Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Der Kläger fordert von der Beklagten Unfallversicherungsbeiträge als zu Unrecht entrichtet zurück.
Er ist Konkursverwalter der Firma L… R… Bauunternehmung und Betonwerke KG, über deren Vermögen am 21. Februar 1977 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Im Hinblick auf diesen Konkurs erfaßte die beklagte Berufsgenossenschaft alle Ansprüche auf Arbeitsentgelt der bis zur Konkurseröffnung beschäftigten Arbeitnehmer, ohne zu unterscheiden, wie sie befriedigt wurden. Für die Zeit vom 1. Januar bis zum 20. Februar 1977 stellte sie dementsprechend eine Beitragsschuld des Unternehmers in Höhe von183.238,86 DM fest (Beitrags-Bescheid vom 22. März 1977) und forderte, sie als Masseschuld gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e der Konkursordnung (KO) aus der Konkursmasse vorweg zu berichtigen. Dem kam der Kläger im August 1978 zwar nach, forderte aber im März 1982, ihm den Teil der Beiträge als zu Unrecht entrichtet zu erstatten, die nicht an ausgezahltem Arbeitsentgelt, sondern an dem stattdessen vom Arbeitsamt gezahlten Konkursausfallgeld (Kaug) bemessen worden seien. Dieses Begehren lehnte die Beklagte ab, weil sich die Beiträge zur Unfallversicherung unter anderem nach den verdienten Arbeitsentgeltansprüchen der Beschäftigten und nicht danach zu richten hätten, wie die Arbeitnehmer später bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers tatsächlich ihr Geld erhalten hätten (Bescheid vom 6. April 1982 und Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 1982).
Vor dem Sozialgericht (SG) hat die dagegen gerichtete und mit einem weiteren Rechtsstreit über die Verzinsung des Gesamtbeitrages verbundene Klage für sich dem Grunde nach Erfolg gehabt (Teilurteil vom 16. November 1982). Das Landessozialgericht (LSG) dagegen hat dieses Teilurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: Entscheidend für die Berechnung des Unfallversicherungsbeitrags sei die Höhe des tatsächlich erworbenen Lohnanspruchs. Dabei komme es nicht darauf an, ob er z. B. bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers überhaupt nicht oder nur teilweise oder von einem Dritten befriedigt werde.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 160 Reichsversicherungsordnung (RVO) a. F. und des § 725 Abs. 1 RVO. Aus § 14 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB 4) und § 725 Abs. 1 RVO lasse sich herleiten, daß der Entgeltbegriff in der Unfallversicherung nur solche Beträge erfasse, die den Versicherten in den Mitgliedsunternehmen zuflössen. Dagegen komme dem Rechtsanspruch auf das Arbeitsentgelt gerade nicht die entscheidende Bedeutung zu.
Der Kläger beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 9. August 1983 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das LSG entschieden, daß dem Kläger der geltend gemachte Beitragserstattungsanspruch nicht zusteht.
Dieser Anspruch wäre nur begründet, wenn der Kläger die Beiträge, deren Erstattung er verlangt, zu Unrecht entrichtet hätte (vgl. § 26 Abs. 1 SGB 4). Voraussetzung dafür ist die teilweise Aufhebung des Beitragsbescheides vom 22. März 1977 als Rechtsgrund der umstrittenen Beitragsentrichtung, den der Kläger bindend werden ließ (§ 77 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) und den er voll erfüllte. Er hat aber keinen Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheides.
Der klagende Konkursverwalter macht geltend, die Beiträge seien falsch berechnet worden, weil die Löhne auch insoweit der Beitragsberechnung zugrunde gelegt worden seien, als der Gemeinschuldner sie nicht gezahlt habe. Er behauptet damit, der Beitragsbescheid sei bezüglich der Höhe von Anfang an rechtswidrig gewesen. Sinngemäß weist er auf § 44 des Sozialgesetzbuchs, Verwaltungsverfahren, 10. Buch (SGB 10) hin, wonach auch ein unanfechtbar gewordener rechtswidriger Verwaltungsakt, aufgrund dessen Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist (vgl. BSGE 54, 223, 229 = SozR 1300 § 44 Nr. 3).
Der Beitragsbescheid vom 22. März 1977 ist jedoch nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat zu Recht die Beiträge von dem verdienten Lohn und nicht nur von dem durch den Gemeinschuldner tatsächlich ausgezahlten Lohn berechnet.
Nach § 725 Abs. 1 RVO richtet sich die Höhe der Beiträge - soweit sie hier umstritten ist - nach dem "Entgelt" der Versicherten in dem Unternehmen. Was unter Entgelt zu verstehen ist, sagte damals der bis zum 30. Juni 1977 gültig gewesene § 160 RVO a. F., der ab 1. Juli 1977 durch § 14 SGB 4 ersetzt worden ist (vgl. Art. II § 1 Nr. 1 Buchst. a SGB 4). Zum Entgelt i. S. der RVO gehörten danach "neben Gehalt oder Lohn auch Gewinnanteile, Sach- und andere Bezüge, die der Versicherte, wenn auch nur gewohnheitsmäßig, statt des Gehaltes oder Lohnes oder neben ihm von dem Arbeitgeber oder einem Dritten erhält".
Ob der versicherte Arbeitnehmer Lohn schon dann "erhält", wenn er ihn verdient hat oder erst dann, wenn er ihm zufließt, konnte in den Fällen streitig sein, in denen die Beiträge vom Lohn abgezogen werden. Für diese Versicherungszweige - Krankenversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung - war durch die beiden noch bis zum 30. Juni 1977 gültig gewesenen gesetzesgleichen Erlasse zur weiteren Vereinfachung des Lohnabzugs (Gemeinsamer Erlaß des Reichsministers für Finanzen und des Reichsarbeitsministers vom 9. September 1944, RABl. II 281 und Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 24. Oktober 1944, RABl. II 302) der Zufluß für entscheidend erklärt worden. Damit ist aber nur geregelt, wann, d. h. bei welcher Lohnzahlung, der Beitragsabzug durchzuführen ist. Dagegen ist damit nicht geregelt, daß sich der Arbeitgeber von seiner Beitragszahlungspflicht befreien kann, indem er sich einseitig der Lohnzahlungspflicht entzieht. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 26. Oktober 1982 (BSGE 54, 136, 138 = SozR 2200 § 393 Nr. 9 S. 21 ff.) auch für die Zeit klargestellt, in der der "Gemeinsame Erlaß" galt. Die für das Beitragsabzugsverfahren geltende "Zuflußtheorie" kann die Beitragspflicht des Arbeitgebers nicht einschränken: Die Beitragspflicht entsteht und wird fällig mit der Lohnzahlungspflicht und knüpft damit bereits an den verdienten Lohn, nicht erst an die Tatsache seiner Auszahlung an. Für das Umlageverfahren in der gesetzlichen Unfallversicherung, für das eine "Zuflußtheorie" nicht von Bedeutung war, gilt dies erst recht. Hier erfüllt bereits die als Gegenleistung verdiente Forderung den Begriff des Entgelts i. S. des § 160 RVO a. F., der zur Auslegung des § 725 Abs. 1 RVO heranzuziehen ist (vgl. schon das Reichsversicherungsamt, Entscheidung vom 30. April 1931, III a Kn 1332.30, auszugsweise abgedruckt in EuM 40, 116, 117 - Anmerkung - und GE 3948 AN 1931, 34 sowie das BSG in BSGE 41, 6, 11 = SozR 2200 § 393 Nr. 3 und BSGE 54, 136, 140).
Dem entspricht auch die Rechtslage im Konkurs (vgl. BSGE 54, a. a. O.). Nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO i. d. F. des Gesetzes über Kaug vom 17. Juli 1974 (BGBl. I 1481) sind im Falle des Konkurses Masseschulden, die gem. § 57 KO aus der Konkursmasse vorweg zu berichtigen sind, nicht nur die unbefriedigten Rechtsansprüche der Arbeitnehmer aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner für die letzten 6 Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens (Buchst. a), sondern auch für denselben Zeitraum die entsprechenden Beitragsansprüche der Träger der Sozialversicherung einschließlich der Unfallversicherungsträger (Buchst. e - vgl. hierzu BSGE 49, 276, 280 = SozR 2200 § 28 Nr. 3). Damit hat der Gesetzgeber des Gesetzes über Kaug zum Ausdruck gebracht, daß die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners weder die Entstehung noch die Fälligkeit (vgl. § 746 RVO) der umstrittenen Beitragsansprüche hindert.
Die Revision war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.9b RU 66/83
Bundessozialgericht
Fundstellen