vom 31. Januar 1962 (BAnz Nr 26), die einen Tag nach der 14. DVO-AVAVG vom 30. Januar 1962 (BGBl I 58) beschlossen, jedoch mit der Verordnung am 7. Februar 1962 veröffentlicht worden sind, dargelegt, daß eine dynamische Verweisung verfassungsrechtlich unbedenklich sei (BSGE 34, 115, 117 f). Sie beinhalte insbesondere keine dem Art 80 Abs 1 GG widersprechende sog versteckte Unterermächtigung. Verweisungsobjekt seien Richtlinien, die die Bundesregierung, also der Verordnungsgeber selbst, erlasse. Ob eine dynamische Verweisung bei fehlender Identität des Normgebers der Verweisungsnorm und des Verweisungsobjektes mit Art 80 Abs 1 GG vereinbar ist, ist offengelassen worden.
Diese Frage stellt sich auch nicht im vorliegenden Fall. Entsprechend der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs 2 AVAVG wurde die 16. DVO-AVAVG von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen. Auch die MUV-RL E/S sind von der Bundesregierung und nicht (nur) vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung geschaffen worden. Dieser hat die Verordnung und die jeweiligen Änderungen nur im Bundesanzeiger (BAnz) bekanntgegeben. Wie der Vorspann in der Bekanntmachung (vgl die ursprüngliche Fassung vom 31. März 1970 wie auch die Neufassung vom 26. April 1978) belegt, handelt es sich um Richtlinien, die zwischen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesregierung vereinbart worden sind. Unabhängig von der hier nicht zu erörternden bilateralen Komponente (keine Rechtssatzqualität der Vereinbarung wegen fehlender Veröffentlichung) sind diese Richtlinien damit innerstaatlich solche der Bundesregierung. Insoweit besteht zwischen den MUV-RL E/S und den MUV-RL Steinkohlenbergbau Übereinstimmung. Auch diese wurden zwischen der Bundesregierung und der – vor der Zusammenfassung der Organe der Europäischen Gemeinschaften (EGen) zuständigen – Hohen Behörde der EGKS vereinbart.
Der Normgeber der 16. DVO-AVAVG und der MUV-RL E/S sind identisch. Die dynamische Verweisung des § 1 Nr 1 der 16. DVO-AVAVG führt dazu, daß nicht nur spätere bei Erlaß noch nicht bekannte Änderungen einer bereits existierenden Richtlinie, sondern in gleicher Weise auch neugeschaffene Richtlinien zum Bestandteil der Norm werden können. Wegen der Identität des Normgebers handelt es sich ausschließlich um ein gesetzestechnisches Gestaltungsmittel, nicht aber um eine versteckte Unterermächtigung.
Die MUV-RL E/S erfüllen schließlich das Publizitätserfordernis, das das BSG schon für die Berlin-RL als erfüllt angesehen hat (BSGE 34, 115, 118), nämlich die Bedingung, daß den Normunterworfenen die in Bezug genommene Norm in allen ihren Bestandteilen zugänglich und erkennbar sein muß. Sie sind wie die Berlin-RL in ihrer jeweiligen Fassung im BAnz, einem für die Verkündung von Rechtsverordnungen zugelassenen amtlichen Publikationsorgan, allgemein bekanntgemacht worden. Ebenso trifft die Beurteilung des BSG zu den Berlin-RL, daß das Zustimmungsrecht des Bundesrates durch spätere Änderungen nicht verletzt sei, in gleicher Weise sowohl für die Neuschaffung der MUV-RL E/S als auch ihre Änderungen zu (vgl BSG aaO). Wie die 14. DVO-AVAVG hat die 16. DVO-AVAVG keinen abgeschlossenen Auftrag erteilt, sondern verweist auf künftige Richtlinien der Bundesregierung. Der insoweit bestehende – teilweise – Verzicht auf die in § 1 Abs 2 AVAVG vorgeschriebene Mitwirkung des Bundesrates, die durch die Weitergeltung der 16. DVO-AVAVG über § 242 Abs 3 AFG fortgeschrieben wurde, ist nicht generell, sondern im Einzelfall mit absehbaren Konsequenzen ausgesprochen worden. Wie die 14. DVO-AVAVG normiert nämlich auch § 1 Nr 1 der 16. DVO-AVAVG einen konkreten Auftragszweck, und zwar insbesondere durch die Bezugnahme auf Art 56 § 2 EGKS-Vertrag. So ließ bzw läßt sich vorausschauend beurteilen, welchen Inhalt derartige Richtlinien nur haben können.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf eine Lohnbeihilfe beurteilt sich damit materiell-rechtlich nach den Regelungen der MUV-RL E/S. Die allgemeine Ermächtigung an die BA (vgl § 16 Abs 1 MUV-RL E/S), Leistungen nach diesen Richtlinien für die von Stillegungsmaßnahmen der M.…– H.… E.… – betroffenen Arbeitnehmer zu gewähren, ist erteilt worden. Dies ergibt sich aus dem Dienstblatt-Runderlaß der BA Nr 78/88 vom 8. Juni 1988. Darin sind ua als Datum der Ermächtigung der 6. November 1987 und als Beginn der Stillegungsmaßnahme der 31. Juli 1986 vermerkt worden. Nach den Feststellungen des LSG sind die persönlichen Voraussetzungen des § 4 Abs 1 MUV-RL E/S im Falle des Klägers erfüllt (ausreichend lange Beschäftigung im Unternehmen vor seiner Stillegung, Fehlen eines anderen zumutbaren Arbeitsplatzes). Ob der Kläger jedoch alle Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Satz 1 MUV-RL E/S erfüllt, läßt sich nicht abschließend beurteilen.
Nach dieser Norm kann ein “Wiederbeschäftigter”, der eine Beschäftigung außerhalb der Eisen- und Stahlindustrie aufgenommen hat, bis zum Ablauf von zwölf Monaten seit der Entlassung, im Falle des § 2 Abs 1 Nr 4 Satz 2 seit der erstmaligen Versetzung, eine Lohn- und Gehaltsbeihilfe erhalten. Nach § 3 Abs 1 MUV-RL E/S besteht kein Rechtsanspruch auf eine solche Beihilfe. Ihre Gewährung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Dies wird nochmals durch die Verwendung des Wortes “kann” in § 9 Abs 1 Satz 1 MUV-RL E/S bestätigt. Der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen somit allein die rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen, während auf der Rechtsfolgeseite ein Ermessensspielraum der Beklagten zu respektieren ist.
Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs 1 Satz 1 MUV-RL E/S gehört, daß der Kläger “Wiederbeschäftigter” sein muß. Bei der Bestimmung dieses Begriffs hat das Gericht die verbindliche Definition des § 2 Abs 1 Nr 5 Satz 1 MUV-RL E/S zu beachten. Danach ist ein “Wiederbeschäftigter” ein “Entlassener”, der innerhalb von 18 Monaten seit der Entlassung eine mehr als geringfügige Beschäftigung (§ 102 AFG) aufnimmt. Wer “Entlassener” ist, bestimmt § 2 Abs 1 Nr 4 MUV-RL E/S. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist dies ein Arbeitnehmer, der bis zum Ablauf des zwölften Monats seit Beginn der Stillegungsmaßnahme vom Unternehmen entlassen worden ist (Buchst a) oder im Einvernehmen mit dem Unternehmen aus diesem ausgeschieden ist (Buchst b). Nach Satz 2 jener Vorschrift gilt als Entlassener ferner der Arbeitnehmer, der innerhalb von zwölf Monaten seit erstmaliger Versetzung (Nr 6) aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, aus dem Unternehmen ausscheiden muß.
Das LSG hat zutreffend erkannt, daß der Kläger der Regelung des § 2 Abs 1 Nr 4 Satz 2 MUV-RL E/S unterfällt, also jener Vorschrift, die bestimmt, wann ein versetzter Arbeitnehmer als Entlassener gilt. § 2 Abs 1 Nr 4 MUV-RL E/S differenziert zwischen einer “echten” Entlassung (Satz 1) und einer “fingierten” (Satz 2). Allein nach dem Wortlaut könnte der Kläger zwar auch unter den Anwendungsbereich des Satzes 1 Buchst b) jener Vorschrift fallen, weil er bis zum Ablauf des zwölften Monats seit Beginn der Stillegungsmaßnahme (31. Juli 1986) im Einvernehmen mit dem Unternehmen ausgeschieden ist, nämlich mit Ablauf des 31. Mai 1987. Der systematische Zusammenhang mit Satz 2 jener Vorschrift zeigt jedoch, daß versetzte Arbeitnehmer ausschließlich nach Satz 2 dieser Regelung zu beurteilen sind, nicht nach Satz 1. Dies hat das SG verkannt.
Versetzte Arbeitnehmer, bei denen im übrigen noch weitere Voraussetzungen gegeben sein müssen, werden nur im Wege der Fiktion den Entlassenen gleichgestellt. Fehlt auch nur eine Voraussetzung für die fiktive Gleichstellung, scheidet der Versetzte aus dem Kreis der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer aus. Er ist nach der Vorstellung des Normgebers eben nicht Entlassener im eigentlichen Sinne. Greift deshalb der durch Fiktion begründete Ausnahmefall nicht, ist kein Rückgriff auf den Grundtatbestand möglich.
Sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Zusammenhang von Satz 1 und 2 des § 2 Abs 1 Nr 4 MUV-RL E/S folgt, daß Satz 1 den Arbeitnehmer erfaßt, der bis zu seinem Ausscheiden auf dem bisherigen Arbeitsplatz im Unternehmen durchgehend beschäftigt gewesen ist, also von der Stillegungsmaßnahme unmittelbar erst durch seine Entlassung betroffen wird. Demgegenüber wirkt sich beim versetzten Arbeitnehmer die Stillegungsmaßnahme unmittelbar durch die erstmalige Versetzung aus, also bereits eine gewisse Zeit vor dem Ausscheiden. Da die Anpassungsbeihilfen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Stillegungsmaßnahme “abfedern” sollen, ist es sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG, wenn die MUV-RL E/S sowohl bei den Definitionen in § 2 Abs 1 Nr 4 als auch bei der zeitlichen Festlegung des Leistungsrahmens in § 9 Abs 1 Satz 1 jeweils an den Eintritt der ersten unmittelbaren Auswirkung der Stillegungsmaßnahme anknüpfen.
Folgerichtig kann ein versetzter Arbeitnehmer, für den gemäß § 10 MUV-RL E/S die §§ 6 bis 9 entsprechend gelten, die Anpassungsbeihilfen nach diesen Vorschriften bereits vom Zeitpunkt seiner erstmaligen Versetzung an, nicht erst ab seinem endgültigen Ausscheiden erhalten. Lohnbeihilfen nach § 9 MUV-RL E/S setzen allerdings bestimmte Lohneinbußen voraus, die im Fall des Klägers durch die Versetzung zunächst nicht eingetreten sind. Versetzungsbedingten Einbußen sind aber nicht generell auszuschließen, so zB bei Änderungskündigungen, Vertragsänderungen oder bei einem entsprechend ausgestalteten vertraglichen Versetzungsvorbehalt. Die Bezugnahme auf § 9 MUV-RL E/S in § 10 der Richtlinien ist folglich gerade wegen der möglichen versetzungsbedingten Lohneinbußen sinnvoll. Konsequent ist es dann allerdings auch, daß für den Beginn eines möglichen Anspruchs auf Lohnbeihilfe an den Zeitpunkt der erstmaligen Versetzung, also der ersten unmittelbaren Betroffenheit von Stillegungsmaßnahmen, angeknüpft wird. § 10 MUV-RL E/S gewährleistet dadurch – wie bei “echten” Entlassungen – grundsätzlich einen Lohnausgleich für zwölf Monate. Unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung und Generalisierung verstoßen die Regelungen für “echte” und “fingierte” Entlassene nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG, soweit sie auf eine zeitlich unterschiedlich fixierte, im Ergebnis aber gleich lange Leistungsdauer abstellen.
Auch die weiteren Einschränkungen für versetzte Arbeitnehmer in § 2 Abs 1 Nr 4 Satz 2 MUV-RL E/S sind rechtlich unbedenklich. Danach genügt es nicht, daß der Betroffene ein versetzter Arbeitnehmer iS der Nr 6 jener Vorschrift ist. Er muß im Vergleich zum “echten” Entlassenen weitere Voraussetzungen erfüllen, um fiktiv einem Entlassenen gleichgestellt zu werden. Die Vorschrift erfordert, daß er aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, aus dem Unternehmen ausscheiden muß. Auch diese Einschränkung rechtfertigt sich sachlich aus dem unterschiedlichen Eintritt der unmittelbaren Betroffenheit und aus den unterschiedlichen Möglichkeiten eines Leistungsbezuges. § 10 MUV-RL E/S stellt allein auf den versetzten, nicht aber entlassenen Arbeitnehmer ab. Dadurch ermöglicht er, bereits während der Zeit der Versetzung – wie im Falle einer Entlassung – die nachteiligen Folgen der Stillegungsmaßnahme teilweise abzumildern.
Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Richtliniengeber im Wege der Typisierung und Generalisierung bei den “echten” Entlassenen ein stillegungsbedingtes Ausscheiden unterstellt, wenn es innerhalb der vorgegebenen Rahmenfrist erfolgt. Eine sachlich andere Bewertung läßt sich bei einem Arbeitnehmer vertreten, der als Folge der Stillegungsmaßnahme zunächst versetzt worden ist und wegen der Versetzung grundsätzlich Beihilfen zum Ausgleich stillegungsbedingter Nachteile beanspruchen konnte. In einem solchen Fall durfte generalisierend unterstellt werden, daß für ihn die Auswirkungen der Stillegung zunächst zum Abschluß gekommen sind. Scheidet er dennoch später aus dem Unternehmen aus, ist der Zusammenhang mit der Stillegungsmaßnahme nicht mehr so ohne weiteres ersichtlich wie bei einem “echten” Entlassenen. Deshalb ist es gerechtfertigt, bei Versetzten den Nachweis eines Zusammenhanges zwischen Ausscheiden und Stillegungsmaßnahme zu fordern. Dies stellt § 2 Nr 4 Satz 2 MUV-RL E/S dadurch sicher, daß ein solcher Arbeitnehmer aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, ausgeschieden sein muß. Für die Differenzierung zu den “echten” Entlassenen iS des Satzes 1 dieser Vorschrift besteht damit ein sachlicher Grund. Die unterschiedlichen Regelungen verletzen nicht Art 3 Abs 1 GG.
Der Kläger ist versetzter Arbeitnehmer iS von § 2 Abs 1 Nr 6 MUV-RL E/S. Als solcher ist anzusehen, wer bis zum Ablauf von zwölf Monaten seit Beginn der Stillegungsmaßnahme in einen anderen Betrieb oder eine andere Betriebsabteilung des Unternehmens versetzt worden ist. Beim Kläger war dies der Fall: er wurde rund zwei Monate nach Beginn der Stillegungsmaßnahme (31. Juli 1986) in das Rohrwerk der M.… in E.… versetzt (zum 1. Oktober 1986). Als versetzter Arbeitnehmer hat er gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 MUV-RL E/S Anspruch auf Beihilfe, wenn er zugleich als Entlassener anzusehen ist. Dies ist gemäß § 2 Abs 1 Nr 4 Satz 2 MUV-RL E/S nur der Fall, wenn er – wie dargelegt – aus Gründen, die er nicht zu vertreten hatte, aus dem Unternehmen ausscheiden mußte.
Jene Vorschrift macht die fiktive Gleichstellung mit den Entlassenen von zwei Voraussetzungen abhängig, nämlich vom Nichtvertretenmüssen der Ausscheidungsgründe und der Unvermeidbarkeit des Ausscheidens. Es genügt folglich nicht, daß der Kläger die Ausscheidungsgründe nicht zu vertreten hat. Diese Gründe müssen ferner derart sein, daß sie zwingend sein Ausscheiden erfordert haben. Die Vorschrift stellt nämlich nicht nur darauf ab, daß der Arbeitnehmer ausscheidet, sondern daß er ausscheiden “muß”. Das Wort “muß” verdeutlicht, daß es unerheblich ist, ob der Kläger möglicherweise – wie in § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG (1. Variante) – einen wichtigen Grund hat, das Arbeitsverhältnis zu lösen. Das “Ausscheiden-Müssen” für den zunächst versetzten und nicht unmittelbar entlassenen Arbeitnehmer ist in einem Zusammenhang mit dem Leistungszweck zu sehen, nämlich Beihilfen aus Anlaß von veränderten Absatzbedingungen in der Eisen- und Stahlindustrie zu gewähren (§ 1 MUV-RL E/S). Wenn einerseits darauf abgestellt wird, daß der Versetzte die Gründe für sein Ausscheiden nicht zu vertreten, andererseits sich das Ausscheiden als ein “Muß” zu erweisen hat, rechtfertigen im Hinblick auf den Leistungszweck nur solche betriebliche Gründe die Gewährung von Beihilfen, die sich deshalb aus der Stillegungsmaßnahme ergeben, weil sie als Folge davon zwingend ein Ausscheiden des versetzten Arbeitnehmers gebieten. Erst daraus ergibt sich, daß dessen Ausscheiden zumindest in einem mittelbaren Zusammenhang mit der Stillegungsmaßnahme steht. Ob solche Gründe hier vorliegen, läßt sich nicht abschließend entscheiden.
Soweit der Kläger sich darauf berufen hat, daß er wegen Schwierigkeiten mit seinem neuen Vorgesetzten im Rohrwerk ausgeschieden sei, handelt es sich nicht um betriebsbedingte Gründe. Ein derartiger Grund rechtfertigt nicht die Gewährung von Beihilfen.
Die Erklärungen des Unternehmens zum Grund des Ausscheidens sind widersprüchlich. In dem Angebot vom 6. November 1986 zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages ist festgehalten worden, daß aus Anlaß der Stillegung des Elektrowerkes und weiterer Rationalisierungsmaßnahmen im Werk E.… sich die Notwendigkeit ergebe, die Zahl der Mitarbeiter den betrieblichen Erfordernissen anzupassen und das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger im gegenseitigen Einvernehmen fristgerecht zum 30. Juni 1987 aufzulösen. Auf Wunsch des Klägers ist der Zeitpunkt des Ausscheidens später einverständlich auf den 31. Mai 1987 vorverlegt worden. Im Widerspruch zu den Angaben im Vertragsangebot vom 6. November 1986 mußte der Kläger nach dem vom LSG in Bezug genommenen Schreiben des Konkursverwalters der M.… vom 31. Oktober 1989 nach seiner Versetzung in das Rohrwerk nicht aus dem Unternehmen ausscheiden. Danach ging der Arbeitgeber seinerzeit von der “Unkündbarkeit” des Klägers als Betriebsratsmitglied aus und hatte ihn deshalb nicht in die Ursprungsliste aufgenommen. Aus diesem Schreiben wäre mit dem LSG zu folgern, daß das Unternehmen – gleichgültig ob rechtlich zutreffend oder nicht – jedenfalls keine Möglichkeit gesehen hat, ihn zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes zu veranlassen. Zwingende betriebsbedingte, aus der Stillegungsmaßnahme resultierende Gründe wären danach nicht ursächlich für das Ausscheiden des Klägers gewesen.
Einiges könnte dafür sprechen, daß die im Vertragsangebot vom 6. November 1986 genannten betriebsbedingten Gründe ausschließlich deshalb aufgeführt wurden, um dem Kläger nach der Betriebsvereinbarung Nr 910 eine Abfindung zahlen zu können. Selbst wenn dies so wäre, hat das LSG einen weiteren Aspekt nicht hinreichend beachtet. Der Kläger hat der Darstellung des Konkursverwalters in dem Schreiben vom 31. Oktober 1989 widersprochen. Er hat geltend gemacht, daß er im Rohrwerk ab 1. Oktober 1986 unterwertig als Springer beschäftigt worden sei. Zwar ist eine unterwertige Beschäftigung allein noch kein zwingender Grund, ein Arbeitsverhältnis zu beenden. Dem Arbeitnehmer ist es zunächst zuzumuten, durch entsprechende arbeitsrechtliche und ggf arbeitsgerichtliche Schritte die Beschäftigung an einem vertragsgemäßen Arbeitsplatz zu realisieren. Ansonsten könnte er sich nicht darauf berufen, daß er die Gründe für sein Ausscheiden nicht zu vertreten hätte. Sollte jedoch im Rohrwerk überhaupt kein Bedarf für einen – weiteren – Qualitätskontrolleur und damit kein entsprechend freier Arbeitsplatz für den Kläger bestanden haben, könnte sein Ausscheiden zum 31. Mai 1987 in einem mittelbaren Zusammenhang mit der Stillegungsmaßnahme gesehen werden. Denn dann wäre die Versetzung “fehlgeschlagen”, so daß sich ergäbe, daß allein stillegungsbedingte Gründe – als Fernwirkung – sein Ausscheiden verursacht hätten.
Das LSG wird somit die wahren Grunde für das Ausscheiden des Klägers vom 31. Mai 1987 zu ermitteln haben. Hierbei ist aufzuklären, ob der Kläger vereinbarungsgemäß auf dem Arbeitsplatz eines Abnahmekontrolleurs eingearbeitet worden ist oder eine solche Arbeitsmöglichkeit für ihn im Rohrwerk überhaupt nicht bestanden hat und er deshalb nur unterwertig als Springer eingesetzt worden ist. Erst wenn der Ausscheidungsgrund ermittelt worden ist, stellt sich ggf die Frage des Vertretenmüssens. Die rechtliche Bewertung könnte sich insoweit an dem Maßstab des § 141b Abs 1 Satz 3 AFG orientieren.
Sollte der Kläger als Entlassener iS des § 2 Abs 1 Nr 4 Satz 2 MUV-RL E/S gelten, würde er als Wiederbeschäftigter die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs 1 Satz 1 MUV-RL E/S erfüllen. Mit der Tätigkeit bei den RWE ab 1. Juni 1987 hat er innerhalb von zwölf Monaten seit seiner erstmaligen Versetzung eine Beschäftigung außerhalb der Eisen- und Stahlindustrie aufgenommen. In diesem Fall wird das LSG ferner zu prüfen haben, ob er während der Beschäftigung bei den RWE überhaupt eine relevante Lohneinbuße iS von § 9 Abs 2 MUV-RL E/S erlitten hat. Desweiteren ist die Ausschlußfrist des § 5 Abs 2 MUV-RL E/S zu beachten.
Wegen der fehlenden Feststellungen ist der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Hierbei wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen