Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Vergütungsstreit. Behandlungsunterlagen. Übermittlung der personenbezogenen Daten des Versicherten an das Gericht ohne dessen Einwilligung. Geltung der Datenschutzgrundverordnung (juris: EUV 2016/679) im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Klagt eine Krankenkasse auf Erstattung gezahlter Vergütung für die Krankenhausbehandlung ihres Versicherten, darf das beklagte Krankenhaus in Einklang mit unionsrechtlichem Datenschutzrecht ohne Einwilligung des Versicherten dem Gericht dessen personenbezogene Daten in Behandlungsunterlagen zur zweckverändernden Verarbeitung (zum Nachweis der Vergütungsforderung) übermitteln, ohne die Einsichtnahme anderer Verfahrensbeteiligter ausschließen zu dürfen.
2. Die Datenschutzgrundverordnung gilt außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts grundsätzlich im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung jedenfalls kraft bundesgesetzlich angeordneter entsprechender Anwendung.
Orientierungssatz
Weder das SGB 5 noch sonstiges einfachgesetzliches Datenschutzrecht noch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten schließen das Einsichtsrecht von Krankenkassen in Behandlungsunterlagen im Vergütungsrechtsstreit aus.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, Art. 103; SGB V § 39 Abs. 1 S. 2, § 109 Abs. 4 S. 3 Fassung: 2002-04-23, §§ 276, 284 Abs. 1 S. 1 Nrn. 7-8, § 301 Abs. 2; KHEntgG § 7 S. 1 Nr. 1 Fassung: 2004-12-15, § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 2007-03-26, Nr. 3 Fassung: 2007-03-26, § 11 Fassung: 2004-12-15; KHG § 17b Fassung: 2007-03-26; SGB I § 35 Abs. 2; SGB X § 67a Abs. 1 Sätze 1-2, § 67b Abs. 1 S. 1; EUV 2016/679 Art. 9 Abs. 1; EUV 2016/679 Art. 9 Abs. 2 Buchst. f; EUV 2016/679 Art. 9 Abs. 2 Buchst. h; AEUV Art. 3-4; SGG §§ 62, 128 Abs 2; EMRK Art. 6 Abs. 1; EUGrdRCh Art. 47 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. November 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 10 373,37 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.
Der beklagte Träger eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses behandelte den bei der klagenden Krankenkasse (KK) versicherten S (im Folgenden: Versicherter) stationär vom 14.3. bis 2.4.2008 wegen eines zerebralen Hämatoms. Er berechnete hierfür die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2008 - DRG) A11B (40 379,95 Euro) und kodierte eine Beatmungszeit von mehr als 249 Stunden. Die Klägerin beglich zunächst die Rechnung und veranlasste Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK). Er sah eine Beatmungszeit von mehr als 249 Stunden als nicht nachgewiesen an. Maßgeblich sei DRG A13C (Beatmung ≫ 95 und ≪ 250 Stunden ≪…≫). Der Beklagte erstellte eine neue Rechnung (DRG A11C: Beatmung ≫ 249 und ≪ 500 Stunden ≪…≫; 37 820,19 Euro), und zahlte 2559,76 Euro zurück. Die Klägerin forderte vergeblich Rückzahlung weiterer 10 373,37 Euro. Der Beklagte hat im Klageverfahren die vollständigen Behandlungsunterlagen zur Verfügung gestellt, die Klägerin jedoch von der Einsichtnahme ausgeschlossen. Das SG hat sie dem Sachverständigen und dem MDK zur Verfügung gestellt, der Klägerin aber die Einsichtnahme verweigert. Das SG hat, gestützt auf das Sachverständigengutachten, die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.2.2016). Die Klägerin hat mit ihrer Berufung die verweigerte Einsichtnahme gerügt. Das LSG hat, gestützt auf das Sachverständigengutachten, die Berufung zurückgewiesen: Die Dauer der Beatmung erfülle die Voraussetzungen der DRG A11C (Urteil vom 22.11.2017).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von Art 103 Abs 1 GG, §§ 62, 120 SGG, § 109 Abs 4 S 3 SGB V iVm § 7 S 1 Nr 1, § 9 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und den weiteren Abrechnungsbestimmungen. Die Vorinstanzen hätten ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie ihr den Einblick in die vollständigen Behandlungsunterlagen des Versicherten verweigert hätten.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. November 2017 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Februar 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin 10 373,37 Euro nebst Zinsen hierauf von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. November 2009 zu zahlen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. November 2017 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und meint, die Klägerin habe die Zulassung der Revision erschlichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der klagenden KK ist zulässig. Das LSG hat die Revision zugelassen. Hieran ist der erkennende Senat gebunden (§ 160 Abs 3 SGG). Das BSG ist an die Zulassung auch dann gebunden, wenn die Revision unter Verstoß gegen das Gesetz oder willkürlich zugelassen wurde (vgl Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand 1.4.2018, § 160 Anm 28b mwN). Die vom Beklagten geltend gemachte "Erschleichung" der Revisionszulassung vermag hieran nichts zu ändern. Im Übrigen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht - wie vom Beklagten behauptet - Einblick in die versehentlich vom SG an ihn übersandten Behandlungsunterlagen genommen (vgl unten, II.2.).
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Der erkennende Senat kann nicht abschließend entscheiden, dass die Voraussetzungen des Anspruchs der Klägerin aus öffentlich-rechtlicher Erstattung auf Zahlung von 10 373,37 Euro erfüllt sind. Die Klägerin zahlte dem Beklagten Krankenhausvergütung in dieser Höhe ohne Rechtsgrund, wenn dem Beklagten für die zugunsten des Versicherten erbrachten Leistungen kein höherer Vergütungsanspruch als 27 446,82 Euro zustand. So liegt es, wenn der Beklagte den Versicherten nicht mehr als 249 Stunden beatmete (dazu 1.). Es fehlt revisionsrechtlich indes an hinreichenden Feststellungen zur Beatmungsdauer. Der erkennende Senat darf die hierzu getroffene Feststellung des LSG nicht verwerten. Sie verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (dazu 2.). Weder schließt diesbezüglich rein nationales Recht das Gebot aus, rechtliches Gehör zu gewähren (dazu 3.), noch die Datenschutzgrundverordnung ≪DSGVO≫ (dazu 4.; Verordnung ≪EU≫ 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, Abl L 119 vom 4.5.2016, S 1; L 314 vom 22.11.2016, S 72).
1. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; alle mwN). Diese Voraussetzungen waren nach dem Gesamtzusammenhang der unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt.
Nach den Vergütungsvorschriften erfordert ein Anspruch gemäß der vom Beklagten geltend gemachten DRG A11C (Beatmung ≫ 249 und ≪ 500 Stunden ohne komplexe OR-Prozedur, ohne Tumorerkrankung oder angeborene Fehlbildung, Alter ≪ 3 Jahre, mit bestimmter OR-Prozedur und komplizierenden Prozeduren, ohne intensivmedizinische Komplexbehandlung ≫ 1656 Punkte) eine Beatmungszeit von mehr als 249 Stunden. Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem des Beklagten nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs 4 S 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 3 Fallpauschalengesetz vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 5 Zweites Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser und zur Änderung anderer Vorschriften - Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz ≪2. FPÄndG≫ vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (≪KHG≫ idF durch Art 18 Nr 4 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ≪GKV-WSG≫ vom 26.3.2007, BGBl I 378; vgl entsprechend BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen) konkretisiert. Die Spitzenverbände der KKn (ab 1.7.2008: Spitzenverband Bund der KKn) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG (idF durch Art 19 Nr 3 GKV-WSG) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 8 2. FPÄndG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den Fallpauschalenvereinbarungen (hier: Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2008 ≪Fallpauschalenvereinbarung 2008 - FPV 2008≫) auf der Grundlage des § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG (idF durch Art 19 Nr 3 GKV-WSG).
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (vgl § 1 Abs 6 S 1 FPV 2008; zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier in der Version 2008 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 25.10.2007, BAnz Nr 207 vom 7.11.2007, S 7937, in Kraft getreten am 1.1.2008), die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2008 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Operationen- und Prozedurenschlüssels vom 25.10.2007, BAnz Nr 207 vom 7.11.2007, S 7937, in Kraft getreten am 1.1.2008; zur Grundlage der Rechtsbindung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24) sowie die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) für das Jahr 2008 (Vereinbarung zu den DKR Version 2008 für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG; zu deren normativer Wirkung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18). Bei Beatmungsfällen bestimmt zudem § 21 Abs 2 Nr 2 Buchst f KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 9 Buchst a DBuchst cc 2. FPÄndG) ausdrücklich, dass das Krankenhaus der KK die Beatmungszeit in Stunden entsprechend der Kodierregeln nach § 17b Abs 5 Nr 1 KHG zu übermitteln hat.
Maßgebliche Kodierregel ist DKR 1001g. Sie bestimmt, dass für Patienten, bei denen eine künstliche Beatmung durch endotracheale Intubation begonnen und bei denen später eine Tracheotomie durchgeführt wird, die Berechnung der Dauer mit der Intubation beginnt. Die Zeitdauer der Beatmung über das Tracheostoma wird hinzugerechnet. Im Falle der hinzuzurechnenden Tracheotomie beginnt die Berechnung der Dauer der künstlichen Beatmung zu dem Zeitpunkt, an dem die maschinelle Beatmung (wieder) einsetzt. Einen die Beatmungszeit aufrechterhaltenden Überbrückungstatbestand wie im Falle des Auswechselns der endotrachealen Kanüle sieht DKR 1001g nicht vor. Die Dauer der Entwöhnung wird insgesamt (inklusive beatmungsfreier Intervalle während der jeweiligen Entwöhnung) bei der Berechnung der Beatmungsdauer eines Patienten hinzugezählt. Es kann mehrere Versuche geben, den Patienten vom Beatmungsgerät zu entwöhnen. Für Patienten mit einem Tracheostoma (nach einer Periode der Entwöhnung) gilt zudem: Wird bei beatmeten Patienten die Trachealkanüle für einige Tage an ihrem Platz belassen, nachdem die künstliche Beatmung beendet wurde, ist die Berechnung der Beatmungsdauer in diesem Fall zu dem Zeitpunkt beendet, an dem die maschinelle Beatmung eingestellt wird. Wird aus neuen medizinischen Gründen erneut eine Beatmung durchgeführt, ist diese spätere Beatmungszeit hinzuzurechnen. Die DKR 1001g geht dabei davon aus, dass es mehrere Beatmungsperioden während eines Krankenhausaufenthaltes geben kann. Das beatmungsfreie Intervall nach einer gegebenenfalls mit einer Entwöhnung abgeschlossenen Beatmungsperiode ist hingegen nicht als Beatmungszeit zu zählen, wenn erneut eine Beatmung erforderlich wird.
2. Es steht nicht fest, dass der Beklagte den Versicherten nicht mehr als 249 Stunden beatmete. Der erkennende Senat darf die hierzu vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen einer länger dauernden Beatmung nicht verwerten. Die hiergegen von der Klägerin zulässig erhobene Rüge greift durch. Das LSG hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem es ihr Einsicht in die Behandlungsunterlagen des Versicherten verweigert hat (vgl §§ 62 und 128 Abs 2 SGG, Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 EMRK). Es hat die Klägerin daran gehindert, die Angaben des Beklagten und des MDK selbst umfassend anhand der auch dem MDK gerichtlich zur Verfügung gestellten vollständigen Behandlungsunterlagen zu überprüfen. Der Klägerin standen nur die Auszüge zur Verfügung, die der Beklagte den Schriftsätzen als Anlagen beigefügt hat.
Nach § 128 Abs 2 SGG darf das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Regelung konkretisiert den grundrechtlich verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 42). § 128 Abs 2 SGG beschränkt sich hierbei gegenüber dem inhaltlich weiteren § 62 SGG auf die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung (vgl BSGE 117, 192 = SozR 4-1500 § 163 Nr 7, RdNr 23; BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 19/17 R - Juris RdNr 11, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1500 § 120 Nr 3 vorgesehen; Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand 1.4.2018, § 128 Anm 10a). Das Recht auf rechtliches Gehör umfasst ua die Möglichkeit für die Beteiligten, in die Unterlagen Einsicht zu nehmen, die das Gericht in den Prozess eingeführt hat und auf die es sich stützen will (vgl zur Absicherung durch das GG BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 19/17 R - Juris RdNr 11, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1500 § 120 Nr 3 vorgesehen). Hierzu gehören auch die den Beweisergebnissen zugrunde liegenden tatsächlichen Grundlagen wie die vollständigen Behandlungsunterlagen, wenn das Gericht sie verwertet.
Das LSG hat sich in diesem Sinne zur Beweiswürdigung auf das vom SG eingeholte Gutachten des Sachverständigen gestützt, das er auf der Grundlage der ihm zur Verfügung gestellten vollständigen Behandlungsunterlagen erstellt hat. Das LSG hat wie das SG mit dem nur insoweit bestehenden Einverständnis des Beklagten auch dem MDK hierein Einblick gewährt, nicht aber der Klägerin. Die Klägerin konnte sich nicht dazu äußern, dass die ihr nicht zugänglich gemachten Teile der Behandlungsunterlagen Hinweise enthalten, die gegen die Beweiswürdigung des LSG sprechen.
Die Vorinstanzen haben den Gehörsverstoß auch nicht im Gerichtsverfahren geheilt. Zwar hat das SG ausweislich des Empfangsbekenntnisses der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ihnen versehentlich die Behandlungsunterlagen des Versicherten (Karton mit acht Bänden) überlassen, deren Verbleib unbekannt ist. Der erkennende Senat hat aber keinen Zweifel daran, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin entsprechend ihrer schriftlichen und ihrer mündlichen Erklärung anlässlich der Anhörung zur Zulässigkeit der Revision (Schriftsatz vom 21.11.2018; Verhandlung am 18.12.2018) keinen Einblick in die Behandlungsunterlagen des Versicherten genommen haben, um die Vorgaben von LSG und SG zu beachten, die der Klägerin die Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen verwehrt haben.
Eine Heilung des Gehörsverstoßes ist auch nicht dadurch eingetreten, dass Ärzte des MDK Kenntnis von den Behandlungsunterlagen erhalten haben. Die Klägerin muss sich deren Kenntnis nicht zurechnen lassen. Weder sind MDK-Ärzte Beistände noch (Prozess-)Bevollmächtigte der Klägerin gewesen (vgl § 73 Abs 7 S 5 SGG, § 73 Abs 6 S 7 SGG iVm § 85 ZPO, § 166 BGB) noch müssen sich KKn generell Verhalten oder Wissen des MDK zurechnen lassen (vgl BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 19/17 R - Juris RdNr 13 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1500 § 120 Nr 3 vorgesehen). Das LSG hat auch nicht die Möglichkeit genutzt, die vollständigen Behandlungsunterlagen von der Verwertung auszuschließen und nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu entscheiden (vgl näher BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 19/17 R - Juris RdNr 26, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1500 § 120 Nr 3 vorgesehen).
Eine Heilung des Gehörsverstoßes im Revisionsverfahren durch erstmalige Gewährung von Einsicht in die vollständigen Behandlungsunterlagen ist ebenfalls ausgeschlossen. Das Revisionsgericht darf - abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen - keine eigenen Tatsachenfeststellungen treffen. Es kann den Rechtsstreit, wenn es über ihn nicht aus anderen Gründen in der Sache entscheiden kann, nur zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Tatsachengericht zurückverweisen (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Dafür ist ein weiteres tatsächliches Vorbringen im Revisionsverfahren idR ohne rechtliche Relevanz (vgl BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 19/17 R - Juris RdNr 27, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1500 § 120 Nr 3 vorgesehen; Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand 1.4.2018, § 163 Anm 4d und 5c mwN).
3. Rein nationales Gesetzesrecht (zur DSGVO vgl unten, 4.) steht dem Einsichtsrecht in Behandlungsunterlagen zur Wahrung rechtlichen Gehörs nicht entgegen. Legt das Krankenhaus dem Gericht im Vergütungsrechtsstreit zu Beweiszwecken Behandlungsunterlagen vor, hat die KK Recht auf Einsicht hierein, soweit das Krankenhaus dieses nicht ausschließt (§ 120 Abs 1 SGG; ab 1.1.2018: § 120 Abs 1 S 1 SGG; § 202 S 1 SGG iVm § 142 ZPO, vgl BSGE 105, 210 = SozR 4-2700 § 33 Nr 1, RdNr 32; BSG SozR 4-1500 § 120 Nr 2 RdNr 19; BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 19/17 R - Juris RdNr 15, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1500 § 120 Nr 3 vorgesehen). Weder das SGB V (dazu a) noch sonstiges einfachgesetzliches Datenschutzrecht (dazu b) noch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten (dazu c) schließen das Einsichtsrecht von KKn in Behandlungsunterlagen im Vergütungsrechtsstreit aus.
a) Das SGB V regelt, unter welchen Voraussetzungen durch wen Sozialdaten im Zusammenhang mit der Vergütung von Krankenhausbehandlung außerhalb von Gerichtsverfahren zu erheben, zu speichern, zu übermitteln und zu verarbeiten sind. Dabei bestimmt es insbesondere die Abläufe bei der Übermittlung der Sozialdaten von den Leistungserbringern und KKn hin zum MDK und von dort zurück zu den KKn und den Leistungserbringern (vgl BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 19/17 R - Juris RdNr 14, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1500 § 120 Nr 3 vorgesehen). Es unterscheidet bei dem angesprochenen Informationsfluss hin zum MDK und von dort zurück für diesen zwischen der hier betroffenen sachlich-rechnerischen Prüfung der Krankenhausrechnung - die dafür erforderliche Übermittlung von Sozialdaten ist allein Gegenstand des § 276 Abs 1 SGB V - und der Auffälligkeitsprüfung (vgl BSGE 122, 87 = SozR 4-2500 § 301 Nr 7, RdNr 15 und 25; BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 19/17 R - Juris RdNr 16, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1500 § 120 Nr 3 vorgesehen).
Für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit gibt das Gesetz dem Krankenhaus auf, die erforderlichen Sozialdaten der KK zu übermitteln (vgl § 301 SGB V). Die KK darf die Sozialdaten erheben und speichern (§ 284 Abs 1 S 1 Nr 7 und 8 SGB V). Die von den Krankenhäusern den KKn zu übermittelnden Daten (§ 301 SGB V) sind zwingende Erstangaben. Sie dienen der standardisierten Abrechnung von Krankenhausvergütung als Massenphänomen (2017: 19 442 810 vollstationär behandelte Patienten - nicht nur, aber doch ganz überwiegend gesetzlich Versicherte - mit bereinigten Gesamtkosten von 91,3 Mrd Euro, durchschnittliche Kosten je Behandlungsfall 4695 Euro, Quelle destatis Pressemitteilung Nr 435 vom 12.11.2018). Das Gesetz geht von dem Regelfall aus, dass die in der Abrechnung und Datenübermittlung enthaltenen Angaben zutreffend und vollständig sind. Denn § 301 SGB V gebietet, wahre Angaben zum Behandlungsgeschehen zu machen, die Fehlvorstellungen der KK über das konkrete, abrechnungsrelevante Geschehen ausschließen (vgl BSGE 122, 87 = SozR 4-2500 § 301 Nr 7, RdNr 25). Das Gesetz zielt hiermit darauf ab, bestehende Ungleichgewichte zwischen KK und Krankenhaus durch Informationsgebote auszugleichen: Das Informationsgefälle zwischen dem rundum informierten Krankenhaus und der nur spärlich informierten KK. Eine Vermutung für die Richtigkeit der Krankenhausabrechnung ist dem Gesetz fremd (vgl BSG GS, BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 27 ff). Das Krankenhaus ist nicht etwa aus datenschutzrechtlichen Gründen zur irreführenden Falschabrechnung gezwungen (vgl BSGE 122, 87 = SozR 4-2500 § 301 Nr 7, RdNr 25, sowie zur entsprechenden Anwendung des § 276 Abs 2 SGB V bei der Übermittlung von Behandlungsunterlagen durch die Krankenhäuser direkt an den MDK) noch ist sie ihm deshalb erlaubt (vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 19/17 R - Juris RdNr 17 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1500 § 120 Nr 3 vorgesehen).
Das SGB V sieht bei Streit über Krankenhausvergütung vorprozessual kein Verwaltungsverfahren mit Amtsermittlung vor. Erst der vom Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) geprägte Rechtsschutz des SGG ermöglicht als folgerichtige Ergänzung eine umfassende Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts. Er eröffnet die nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast eintretenden Folgen, wenn Beteiligte sich weigern, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Die damit verbundenen rechtsstaatlichen Garantien, namentlich der Anspruch auf rechtliches Gehör, stehen weder zur Disposition des Gerichts noch eines Beteiligten, hier des Beklagten (vgl bereits oben, II. 2.). Die Aufgabenzuweisung an den MDK im Allgemeinen und durch § 276 Abs 2 SGB V im Besonderen schließt die KKn nicht prozessual von der Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen aus. Das SGG weist dem MDK keine besondere Prozessrolle zu und nimmt die Regelung des § 276 SGB V nicht in Bezug. Ein allgemeiner auf das Prozessrecht zu übertragender, die Auslegung des § 120 Abs 1 SGG und des § 202 S 1 SGG iVm § 142 ZPO bestimmender Rechtsgedanke wohnt dem SGB V nicht inne (vgl BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 19/17 R - Juris RdNr 20, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1500 § 120 Nr 3 vorgesehen).
b) Auch sonstiges einfachgesetzliches rein nationales Datenschutzrecht schließt die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung über die rechtmäßige Krankenhausvergütung unter Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten nicht aus. SGB I, SGB X und SGB V regeln den Schutz von Sozialdaten grundsätzlich gleichrangig vorbehaltlich ausdrücklich davon abweichender spezialgesetzlicher Kollisionsregeln (vgl BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1, RdNr 15). § 35 Abs 2 S 1 SGB I (idF durch Art 19 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.7.2017 BGBl I 2541, mWv 25.5.2018) bestimmt nunmehr: Die Vorschriften des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches und der übrigen Bücher des SGB regeln die Verarbeitung von Sozialdaten abschließend, soweit nicht die DSGVO unmittelbar gilt (vgl dazu unten 4.). Ein Rückgriff auf das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist nur zulässig, wenn das SGB oder die DSGVO dies vorsehen (Bieresborn/Giesberts-Kaminiski, SGb 2018, 449, 451 f; Hauck in Hennig, SGG, Stand Dezember 2018, § 119 RdNr 9).
Die datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB X verweisen ua auf die bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des SGB V (§§ 276, 284, 301 SGB V). Nach Abs 1 S 1 des § 67a SGB X (idF durch Art 24 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.7.2017 BGBl I 2541, mWv 25.5.2018) ist das Erheben von Sozialdaten durch in § 35 SGB I genannte Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach dem SGB erforderlich ist. Dies gilt nach § 67a Abs 1 S 2 SGB X auch für die Erhebung der besonderen Kategorien personenbezogener Daten iS des Art 9 Abs 1 DSGVO, insbesondere also für Gesundheitsdaten. § 67b Abs 1 S 1 SGB X (idF durch Art 24 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.7.2017 BGBl I 2541, mWv 25.5.2018) erlaubt die Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung, Einschränkung der Verarbeitung und Löschung von Sozialdaten ua nur, soweit die datenschutzrechtlichen Vorschriften des SGB X oder eine andere Vorschrift des SGB es erlauben oder anordnen. Dies gilt nach § 67b Abs 1 S 2 SGB X auch für die besonderen Kategorien personenbezogener Daten iS des Art 9 Abs 1 DSGVO. Das bereichsspezifische Datenschutzrecht steht - wie dargelegt - einer Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen durch die KKn grundsätzlich nicht entgegen (vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 19/17 R - Juris RdNr 21, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1500 § 120 Nr 3 vorgesehen, für die Rechtslage vor dem 24.5.2018). Das Prozessrecht begrenzt im Grundsatz die Anwendung des bereichsspezifischen Datenschutzrechts. Das im Lichte des GG (dazu unten, II. 3. c) auszulegende Prozessrecht selbst gewährleistet den grundrechtlich gebotenen Schutz der Daten im Prozess.
Nur ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass für die Frage, ob der Beklagte im sozialgerichtlichen Prozess Daten seiner Patienten in das Verfahren einbringen darf, das auf den Beklagten Anwendung findende Landesdatenschutzgesetz Baden-Württemberg (idF durch Art 1 Gesetz zur Anpassung des allgemeinen Datenschutzrechts und sonstiger Vorschriften an die Verordnung ≪EU≫ 2016/679 vom 12.6.2018; GBl S 173 ≪LDSG BW≫) wegen des Vorrangs des bundesrechtlich geregelten SGG nicht entgegensteht.
c) Das Grundrecht Versicherter auf informationelle Selbstbestimmung (Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG; grundlegend dazu BVerfGE 65, 1) steht dem Gebot nicht entgegen, im Abrechnungsstreit bei gerichtlicher Ermittlung des tatsächlichen Geschehens das rechtliche Gehör der KK zu wahren (vgl BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 19/17 R - Juris RdNr 22 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1500 § 120 Nr 3 vorgesehen). Das Gebot, die KKn zutreffend über das der Abrechnung zugrunde liegende Geschehen zu informieren und prozessual bei Amtsermittlung ihr rechtliches Gehör zu wahren, schränkt das nicht schrankenlos gewährleistete Grundrecht Versicherter auf informationelle Selbstbestimmung verfassungskonform ein, soweit Gründe des überwiegenden Allgemeininteresses dies gebieten. Die gerichtliche Amtsermittlung dient dem öffentlichen Interesse an zutreffender, die Beitragszahler nicht zu Unrecht belastender Abrechnung, letztlich damit der finanziellen Stabilität der GKV, einem überragend wichtigem Gemeinschaftsgut (vgl zB BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 7.5.2014 - 1 BvR 3571/13, 1 BvR 3572/13 - NZS 2014, 661, RdNr 34 mwN). Zugleich sichert sie mit der stationären Versorgung den Schutz der Gesundheit der GKV-Versicherten als einem wesentlichen Beitrag zur Volksgesundheit, einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut (vgl nur BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 8.9.2017 - 1 BvR 1657/17 - Juris RdNr 13 mwN = GesR 2017, 739, 740). Mittelbar schützt dies zugleich das Individualinteresse der Versicherten an der Datenwahrheit. Deswegen müssen die Versicherten es hinnehmen, dass all ihre Sozialdaten bei der Abrechnung und im Rechtsstreit den KKn zur Kenntnis gelangen, die für die ordnungsgemäße Abrechnung der erbrachten Leistung erforderlich sind (vgl auch Knispel, GesR 2011, 518, 525).
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten findet mit der Ausgestaltung der Einschränkungen des Akteneinsichtsrechts im SGG im Widerstreit mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) zur Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes (vgl BVerfGE 81, 123, 129) einen verhältnismäßigen Ausgleich iS einer gerechtfertigten Einschränkung des rechtlichen Gehörs durch sachliche Gründe (vgl BVerfGE 101, 106, 129 = Juris RdNr 91; allgemein zur Einschränkbarkeit des Gehörs vgl BVerfGE 81, 123, 129; BVerwG Beschluss vom 21.1.2014 - 6 B 43/13 - NVwZ 2014, 790, 792 f). Danach kann der Vorsitzende aus besonderen Gründen die Einsicht in die Akten oder in Aktenteile sowie die Fertigung oder Erteilung von Auszügen und Abschriften versagen oder beschränken. Gegen die Versagung oder die Beschränkung der Akteneinsicht kann das Gericht angerufen werden; es entscheidet endgültig (vgl § 120 Abs 4 SGG; Hauck in Hennig, SGG, Stand Dezember 2018, § 119 RdNr 5). Besondere Gründe, die Akteneinsicht zu beschränken, betreffen vor allem Sozialdaten, die keinen Bezug zum Vergütungsrechtsstreit haben. Das SGG ermöglicht, solche schutzwürdigen Sozialdaten von der Einsichtnahme in geeigneter Weise auszuschließen (vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 19/17 R - Juris RdNr 24 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4- 1500 § 120 Nr 3 vorgesehen). Derartige Ausnahmegründe sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
4. Die DSGVO ist mit Wirkung vom 25.5.2018 mit unmittelbarer Wirkung in Kraft getreten (vgl Art 99 Abs 2 DSGVO; Bieresborn, NZS 2017, 887 und 888; Hauck in Hennig, SGG, Stand Dezember 2018, § 119 RdNr 9). Soweit die DSGVO vorprozessual Anwendung findet, schränkt sie die Übermittlung von Gesundheitsdaten nicht über die Regelungen im SGB V hinaus ein (dazu a). Sie schließt im Prozess über Vergütungsansprüche des Krankenhauses das aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör entspringende Recht der KK auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen nicht aus, sondern setzt dieses voraus (dazu b).
a) Für die Verarbeitungen von Sozialdaten im Rahmen von nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO fallenden Tätigkeiten finden die DSGVO und das SGB entsprechende Anwendung, soweit im SGB oder einem anderen Gesetz nichts Abweichendes geregelt ist (vgl § 35 Abs 2 S 2 SGB I). Es bedarf im Hinblick auf diese Auffangregelung keiner Vertiefung, ob die DSGVO unmittelbar im vorprozessualen Verhältnis zwischen KK und Versicherten einerseits und KK und Krankenhaus andererseits gilt. Die Frage stellt sich, weil die DSGVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit findet, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt (vgl Art 2 Abs 2 Buchst a DSGVO). Nach Art 16 Abs 2 S 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (≪AEUV≫, vgl konsolidierte Fassung ABl C 202 vom 7.6.2016, S 47) erlassen das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, und über den freien Datenverkehr. Bei der Tätigkeit der Union wird indes die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung gewahrt. Die Verantwortung der Mitgliedstaaten umfasst die Verwaltung des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereitgestellten Mittel (vgl Art 168 Abs 7 S 1 und 2 AEUV; zweifelnd Dochow, GesR 2016, 401, 403; angedeutet bereits bei Reimer/Artmann/Stroetmann, DuD 2013, 154, 156; für eine - wohl zumindest - ergänzende Kompetenz Weichert in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl 2018, Art 9 RdNr 96; vgl dazu auch BSG Urteil vom 18.12.2018 - B 1 KR 31/17 R - Juris RdNr 15, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen).
Die DSGVO privilegiert die mit der Einsichtnahme von KKn in die Behandlungsunterlagen verbundene Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Hinblick auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Verfahren zur Abrechnung von Leistungen. Die oben aufgezeigten datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB V stehen im Einklang mit Unionsrecht, soweit dieses anwendbar ist. Sie sind durch den Vorbehalt des Art 9 Abs 1, Abs 2 Buchst h DSGVO gedeckt. Er bestimmt: "(1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt. (2) Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen: (…) h) die Verarbeitung ist für Zwecke der Gesundheitsvorsorge oder der Arbeitsmedizin, für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Beschäftigten, für die medizinische Diagnostik, die Versorgung oder Behandlung im Gesundheits- oder Sozialbereich oder für die Verwaltung von Systemen und Diensten im Gesundheits- oder Sozialbereich auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaats oder aufgrund eines Vertrags mit einem Angehörigen eines Gesundheitsberufs und vorbehaltlich der in Absatz 3 genannten Bedingungen und Garantien erforderlich, (…)". Dementsprechend ergibt sich für die Versorgung oder Behandlung im Gesundheits- oder Sozialbereich und für die Verwaltung von Systemen und Diensten - wozu die GKV einschließlich der Krankenhäuser als Leistungserbringer gehören (vgl Weichert in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl 2018, Art 9 RdNr 107 ff) - im Gesundheits- oder Sozialbereich eine Ausnahme zum Verbot der Verarbeitung von Gesundheitsdaten (§ 9 Abs 1 DSGVO), wenn die Verarbeitung von Gesundheitsdaten aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist. Im Erwägungsgrund 52 führt die DSGVO dazu aus: "Ausnahmen vom Verbot der Verarbeitung besonderer Kategorien von personenbezogenen Daten sollten auch erlaubt sein (…) zu gesundheitlichen Zwecken (…), wie der Gewährleistung der öffentlichen Gesundheit und der Verwaltung von Leistungen der Gesundheitsversorgung, insbesondere wenn dadurch die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Verfahren zur Abrechnung von Leistungen in den sozialen Krankenversicherungssystemen sichergestellt werden soll."
b) Es kommt in Betracht, dass die in der DSGVO enthaltenen rechtlichen Wertungen in solchen Fällen Ausstrahlungen auch auf das Prozessrecht haben können, in denen es außerprozessual um Sachverhalte geht, auf die die DSGVO unmittelbar oder kraft Verweisung Anwendung findet. Das Gemeinschaftsrecht kennt hingegen weder eine geteilte Zuständigkeit (Art 4 AEUV) für eine allgemeine Regelung des Prozessrechts der Mitgliedstaaten noch eine ausschließliche Kompetenz der Europäischen Union hierfür (Art 3 AEUV). Insbesondere folgt auch aus Art 4 Abs 2 Buchst j iVm Art 67 ff AEUV nichts anderes. Es besteht auch keine allgemeine Regelungskompetenz der Europäischen Union für das Prozessrecht der Mitgliedstaaten betreffend Rechtstreite aus dem Bereich der (öffentlich-rechtlichen) medizinischen Versorgung und der sozialen Sicherheit unbeschadet spezialgesetzlicher Regelungen (vgl zB Art 81 Verordnung ≪EG≫ Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004, ABl vom 30.4.2004, L 166/1).
Es bedarf indes keiner Vertiefung, inwieweit rechtliche Wertungen der DSGVO auf das SGG ausstrahlen. Selbst unter dieser Annahme steht die zweckverändernde Verarbeitung von in Behandlungsunterlagen enthaltenen Daten durch ein Krankenhaus, das damit seinen Vergütungsanspruch gegen eine KK in einem Rechtsstreit durchsetzen will, sowie deren forensische Nutzung und Übermittlung an die KK als Prozessbeteiligte im Einklang mit den Regelungen der DSGVO. Sie beschränken nicht das Akteneinsichtsrecht der KK in einem gerichtlichen Vergütungsrechtsstreit.
Art 9 Abs 2 Buchst f DSGVO erlaubt ausdrücklich die zweckverändernde Verarbeitung von in Behandlungsunterlagen enthaltenen Daten für die Zwecke des Gerichtsverfahrens. Die Norm bestimmt: "Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen: (…) f) die Verarbeitung ist zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich, (…)." Nach Wortlaut, Regelungszweck und -system dieses Vorbehalts sollen Gesundheitsdaten in einen Rechtsstreit eingeführt werden können, um Ansprüche zu belegen oder abzuwehren (vgl Weichert in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl 2018, Art 9 RdNr 84; Schulz in Gola, DS-GVO, 2017, Art 9 RdNr 25; Kampert in Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Aufl 2018, Art 9 RdNr 34). Dies impliziert im Einklang mit Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, dass der jeweilige Prozessgegner auch Kenntnis von diesen Daten erhalten darf, soweit die Einführung der Gesundheitsdaten in den Rechtsstreit "erforderlich" ist (vgl zu dieser immanenten Begrenzung des Vorbehalts Weichert in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl 2018, Art 9 RdNr 86). Dem Zweck, nur erforderliche Gesundheitsdaten in den Rechtsstreit einzuführen, trägt § 120 Abs 4 SGG in besonderer Weise Rechnung (vgl bereits oben II. 3. c). Konsequent sieht die DSGVO dagegen keine Regelung zur Beschränkung des rechtlichen Gehörs vor. Die Annahme, dass sie unter Verstoß gegen Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU den Anspruch auf rechtliches Gehör einschränken will, entbehrt jeder normativen Grundlage.
5. Das LSG wird nunmehr die hiernach gebotenen Feststellungen unter Beachtung des Vorbringens der Klägerin nach gewährter Einsicht in die Behandlungsunterlagen zu treffen haben. Nur ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass sich aus den Verfahrensakten nicht ergibt, dass der Beklagte die Voraussetzungen der von ihm abgerechneten abschlagsfreien Vergütung erfüllte (zu den Abschlägen bei Verlegung vgl § 3 FPV 2008). Insbesondere steht nach dem Inhalt des im Berufungsverfahren vom Beklagten vorgelegten Arztbriefs seiner Universitätsklinik für Anästhesiologie nicht fest, dass die Behandlung des Versicherten vor der Aufnahme beim Beklagten am 14.3.2008 um 17.50 Uhr im verlegenden Klinikum S.
nicht länger als 24 Stunden dauerte (§ 3 Abs 2 S 2 FPV 2008).
6. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.
Fundstellen
NZS 2019, 719 |
SGb 2019, 153 |
KRS 2019, 247 |
info-also 2019, 283 |