Leitsatz (amtlich)
1. Art 4 Abs 1 GG gewährleistet auch das Recht zu gewissensgebundenem Verhalten, jedoch ist dieser Schutz nicht schrankenlos. Eine solche Schranke enthält das sozialstaatliche Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung.
2. Beruht die Aufgabe eines Arbeitsplatzes auf einer Gewissensbetätigung iS des Art 4 Abs 1 GG, so ist für die Frage des Eintritts einer Sperrzeit gemäß § 119 Abs 1 Nr 1 AFG nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen, ob dem Arbeitslosen ein anderes Verhalten zumutbar war.
3. Kann der Arbeitgeber einen als Kriegsdienstverweigerer anerkannten Arbeitnehmer nur noch in der unmittelbaren Produktion oder Wartung von Kriegsgeräten einsetzen, hat dieser einen wichtigen Grund zur Arbeitsaufgabe iS des § 119 Abs 1 Nr 1 AFG (Fortführung von BSG 23.6.1982 7 RAr 89/81 = BSGE 54, 7 = SozR 4100 § 119 Nr 19).
Normenkette
AFG § 119 Abs 1 S 1 Nr 1; GG Art 4 Abs 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 12.04.1985; Aktenzeichen L 1 Ar 74/84) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 05.06.1984; Aktenzeichen S 7 Ar 261/83) |
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die zeitweilige Verweigerung von Arbeitslosengeld (Alg), die die Beklagte auf den Eintritt einer Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gestützt hat.
Der 1963 geborene Kläger war vom 1. September 1979 an zunächst als Auszubildender und seit 4. Juni 1982 als Maschinenschlosser bei der Firma O., Werk L., beschäftigt. Durch Aufhebungsvertrag vom 19. April 1983 endete das Arbeitsverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen am 30. April 1983. Dem Aufhebungsvertrag war zur Begründung als Anlage ein Schreiben des Klägers vom 17. April 1983 beigefügt, in dem er die Beweggründe für seine Weigerung, Reparaturarbeiten auf Kriegsschiffen durchzuführen, näher beschrieb. Unter anderem führte er an, daß er den Kriegsdienst verweigert habe und gegen die ablehnende Entscheidung des Prüfungsausschusses Widerspruch einlegen werde. Sein Arbeitgeber habe ihm mitgeteilt, daß ab 18. April 1983 die Bordmontage nur noch für Arbeiten auf Kriegsschiffen eingesetzt werde. Mit der Möglichkeit, auf einem Kriegsschiff arbeiten zu müssen, sei er erstmalig im Herbst 1982 konfrontiert worden, als ein Kriegsschiff auf die Werft gekommen sei. Nach schwerer innerlicher Auseinandersetzung habe er sich dazu entschieden, niemals auf einem oder für ein Kriegsschiff zu arbeiten. Zum einen wäre er nicht konsequent; denn da er den Kriegsdienst verweigere, könne er nicht Rüstungsgüter herstellen. Zum anderen verbiete es ihm sein Glaube, Rüstungsgüter herzustellen, da er die christlichen Gebote der Gewaltfreiheit und der Feindesliebe achte. Auf einem Kriegsschiff könne er nur unter Verleugnung seiner eigenen Maßstäbe arbeiten. Eine derartige Handlungsweise würde sein Gewissen foltern und zu einer Zerstörung seines Lebensinhalts führen.
Am 5. April 1984 hat die zuständige Kammer für Kriegsdienstverweigerung dem Widerspruch des Klägers gegen den die Anerkennung ablehnenden Bescheid des Prüfungsausschusses stattgegeben und dazu ua ausgeführt, für diese Entscheidung sei insbesondere ins Gewicht gefallen, daß der Kläger aus seiner Einstellung gegen Krieg und Gewaltanwendung heraus seinen sicheren Arbeitsplatz aufgegeben habe, weil er dort im Sonderschiffsbau eingesetzt werden sollte.
Der Kläger meldete sich am 26. April 1983 arbeitslos und beantragte Alg ab 2. Mai 1983. Mit Bescheid vom 2. Mai 1983 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sein Alg-Anspruch für die Zeit vom 1. Mai bis 25. Juni 1983 ruhe, weil wegen seiner Zustimmung zur Lösung des Arbeitsverhältnisses eine achtwöchige Sperrzeit eingetreten sei. Für die Zeit danach hat die Beklagte dem Kläger Alg bewilligt. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 1983; Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 5. Juni 1984).
Auf die zugelassene Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) nach persönlicher Befragung des Klägers und Einholung einer Arbeitgeberauskunft das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 12. April 1985). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt: Eine Sperrzeit sei nicht eingetreten, da der Kläger für sein Verhalten einen wichtigen Grund iS von § 119 Abs 1 Satz 1 AFG geltend machen könne. Seiner Handlungsweise habe eine religiös motivierte, pazifistische Gewissensentscheidung zugrunde gelegen, an deren Ernsthaftigkeit keine Zweifel bestünden. Dem Interesse des Klägers, seinem Gewissen zu folgen, gebühre der Vorrang gegenüber demjenigen der Versichertengemeinschaft an einem möglichst weitgehenden Ausschluß ungerechtfertigter Risiken. Dieser Vorrang folge aus dem Grundrecht der Gewissensfreiheit gemäß Art 4 Abs 1 Grundgesetz (GG), von dessen Schutzbereich nicht allein die Gewissensbildung, sondern auch die Gewissensbetätigung erfaßt werde. Den Belangen der Arbeitslosenversicherung komme hier der geringere Stellenwert zu. Die Verfügbarkeit des Klägers sei durch sein gewissensgemäßes Verhalten kaum eingeschränkt. Arbeitsplätze für Maschinenschlosser seien weder örtlich noch insgesamt auf Betriebe beschränkt, die von Rüstungsaufträgen abhängig seien. Die Vermittlungstätigkeit der Beklagten sei nur gering belastet. Der Kläger hätte jedoch wesentliche Nachteile bei Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses hinnehmen müssen. Neben schwerwiegender Gewissensnot habe er befürchten müssen, wegen inkonsequenten Verhaltens nicht als Kriegsdienstverweigerer anerkannt und zum Wehrdienst einberufen zu werden. Er sei seit Jahren mit pazifistischem Engagement in der evangelischen Jugendarbeit tätig gewesen, so daß zudem die Gefahr bestanden habe, daß er sich in seinem sozialen Umfeld unglaubwürdig mache und sich womöglich isoliert hätte. Der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die darauf abgestellt habe, ob die Gewissensfreiheit durch gewissenswidrige Arbeit in ihrem Kernbereich oder am Rande betroffen werde, sei nicht zuzustimmen. Der normative Sinn der Gewissensfreiheit schließe eine derartige Eingrenzung oder Aufspaltung verfassungsrechtlich geschützter Gewissensbildung und Gewissensbetätigung aus. Auch derjenige, der nur ein wenig gegen sein Gewissen handeln müsse, werde denknotwendig zu gewissenlosem Tun oder Unterlassen gedrängt. Ein Verzicht auf eine Unterscheidung zwischen Kern- und Randbereich führe zwar dazu, daß die Beklagte die wirtschaftlichen Folgen von Arbeitslosigkeit infolge Gewissensbetätigung weitgehend durch Lohnersatzleistungen zu mildern habe, ohne daß sie davon teilweise oder ganz entlastet werde. Dies müsse jedoch hingenommen werden. Aus versicherungsrechtlichen Gründen sei ein enges Verständnis des wichtigen Grundes iS von § 119 AFG jedenfalls nicht zwingend. Die Einbeziehung von Gewissensentscheidungen in die wichtigen Gründe des § 119 AFG sei aufgrund des offenen Wortlauts der Vorschrift möglich und geboten. Offene Sozialrechtstatbestände seien nicht so auszulegen, wie dies verfassungsrechtlich noch hinnehmbar wäre, sondern iS einer höchstmöglichen Verfassungskonformität.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG und trägt hierzu vor: Die Ablehnung von Arbeiten in oder für die Rüstungsindustrie unterfalle nicht dem Schutzbereich des Art 4 Abs 3 GG. Der Kläger werde zwar durch die Verhängung einer Sperrzeit in seinem Grundrecht auf Gewissensfreiheit nach Art 4 Abs 1 GG betroffen. Diesen grundrechtlich geschützten Interessen des Klägers stehe als Gemeinschaftsinteresse von Verfassungsrang die Notwendigkeit einer funktionsfähigen und finanzierbaren Sozialversicherung gegenüber. Angesichts der Kollision gleichrangiger verfassungsmäßig geschützter Interessen sei eine Güterabwägung vorzunehmen. Dabei sei insbesondere darauf abzustellen, ob bei der Durchsetzung des einen Interesses das andere in seinem Kernbereich eingeschränkt werde. Davon könne hier nicht ausgegangen werden. Die Gewissensposition des Klägers sei im Kern bestimmt durch seine Ablehnung an der Mitwirkung bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen Menschen und Staaten. Diese Gewissensposition werde aber durch den Umstand, daß er als Maschinenschlosser auf Kriegsschiffen nichtmilitärische Arbeiten auszuführen habe, allenfalls am Rande berührt. Demzufolge komme der Pflicht des Klägers zur Entlastung der Solidargemeinschaft ein höheres Gewicht zu, als sein Interesse an einer folgenlosen Verwirklichung seiner gewissensorientierten Grundhaltung als Kriegsgegner im Berufsleben.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus: Die Beklagte verkenne die Motive des Klägers. Er mache nicht geltend, daß ihm als anerkanntem Kriegsdienstverweigerer auch das Recht zustehe, die Arbeiten an Kriegsgeräten zu verweigern. Vielmehr sei seine Handlungsweise geschützt durch die Grundrechte der Unverletzlichkeit des Glaubens, des Gewissens und der Freiheit des religiösen Bekenntnisses sowie der Gewährung der ungestörten Religionsausübung (Art 4 Abs 1 und 2 GG). Aus diesen Grundrechten ergebe sich für ihn das Recht, die Verrichtung einer mit seiner Glaubensüberzeugung kollidierenden Arbeit abzulehnen und das Arbeitsverhältnis wegen Fehlens anderer Arbeitsmöglichkeiten beenden zu können, ohne die Nachteile einer Sperrzeit nach § 119 AFG hinnehmen zu müssen. Das Grundrecht der Freiheit des Glaubens erstrecke sich nicht nur auf den formalen bzw rituellen Bereich der Konfessionen, sondern beinhalte auch den Bereich des individuellen Handelns. Die relativ geringe Inanspruchnahme der Grundrechte aus Art 4 Abs 1 und 2 GG durch Mitglieder der beiden großen Konfessionen sei kein Indiz für ihre Bedeutungslosigkeit. Es gebe Menschen, für die - wie beim Kläger - der Weg in der Nachfolge Christi Richtschnur ihres Handelns und die Glaubensverwirklichung daher von immenser Bedeutung für ihre Persönlichkeit sei. Im Einzelfalle könne die Verletzung dieser Grundrechte zu einer Verletzung des innersten Wertbestandes menschlicher Persönlichkeit führen. Ein Gewissenskonflikt und eine daraus resultierende Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit wäre unvermeidbar gewesen, wenn der Kläger die ausschließlich an Kriegsgeräten angebotene Arbeit ausgeführt hätte. Eine Abwägung der Gesamtumstände ergebe, daß ihm eine Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Schützenswerte Belange der Solidargemeinschaft dürften im Einzelfalle nicht dazu führen, daß ein Versicherter seine Persönlichkeit aufgebe.
Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits (§ 95 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 1983. Die Beklagte hat darin den Antrag des Klägers auf Gewährung von Alg wegen Eintritts einer Sperrzeit für die Zeit vom 1. Mai bis 25. Juni 1983 abgelehnt. Eine Leistungsbewilligung hat die Beklagte erst für die Zeit danach ausgesprochen.
Die Vordergerichte sind offensichtlich davon ausgegangen, daß sich der Kläger allein mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG gegen die Ablehnung seines Leistungsantrags gewendet hat. Eine derart beschränkte Klage wäre unzulässig gewesen, da die Beklagte bisher für die streitige Zeit eine Alg-Bewilligung noch nicht ausgesprochen hat (vgl BSGE 36, 181, 182 = SozR Nr 4 zu § 1613 RVO; BSG vom 11. Mai 1976 - 7 RAr 9/75 und 7 RAr 118/75 -). Das Rechtsschutzinteresse des Klägers an der Aufhebung des angefochtenen Bescheides ist hier nur gegeben, wenn er von der Beklagten die deswegen vorenthaltene Leistung auch erhalten möchte. Das ist indessen der Fall. Trotz des auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Ausdruck beschränkten Klageantrags aus der mündlichen Verhandlung vor dem SG richtet sich das Klageziel des Klägers auf den Erhalt des Alg für die Zeit vom 1. Mai bis 25. Juni 1983, wie sich nicht zuletzt aus seinem entsprechenden Leistungsantrag in der Klageschrift vom 7. Juni 1983 ergibt (§ 123 SGG). Mithin hat er hier die allein zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG erhoben. Zu Unrecht hat deshalb das LSG nicht über den Leistungsantrag des Klägers entschieden. Diese Entscheidung kann vom Senat nicht nachgeholt werden; denn der hiervon allein belastete Kläger hat keine Revision eingelegt. Die Revision der Beklagten kann jedoch nicht zu ihrer Schlechterstellung gegenüber dem Berufungsurteil führen. Der Senat geht allerdings davon aus, daß die Beklagte aufgrund der Entscheidung über ihre Revision die Bewilligung von Alg nachzuholen hat.
Die Revision der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Der Anspruch des Klägers auf Alg für die Zeit vom 1. Mai bis 25. Juni 1983 hat nicht wegen Eintritts einer Sperrzeit von acht Wochen geruht.
Nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz -AFKG-) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, 1497) tritt eine Sperrzeit von acht Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis gelöst und er dadurch vorsätzlich oder grobfahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Während der Dauer der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alg (§ 119 Abs 1 Satz 3 AFG). Der Kläger hat im Sinne dieser Vorschrift sein Arbeitsverhältnis gelöst; denn dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer selbst gekündigt hat. Eine Lösung in diesem Sinne liegt vielmehr auch bei einvernehmlicher Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber vor. Es genügt insoweit, daß der Arbeitnehmer durch seine Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag eine wesentliche Ursache für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gesetzt hat; dabei kommt es nicht darauf an, ob die Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer oder, was hier der Fall gewesen sein dürfte, vom Arbeitgeber ausgegangen ist (vgl BSG SozR 4100 § 119 Nr 28 mwN).
Durch die Lösung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt, und zwar zumindest grobfahrlässig. Der Arbeitnehmer führt mit einer Lösung des Arbeitsverhältnisses die Arbeitslosigkeit in der Regel - wenn nicht vorsätzlich - so doch grobfahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlußarbeitsplatz hat. Erforderlich ist zwar nicht unbedingt die feste Zusicherung eines Anschlußarbeitsplatzes; jedoch ist von grober Fahrlässigkeit auszugehen, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Lösung des Arbeitsverhältnisses keine Aussicht auf einen neuen Arbeitsplatz hatte und er auch aufgrund der allgemeinen Verhältnisse auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt vernünftigerweise mit einem Anschlußarbeitsplatz nicht rechnen konnte (vgl BSGE 43, 269, 270 = SozR 4100 § 119 Nr 2; BSGE 52, 276, 281 = SozR 4100 § 119 Nr 17; Urteil vom 12. April 1984 - 7 RAr 28/83 -). Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger einen für ihn in Betracht kommenden Anschlußarbeitsplatz finden würde, bestanden nicht. Er mußte sich darüber im klaren sein, daß die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, jedenfalls zunächst, zu seiner Arbeitslosigkeit ab 1. Mai 1983 führen werde. Nach dem Zusammenhang der Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, daß ein anderer Zeitpunkt für den Eintritt dieser Arbeitslosigkeit nicht in Betracht kam.
Die Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Nr 1 AFG ist gleichwohl nicht eingetreten; denn der Kläger hatte - wie das LSG zu Recht erkannt hat - einen wichtigen Grund, das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. April 1983 zu lösen.
Der Begriff des wichtigen Grundes ist in § 119 Abs 1 AFG nicht näher erläutert worden. Er folgt aus dem Zweck der Bestimmung. Die Sperrzeitregelung will die Gemeinschaft der Beitragszahler davor schützen, daß Anspruchsberechtigte das Risiko ihrer Arbeitslosigkeit manipulieren; andererseits gibt es Lebenssachverhalte, die eine Aufgabe der Arbeit als gerechtfertigt erscheinen lassen. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll eine Sperrzeit allgemein nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann (vgl Bericht der Abgeordneten Porten und Jaschke zum AFG-Entwurf, zu BT-Drucks V/4110 S 20 f). Der wichtige Grund muß auch den Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses decken, dh, der Arbeitslose muß einen wichtigen Grund dafür haben, daß er das Arbeitsverhältnis gerade zu dem bestimmten Zeitpunkt auflöst (BSGE 43, 269, 271 = SozR 4100 § 119 Nr 2; BSGE 52, 276, 277 = SozR 4100 § 119 Nr 17).
Die Auslegung und Anwendung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "wichtiger Grund" in § 119 Abs 1 Satz 1 AFG muß mit vorrangigem Verfassungsrecht vereinbar sein. Insbesondere die Grundrechte und die in ihnen zum Ausdruck kommende Wertordnung sind zu beachten, mithin auch die einen verfassungsrechtlichen Schutz genießenden persönlichen Bindungen und Positionen (BSGE 51, 70, 72 = SozR 4100 § 119 Nr 13; BSGE 54, 7, 8 = SozR 4100 § 119 Nr 19). Zu den im Rahmen der Sperrzeitregelung zu beachtenden persönlichen Verhältnissen gehören damit ua die von Art 4 Abs 1 GG für unverletzlich erklärte Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sowie das in dem Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit bereits enthaltene Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung (Art 4 Abs 2 GG; vgl BSG aaO).
Nach den Feststellungen des LSG, die insoweit nicht angegriffen worden und daher für das Revisionsgericht bindend sind (§ 163 SGG), hat der Kläger, der nach der Verhängung der Sperrzeit als Kriegsdienstverweigerer anerkannt wurde, eine weitere Tätigkeit als Maschinenschlosser bei seinem Arbeitgeber abgelehnt, weil sein christlicher Glaube es ihm verbiete, Rüstungsgüter herzustellen und zudem bei einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses die Gefahr bestehe, daß im schwebenden Kriegsdienstverweigerungsverfahren dieser Umstand sich zu seinem Nachteil auswirke. Der Kläger war als Maschinenschlosser in der Bordmontage eingesetzt. Dieser Tätigkeitsbereich umfaßte die technische Ausstattung von Schiffen. Nach dem in die Feststellungen des LSG aufgenommenen Vortrag des Klägers konnte mit Wirkung vom 18. April 1983 die Abteilung Bordmontage nur noch ausschließlich für Reparaturarbeiten an Schiffen der Bundesmarine eingesetzt werden, da zivile Aufträge nicht mehr verfügbar waren. Der Kläger wäre somit mit Aufgaben betraut worden, die seiner religiös-motivierten, pazifistischen Grundhaltung diametral entgegenstanden. Die Ernstlichkeit seiner Gewissensposition, die vorrangig von dem Gebot der Gewaltfreiheit und der daraus resultierenden Ablehnung bewaffneter Auseinandersetzung zwischen Menschen und Staaten bestimmt wird, steht nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG außer Zweifel. Eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses hätte das Grundrecht des Klägers auf Verwirklichung der Gewissensfreiheit verletzt.
Der Senat folgt der Ansicht des LSG, wonach Art 4 Abs 1 GG ein allgemeines Recht auf Verwirklichung von Gewissensentscheidungen gewährleistet. In seiner Entscheidung vom 23. Juni 1982 (BSGE 54, 7, 10 = SozR 4100 § 119 Nr 19) hat der erkennende Senat unter Darstellung des Streitstandes in Rechtsprechung und Literatur die Entscheidung darüber, ob dem Schutzbereich der Gewissensfreiheit nach Art 4 Abs 1 GG neben der Gewissensbildung - dem sogenannten forum internum - auch die Gewissensbetätigung - im forum externum - unterfällt, noch ausdrücklich offengelassen. Der Senat schließt sich nunmehr der wohl überwiegenden Ansicht in der Literatur an (vgl Ingo von Münch, Grundgesetzkommentar Art 4 Rdn 27; AK-GG-Preuß, Art 4 Abs 1, 2 Rdn 41 ff; Maunz/Düring/Herzog, Komm zum GG Art 4, Rdn 130 f; Weber, NJW 1968; 1610 f; Böckenförde, VVDStRL Heft 28, S 33, 50 f; Bäumlin, ebenda, S 3, 15 f). Zwar spricht der Wortlaut des Art 4 Abs 1 GG eher dafür, daß nur das forum internum geschützt werden sollte, die Betätigung, die sich aus der Gewissens- und Glaubensentscheidung ergibt, hingegen nur in den eigens aufgeführten Bereichen, nämlich der Bekenntnisfreiheit, der Gewährleistung der ungestörten Religionsfreiheit und dem Recht auf Kriegsdienstverweigerung (vgl Zippelius in: Bonner Komm, Art 4 Rdn 41 - 45; Kaufmann AcP 161, 289, 299 f); auch bei einer derart eingeschränkten Auslegung wäre Art 4 Abs 1 GG zwar keine überflüssige Regelung, da sie zumindest die Verpflichtung des Staates beinhalten würde, auf eigene weltanschauliche und religiöse Aktivitäten zur mittelbaren und unmittelbaren Beeinflussung des forum internum zu verzichten. Einem auf diese Weise nur begrenzten Schutz der Gewissensfreiheit stehen jedoch gewichtige Bedenken entgegen. Diese enge Auslegung der Gewissensfreiheit widerspricht dem Strukturprinzip der Grundrechte im GG, die funktional eingebunden sind in das Demokratiepostulat, das eine verantwortliche Gesellschaft freier Menschen voraussetzt. Es wäre ein schwer auflösbarer Widerspruch, mit der Aufnahme der Gewissensfreiheit in den Grundrechtskatalog die für den demokratischen Staat unverzichtbare Bereitschaft zum eigenverantwortlichen Verhalten einerseits zu fördern, andererseits das tatsächliche Handeln hiernach für ungeschützt zu erachten (vgl Bäumlin, VVDStRL, Heft 28, S 3, 16; Herzog in: Maunz/Dürig ua, Komm zum GG, Art 4 Rdn 132; Zöbeley SGb 1984, 97, 98; Mayer BlStSozArbR 1983, 343, 344 und ArbuR 1985, 105, 107). Dies würde zudem einer realitätsbezogenen Auslegung des normativen Gewissensbegriffs als verhaltensbezogener Kategorie nicht gerecht werden. Denken und Handeln lassen sich weder erkenntnistheoretisch noch ethisch streng trennen. Gewissen existiert nicht im luftleeren Raum und hat deshalb einen notwendigen Bezug zu einem dem Gewissen entsprechenden Handeln oder Unterlassen. Insofern ist die Freiheit einer internen Gewissensentscheidung nur dann wirklich gewährleistet, wenn sie die Möglichkeit gewissensgebundenen Verhaltens miteinschließt (von Mutius ZSR 29, 663, 674).
Der Senat sieht sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (-BAG-; vgl AP Nr 27 zu § 611 BGB "Direktionsrecht" = ArbuR 1986, 379). Danach darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Arbeit zuweisen, die den Arbeitnehmer in einen vermeidbaren Gewissenskonflikt bringt. Nach Ansicht des BAG ergibt sich diese Einschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers aus § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und einer mittelbaren Drittwirkung des Art 4 GG. Zwar hat das BAG nicht ausdrücklich den Schutzbereich des Art 4 Abs 1 GG in seiner Entscheidung eingegrenzt, seine Auffassung setzt jedoch voraus, daß die Gewissensfreiheit des Art 4 Abs 1 GG neben dem forum internum auch ein gewissensgebundenes Handeln bzw Unterlassen schützt.
Mit dieser Auslegung des Schutzbereichs des Art 4 Abs 1 GG befindet sich der erkennende Senat nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Das BVerfG hat den Inhalt des Art 4 Abs 1 GG und den ihm zugrundeliegenden Gewissensbegriff bisher nicht ausdrücklich erörtert. Der Rechtsprechung des BVerfG zur sogenannten Totalverweigerung, wonach bei Ablehnung der Ersatzpflicht eine Berufung auf Art 4 Abs 1 GG ausgeschlossen ist, da für den Fall der Wehrpflicht Art 4 Abs 3 GG abschließend die Reichweite der Gewissensentscheidung konkretisiere, kann zwar implizit entnommen werden, daß die Gewissensfreiheit in Art 4 Abs 1 GG auf die Freiheit des forum internum beschränkt sei (vgl die Nachweise in BSGE 54, 7, 10 = SozR 4100 § 119 Nr 19). Aus der restriktiven Interpretation der Gewissensfreiheit nach Art 4 Abs 1 GG durch das BVerfG im Bereich der Wehrdienstverweigerung folgt jedoch nicht zwingend eine generelle Übertragung auf andere Betätigungsformen der Gewissensfreiheit (vgl Mayer, ArbuR 1985, 105, 107; von Mutius ZSR 29, 663, 672; Pitschas SGb 1984, 34, 36). Dies hat das BVerfG in einer anderen Entscheidung ausdrücklich klargestellt, wenn auch wohl nur in Gestalt einer nicht tragenden Erwägung (BVerfGE 48, 127, 163). Danach garantiert Art 4 Abs 1 GG die Unverletzlichkeit des Gewissens und die Freiheit, nach dessen als bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfahrenen Geboten handeln zu dürfen.
Der Senat geht nach allem davon aus, daß im vorliegenden Falle die Weigerung zur Mitarbeit an Reparaturarbeiten auf Kriegsschiffen wegen der Gewissensüberzeugung des Klägers von der Gewissensverwirklichung durch Art 4 Abs 1 GG erfaßt wird. Allerdings hätte sich der Kläger dann nicht auf Art 4 Abs 1 GG berufen können, wenn er bereits bei dem Abschluß des Arbeitsvertrages damit rechnen mußte, daß ihm eine derartige Tätigkeit zugewiesen werden würde (vgl BAG AP Nr 27 zu § 611 BGB "Direktionsrecht" und die Anmerkungen hierzu von Brox; Preuß ArbuR 1986, 382, 383). Das Grundrecht aus Art 4 Abs 1 GG schützt vor einem Gewissenszwang. Wer sich freiwillig in eine Situation begibt, kraft derer er zu gewissenswidrigem Handeln verpflichtet wird, hat die Zwangssituation selbst verursacht und befindet sich deshalb nicht in einem aufgezwungenen Gewissenskonflikt. Insoweit hat das LSG zutreffend darauf abgestellt, ob der Kläger die Voraussetzungen für eine Gewissensnot substantiiert vorgetragen hat und dieser Vortrag glaubhaft ist. Daraus ergibt sich auch, daß der Kläger nicht bereits bei seiner Einstellung damit rechnen mußte, durch die übernommene Tätigkeit in einen Gewissenskonflikt zu geraten.
Läßt sich sonach die innere Gewissensnot des Klägers im Konflikt zwischen Fortsetzung oder Auflösung seines Arbeitsverhältnisses nicht aufgrund äußerer Tatsachen verneinen, spielt es für sein Recht zu gewissensbestimmtem Handeln keine Rolle, welchem Grad der Beeinträchtigung seines Gewissens er bei anderem Verhalten ausgesetzt gewesen wäre. Der Senat hat schon früher der Auffassung beigepflichtet, daß es für den Inhalt der Verwirklichung der Gewissensfreiheit nicht darauf ankommt, ob durch ein angesonnenes Verhalten der geschützte Bereich im Kern oder nur am Rande betroffen wird. Angesichts der Besonderheiten des Gewissensphänomens als einer im sozialen Leben vorgegebenen Wirklichkeit, kann grundsätzlich nicht zwischen einer wesentlichen oder unwesentlichen Gewissensentscheidung unterschieden werden, sofern nur deren Ernstlichkeit außer Frage steht (BSGE 54, 7, 12 = SozR 4100 § 119 Nr 19 mwN).
Allerdings hat der Senat (aaO) es für zulässig und geboten erachtet, graduelle tatsächliche Unterschiede dieser Art im Rahmen der Wertung zu berücksichtigen, die den Inhalt des wichtigen Grundes iS des § 119 Abs 1 AFG betrifft. Dies ist nicht nur vom LSG, sondern auch sonst häufig verkannt worden, wenn gegen die Rechtsprechung des Senats eingewandt wurde, Gewissen lasse sich prinzipiell nicht gegenständlich oder inhaltlich beschränken (vgl Hecker/Rühl, DuR 1983, 91, 96; Mayer, ArbuR 1985, 105, 111 f; Pitschas SGb 1984, 34, 36; derselbe in NJW 1984, 889, 891; Wiegand, SozVers 1983, 57, 61) oder es stelle eine unzulässige Kontrolle von akzeptablen Gewissensinhalten dar, danach abzugrenzen, ob eine bestimmte Tätigkeit unmittelbar oder nur mittelbar eine gewissensorientierte Position beeinträchtige (vgl Eisenstein, DÖV 1984, 794, 797; von Mutius, ZSR 29, 663, 679). Der Senat hat derartige Meinungen nicht vertreten, sondern es im Rahmen des § 119 Abs 1 AFG lediglich für erforderlich gehalten, anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob die grundsätzlich gewährleistete Freiheit der Gewissensbetätigung in jedem Falle ein wichtiger Grund für die sanktionslose Herbeiführung von Arbeitslosigkeit ist. Daß diese Prüfung nicht ohne weiteres schon mit der Bejahung einer Gewissensentscheidung beendet werden kann, wird letztlich auch von Kritikern der oa Rechtsprechung des Senats bestätigt, wenn sie für die Frage der Sperrzeit der Nähe zum unmittelbaren Gegenstand der Gewissensüberzeugung Bedeutung zumessen (Wiegand aaO, S 61; Pitschas SGb 1984, 34, 39), eine positivrechtliche Ausdifferenzierung der Schranken durch den Gesetzgeber für erforderlich halten (Eisenstein aaO, S 798) oder die Konfliktlage über die Bereitstellung von Verhaltensalternativen lösen wollen, welche dem Stellenwert der Gewissensfreiheit Rechnung tragen, ohne die Solidargemeinschaft über Gebühr zu strapazieren (Mayer aaO, S 112). Soweit diese Vorschläge in einer sachgerechten, das Gewissen nicht berührenden Arbeitsvermittlung Lösungen für die Problemlage erblicken, wird übersehen, daß damit kein ausreichendes Konzept für Fälle der Arbeitsaufgabe aus Gewissensgründen - wie hier - angeboten ist.
Ausgangspunkt der Betrachtung muß deshalb bleiben, daß Art 4 Abs 1 GG keinen schrankenlosen Schutz der Gewissensbetätigung bietet. Dieses ohne Gesetzesvorbehalt gewährleistete Grundrecht steht einer Begrenzung durch die Verfassung selbst nicht entgegen (vgl Beschluß des BVerfG vom 13. Juni 1983, SozR 4100 § 119 Nr 22 = NJW 1984, 912 mwN). Mit Rücksicht auf die von der Verfassung zu schützende gesamte Wertordnung findet auch Art 4 Abs 1 GG in einzelnen Beziehungen eine Begrenzung durch andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte bzw Gemeinschaftsinteressen oder durch kollidierende Grundrechte Dritter. In Fällen der vorliegenden Art ist die Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung zu beachten, die zu gewährleisten einem sozialstaatlichen und damit mit Verfassungsrang ausgestattetem Gebot entspricht und deren Rechtswert wegen der Einheit der Verfassung imstande ist, auf der Folgenseite der Wahrnehmung selbst uneinschränkbarer Grundrechte belastende Grenzen zu ziehen. Diese Auffassung des Senats (vgl BSGE 54, 7, 11) ist vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden (vgl SozR 4100 § 119 Nr 22). Es handelt sich hierbei folglich um die Auflösung der Konfliktlage zwischen verschiedenen Verfassungsprinzipien und nicht um eine Wertung des Gewichts von Gewissensbetätigungen als solchen innerhalb von Art 4 Abs 1 GG. Anhand der Umstände des Einzelfalles ist abzuwägen, welches Prinzip jeweils das höhere Gewicht besitzt. Für die Auslegung des Begriffs des wichtigen Grundes iS des § 119 Abs 1 AFG ist hierbei in besonderem Maße die Frage der Zumutbarkeit eines anderen als des gewissensorientierten Verhaltens zu würdigen.
Zwar sind miteinander kollidierende Verfassungsgüter in einer nach beiden Seiten hin schonenden Weise zum Ausgleich zu bringen (vgl Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 15. Aufl, S 127 f; Pitschas NJW 1984, 889, 893). Auch bei Beachtung dessen ergibt die hier anzustellende Güterabwägung jedoch nicht, daß die dem Arbeitslosen im Gemeinschaftsinteresse abzufordernde Pflicht zur Entlastung der Solidargemeinschaft soweit hinter das Grundrecht aus Art 4 Abs 1 GG zurücktritt, daß dessen Interesse an einer folgenlosen Verwirklichung seiner gewissensorientierten Grundhaltung stets den Vorrang beanspruchen kann. Im allgemeinen gilt eher das Gegenteil (vgl BSGE 54, 7, 11 = SozR 4100 § 119 Nr 19; von Mutius ZSR 29, 663, 683). Grundsätzlich zeigt die Sperrzeitregelung des § 119 Abs 1 AFG, die hier gilt, auf der Folgenseite der Ausübung der Gewissensentscheidung noch keine die Wahrnehmung dieses Rechts unzumutbar einschränkende Funktion auf, schon gar nicht im Sinne einer unüberwindlichen Schranke.
Das Institut der Sperrzeit ist generell geeignet, den Konflikt zwischen der Gewissensfreiheit und den Belangen der Solidargemeinschaft verfassungskonform aufzulösen. Es trägt auch in diesem Spannungsfeld dem aus Art 3 Abs 1 GG folgenden Gebot der Gleichbehandlung aller Versicherten angemessen Rechnung (BVerfG, SozR 4100 § 119 Nr 22); denn auch das Grundrecht aus Art 4 Abs 1 GG untersteht dem Prinzip der Toleranz als Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme von Staat und Bürger. Daraus folgt, daß dem Staat das Recht und die Pflicht obliegt, sowohl den Mißbrauch von Gewissenspositionen abzuwehren als auch Verhaltensalternativen vorzusehen, die der Gewissensentscheidung des Einzelnen Raum lassen. Dabei sind Nachteile, die daraus entstehen, in einem gewissen Umfange hinzunehmen (vgl BSGE 54, 7, 13; Pitschas, SGb 1984, 34, 38). Eine derartige Kollisionslösung steht auch in angemessenem Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung der verfassungsrechtlich geschützten Gewissensverwirklichungsfreiheit. Ein finaler unmittelbarer Eingriff seitens der Arbeitsverwaltung liegt nicht vor, da die negativen Rechtsfolgen an das Verhalten des Betroffenen anknüpfen (vgl von Mutius aaO S 682) und zudem in Stufen differenzierungsfähig sind (§ 119 Abs 2 AFG). Auch das Risiko der Sperrzeit beläßt dem Betroffenen jedenfalls die reale Möglichkeit, entsprechend seinem Gewissen zu handeln. Es ist zu berücksichtigen, daß die Folgen der Verhängung einer Sperrzeit wirtschaftlich zumindest durch die bedarfsabhängigen Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) abgesichert und das Handeln nach dem Gewissen hier nicht mit existenzgefährdenden Nachteilen verbunden ist. Gegenüber der durch eine Sperrzeitentscheidung nach § 119 AFG bewirkten Beeinträchtigung der Gewissensfreiheit sind die Belange der Solidargemeinschaft der Versicherten an einer funktionsfähigen Arbeitslosenversicherung im Regelfalle mithin als vorrangig anzusehen (aA Gagel, Komm zum AFG, Stand: Januar 1986, § 119 Rdn 321 ff, der die Verhängung einer Regelsperrzeit von acht Wochen wegen ihrer starken Repressionswirkung in diesen Fällen generell für ausgeschlossen hält; Mayer, ArbuR 1985, 105, 112 f). Jede Aufgabe eines sonst zumutbaren Arbeitsplatzes begründet die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Alg. Nach der Neuregelung des § 106a AFG (eingefügt durch das 7. Gesetz zur Änderung des AFG vom 20. Dezember 1985, - BGBl I, 2484 -) kann die maximale Anspruchsdauer 624 Tage betragen, so daß die Fortzahlung des Alg im Einzelfalle zu erheblichen Lasten der Versichertengemeinschaften führen kann. Im Falle des Klägers folgte aus der Lösung seines Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von acht Wochen immerhin noch eine Alg-Zahlung für 244 Tage mit anschließendem Alhi-Bezug. Ob dieses Ergebnis der Konkordanzprüfung auch dann aufrecht zu erhalten ist, wenn im konkreten Falle der Eintritt der Sperrzeit zu einem Erlöschen des Leistungsanspruchs gemäß § 119 Abs 3 AFG führen würde oder nach § 119a AFG (idF des 7. Änderungsgesetzes zum AFG) ihr Umfang 12 Wochen betragen müßte, kann hier dahinstehen, da beide Tatbestände vorliegend nicht erfüllt sind.
Nach Auffassung des Senats folgt aus alledem, daß die Berufung auf das Grundrecht aus Art 4 Abs 1 GG dem Arbeitnehmer im allgemeinen keinen wichtigen Grund iS des § 119 Abs 1 AFG liefert, seinen Arbeitsplatz ohne weiteres aufzugeben und deshalb folgenlos Mittel der Versichertengemeinschaft wegen einer dadurch kausal herbeigeführten Arbeitslosigkeit zu erhalten. Wegen der sachgerechten Belange der Versichertengemeinschaft ist ihm unter wenigstens zeitweiser Zurückstellung seiner eigenen Interessen grundsätzlich ein anderes Verhalten zumutbar.
So liegt auf der Hand, daß der Arbeitnehmer zunächst versuchen muß, im Rahmen des Arbeitsverhältnisses eine Lösung der Konfliktlage anzustreben. Dem entspricht die arbeitsrechtliche Berücksichtigung von Gewissenskonflikten gegenüber privatrechtlichen Pflichten, die zwar zT abgelehnt wird (vgl Wieacker, JZ 1954, S 466, 467; Diedrichsen in Festschrift für Karl Michaelis, S 36, 60; LAG Frankfurt ARSt I Nr 327; LAG Stuttgart, ARSt II Nr 889), im Anschluß an andere Literaturstimmen (Scheschonka, Diss., Arbeits- und Leistungsverweigerung aus Glaubens- oder Gewissensnot; Isenhardt, Diss., Die Freiheit des Gewissens im Privatrecht; Otto, Personale Freiheit und soziale Bindung, S 108 ff, Mayer-Maly in Festschrift für Gerhard Müller S 325 - 332) vom BAG jedoch bejaht worden ist. Nach dem Urteil des BAG vom 20. Dezember 1984 (BAG AP Nr 27 zu § 611 BGB "Direktionsrecht"; vgl die Anmerkungen dazu von Preuß, ArbuR 1986, 382; Reuter BB, 1986, 385; Mayer JZ 1985, 1111) darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Arbeit zuweisen, die den Arbeitnehmer in einen Gewissenskonflikt versetzt, der unter Abwägung der beiderseitigen Interessen vermeidbar gewesen wäre. Nach Ansicht des BAG folgt die Einschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers aus § 315 BGB iVm Art 4 GG. Was dem billigen Ermessen iS von § 315 BGB entspricht, ist dabei im Einzelfalle unter Abwägung der Interessenlage beider Vertragsparteien festzustellen. Bei der Interessenabwägung ist danach insbesondere von Bedeutung, ob der Arbeitgeber in der Zukunft mit zahlreichen weiteren Gewissenskonflikten rechnen muß und ob er gegebenenfalls in der Lage ist, dem Arbeitnehmer einen freien Arbeitsplatz anzubieten, an dem der Gewissenskonflikt nicht auftritt. Ein solcher Sachverhalt scheidet hier allerdings aus, da nach der vom LSG eingeholten Arbeitgeberauskunft keine Möglichkeit einer innerbetrieblichen Umsetzung des Klägers bestand.
Dem Arbeitnehmer ist es ferner grundsätzlich zumutbar, unter Aufrechterhaltung des bisherigen Arbeitsverhältnisses zunächst die Suche nach einem anderen Arbeitsplatz zu betreiben. Wie die Rechtslage ist, wenn ihm dies auch nach ernsthaften Bemühungen über einen längeren Zeitraum nicht gelingt, bedarf hier keiner Entscheidung; denn ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor.
Die vorstehenden Grundsätze gelten allerdings nicht ausnahmslos. Die Würdigung eines Gewissenskonflikts zwischen raschest möglicher Lösung eines Arbeitsverhältnisses oder dessen Fortsetzung kann bei Abwägung der Interessenlage des Arbeitnehmers mit den Belangen der Versichertengemeinschaft im Einzelfalle dazu führen, daß letztere ohne weiteres zurückzutreten haben. Dies ist dann der Fall, wenn der feststehende Grund der Gewissensentscheidung, ihr Gegenstand, unmittelbar in diametralem Gegensatz zu dem bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesonnenen Verhalten des Arbeitnehmers stehen muß und steht. Die Berufung auf Art 4 Abs 1 GG genießt uneingeschränkten Vorrang, wo die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses objektiv nicht nur die Möglichkeit einer ständigen Gewissensverletzung in sich birgt, sondern sie diese unmittelbar konterkarieren muß, der Gegensatz also jedermann ohne weiteres einleuchtend auf der Hand liegt.
Eine solche Sachlage ist gegeben, wenn ein Kriegsdienstverweigerer unmittelbar für die Produktion oder Wartung von Kriegswaffen oder -geräten tätig werden soll. Er wäre ohne Zwischenschaltung einer erst betrieblichen Umsetzung seiner Arbeitsleistung für militärische Zwecke, die von der Skala des Möglichen bis zum Wahrscheinlichen reichen kann, gezwungen, mit seiner täglichen Arbeit direkt und sichtbar für den Kriegseinsatz bestimmte Objekte herzustellen oder funktionsfähig zu erhalten. Dies muß ihn in einer so unmittelbaren Weise in Konflikt mit seiner ethischen Gewissensüberzeugung bringen, daß ein solches Verhalten unzumutbar ist. Das bedeutet nicht schlechthin, daß eine mittelbare Konfliktsituation stets zumutbar ist. Auch dann kommt es für die Frage der Zumutbarkeit iS des § 119 Abs 1 AFG auf die Intensität der Auswirkungen des verlangten Verhaltens auf die Gewissensüberzeugung an. Zu betonen ist, daß es sich hierbei nicht um die Wertung der Qualität einer Gewissensentscheidung als solche handelt, sondern unter Abwägung zwischen verschiedenen Verfassungsgütern lediglich um eine Beurteilung der Konfliktlage, der der Arbeitnehmer in einer tatsächlichen Situation ausgesetzt ist. Die Prüfung hat stets nach objektiven Gesichtspunkten zu erfolgen.
Sie ergibt im vorliegenden Falle, daß dem Kläger ein wichtiger Grund iS des § 119 Abs 1 AFG zur Auflösung seines Arbeitsverhältnisses zum 30. April 1983 zur Seite stand. Er sollte zu Arbeiten herangezogen werden, die der Instandhaltung von Schiffen der Bundesmarine dienten. Diese Tätigkeit ist der Herstellung von Waffen gleichzusetzen. Ein Einsatz in diesem beruflichen Aufgabengebiet widersprach der Gewissensüberzeugung des Klägers diametral. Erschwerend trat hinzu, daß der Gewissenskonflikt des Klägers auf Dauer bestanden hätte, da der Arbeitgeber über keine zivilen Aufträge im Arbeitsgebiet des Klägers mehr verfügte. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß der Kläger aufgrund seiner aktiven Mitgliedschaft in der evangelischen Jugendgemeinde sowie dem Umstand des andauernden Kriegsdienstverweigerungsverfahrens den Inhalt seiner Arbeit und damit seinen Beitrag an der Herstellung von Waffen nach außen hin zu vertreten gehabt hätte. Ohne die Gefahr einer Destabilisierung seiner Persönlichkeit war ihm dies nicht möglich. Eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses war dem Kläger deshalb nicht zumutbar. Ein derartiges Arbeitsverhältnis brauchte er, auch unter Wahrung berechtigter Interessen der Allgemeinheit, gegen sein Gewissen nicht aufrecht zu erhalten. Auch der Zeitpunkt der Lösung des Arbeitsverhältnisses war gerechtfertigt.
Die Revision der Beklagten kann deshalb keinen Erfolg haben und ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen