Entscheidungsstichwort (Thema)
Behandlungspflege. Grundpflege. Gesamtbedarf. krankheitsspezifische Pflegemaßnahme. Katalogverrichtung. zeitlicher und sachlicher Zusammenhang. Medikamentengabe. Nahrungsaufnahme. Kompressionsstrümpfe. Subsidiarität. Pflegebereitschaft. Pflegestufe. Wahlrecht. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (redaktionell)
- Maßnahmen der Behandlungspflege können nur dann der Grundpflege zugeordnet werden, wenn sie entweder untrennbarer Bestandteil einer Verrichtung der Grundpflege sind oder sie mit einer solchen Maßnahme objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.
- Seit dem 1.1.2004 sind Behandlungspflegemaßnahmen, die untrennbarer Bestandteil einer Verrichtung der Grundpflege sind oder mit dieser objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, nur noch dann bei der Berechnung des Umfangs des Pflegebedarfs nach den §§ 14 und 15 SGB XI und damit bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit und der Zuordnung zu einer der Pflegestufen zu berücksichtigen, wenn der Pflegebedürftige sich dafür entschieden hat, die Behandlungspflegemaßnahme in seinem Haushalt durch eine nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson im Sinne des § 19 SGB XI, also durch Familienmitglieder, Nachbarn oder Freunde, und nicht durch einen Pflegedienst nach § 71 Abs 1 SGB XI erbringen zu lassen. Hat der Pflegebedürftige in solchen Fällen die Inanspruchnahme eines Pflegedienstes für die Durchführung der Behandlungspflege gewählt, entfällt die Zuständigkeit der sozialen Pflegeversicherung für diese Maßnahme; allein zuständig ist die gesetzliche Krankenversicherung. Dies gilt für die Zeit vor dem 1.1.2004 auch dann, wenn der Versicherte auch zu jener Zeit nur professionelle Hilfe bei der häuslichen Krankenpflege in Anspruch genommen hat und der Zeitaufwand für diese Hilfe bei der Berechnung des Umfangs des Pflegebedarfs nach den §§ 14 und 15 SGB XI außer Ansatz geblieben ist.
Normenkette
SGB V § 37 Abs. 2 Sätze 1, 3, § 12 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 2, § 27 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, Abs. 7, § 13 Abs. 3 S. 1; SGB XI § 14 Abs. 4 Nr. 2, §§ 15, 18, 36-38; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die 1919 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin leidet an einer Herzinsuffizienz, einem hirnorganischen Psychosyndrom sowie einer Einschränkung des Kurzzeitgedächtnisses. Sie erhält Sachleistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I. Nach dem Pflegegutachten vom 1. August 2000 besteht ein durchschnittlicher täglicher Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 100 Minuten, davon im Bereich der Nahrungsaufnahme 9 Minuten, wobei die Klägerin zwar körperlich selbstständig essen und trinken kann, jedoch hierzu der Aufforderung und Kontrolle bedarf. Bis November 2002 lebte die Klägerin mit ihrem ebenfalls pflegebedürftigen Ehemann in einer gemeinsamen Wohnung.
Die Klägerin benötigt zwei Mal täglich Medikamente, die sie auf Grund der Einschränkung ihrer geistigen Leistungsfähigkeit nicht selbstständig einnehmen kann. Ihr Ehemann konnte ihr dabei auch nicht helfen. Auf Grund dessen verordnete der behandelnde Hausarzt regelmäßig, zuletzt am 19. März 2002 für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 2002, zwei Mal täglich häusliche Krankenpflege durch Herrichten und Verabreichen der Medikamente. Diesen Antrag lehnte die Beklagte – anders als für die davor liegenden Quartale – ab. Zwar stelle die Medikamentengabe grundsätzlich eine verordnungsfähige Leistung der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) dar. Die KK sei jedoch für die Leistung nicht zuständig, weil die Medikamentengabe hier in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme stehe und deshalb im Rahmen der Pflegeversicherung als Grundpflege zu berücksichtigen sei. In solchen Fällen zähle die Medikamentengabe zur Leistungspflicht der Pflegeversicherung (Bescheid vom 15. April 2002; Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2002). Der von der Pflegekasse beauftragte Pflegedienst leistete auf Veranlassung der Klägerin auch die Hilfe bei der Medikamenteneinnahme. Dessen Rechnungen belaufen sich insoweit für den fraglichen Zeitraum auf insgesamt 892,42 €. Die Forderung ist der Klägerin bis zum Abschluss des Rechtsstreits gestundet.
Mit der Klage hat die Klägerin vorgetragen, es sei unzutreffend, die Medikamentengabe und sonstige Maßnahmen der Behandlungspflege der Grundpflege zuzuordnen, weil der Verrichtungskatalog des § 14 Abs 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) abschließend sei. Auch bei Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung könne daher der krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf Behandlungspflege nach § 37 SGB V uneingeschränkt geltend gemacht werden. Zudem stehe die Medikamentengabe “nach dem Essen” mit der Verrichtung Nahrungsaufnahme nicht in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang, sodass die Zuordnung zur Grundpflege ausscheide.
Das Sozialgericht (SG) hat eine Auskunft des Hausarztes zur Frage eingeholt, ob die Medikation im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme erfolgen müsse, und die Beklagte antragsgemäß zur Freistellung von den entstandenen Kosten der häuslichen Krankenpflege verurteilt. Es hat den notwendigen zeitlichen Zusammenhang der Behandlungspflege mit der Verrichtung Nahrungsaufnahme verneint, weil der Hausarzt nur empfohlen habe, die Medikamente nach dem Essen einzunehmen, sodass nur ein rein praktischer Zusammenhang zwischen beiden Vorgängen bestehe (Urteil vom 5. Juni 2003). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 4. Dezember 2003). Es hat sich kritisch mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auseinander gesetzt, wonach Maßnahmen der Behandlungspflege, die untrennbarer Bestandteil einer Maßnahme der Grundpflege seien, eine solche Maßnahme ersetzten oder mit einer Verrichtung der Grundpflege in einem notwendigen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, in die Leistungspflicht der Pflegeversicherung fielen und nicht als Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege von den KKn zu erbringen seien. Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V werde auch bei Berücksichtigung des Pflegeaufwands für eine Maßnahme der Behandlungspflege im Rahmen der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI generell nicht eingeschränkt. Andernfalls würden pflegebedürftige Versicherte benachteiligt, weil die Leistungen der Pflegeversicherung der Höhe nach begrenzt seien (§§ 36, 37, 38 SGB XI) und die Versicherten deshalb bei hohem Pflegebedarf Leistungen, für die sonst die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) einzutreten habe, ganz oder teilweise aus eigenen Mitteln bestreiten müssten. Zur Stützung seiner Rechtsauffassung hat das LSG auf die zum 1. Januar 2004 in das SGB V eingefügte Regelung des § 37 Abs 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V hingewiesen, wonach der Anspruch auf häusliche Behandlungssicherungspflege “das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ab Kompressionsklasse 2 auch in den Fällen umfasst, in denen dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen ist”. Damit habe der Gesetzgeber auf die als unbefriedigend empfundene Rechtsprechung des BSG in diesem Bereich reagiert. Aus Gleichbehandlungsgründen müsse diese Regelung auch für andere Fälle der Behandlungspflege gelten.
Darüber hinaus hat das LSG die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der Medikamentengabe im Rahmen der Grundpflege – und damit eine Zuständigkeit der Pflegekasse – ebenso wie das SG verneint. Es gebe hier keinen zwingenden medizinischen Grund für die zeitliche Verbindung der Medikamentengabe mit der Nahrungsaufnahme. Die Einnahme der Präparate könne auch ein bis zwei Stunden nach dem Essen erfolgen.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung materieller und verfahrensrechtlicher Vorschriften. Sie hält die Regelung des § 37 Abs 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V für eine nur auf das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen zugeschnittene und daher nicht analogiefähige Ausnahmeregelung. Ein allgemeiner Rechtsgedanke sei dieser Regelung nicht zu entnehmen. Den notwendigen zeitlichen Zusammenhang der Medikamentengabe “nach dem Essen” mit der Nahrungsaufnahme sieht die Beklagte als erfüllt an. Soweit das LSG diesen Zusammenhang verneint hat, rügt sie eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Unterlassen der Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2003 und des SG Dortmund vom 5. Juni 2003 zu ändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise, das Urteil des LSG aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach den §§ 165, 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben der Klägerin den geltend gemachten Freistellungsanspruch nach § 37 Abs 2 SGB V iVm § 13 Abs 3 SGB V zu Recht zuerkannt.
1. Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V, wonach Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten sind, die dadurch anfallen, dass die KK eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Variante 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Variante 2) und sich der Versicherte die notwendige Leistung deshalb selbst beschafft hat. Diese auf die Erstattung schon verauslagter Kosten zugeschnittene Regelung (Kostenerstattungsanspruch) ist entsprechend auf die Freistellung des Versicherten von einer ihm gegenüber bestehenden, aber – zB wie hier wegen Stundung – noch nicht erfüllten Forderung eines Leistungserbringers anzuwenden (BSGE 80, 181, 182 = SozR 3-2500 § 13 Nr 14; stRspr). Im vorliegenden Fall geht es nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG wegen der täglich zwei Mal vorzunehmenden, nicht aufschiebbaren Medikamentengabe im zweiten Quartal 2002 um einen Freistellungsanspruch wegen Selbstbeschaffung einer von der Beklagten nicht erbrachten, rechtzeitig beantragten unaufschiebbaren Leistung (Variante 1) und für die Zeit ab Bekanntgabe des ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 15. April 2002 zugleich um einen Freistellungsanspruch wegen einer zu Unrecht abgelehnten Leistung (Variante 2).
2. Die Beklagte hätte die begehrte häusliche Krankenpflege in Form der zwei Mal täglich erforderlichen Medikamentengabe als Sachleistung (§ 37 Abs 2 iVm § 2 Abs 2 und § 27 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V) zur Verfügung stellen müssen. Die Pflegekasse war für diese Leistung nicht zuständig.
a) Nach § 37 Abs 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (sog Behandlungssicherungspflege). Der krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungssicherungspflege besteht neben dem Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung. Zur Behandlungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die nur durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, vgl BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2; BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1; BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 3 und 11). Die vom Hausarzt verordnete Medikamentengabe zählt zu den im Rahmen der Behandlungspflege verordnungsfähigen Leistungen, vgl Nr 26 der Anlage der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und Abs 7 Satz 1 SGB V vom 16. Februar 2000 (BAnz Nr 91 vom 13. Mai 2000). Die medizinische Notwendigkeit der Medikamentengabe sowie die pflegerische Notwendigkeit ihrer Durchführung durch einen Pflegedienst steht nach den nicht angegriffenen und für das Revisionsgericht daher bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG außer Zweifel. Nach dem Pflegegutachten vom 1. August 2000 hat die Klägerin auf Grund der krankheitsbedingten Einschränkung ihrer geistigen Leistungsfähigkeit selbst Speisen und Getränke vielfach nur nach Aufforderung zu sich genommen und bedurfte insoweit ständiger Kontrolle, um der Gefahr der Mangelernährung vorzubeugen. Deshalb erhielt sie auch schon zum damaligen Zeitpunkt zu Recht Medikamentengabe als Behandlungspflege. Der Anspruch ist auch nicht nach § 37 Abs 3 SGB V ausgeschlossen. Danach besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur dann, wenn eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Nach den bindenden Feststellungen des LSG war der – selbst pflegebedürftige – Ehemann der Klägerin nicht in der Lage, die Pflegemaßnahme zu übernehmen.
b) Die Leistungspflicht der Beklagten entfällt auch nicht deshalb, weil – wie die Beklagte meint – die benötigte Maßnahme der Behandlungspflege in die Hilfeleistung bei einer Verrichtung der Grundpflege nach § 14 Abs 4 SGB XI einbezogen und damit Gegenstand der Leistungspflicht der Pflegekasse ist. Die Medikamentengabe stellt selbst dann keine Hilfe bei der Nahrungsaufnahme dar, wenn sie während des Essens oder Trinkens erfolgt.
Nach der Rechtsprechung des BSG zählen krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen nur dann zum Grundpflegebedarf nach § 14 Abs 4 SGB XI, wenn eine solche Maßnahme entweder (a) untrennbarer Bestandteil einer Katalogverrichtung des § 14 Abs 4 SGB XI ist oder (b) mit einer solchen Verrichtung objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang durchzuführen ist (BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2; BSGE 82, 276, 279 = SozR 3-3300 § 14 Nr 7; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 11 und 15). Dies kann unter Umständen so weit gehen, dass eine Maßnahme der Behandlungspflege eine Maßnahme der Grundpflege vollständig ersetzt (BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 3; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 11; Urteil vom 22. August 2001 – B 3 P 23/00 R –). Dabei hat das BSG von Anfang an entschieden, der Katalog der berücksichtigungsfähigen Verrichtungen des § 14 Abs 4 SGB XI sei abschließend (BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 3 und 9) und lediglich um die offensichtlich vergessenen Grundverrichtungen des Sitzens und Liegens zu ergänzen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14).
Die Einbeziehung der Behandlungspflege in die Grundpflege iS des § 14 Abs 4 SGB XI setzt zunächst voraus, dass die konkrete Hilfeleistung mit dem Wortlaut bzw dem Begriff der betreffenden Katalogverrichtung des § 14 Abs 4 SGB XI jedenfalls bei weiter Auslegung vereinbar ist, es also einen “sachlichen Zusammenhang” gibt (vgl BSGE SozR 3-3300 § 14 Nr 9 zur Hilfe beim Baden: Pflegebad an Stelle eines normalen Bades und anschließende Hautbehandlung bei einem Neurodermitis-Patienten; BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 3 zur Hilfe beim An- und Auskleiden: An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen als zusätzlichem krankheitsbedingten Teil der Bekleidung; BSGE 82, 276 = SozR 3-3300 § 14 Nr 7 und BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 11: morgendliches Abklopfen von Mukoviszidose-Kindern im oder am Bett als im Einzelfall – nicht generell – denkbare Hilfe beim Aufstehen; BSG SozR 4-3300 § 14 Nr 3 zur Peritonealdialyse; Urteil vom 22. August 2001 – B 3 P 23/00 R – zur Hilfe bei der Blasenentleerung durch Katheterisierung). Einen nur rein zeitlichen Zusammenhang zwischen Behandlungspflegemaßnahme und Grundpflege hat das BSG niemals ausreichen lassen, auch wenn in einzelnen früheren Entscheidungen – bedingt durch die jeweilige Sachverhaltsgestaltung – das Erfordernis des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs betont worden ist, ohne auf den zusätzlich erforderlichen sachlichen Zusammenhang gesondert einzugehen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 3 und 9; BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 3), wie es in allen neueren Entscheidungen zur Verdeutlichung des Erfordernisses beider Arten des Zusammenhangs geschieht (vgl BSGE 82, 276 = SozR 3-3300 § 14 Nr 7; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 11 und 15; bereits angedeutet in BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 3 S 25). Außerdem ist stets hervorgehoben worden, dass der zeitliche Zusammenhang nach objektiven Kriterien, insbesondere medizinischen Erkenntnissen, eine gleichzeitige Durchführung von Grundverrichtung und medizinischer Hilfeleistung erforderlich machen muss, es also nicht ausreicht, wenn Behandlungspflegemaßnahmen lediglich aus praktischen Gründen vom Betroffenen bzw seinen Pflegepersonen im zeitlichen Zusammenhang mit einer Verrichtung der Grundpflege durchgeführt werden (BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 3 S 25; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 11 S 83).
Im Falle der Erfüllung dieser Voraussetzungen ist der zeitliche Aufwand für eine Maßnahme der Behandlungspflege bei der Ermittlung des Gesamtbedarfs für die Grundpflege bei der jeweiligen Verrichtung aus dem Katalog des § 14 Abs 4 SGB XI mit einzubeziehen (§ 15 Abs 1 und 3 SGB XI). Sofern die Behandlungspflege auf diese Weise bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit und der Zuordnung zu einer Pflegestufe Berücksichtigung findet, fällt sie nach der Entscheidung des Senats vom 30. Oktober 2001 – B 3 KR 2/01 R – (SozR 3-2500 § 37 Nr 3) in die Leistungspflicht der Pflegeversicherung und kann als solche nicht mehr als Sachleistung der Behandlungspflege nach § 37 SGB V gegenüber der KK beansprucht werden. In diesem Fall ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege als Sachleistung nicht mehr notwendig iS des § 12 Abs 1 SGB V, da die benötigte Maßnahme der Behandlungspflege bereits im Rahmen der Pflegeversicherung berücksichtigt wird. Eine solche Konstellation liegt hier jedoch nicht vor.
Die Medikamentengabe stellt als krankheitsspezifische Pflegemaßnahme eine Form der Behandlungspflege dar, die vom Verrichtungskatalog des § 14 Abs 4 SGB XI auch bei weiter Auslegung nicht erfasst wird (so bereits BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2 am Beispiel von Insulininjektionen bei Diabetespatienten). Insbesondere handelt es sich nicht um eine Pflegemaßnahme im Rahmen der – hier allein in Betracht kommenden – Verrichtung der “Nahrungsaufnahme” iS des § 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI. Medikamente sind keine “Nahrung” im Sinne dieser Vorschrift; dazu zählen nur die festen und flüssigen Nahrungsmittel, die der Mensch zu seiner Ernährung, dh zur Aufrechterhaltung der Stoffwechselfunktionen, zu sich nimmt. Die Regelung des § 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI spricht ausdrücklich nur von der “Aufnahme der Nahrung”, nicht aber zB von der Aufnahme von verdaulichen Stoffen jeder Art. Deshalb fällt die Medikamentengabe selbst dann nicht in den Bereich der Grundpflege nach § 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI, wenn das Arzneimittel zB als Tablette zusammen mit Wasser oder in flüssiger Form mit einem Stück Zucker verabreicht wird. Die Beigabe von Wasser oder Zucker (Nahrungsmittel) dient in derartigem Zusammenhang nicht der Ernährung, sondern der erleichterten Einnahme bzw der besseren Verträglichkeit oder der erhöhten Bioverfügbarkeit des Arzneimittels. Deshalb stellt die Medikamentengabe grundsätzlich keine Verrichtung der Grundpflege iS des § 14 Abs 4 SGB XI dar und kann ihr auch nicht gleichgestellt werden. Etwas anderes mag allenfalls gelten, wenn das Medikament dazu dient, die Aufnahme der Nahrung durch den Mund und die Speiseröhre zu erleichtern, etwa Schluckbeschwerden zu beheben oder zu verringern; ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor.
Nach alledem kann hier die Frage offen bleiben, ob die Medikamentengabe auch deshalb nicht der Grundpflege zugerechnet werden kann, weil sie – so das LSG – aus medizinisch-pflegerischen Gründen nicht in notwendigem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Verrichtung der Grundpflege durchgeführt werden musste (BSGE 82, 276, 279 = SozR 3-3300 § 14 Nr 7 und BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 11). Ob aus der Auskunft des Hausarztes, die Medikamente sollten aus therapeutischen Gründen zwei Mal täglich “nach dem Essen” verabreicht werden, geschlossen werden kann, damit könne auch ein Zeitrahmen von ein bis zwei Stunden nach der Nahrungsaufnahme gemeint sein, wovon das LSG ausgeht, oder ob darunter auch der Abschluss des Essens, also eine Gleichzeitigkeit, zu verstehen sein kann, was die Beklagte behauptet, braucht nicht entschieden zu werden. Deshalb erübrigen sich auch Ausführungen zur entsprechenden Sachaufklärungsrüge der Beklagten.
Wegen der rechtswidrigen Nichterbringung bzw Ablehnung der unaufschiebbaren häuslichen Krankenpflege durch Medikamentengabe steht der Klägerin somit nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V für die selbstbeschaffte Leistung ein Freistellungsanspruch in Höhe der vom Pflegedienst berechneten Vergütung zu. Selbst wenn die vom Pflegedienst berechneten Beträge über den “Vertragssätzen” der Beklagten liegen würden, hätte die Klägerin Anspruch auf Erstattung der ihr tatsächlich entstandenen – und von der Beklagten der Höhe nach auch nicht beanstandeten – Kosten (vgl Höfler in Kasseler Kommentar, Stand April 2002, § 13 SGB V RdNr 33 mwN).
3. Der Freistellungsanspruch der Klägerin ist überdies aus einer zweiten Erwägung begründet, und zwar auch dann, wenn die Behandlungspflege durch Medikamentengabe hier mit der Hilfe zur Nahrungsaufnahme gleichzustellen bzw in sie einzubeziehen gewesen wäre. Seit dem 1. Januar 2004 sind Behandlungspflegemaßnahmen, die untrennbarer Bestandteil einer Verrichtung der Grundpflege sind oder mit dieser objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, nur noch dann bei der Berechnung des Umfangs des Pflegebedarfs nach den §§ 14 und 15 SGB XI und damit bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit und der Zuordnung zu einer der Pflegestufen zu berücksichtigen, wenn der Antragsteller (der Pflegebedürftige) sich dafür entschieden hat, die Behandlungspflegemaßnahme in seinem Haushalt durch eine nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson (§ 19 SGB XI), also durch Familienmitglieder, Nachbarn oder Freunde, und nicht durch einen Pflegedienst (§ 71 Abs 1 SGB XI) erbringen zu lassen. Hat der Pflegebedürftige in solchen Fällen die Inanspruchnahme eines Pflegedienstes (§ 132a SGB V) für die Durchführung der Behandlungspflege gewählt, entfällt die Zuständigkeit der sozialen Pflegeversicherung für diese Maßnahme; allein zuständig ist die GKV (§ 37 SGB V). Dies gilt für die Zeit vor dem 1. Januar 2004 auch dann, wenn – wie hier – der Versicherte auch zu jener Zeit nur professionelle Hilfe bei der häuslichen Krankenpflege in Anspruch genommen hat und der Zeitaufwand für diese Hilfe bei der Berechnung des Umfangs des Pflegebedarfs nach den §§ 14 und 15 SGB XI außer Ansatz geblieben ist.
a) Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 3) ist die Regelung des § 37 Abs 3 SGB V, wonach der Anspruch des Versicherten auf Behandlungspflege nur entsteht, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Dabei kann die Subsidiarität der Leistungspflicht der KKn im Einzelfall erheblich eingeschränkt sein. Auf Seiten der Pflegeperson muss eine aktive Bereitschaft zur Pflege vorhanden sein. Sachlich nachvollziehbare Gründe, die der Erbringung von Pflegeleistungen entgegen stehen, wie etwa die Notwendigkeit, kleinere Kinder zu versorgen oder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (vgl BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5), müssen akzeptiert werden. Die aktive Pflegebereitschaft kann nur in Grenzen anhand objektiver Kriterien überprüft werden. Wenn die in Betracht kommende Pflegeperson sich weigert, die erforderliche Hilfe zu leisten, kann die KK den Versicherten nicht unversorgt lassen. Ein denkbarer Rückgriff dürfte nur schwer und mit unverhältnismäßigem Aufwand zu realisieren sein. Hinzukommen muss schließlich die passive Pflegebereitschaft. Die KK ist deshalb zur Erbringung häuslicher Krankenpflege verpflichtet, wenn der Pflegebedürftige triftige Gründe hat, eine Versorgung durch die in Betracht kommende Pflegeperson zu verweigern (zu den Grenzen der Zumutbarkeit vgl BSGE 86, 101 = SozR 3-2500 § 37 Nr 2). Im Gesetzgebungsverfahren zum Pflegeversicherungsgesetz (PflegeVG) wurde die – trotz der genannten Einschränkungen – in der Praxis ganz erhebliche Beschränkung des Anspruchs auf Behandlungspflege im häuslichen Bereich nicht erörtert, sondern der Eindruck erweckt, der Aufwand der Behandlungspflege müsse bei der Feststellung von Pflegebedürftigkeit deshalb unberücksichtigt bleiben, weil er in jedem Fall von der GKV abgedeckt werde.
Bei der großen Gruppe der wegen Altersgebrechlichkeit Pflegebedürftigen wirkt sich die Subsidiarität des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege nicht so gravierend aus wie bei pflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen. Altersgebrechliche werden häufig von Ehegatten bzw Partnern betreut, die ebenfalls betagt sind und bei denen aus diesem Grund bereits die Fähigkeit eingeschränkt ist, aufwändigere Maßnahmen der Behandlungspflege durchzuführen. Bei der Versorgung älterer Pflegebedürftiger durch jüngere Angehörige (Kinder, Schwiegerkinder etc) hat die Rechtsprechung zudem besonderen Wert auch auf die passive Pflegebereitschaft gelegt. Zumindest bei den das Intimleben der Pflegebedürftigen berührenden Hilfeleistungen muss die Pflegeperson vom Pflegebedürftigen akzeptiert werden. Gibt es sachlich nachvollziehbare Gründe dafür, dass der Pflegebedürftige eine Versorgung durch die in Betracht kommenden Haushaltsangehörigen bei einzelnen Maßnahmen der Behandlungspflege verweigert, so kann sich die KK nicht auf die Subsidiarität ihrer Leistungspflicht nach § 37 Abs 3 SGB V berufen (zu Fällen des Missbrauchs vgl BSGE 86, 101 = SozR 3-2500 § 37 Nr 2).
Eine andere Interessenlage besteht in Familien, in denen behinderte oder chronisch kranke Kinder und Jugendliche zu versorgen sind. Hier besteht vielfach kaum Interesse an professioneller Pflege; die ganze Familie engagiert sich bei der Pflege des hilfebedürftigen Familienmitglieds. In vielen Fällen ist professionelle Hilfe auch nur bedingt geeignet, weil die Hilfeeinsätze – anders als bei vielen Fällen der Gebrechlichkeitspflege – zeitlich nicht planbar sind. Dies gilt insbesondere für Kinder mit Erkrankungen, die eine nahezu ununterbrochene Präsenz von Aufsichtspersonen und jederzeit verfügbare Hilfeleistungen erforderlich machen, was durch externe Pflegepersonen, etwa Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes, bereits organisatorisch nicht zu leisten ist. Vor diesem Hintergrund ist es erklärlich, dass die unterbliebene Einbeziehung der Behandlungspflege in die Bemessung des Pflegebedarfs zunächst fast ausschließlich von dieser Betroffenengruppe bekämpft wurde (vgl BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 3 bis 6; BSGE 82, 276 = SozR 3-3300 § 14 Nr 7; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 8 bis 12; BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 1, 7 und 8), während altersgebrechliche Pflegebedürftige mit der Kombination von professioneller ambulanter Behandlungspflege und selbst beschaffter ehrenamtlicher Betreuung bei der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung im Regelfall gut zurecht kamen.
b) Nach der Einführung von Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit in der GKV konnte auch die ehrenamtliche häusliche Krankenpflege bei der Ermittlung des anspruchsbegründenden Pflegebedarfs berücksichtigt werden, weil das Gesetz hier nicht zwischen Grund- und Behandlungspflege unterschied und auch keinen abschließenden Katalog der zu berücksichtigenden Pflegemaßnahmen aufstellte. Im Hinblick auf die frühere, bis zum 31. März 1995 geltende Gesetzeslage zur Schwerpflegebedürftigkeit iS der §§ 53 ff SGB V aF hatte der Senat mit Urteil vom 17. April 1996 (3 RK 28/95 – SozR 3-2500 § 53 Nr 10) entschieden, dass krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, insbesondere wenn sie zur Aufrechterhaltung von Grundfunktionen bzw Vitalfunktionen erforderlich sind, zum Pflegebedarf iS der §§ 53 ff SGB V aF zählen, soweit sie im zeitlichen Zusammenhang mit den von den Spitzenverbänden der Krankenkassen geforderten sog 18 Katalogtätigkeiten (BSGE 73, 146 = SozR 3-2500 § 53 Nr 4; BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 3, 5 und 6) erforderlich werden und nicht die Fachkunde eines Gesundheitsberufs erfordern, sondern auch von pflegenden Angehörigen erbracht werden können (einfache Behandlungspflege).
Nach Einführung des leistungsrechtlichen Teils der sozialen Pflegeversicherung zum 1. April 1995 hat der Senat mit seinem Urteil vom 19. Februar 1998 (B 3 P 3/97 R – BSGE 82, 27, 28 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2) auf diese Entscheidung Bezug genommen und festgestellt, dass die Aussage im Grundsatz auch für die Bemessung des Pflegebedarfs nach den §§ 14, 15 SGB XI zutreffe. Er hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinander gesetzt, ob die Rechtsprechung zur Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 ff SGB V aF auf das Pflegeversicherungsrecht übertragbar sei und hierzu im Wesentlichen den mit Einführung der Pflegeversicherung verfolgten Zweck des Gesetzgebers herausgestellt: Der Gesetzgeber wollte durch Einführung des PflegeVG die kostenintensive stationäre Pflege zurückdrängen, indem die Bereitschaft zur häuslichen Pflege gefördert wird (BT-Drucks 11/2237, S 148, 182 im Hinblick auf die Einführung der §§ 53 ff SGB V zum 1. Januar 1989; BT-Drucks 12/5262, S 61 ff im Hinblick auf die Einführung des SGB XI zum 1. Januar 1995). Vor diesem Hintergrund hat der Senat die Rechtsprechung fortgeführt und betont, dass krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen bei der Bemessung des Umfangs des Pflegebedarfs auch nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen sind, soweit dies mit dem Wortlaut der einzelnen Verrichtungen bei der gebotenen weiten Auslegung des § 14 Abs 4 SGB XI sowie Sinn und Zweck der Regelung vereinbar ist. Eine auf diese Weise in die Pflegeversicherung einbezogene Maßnahme der Behandlungspflege kann dann jedoch nicht mehr als Maßnahme der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V gegenüber der KK beansprucht werden. Der Anspruch auf Behandlungspflege ist in solchen Fällen ausgeschlossen, weil er nach § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V als Doppelleistung nicht notwendig ist. Demgemäß hat der Senat mit Urteil vom 30. Oktober 2001 (B 3 KR 2/01 R – SozR 3-2500 § 37 Nr 3) erstmals einen Anspruch auf Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V unter Hinweis auf die Zugehörigkeit zur Leistungspflicht der Pflegeversicherung verneint. Begehrt wurde in dem dort zu Grunde liegenden Fall Behandlungspflege in Gestalt des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen ab der Kompressionsklasse 2.
c) Gegen diese Entscheidung sind in der Folgezeit Bedenken erhoben worden (vgl zB Plantholz, PflR 2005, S 3 ff). Die Feststellung, dass eine gesetzliche Leistung der GKV nicht notwendig iS des § 12 Abs 1 SGB V sei, treffe nur zu, wenn durch die Pflegeversicherung der Bedarf, der aus der Einbeziehung der grundsätzlich von der KK zu erbringenden Behandlungspflege in die Pflegeleistungen resultiere, tatsächlich auch ausgeglichen werde. Dies ist in der Tat nicht immer der Fall, weil das SGB XI – anders als § 37 SGB V im Bereich der GKV – für die ambulanten Leistungen der Pflegeversicherung einen nach Pflegestufen gestaffelten Leistungsumfang vorsieht. Nach den festgelegten Obergrenzen für die einzelnen Pflegestufen können die Leistungen den Pflegebedarf allenfalls “in der Regel” abdecken. Innerhalb der Pflegestufen ist es für die Auswirkung der Berücksichtigung der Behandlungspflege auch relevant, ob der Grundpflegebedarf am unteren oder am oberen Ende der in § 15 Abs 2 SGB XI genannten weit gespannten Zeitgrenzen liegt. Somit führt vielfach die Berücksichtigung der krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen bei einer Katalogverrichtung nicht zu einer höheren Pflegestufe und damit zu einer Erweiterung der Leistungen der Pflegeversicherung. In Anbetracht der Obergrenzen für ambulante Leistungen wird zudem schon der “reine” grundpflegerische Bedarf mitunter nicht vollständig durch die Leistungen der Pflegeversicherung gedeckt. In diesen Fällen führt die Rechtsprechung des Senats durch den generellen Ausschluss eines Leistungsanspruchs gegen die KK sogar zu einer Belastung der Versicherten, denn diese müssen aus den begrenzten, seit etwa 10 Jahren unveränderten ambulanten Leistungen der sozialen Pflegeversicherung zusätzlich den medizinischen Hilfebedarf, der sonst unbegrenzt über § 37 Abs 2 SGB V abgedeckt wird, finanzieren. Begünstigt werden durch die Rechtsprechung des BSG hingegen jene Pflegebedürftigen, deren in die Pflegeversicherung einbezogenen Behandlungspflegemaßnahmen von Familienmitgliedern erbracht werden und deshalb Pflegegeld beziehen. Bei der Inanspruchnahme von Sachleistungen erweist sich die Rechtsprechung somit häufig und zunehmend als Nachteil. Versicherte der GKV, die zugleich pflegebedürftig sind, werden auch im Vergleich zu den nicht pflegebedürftigen Versicherten der GKV insofern benachteiligt, als ihnen der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V genommen wird, ohne im Fall der Inanspruchnahme von Sachleistungen einen gleichwertigen Ersatz in der sozialen Pflegeversicherung zu erlangen.
d) Der Gesetzgeber hat zum 1. Januar 2004 als Reaktion auf die Rechtsprechung durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I 2190) dem § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V einen 2. Halbsatz angefügt: “Der Anspruch umfasst das Anziehen und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ab Kompressionsklasse 2 auch in den Fällen, in denen dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen ist”.
Die Regelung ist nach Beratung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung zu den einzelnen Gesetzesentwürfen, die im Zusammenhang mit dem GMG vorgelegt worden waren, zu Stande gekommen. In der Begründung führt der Ausschuss aus (BT-Drucks 15/1600, S 13): “Durch die Ergänzung wird das Anziehen und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ab Kompressionsklasse 2 eindeutig der Behandlungspflege und damit der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zugewiesen. Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI zu berücksichtigen ist. Die Krankenkassen können nicht unter Hinweis auf die Berücksichtigung dieses Hilfebedarfs im Rahmen der Begutachtung und der Zuordnung zu den Pflegestufen nach dem Recht der Pflegeversicherung (§§ 14, 15 SGB XI) ihre Leistungspflicht ablehnen. Mit der Regelung werden die Zweifelsfragen, die in der Praxis nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom Oktober 2001 aufgetreten sind und die zu teilweise erheblichen finanziellen Belastungen der Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege geführt haben, zu Gunsten der Betroffenen geklärt.”
Durch die Ergänzung des § 37 SGB V bleibt damit die Maßnahme der Behandlungspflege in Form des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen ab der Kompressionsklasse 2 selbst dann eine Leistung der GKV, wenn diese Maßnahme bereits bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI berücksichtigt worden ist. Weder der Wortlaut des Gesetzes noch die Begründung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung lassen aber die Deutung zu, dass diese Regelung auch für andere oder möglicherweise sämtliche Maßnahmen der Behandlungspflege gelten soll, die bislang von den KKn nicht gewährt werden, weil der Hilfebedarf bereits bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit berücksichtigt wird.
e) Der Ansicht des LSG, der Neuregelung des § 37 Abs 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V sei ein allgemeiner Rechtsgedanke zu entnehmen und könne auf alle in die Feststellung der Pflegebedürftigkeit einbezogenen Behandlungspflegemaßnahmen ausgedehnt werden, ist dennoch im Ergebnis beizupflichten.
Der Freistaat Bayern hatte eine weiter gehende Korrektur der angesprochenen Entscheidung des Senats vom 30. Oktober 2001 befürwortet und dazu den Entwurf eines “Pflege-Korrekturgesetzes – PKG” vorgelegt (BR-Drucks 424/03 vom 18. Juni 2003). Dem § 15 Abs 3 SGB XI sollte danach folgender Satz 2 angefügt werden:
“Bei der Feststellung des Zeitaufwandes im Sinne des Satzes 1 ist ein Zeitaufwand für erforderliche Leistungen der Behandlungspflege nur zu berücksichtigen, wenn und soweit
1. der behandlungspflegerische Hilfebedarf untrennbarer Bestandteil einer Verrichtung im Sinne des § 14 Abs 4 ist oder mit einer solchen Verrichtung objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang steht und
2. die den Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausschließenden Voraussetzungen des § 37 Abs 3 SGB V vorliegen.”
Damit sollte erreicht werden, dass die Einbeziehung von Behandlungspflegemaßnahmen in die Bemessung des Umfangs des Pflegebedarfs nach den §§ 14 und 15 SGB XI nur noch bei Durchführung der Pflege durch nichtprofessionelle Pflegepersonen (Familienmitglieder, Nachbarn, Freunde), nicht aber bei der Inanspruchnahme von Pflegediensten erfolgt.
Der vom Bundesrat gebilligte und übernommene Gesetzentwurf (BT-Drucks 15/1493 vom 28. August 2003) ist im Bundestag unter Hinweis auf einen zu hohen Verwaltungsaufwand gescheitert (vgl Plenarprotokoll 15/109 vom 7. Mai 2004, 9935 A – 9946 A).
f) Die Neuregelung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V begegnet aber in zweifacher Hinsicht rechtlichen Bedenken und erfordert eine verfassungskonforme Auslegung.
Zum einen bewirkt sie mit der Anordnung, der Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Hilfe beim An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ab Kompressionsklasse 2 bestehe auch dann, wenn dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen ist, eine dem Wesen der Sozialversicherung fremde parallele Zuständigkeit von sozialer Pflegeversicherung und GKV bei der Inanspruchnahme dieser speziellen Sachleistung. Zwei Sozialleistungsträger können zwar gegenüber demselben Leistungsberechtigten im Vorrang- und Nachrangverhältnis für eine bestimmte Leistung zuständig sein, grundsätzlich aber nicht gleichzeitig und gleichrangig.
Zum anderen erscheint die Neuregelung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V unter dem Aspekt des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) bedenklich, weil sie für den zwar relativ häufig auftretenden, in seiner Bedeutung für den Pflegebedürftigen aber als vergleichsweise weniger gravierend einzuschätzenden Fall des Tragens von Kompressionsstrümpfen eine Ausnahmeregelung geschaffen hat, nicht aber für die wesentlich schwerwiegenderen Fälle der Behandlungspflege zur Aufrechterhaltung von Grund- bzw Vitalfunktionen (Atmung, Kreislauf, Stoffwechsel). Es ist kein die Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund ersichtlich, der für die Vorzugsbehandlung von Versicherten, die Kompressionsstrümpfe tragen müssen, gegenüber den schwerer betroffenen Versicherten – darunter insbesondere Familien mit erheblich pflegebedürftigen Kindern – angeführt werden könnte.
g) Diese rechtlichen Bedenken gebieten es, die Neuregelung über ihren Wortlaut hinaus zu erweitern und die bisherige Rechtsprechung des Senats in diesem Bereich mit Wirkung ab 1. Januar 2004 zu modifizieren.
Es bleibt dabei, dass Maßnahmen der Behandlungspflege nur dann der Grundpflege zugeordnet werden können, wenn sie entweder untrennbarer Bestandteil einer Verrichtung der Grundpflege sind oder sie mit einer solchen Maßnahme objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.
Da aber diese Zuordnung nur dann ihrem Zweck, die häusliche Pflege durch Familienmitglieder, Nachbarn oder Freunde zu fördern und diese ehrenamtliche Pflege mit der Möglichkeit einer finanziellen Anerkennung zu stärken, voll gerecht werden kann, wenn sie nicht gleichzeitig zu Nachteilen im Fall der Inanspruchnahme von Sachleistungen führt, ist den Pflegebedürftigen ein Wahlrecht zuzugestehen, ob sie eine solche Zuordnung der Behandlungspflege zur Grundpflege wünschen oder nicht. Dieses Wahlrecht übt der Pflegebedürftige bei der ersten Antragstellung gegenüber der Pflegekasse aus, indem er Pflegegeld (§ 37 SGB XI), Pflegesachleistungen (§ 36 SGB XI) oder Kombinationsleistungen (§ 38 SGB V) beantragt, es kann aber auch bei einem ggf später erforderlichen Wechsel vom Pflegegeld zur Sachleistung (oder umgekehrt) geltend gemacht werden.
Durch dieses Wahlrecht, das – in ähnlicher Form – auch bereits in der pflegeversicherungsrechtlichen Literatur vorgeschlagen worden ist (vgl Udsching, Schnittstellen von gesetzlicher Kranken- und sozialer Pflegeversicherung, Festschrift 50 Jahre BSG, 2004, S 691 ff, 698 sowie Plantholz, PflR 2005, S 3, 8), wird praktisch jener Rechtszustand hergestellt, den die Gesetzesinitiative des Freistaats Bayern aus dem Jahre 2003 (Entwurf des PKG, BR-Drucks 424/03 und BT-Drucks 15/1493) zum Ziel hatte. Dass dieser Gesetzesvorschlag letztlich gescheitert ist, steht zwar der vom LSG befürworteten schlichten analogen Anwendung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V entgegen, nicht aber der Anpassung der Rechtslage durch eine Modifikation der Rechtsprechung des Senats, die Anlass für die Neuregelung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V und den PKG-Entwurf war. Durch das Wahlrecht sind die genannten rechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 37 Abs 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V ausgeräumt. Es erstreckt sich auf alle der Grundpflege zurechenbaren Behandlungspflegemaßnahmen und schließt die gleichzeitige und gleichrangige Zuständigkeit von GKV und Pflegeversicherung aus, weil die Zuordnung zur Grundpflege nicht erfolgt, wenn die Behandlungspflege als Sachleistung begehrt wird; allein zuständig ist dann die GKV. Die Lösung ist auch mit dem Wortlaut des § 37 Abs 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V insofern vereinbar, als dort niedergelegt ist, dass der Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen ist. Er ist nur zu berücksichtigen, wenn das Wahlrecht in Richtung ehrenamtlicher Pflege ausgeübt worden ist.
Die Ablehnung des bayerischen Gesetzentwurfs durch die Mehrheit des Bundestages steht einer verfassungskonformen Auslegung der bestehenden Gesetzeslage in diesem Sinne nicht entgegen. Das Gebot der verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen verlangt, vor der vorschnellen Annahme eines Verfassungsverstoßes die Gesetzesnorm nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesetzeszusammenhang sowie Sinn und Zweck so auszulegen und anzuwenden, dass sie mit dem GG vereinbar ist. Voraussetzung ist, dass der Normtext und das Normziel eine solche Auslegung zulassen, ihnen also kein entgegenstehender Sinn verliehen wird. Dabei kann auch vom subjektiven Willen des Gesetzesgebers abgewichen werden, sofern dieser nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht worden ist und dadurch die Norm nicht grundlegend neu bestimmt und ihr Ziel in wesentlichen Punkten verfehlt wird (BVerfGE 69, 1, 55; 86, 288, 322; 93, 37, 81; 95, 64, 93; Schulze-Fielitz, in H. Dreier ≪Hrsg≫, GG-Kommentar, 1998, Art 20 ≪Rechtsstaat≫ RdNr 78; Sachs in Sachs, GG-Kommentar, 1996, Einführung RdNr 52 ff; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl 2004, Art 20 RdNr 34).
Die gesetzliche Änderung in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V bringt dem Wortlaut nach nicht eindeutig zum Ausdruck, dass sie eine abschließende Regelung darstellen soll; sie kann auch als exemplarische Teilregelung der Schnittstellenproblematik zwischen Kranken- und Pflegeversicherung verstanden werden, die der Gesetzgeber für besonders regelungsbedürftig und auch gesetzgebungsreif angesehen hat. Mit einer Ausdehnung des darin enthaltenen Regelungsgedankens auf alle Behandlungspflegemaßnahmen wird der gesetzgeberische Wille nicht verfälscht oder gar in sein Gegenteil verkehrt; die parlamentarische Mehrheit hat von einer erweiterten Regelung – jedenfalls nach den Verlautbarungen – nur deshalb Abstand genommen, weil sie verwaltungspraktische Umsetzungsschwierigkeiten und unvertretbaren Mehraufwand befürchtete, ohne dies indessen näher zu konkretisieren. Es ist anzunehmen, dass das Gesetz in der umfassenderen Weise beschlossen worden wäre, wenn allen Parlamentariern der allenfalls geringfügig erhöhte Verwaltungsaufwand bekannt gewesen wäre.
h) Die im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens von den Sprechern der Mehrheitsfraktionen geltend gemachten Bedenken gegen die Praktikabilität des PKG-Entwurfs, die auch gegen die nun gefundene Wahlrechts-Lösung angeführt werden könnten, teilt der Senat nicht. Selbst wenn den gesetzgebenden Organen ein Einschätzungsspielraum zuzugestehen bleibt, ist ein ins Gewicht fallender erhöhter Verwaltungsaufwand hier eindeutig nicht zu erwarten. Ein Versicherter muss schon bei der erstmaligen Antragstellung, jedenfalls aber noch vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens, mitteilen, ob er im Falle der Feststellung der Pflegebedürftigkeit (§§ 14 und 15 SGB XI) Pflegegeld, Sachleistungen oder Kombinationsleistungen (§§ 36 bis 38 SGB XI) begehrt. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) muss in dem zu erstellenden Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit (§ 18 SGB XI) im Falle der Beantragung von Pflegegeld auch dazu Stellung nehmen, ob die häusliche Pflege in geeigneter Weise sichergestellt ist (§ 18 Abs 6 Satz 2 SGB XI). Der MDK kann in dem Gutachten ohne weiteres die notwendigen Behandlungsmaßnahmen, die nach den genannten Kriterien der Grundpflege zugerechnet werden können, gesondert aufführen und den entsprechenden Pflegeumfang in Minuten ausweisen. Ist Pflegegeld beantragt (§ 37 SGB XI), erfolgt in der Gesamtbetrachtung des Pflegebedarfs die Addition des Pflegeumfangs für die verrichtungsbezogenen Behandlungspflegemaßnahmen. Sind Pflegesachleistungen beantragt (§ 36 SGB XI), ist von der Addition abzusehen. Wird die Kombinationsleistung begehrt (§ 38 SGB XI), hängt die Berücksichtigung des Pflegeumfangs für die verrichtungsbezogene Behandlungspflege davon ab, ob der Antragsteller diese Pflegemaßnahmen ehrenamtlich (dann Addition) oder professionell (dann keine Addition) durchführen lassen möchte. Dabei besteht nach § 38 Satz 3 SGB XI grundsätzlich eine Bindung des Pflegebedürftigen für sechs Monate an seine Entscheidung, in welchem Verhältnis er Geld- und Sachleistungen in Anspruch nehmen will.
Wechselt ein Pflegebedürftiger später vom Pflegegeld zur Pflegesachleistung, hat die Pflegekasse ohnehin einen neuen Bescheid zu erteilen. In dem Verwaltungsverfahren lässt sich durch die gesonderte Ausweisung der verrichtungsbezogenen Behandlungspflege im MDK-Gutachten ohne Schwierigkeit feststellen, ob durch die dann notwendige Ausklammerung des Pflegeaufwands für die Behandlungspflege eine Herabstufung in eine niedrigere Pflegestufe oder gar ein vollständiger Leistungsentzug (wegen Unterschreitung der zeitlichen Mindestanforderungen der Pflegestufe I) gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) anzuordnen ist. Der Pflegebedürftige kann zudem von vornherein erkennen, welche finanziellen Auswirkungen ein beabsichtigter Wechsel vom Pflegegeld zur Pflegesachleistung (oder umgekehrt) haben würde.
Ist bei einem Pflegebedürftigen bislang eine an sich berücksichtigungsfähige Hilfe bei einer verrichtungsbezogenen Behandlungspflegemaßnahme beim Grundpflegebedarf außer Ansatz geblieben und hat er sich für diese Behandlungspflege der Hilfe durch einen Pflegedienst bedient, kann die KK ihre Leistungspflicht für die häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V nicht mit dem Argument bestreiten, an sich hätte eine Zurechnung des Pflegeaufwands zur Grundpflege erfolgen müssen, und deshalb sei die Pflegekasse für die Leistung zuständig gewesen.
Dementsprechend kann sich auch die Klägerin auf diese Rechtslage stützen, weil die Medikamentengabe nach den nicht angefochtenen und für den Senat daher bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen nicht bei der Grundpflege berücksichtigt worden ist. Die Hilfe von täglich 9 Minuten bei der Ernährung entfiel danach nur auf die Aufforderung zur Nahrungsaufnahme und deren Kontrolle, nicht aber auch auf die Medikamentengabe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1382483 |
PflR 2005, 420 |
PflR 2005, 566 |