Beteiligte
AOK - Die Gesundheitskasse für Niedersachsen |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. Juli 1997 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat dem Beigeladenen dessen außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um den Versicherungsschutz des Beigeladenen in der Krankenversicherung.
Der Beigeladene ist freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Er leidet an Multipler Sklerose. Die Krankheit bestand bereits, als er der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Januar 1987 nach § 176 Abs 1 Satz 1 Nr 7 der Reichsversicherungsordnung (RVO) als Teilnehmer an einem studienvorbereitenden Sprachkurs beitrat. Die Beklagte entschied im Jahre 1988, daß der Anspruch auf Kassenleistungen wegen der Multiplen Sklerose nach § 310 Abs 2 RVO ausgeschlossen sei (Bescheid vom 25. Februar 1988; Widerspruchsbescheid vom 8. September 1988).
Der Kläger ist der für den Beigeladenen zuständige Sozialhilfeträger. Er gewährte neben der Hilfe zum Lebensunterhalt seit April 1988 Krankenhilfe für die vom Leistungsausschluß betroffene Krankheit. Im Jahre 1993 machte er gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch geltend, weil § 310 Abs 2 RVO seit dem Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) und des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) am 1. Januar 1989 nicht mehr gelte. Die Beklagte lehnte die Kostenerstattung mit Schreiben vom 22. Oktober 1993 ab.
Der Kläger hat im Mai 1994 Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage, die auf Erstattung der Kosten gerichtet war, abgewiesen (Urteil vom 18. Oktober 1995). Der Kläger hat Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat er beantragt festzustellen, daß der Krankenversicherungsschutz des Beigeladenen bei der Beklagten die Multiple Sklerose des Beigeladenen umfasse. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16. Juli 1997). Die Feststellungsklage sei nach § 55 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zwar zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte habe mit bindendem Bescheid festgestellt, daß Kassenleistungen wegen der Multiplen Sklerose ausgeschlossen seien. Der Ausschluß bleibe auch vom 1. Januar 1989 an wirksam.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt die Verletzung des § 11 Abs 1 Nr 4 iVm § 27 SGB V. Der Anspruch des Beigeladenen sei entgegen der Ansicht des LSG nicht ausgeschlossen. § 310 Abs 2 RVO sei durch das GRG aufgehoben worden. Aus dem Fehlen einer Übergangsregelung müsse geschlossen werden, daß nur noch die Vorschriften des SGB V maßgeblich seien. Darin sei ein Leistungsausschluß der vorliegenden Art nicht vorgesehen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des LSG vom 16. Juli 1997 festzustellen, daß der Krankenversicherungsschutz des Beigeladenen bei der Beklagten die vor dem 1. Januar 1989 entstandene Multiple Sklerose umfaßt.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Einem Erstattungsanspruch des Klägers stehe die Tatbestands- und Feststellungswirkung der Entscheidung über den Leistungsausschluß entgegen, die sie (die Beklagte) gegenüber dem Beigeladenen getroffen habe. Im übrigen lasse nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum intertemporalen Verwaltungsrecht das neue Recht Rechtsverhältnisse, die bereits durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt festgestellt worden seien, unberührt.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Streitig ist im Revisionsverfahren nur die vom Kläger beantragte Feststellung, daß der Krankenversicherungsschutz des Beigeladenen bei der Beklagten die Multiple Sklerose umfaßt. Nur diesen Feststellungsantrag hat der Kläger im Berufungs- und Revisionsverfahren gestellt und nur gegen die Abweisung dieses Antrags durch das Berufungsgericht wendet sich die Revision.
Das LSG hat die Berufung des Klägers mit dem Feststellungsantrag im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen. Es hätte jedoch über die Feststellungsklage nicht in der Sache entscheiden dürfen, weil die Feststellungsklage bereits unzulässig ist. Die Beklagte hat über den Umfang des Krankenversicherungsschutzes, soweit er hier festgestellt werden soll, bereits im Bescheid vom 25. Februar 1988 und Widerspruchsbescheid vom 8. September 1988 entschieden. Diese Bescheide, die eine Leistungsbeschränkung nach § 310 Abs 2 RVO regelten, haben als Statusbescheide Tatbestandswirkung. Solange sie wirksam sind, steht nicht nur zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse fest, daß für die Krankheit keine Leistungsansprüche bestehen. Auch Dritte können gegenüber der Krankenkasse nicht geltend machen, sie sei dem Versicherten zu solchen Leistungen verpflichtet. Ein Bescheid über den Leistungsausschluß wegen einer Vorerkrankung schließt deshalb auch Erstattungsansprüche eines anderen Sozialleistungsträgers nach den §§ 102 ff des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren (SGB X) aus (SozR 3-2200 § 310 Nr 1; vgl zur Tatbestandswirkung von Statusbescheiden auch BSG SozR 2200 § 381 Nr 5 und SozR 2200 § 176c Nr 3). Dritte können einen solchen Bescheid ebensowenig anfechten wie einen die Mitgliedschaft ablehnenden Bescheid (vgl hierzu BSGE 70, 99, 101 = SozR 3-1500 § 54 Nr 15 S 38 f). Soweit dem Sozialhilfeträger als Drittem die Befugnis fehlt, einen Bescheid anzufechten, und deshalb eine von ihm erhobene Anfechtungsklage unzulässig wäre, kann er das Fehlen der Anfechtungsbefugnis nicht dadurch ausgleichen, daß er eine Feststellungsklage erhebt, die das im Bescheid geregelte Rechtsverhältnis zum Gegenstand hat. Die Feststellungsklage ist dann auf das gerichtet, was mit der Anfechtungsklage nicht geltend gemacht werden könnte und deshalb ebenso unzulässig wie die Anfechtungsklage. Der Senat hat deshalb bereits wiederholt entschieden, daß für die Feststellungsklage das nach § 55 Abs 1 SGG notwendige Feststellungsinteresse fehlt, wenn über die begehrte Feststellung bereits ein bindender Bescheid vorliegt (BSGE 70, 99, 104 = SozR 3-1500 § 54 Nr 15, 40 f und BSG SozR 3-5910 § 91a Nr 2).
Die Feststellungsklage ist hier nicht aus anderen Gründen zulässig. Der Verwaltungsakt über den Leistungsausschluß nach § 310 Abs 2 RVO ist weiter wirksam. Würde die Aufhebung dieser Vorschrift durch das GRG bedeuten, daß auch für bereits vor dem 1. Januar 1989 bestehende Versicherungsverhältnisse der Leistungsausschluß nicht mehr gilt, wie dies der Kläger meint, so läge zwar eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse vor. Allein deswegen wäre aber die Wirksamkeit des gegenüber dem Beigeladenen ergangenen Verwaltungsaktes über den Leistungsausschluß nach § 310 Abs 2 RVO nicht beendet. Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, zu denen auch Bescheide über die Feststellung von Leistungsausschlüssen nach § 310 Abs 2 RVO gehören, sind bei einer wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhältnisse nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X aufzuheben und bleiben nach § 39 Abs 2 SGB X wirksam, solange sie nicht aufgehoben sind.
Einer der anderen in § 39 Abs 2 SGB X genannten Gründe für die Beendigung der Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes liegt hier nicht vor. Insbesondere hat sich der frühere Bescheid über den Leistungsausschluß nicht allein durch die Aufhebung des § 310 Abs 2 RVO auf andere Weise erledigt. Ein Verwaltungsakt verliert seine Wirksamkeit auf andere Weise etwa, wenn er im Rahmen eines Rechtsverhältnisses ergeht, das seinerseits durch einen anderen Verwaltungsakt geregelt wird, dessen Wirksamkeit endet. So verliert eine Beitragsfestsetzung bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung ihre Wirksamkeit wegen Erledigung auf andere Weise, wenn die freiwillige Versicherung endet (vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 186 Nr 7, demnächst auch in BSGE 83). Der Senat läßt offen, ob Verwaltungsakte ihre Wirksamkeit auch dann durch Erledigung auf andere Weise iS des § 39 Abs 2 SGB X verlieren können, wenn sie ausnahmsweise Versicherungsverhältnisse festgestellt haben, die schon kraft Gesetzes bestehen und im Regelfall nicht durch Verwaltungsakt geregelt werden. Dieses könnte etwa zutreffen, wenn aufgrund eines bestimmten gesetzlichen Tatbestandes Versicherungspflicht festgestellt worden ist, dann der Versicherungspflicht-Tatbestand durch Gesetz geändert und die Änderung kraft Gesetzes wirksam wird (vgl zu einem solchen Fall BSG SozR 3-5420 § 2 Nr 1). Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier indes nicht vor. Der Bescheid über einen Leistungsausschluß für eine bei Beginn der Versicherung bereits bestehende Krankheit ergeht im Rahmen eines bestehenden Versicherungsverhältnisses eines freiwilligen Mitglieds. Ein solcher Ausspruch ist statusbestimmend und bedarf zu seinem Wirksamwerden regelmäßig einer Regelung durch Bescheid, der hier gegenüber dem Beigeladenen auch ergangen ist. Gleiches gilt für eine Beendigung des Leistungsausschlusses. Eine Vorschrift, die einen nach früherem Recht durch Bescheid festgestellten Leistungsausschluß kraft Gesetzes aufhebt, gibt es nicht.
Im vorliegenden Rechtsstreit war demnach nicht in der Sache über die Frage zu entscheiden, ob Leistungsausschlüsse nach § 310 Abs 2 RVO seit dem 1. Januar 1989 fortbestehen.
Die Revision des Klägers war hiernach unbegründet und zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
NZS 2000, 34 |
SGb 1999, 463 |
SozSi 2000, 180 |