Leitsatz (redaktionell)
Leistungen der GEMA-Sozialkasse zur Sicherung des Lebensunterhalts bedürftiger Mitglieder oder ihrer Hinterbliebenen sind keine der Rente vergleichbare Einnahmen iS des § 180 Abs 5 Nr 2 RVO.
Normenkette
RVO § 180 Abs. 5 Nr. 2 Fassung 1981-12-01, Abs. 8 S. 2 Nr. 3 Fassung 1981-12-01
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin gewährte Leistungen aus der G-Sozialkasse der Beitragspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) unterliegen.
Die Klägerin bezieht von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Witwenrente und ist wegen dieses Rentenbezuges Pflichtmitglied in der KVdR. Daneben bezog sie als Witwe eines ordentlichen Mitglieds der Abteilung Komponisten der G von der Beigeladenen für 1983 eine laufende Beihilfe in Höhe von monatlich 253.- DM sowie eine zusätzliche Zuwendung in Höhe von monatlich 400.- DM.
Die Beklagte legte neben der Rente auch diese Zahlungen ihrer Beitragsforderung zugrunde (Bescheid vom 24. November 1982 und Änderungsbescheid vom 29. September 1983). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. November 1983).
Auch Klage und Berufung führten nicht zum Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Berlin -SG- vom 17. Januar 1985; Urteil des Landessozialgerichts Berlin -LSG- vom 22. Januar 1986).
Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß die Leistungen der Beigeladenen an die Klägerin als "der Rente vergleichbare Einnahmen" iS von § 180 Abs 5 Nr 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzusehen und deshalb bei der Beitragsberechnung in der KVdR zu berücksichtigen seien. Nach § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO seien zu den der Rente vergleichbaren Einnahmen auch Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen für Berufsgruppen zu zählen. Die beigeladene G-Sozialkasse stelle eine solche Versorgungseinrichtung für Berufsgruppen dar. Nach § 3 Abs 5 der Satzung werde in den Abteilungen der Sozialkasse "über Versorgungsleistungen" an Mitglieder entschieden nach Maßgabe der in der Satzung vorgesehenen Richtlinien. Nach § 2 der Satzung verfolge die Beigeladene den Zweck, den Mitgliedern auf Antrag im Alter sowie bei Krankheit, Unfällen oder sonstigen Fällen der Not einmalige Unterstützung oder laufende Beihilfen zu zahlen. Weiterhin werde im Falle des Todes eines Mitglieds ein Sterbegeld gezahlt. An die Hinterbliebenen könnten einmalige Unterstützungen oder laufende Beihilfen geleistet werden. Die Beigeladene stelle also in bestimmten Fällen, die in mancherlei Hinsicht den Versicherungsfällen der gesetzlichen Sozialversicherung entsprächen, den Mitgliedern Versorgungsleistungen zur Verfügung und stelle sich damit als Versorgungseinrichtung für eine Berufsgruppe dar. Daß die Gewährung der Leistungen an die Bedürftigkeit anknüpfe, nehme ihnen nicht den Charakter von Versorgungsbezügen. Dem Gesetz lasse sich nicht entnehmen, daß Leistungen zur Hinterbliebenenversorgung nur dann als Versorgungsbezüge angesehen werden könnten, wenn sie ohne Rücksicht auf sonstige Einnahmen gewährt würden. Der Gesetzgeber habe in den Materialien zur Einfügung von § 180 Abs 5 bis 8 RVO durch das RAG 1982 (BT-Drucks 9/458 S 34) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß solche Einnahmen berücksichtigt werden sollten, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen ersetzten. Dieser direkte Bezug zur früheren Erwerbstätigkeit des verstorbenen Ehemannes der Klägerin sei hier deutlich. Nach § 7 Abs 1 der Satzung sei Voraussetzung für die Leistungen, daß das verstorbene Mitglied mindestens fünf Jahre ununterbrochen der G als ordentliches Mitglied angehört und auf dem für ihn zuständigen Verwertungsgebiet innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren ein bestimmtes jährliches Durchschnittseinkommen bezogen habe und daß die Witwe das Vertragsverhältnis zur G fortsetze. Hieran ändere sich auch nichts dadurch, daß die Leistungen der Sozialkasse nicht an die Stelle der Tantiemen träten; denn die Mitgliedschaft des Verstorbenen zur G und seine Erwerbstätigkeit seien jedenfalls die Voraussetzungen für die Leistung.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, daß es sich bei den Leistungen der G-Sozialkasse nicht um Versorgungsleistungen im herkömmlichen Sinne handele, sondern um eine Aufstockung der Tantiemen aus den Erträgen besser verdienender G-Mitglieder und damit dem Charakter nach eher um Einnahmen aus Kapital. Bei der Fortzahlung der Tantiemen selbst sei dies unbestreitbar. Für die Aufstockungsbeträge könne wegen der engen Verbindung zu den Tantiemen nichts anderes gelten. Deshalb hätten auch andere Krankenkassen sowie die Oberfinanzdirektion Berlin die Leistungen der G-Sozialkasse nicht als Renten anerkannt. Es treffe auch nicht zu, daß diese Leistungen an die Stelle von Arbeitseinkommen aus der früheren Erwerbstätigkeit träten, denn die Leistungen seien nur von der weiteren Gewährung von G-Tantiemen abhängig. Es werde ja auch kein ausgefallenes Einkommen ersetzt, sondern nur ein niedriges Einkommen aufgestockt. Von den sonstigen Renten unterschieden sich die Beihilfen schließlich auch dadurch, daß sie nicht nach dem Äquivalenzprinzip gewährt würden und nicht auf vorherigen Einzahlungen beruhten. Es handele sich vielmehr um "eine Art private Sozialhilfe".
Die Klägerin beantragt, die Urteile des SG und des LSG sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. November 1982 idF des Änderungsbescheides vom 29. September 1983 und des Widerspruchsbescheides vom 10. November 1983 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil.
Die Beigeladene hat sich nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten iS des § 166 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und der Bescheide der Beklagten.
Die Leistungen aus der G-Sozialkasse sind keine der Rente vergleichbaren Versorgungsbezüge iS des § 180 Abs 5 Nr 2 RVO. Richtig ist, daß die Leistungen im wesentlichen an Tatbestände anknüpfen, die den Versicherungsfällen des Rentenrechts ähneln. Nicht entscheidend ist dabei, ob auf die Leistungen ein Rechtsanspruch besteht oder ob sie nach Ermessen gewährt werden und ob sie von der Bedürftigkeit abhängig sind. All dies sind Besonderheiten in den Voraussetzungen der Leistungsgewährung, die zwar dem Rentenrecht fremd sind, dann aber ihre Bedeutung verlieren, wenn Leistungen tatsächlich erbracht werden. Es kann auch nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, daß die G-Sozialkasse eine Versorgungseinrichtung für Berufsgruppen ist, denn sie beschränkt sich auf die Berufsgruppen der Komponisten, Textdichter und Musikverleger.
Der entscheidende Unterschied zu Renten aus der Rentenversicherung liegt aber darin, daß die gewährten Leistungen keine unmittelbare Beziehung zu dem Erwerbseinkommen aus der Zeit aktiver Tätigkeit der Leistungsempfänger selbst oder ihrer Rechtsvorgänger haben, also "nicht unmittelbar auf ein früheres Beschäftigungsverhältnis oder auf eine frühere Erwerbstätigkeit zurückzuführen sind" (BT-Drucks 9/458, S 34, rechte Spalte). Weder sind sie von Beitragsleistungen an die Sozialkasse während der aktiven Erwerbstätigkeit abhängig, noch stehen sie in einer Beziehung zu dem Erwerbseinkommen während der aktiven Tätigkeit in dem Sinne, daß die Höhe der Leistungen der Höhe der geleisteten Beiträge oder des Einkommens entspricht. Hier ist gerade das Gegenteil der Fall: Je geringer der unmittelbare Ertrag der Erwerbstätigkeit während des Erwerbslebens war oder ist, um so geringer bleibt er auch bei Eintritt der Leistungsfälle und um so höher ist die Leistung der G-Sozialkasse. Die Beziehung zum Erwerbsleben besteht nur in der solidarischen Haltung der Berufsgruppe, die sich darin zeigt, daß die besser Verdienenden einen Teil ihrer Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhalts der weniger Verdienenden abgeben. Diese Beziehung ist aber keine solche, die der Leistung die typische Einkommensersatzfunktion gibt, die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben. Die Sozialleistungen der G-Sozialkasse dienen zwar auch dem Lebensunterhalt. Das reicht aber im Rahmen von § 180 Abs 8 Satz 2 RVO (anders als bei der freiwilligen Versicherung im Rahmen von § 180 Abs 4 RVO) nicht aus, sie der Beitragsberechnung zugrunde zu legen. Sie müssen außerdem der Rente vergleichbare Einnahmen sein. Das sind sie nicht schon dadurch, daß sie von der Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe gezahlt werden und solche Einrichtungen ausdrücklich in § 180 Abs 8 Satz 2 RVO genannt sind. Die ausdrückliche Beschränkung dieser Bestimmung auf "Renten" zeigt vielmehr, daß es sich auch nach Entstehungsgrund und Struktur um Leistungen handeln muß, die in ihren Grundzügen den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen. Gerade das ist aber bei den streitigen Leistungen nicht der Fall, weil sie weder in Relation zur Dauer der Erwerbstätigkeit noch zur Stellung im Berufsleben noch zur Höhe der beruflichen Einkünfte stehen. Dieser wesentliche Unterschied läßt es nicht zu, diese Leistungen als den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar anzusehen. Sie sind nicht durch eine Erwerbstätigkeit erworben worden und haben auch keineswegs stets und in vollem Umfang die Funktion, das durch Notfälle ausfallende Erwerbseinkommen zu ersetzen; sie sollen vielmehr Not eines Berufsgruppenmitglieds lindern unabhängig davon, ob diese Not durch einen Ausfall bisherigen Einkommens hervorgerufen worden ist. Der Senat vermag deshalb den Vorinstanzen nicht darin zu folgen, daß die Leistungen der G-Sozialkasse bei der Grundlohnberechnung zu berücksichtigen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
RegNr, 16659 |
KVRS, A-3120/20 (LT1) |
BR/Meuer RVO § 180, 17-10-86, 12 RK 16/86 (LT1) |
USK, 86142 (LT1) |
AP § 5 BetrAVG (LT), Nr 34 |
Breith 1987, 350-352 (LT1) |
Die Beiträge 1987, 252-255 (LT1) |
ErsK 1987, 323 (SP1) |
RzU, BSozG Nr 2 (ST) |
SozR 2200 § 180, Nr 34 (LT1) |