Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff "Steuerklassenwechsel"
Leitsatz (amtlich)
Ob das Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten den neu eingetragenen Lohnsteuerklassen entspricht, ist nach den zuletzt erzielten Arbeitslöhnen zu beurteilen, wenn der Ehemann Arbeitslosengeld und die Ehefrau Mutterschaftsgeld während des Mutterschaftsurlaubs bezieht.
Leitsatz (redaktionell)
Auch während des Mutterschaftsurlaubs hat das Mutterschaftsgeld Lohnersatzfunktion; daß der ausfallende Arbeitslohn aus sozial- oder finanzpolitischen Gründen allgemein oder im Einzelfalle nicht in vollem Umfange ersetzt wird, schließt den Rechtscharakter des Lohnersatzes nicht aus.
Orientierungssatz
1. Steuerklassenwechsel ist jedes Auswechseln der für verheiratete Arbeitnehmer, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, gemäß § 38b Abs 1 S 2 Nr 3 bis 5 Einkommensteuergesetz (EStG) vorgesehenen Steuerklassen.
2. Ein Steuerklassenwechsel liegt nicht vor, wenn Ehegatten erstmals nach Eingehen der Ehe anstelle der bis dahin für sie als Nichtverheiratete geltenden Steuerklassen die nunmehr für sie als Eheleute steuerrechtlich in Betracht kommenden Steuerklassen in ihre Lohnsteuerkarten eintragen lassen (vgl BSG 1981-10-08 7 RAr 85/80 = BSGE 52, 227 = SozR 4100 § 113 Nr 2).
3. Ebenso liegt kein Fall des Steuerklassenwechsels vor, wenn einem Ehegatten unter Berücksichtigung der für den anderen Ehegatten eingetragenen Lohnsteuerklasse nachträglich während des Kalenderjahres eine Lohnsteuerkarte erteilt wird, in die die korrespondierende Lohnsteuerklasse eingetragen wird (vgl BSG 1984-02-22 7 RAr 52/82).
Normenkette
AFG § 113 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1980-08-16; MuSchG §§ 8a, 13; RVO §§ 200, 200a; AFG § 113 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1980-08-16, S. 3 Fassung: 1980-08-16; EStG § 38b Abs. 1 S. 2 Nrn. 3-5
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 14.04.1983; Aktenzeichen L 9 Ar 24/82) |
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 03.02.1982; Aktenzeichen S 4 Ar 170/81) |
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) ab 1. September 1981.
Der Kläger war bis zum 30. Juni 1981 beschäftigt. Er hatte zuletzt 3.093,41 DM im Monat an Arbeitsentgelt erzielt. Das letzte Arbeitsentgelt seiner Ehefrau hatte 2.108,50 DM betragen. Sie befand sich während der hier streitigen Bezugszeit im Mutterschaftsurlaub und bezog 750,-- DM Mutterschaftsgeld, nachdem sie am 3. Juni 1981 ein Kind geboren hatte. Auf der Lohnsteuerkarte des Klägers war für 1981 die Steuerklasse IV, ab 1. Juli 1981 V und ab 1. September 1981 III eingetragen.
Antragsgemäß gewährte die Beklagte dem Kläger ab 13. August 1981 Alg, und zwar zunächst nach der Leistungsgruppe D (Bescheid vom 25. August 1981). Ab 1. September 1981 gewährte die Beklagte das Alg nach der Leistungsgruppe A, nicht jedoch nach der günstigeren Leistungsgruppe C, weil bei Arbeitslöhnen von 3.093,-- DM und 2.108,-- DM bei der zur Leistungsgruppe A führenden Lohnsteuerklassenkombination IV/IV der geringste Lohnsteuerabzug erreicht werde (Bescheid vom 26. August 1981, Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1981).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 25. August 1981 in der Gestalt der Bescheide vom 26. August und 2. Oktober 1981 dahin zu ändern, daß für die Zeit ab 1. September 1981 die Leistungsgruppe C zugrundegelegt wird (Urteil vom 3. Februar 1982). Dieses Urteil hat das Landessozialgericht (LSG) auf die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten aufgehoben; es hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. April 1983).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, zutreffend habe die Beklagte vom 1. September 1981 an das Alg nach der Leistungsgruppe A gezahlt. Die vom Kläger gewählte Steuerklasse III habe am 1. September 1981 nicht den Verhältnissen der früheren monatlichen Arbeitslöhne des Klägers und seiner Ehefrau entsprochen, so daß nach § 113 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) die den Verhältnissen gemäße Steuerklasse IV anzusetzen sei. Der Auffassung des SG, das Mutterschaftsgeld sei keine echte Lohnersatzleistung, so daß der Ausfall des Arbeitslohnes der Ehefrau nach § 113 Abs 2 Satz 3 AFG nicht außer Betracht zu bleiben habe, könne nicht zugestimmt werden. Zwar habe das Mutterschaftsgeld nur noch eine eingeschränkte Beziehung zum Arbeitslohn; dennoch sei es, wie in BSGE 47, 71 entschieden worden sei, eine Lohnersatzleistung, worauf es nach § 113 Abs 2 Satz 3 AFG allein ankomme. Auch § 118 Abs 1 Nr 2 AFG lasse erkennen, daß das Gesetz das Mutterschaftsgeld zu den Lohnersatzleistungen zähle.
Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des § 113 Abs 2 Satz 3 AFG und bringt hierzu insbesondere vor: Nach dieser Vorschrift sei bei der nach § 113 Abs 2 Satz 2 AFG zulässigen Korrektur eines offensichtlichen Mißverhältnisses der gewählten Steuerklassenkombination unter Eheleuten der Ausfall von Arbeitslohn außer Betracht zu lassen, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Sozialleistung begründe. Diese Vorschrift enthalte keine Regelung, welches Einkommen bei der vorzunehmenden Prüfung zugrundezulegen sei. Das LSG habe gemeint, es sei das der Bemessung der Sozialleistung zugrundeliegende Entgelt heranzuziehen. Dem könne nicht zugestimmt werden. Die bei einem offensichtlichen Mißverhältnis der gewählten Steuerklassenkombination erforderliche Korrektur sei nicht anhand fiktiver, sondern aufgrund der tatsächlichen Einkommensverhältnisse vorzunehmen. Die Korrektur solle lediglich verhindern, daß Steuervorteile zu ungerechtfertigten Leistungsvorteilen führten; dies sei nur bei Berücksichtigung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse ohne Willkür möglich. Unproblematisch sei zwar der Fall, wenn die Lohnersatzleistung 80 vH des Regellohnes, höchstens jedoch dem Nettolohn entspreche. Anders sei es jedoch bei Leistungen wie dem Mutterschaftsgeld, bei denen zwischen dem der Bemessung zugrundeliegenden Arbeitsentgelt und dem Höchstbetrag der Leistung eine erhebliche Differenz bestehe. In diesen Fällen führe die Berücksichtigung des Bemessungsentgelts nicht zur Feststellung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse, sondern zu zweckwidrigen Ergebnissen; denn die Ehegatten würden steuerlich nicht so gestellt, wie sie ohne Eintritt der Arbeitslosigkeit gestanden hätten. Wenn überhaupt, hätte die Ehefrau nicht Steuern für 2.108,50 DM, sondern für ihr Einkommen von 750,-- DM zu entrichten. Daher sei die Steuerklassenkombination III/V zutreffend und damit die Leistungsgruppe C maßgebend.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie nimmt auf das Urteil des LSG Bezug.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Das Alg beträgt nach § 111 Abs 1 AFG, das hier in der zuletzt durch das Sechste Gesetz zur Änderung des AFG vom 3. August 1981 (BGBl I 802) geänderten Fassung anzuwenden ist, 68 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Arbeitsentgelt in diesem Sinne ist regelmäßig das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte (Brutto-)Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG). Der (wöchentliche) Alg-Leistungssatz für das so zu ermittelnde, gemäß § 112 Abs 9 AFG auf den nächsten durch fünf teilbaren Deutsche Mark-Betrag zu rundende (wöchentliche) Arbeitsentgelt (früher "Einheitslohn"), dessen Berechnung hier nicht streitig ist, ergibt sich aus den Leistungssätzen, die der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung jeweils für ein Kalenderjahr durch Rechtsverordnung bestimmt (§ 111 Abs 2 Satz 1 AFG), im vorliegenden Falle aus der AFG-Leistungsverordnung 1981 vom 16. Dezember 1980 (BGBl I 2263).
Die Höhe des Alg-Leistungssatzes ist jedoch nicht nur von der Höhe des gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelts, sondern zusätzlich von der Leistungsgruppe abhängig, der § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 1 AFG den Arbeitnehmer je nach Familienstand und der in die Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse zuordnet. Das ist erforderlich, um für das gleiche gerundete wöchentliche (Brutto-)Arbeitsentgelt entsprechend dem nach Steuerklasse, Familienstand und Kinderzahl unterschiedlichen Lohnsteuerabzug unterschiedlich hohe Alg-Leistungssätze ausweisen zu können. Diese Anbindung des Alg an Lohnsteuerklassen und Lohnsteuertabellen begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; die darin liegende Pauschalierung ist dem Gesetzgeber grundsätzlich erlaubt (BVerfGE 63, 255, 262; BSGE 51, 10 = SozR 4100 § 111 Nr 4; vgl ferner die nicht veröffentlichen Urteile des Senats vom 13. November 1980 - 7 RAr 14/80 - und vom 10. Dezember 1980 - 7 RAr 14/78 -). Verheiratete Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen ist, erhalten demnach Alg nach der Leistungsgruppe D, verheiratete Arbeitnehmer mit der Lohnsteuerklasse IV die günstigere Leistungsgruppe A und verheiratete Arbeitnehmer mit der Lohnsteuerklasse III die Leistungsgruppe C, die mit Rücksicht auf den in dieser Steuerklasse erfolgenden geringsten Lohnsteuerabzug die höchsten Leistungssätze aufweist.
Soweit die Höhe des Alg von der auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragenen Lohnsteuerklasse abhängt, ist nach § 113 Abs 1 Satz 1 AFG die Lohnsteuerklasse maßgebend, die zu Beginn des Kalenderjahres eingetragen war, in dem der Anspruch entstanden ist. Das war hier die Lohnsteuerklasse IV. Ob die späteren Änderungen der Lohnsteuerklasse des Klägers zu berücksichtigen sind, richtet sich nach § 113 Abs 2 AFG. An sich werden Änderungen nach § 113 Abs 1 Satz 2 AFG mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen. Das gilt jedoch nicht für den Steuerklassenwechsel zwischen Eheleuten. Für ihn trifft § 113 Abs 2 AFG eine Sonderregelung, die die Anwendung des § 113 Abs 1 Satz 2 AFG ausschließt (BSG SozR 4100 § 113 Nr 1). Einen solchen Steuerklassenwechsel hat der Kläger vorgenommen.
Steuerklassenwechsel ist jedes Auswechseln der für verheiratete Arbeitnehmer, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, gemäß § 38b Abs 1 Satz 2 Nrn 3 bis 5 Einkommensteuergesetz (EStG) vorgesehenen Steuerklassen. Ein solcher Steuerklassenwechsel liegt zwar noch nicht vor, wenn Ehegatten erstmals nach Eingehen der Ehe anstelle der bis dahin für sie als Nichtverheiratete geltenden Steuerklassen die nunmehr für sie als Eheleute steuerrechtlich in Betracht kommenden Steuerklassen in ihre Lohnsteuerkarten eintragen lassen (BSGE 52, 227 = SozR 4100 § 113 Nr 2 = SGb 1982, 252 mit Anm Martens). Ebenso liegt kein Fall des Steuerklassenwechsels vor, wenn einem Ehegatten unter Berücksichtigung der für den anderen Ehegatten eingetragenen Lohnsteuerklasse nachträglich während des Kalenderjahres eine Lohnsteuerkarte erteilt wird, in die die korrespondierende Lohnsteuerklasse eingetragen wird (vgl das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des Senats vom 22. Februar 1984 - 7 RAr 52/82 -). Ist jedoch in die Lohnsteuerkarte des verheirateten Arbeitnehmers die Lohnsteuerklasse III, IV oder V und in die Lohnsteuerkarte seines von ihm nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten gemäß § 38b Abs 1 Satz 2 Nrn 3 bis 5 EStG korrespondierend die Lohnsteuerklasse V, IV oder III eingetragen, stellt jede Änderung der Steuerklasse von III nach IV oder V, von IV nach III oder V oder von V nach III oder IV einen Steuerklassenwechsel im Sinne des § 113 Abs 2 AFG dar; denn eine solche Änderung der Eintragung in eine Lohnsteuerkarte ist steuerrechtlich nicht möglich, ohne daß auch die Steuerklasse des Ehegatten geändert wird.
Für den Kläger war für 1981 die Steuerklasse IV eingetragen; gemäß § 38b Abs 1 Satz 2 EStG muß die gleiche Steuerklasse für seine von ihm nicht getrennt lebende abhängig beschäftigte Ehefrau eingetragen gewesen sein. Die Änderung der Steuerklasse des Klägers in V und später in III war nur als Steuerklassenwechsel möglich. Es ist daher unschädlich, daß das LSG nicht ausdrücklich festgestellt hat, daß die Änderungen der Lohnsteuerklasseneintragung auf der Lohnsteuerkarte des Klägers im Wege des Steuerklassenwechsels vorgenommen worden sind, daß also auf der Lohnsteuerkarte der Ehefrau des Klägers mit Wirkung vom 1. Juli 1981 anstelle der Steuerklasse IV die Steuerklasse III und anstelle dieser Steuerklasse mit Wirkung vom 1. September 1981 die Steuerklasse V eingetragen worden ist.
Haben Ehegatten die Steuerklassen gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen für die Höhe des Alg von dem Tage an berücksichtigt, an dem die Änderung wirksam wird; entsprechen die eingetragenen Lohnsteuerklassen an diesem Tage jedoch offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten, sind für die Höhe des Algs die diesem Verhältnis entsprechenden Lohnsteuerklassen maßgebend (§ 113 Abs 2 Sätze 1 und 2 AFG). Ob der Steuerklassenwechsel zum 1. Juli 1981 zu berücksichtigen war, bedarf demnach keiner Entscheidung. Der Wechsel zum 1. Juli 1981 kann sich nämlich nach dem erneuten Steuerklassenwechsel auf das Alg ab 1. September 1981 nicht mehr auswirken; denn sind die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen nach § 113 Abs 2 Satz 2 AFG nicht zu berücksichtigen, sind nicht die früheren Eintragungen, sondern die dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne der Ehegatten entsprechenden Lohnsteuerklassen maßgebend. Ob dem Kläger ab 1. September 1981 das Alg nach der Leistungsgruppe C zusteht, hängt somit allein davon ab, ob die mit Wirkung vom 1. September 1981 eingetragene Steuerklassenkombination III/V dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne der Eheleute entsprach. Das ist jedoch nicht der Fall.
Arbeitslöhne erzielten der Kläger und seine Ehefrau zum 1. September 1981 nicht. Ein Ausfall des Arbeitslohns, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründet, bleibt nach § 113 Abs 2 Satz 3 AFG bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitslöhne jedoch außer Betracht. Zutreffend hat das LSG erkannt, daß diese Vorschrift hier Anwendung findet. Mutterschaftsgeld und Alg sind (lohn)steuerfrei (§ 3 Nr 1 Buchst d und Nr 2 EStG), sie sind zudem Lohnersatzleistungen im Sinne des § 113 Abs 2 AFG, nämlich Leistungen, die das Gesetz ihrer Art nach vorsieht, um ausfallenden Arbeitslohn zu ersetzen.
Die Lohnersatzfunktion ist weder für das Alg (Schönefelder/Kranz/ Wanka, Komm zum AFG, § 111 RdNr 2, August 1972; Hennig/Kühl/ Heuer, Komm zum AFG, Vorbem §§ 100 bis 133, September 1982; Krebs, Komm zum AFG, vor § 100, Februar 1980), noch für das Mutterschaftsgeld, das die Mutter gemäß § 13 Mutterschutzgesetz (MuSchG), §§ 200, 200a Reichsversicherungsordnung (RVO) während der sechswöchigen Schutzfrist vor und der acht- oder zwölfwöchigen Schutzfrist nach der Entbindung erhält, zweifelhaft.
Das Mutterschaftsgeld wird während der Schutzfristen gewährt, weil in diesen Zeiten wegen der Beschäftigungsverbote Arbeitsentgelt ausfällt. Es soll - allein oder zusammen mit dem Zuschuß nach § 14 MuSchG - den Unterhalt der (werdenden) Mutter sichern und den ausfallenden Arbeitslohn ersetzen (vgl BSGE 40, 211, 212 = SozR 2200 § 200 Nr 2; Töns, Mutterschaftshilfe und Mutterschutz, § 200 RVO, Anm A I 1b, Dezember 1981; Gröninger/Thomas, Komm zum Mutterschutzgesetz, § 13 Anm 1, Oktober 1982). Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat daher wiederholt die Lohnersatzfunktion des Mutterschaftsgeldes betont (vgl BSG aaO; ferner BSGE 45, 114, 117 = SozR 7830 § 13 Nr 3; BSGE 47, 71, 76 = SozR 2200 § 200a Nr 3).
Während der der Schutzfrist nach der Entbindung folgenden Zeit eines Mutterschaftsurlaubs gemäß § 8a MuSchG, dh bis zu dem Tag, an dem das Kind sechs Monate alt wird, bestehen zwar keine Beschäftigungsverbote; es kommt jedoch, wenn die Mutter den Urlaub in Anspruch nimmt, ebenfalls zum Lohnausfall. Das Mutterschaftsgeld, das der Mutter für die Zeit des Mutterschaftsurlaubs oder eine entsprechende Zeit in der bisherigen Höhe weitergezahlt wird (§ 13 Abs 3 MuSchG, §§ 200 Abs 4, 200a Abs 2 und 3 RVO), jedoch höchstens 25,-- DM für den Kalendertag, wenn es vorher höher gewesen ist (§ 200a Abs 2 Satz 3 und Abs 3 Satz 2 RVO), hat ebenfalls Lohnersatzfunktion; denn das Mutterschaftsgeld während des Mutterschaftsurlaubs soll, wie die Bundesregierung zur Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs ausgeführt hat, der Mutter erleichtern, den Urlaub in Anspruch zu nehmen und den Ausfall des Arbeitsentgelts - nach dessen Höhe ganz oder wenigstens zum Teil - ausgleichen (vgl BT-Drucks 8/2613 S 9, 10 und 21).
Daß der ausfallende Arbeitslohn aus sozial- oder finanzpolitischen Gründen allgemein oder im Einzelfalle nicht im vollen Umfange ersetzt wird, schließt den Rechtscharakter des Lohnersatzes einer Leistung nicht aus; maßgebend ist für die Lohnersatzfunktion die innere Rechtfertigung der Leistung. Der Anwendung des § 113 Abs 2 Satz 3 AFG auf die hier eingetretenen Ausfälle von Arbeitseinkommen steht daher nicht entgegen, daß das Alg nur darauf ausgerichtet ist, lediglich 68 vH des Nettoarbeitsentgelts zu ersetzen und das Mutterschaftsgeld infolge seiner Begrenzung auf höchstens 25,-- DM täglich vielfach und zunehmend bei steigenden Arbeitslöhnen nicht den Nettolohn erreicht, den die Mutter vor Beginn der Schutzfristen erzielt hat, wie das auch bei der Ehefrau des Klägers der Fall gewesen sein dürfte.
Hat somit der Ausfall der Arbeitslöhne beider Ehegatten bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitslöhne gemäß § 113 Abs 2 AFG außer Betracht zu bleiben, ist anhand der zuletzt erzielten monatlichen Arbeitslöhne zu prüfen, ob die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten entsprechen. Ein Ausfall des Arbeitslohnes bleibt nach dem Gesetzeswortlaut außer Betracht, dh der gesamte Ausfall und nicht nur ein Teil. Das verbietet es, bei der Prüfung den Ausfall, wie die Revision anregt, lediglich in Höhe der Lohnersatzleistung oder nur insoweit außer Betracht zu lassen, als er sich auf die Höhe der Lohnersatzleistung auszuwirken vermag, wie dies das SG angenommen hat. Aus den gleichen Gründen erscheint es dem Senat ebenfalls nicht angängig, bei einer Bezieherin von Mutterschaftsgeld nur den Arbeitslohn zugrundezulegen, den sie erzielt hätte, wenn sie nicht die Möglichkeit gehabt hätte, Mutterschaftsurlaub in Anspruch zu nehmen, also letztlich darauf abzustellen, ob die Mutter wegen der Geburt des Kindes ihre Beschäftigung einschränkt oder aufgibt. Eine solche Praxis stieße zudem nicht nur auf praktische Schwierigkeiten. Sie führte auch zu unbefriedigenden Ergebnissen; denn sie hätte zur Folge, daß ein Steuerklassenwechsel bei der Höhe des Alg im allgemeinen gerade in den Fällen nicht zu berücksichtigen wäre, in denen die Familie darauf angewiesen ist, daß die Mutter spätestens nach dem Ende des Mutterschaftsurlaubs ihre Beschäftigung im bisherigen Umfange fortsetzt.
Dieses Ergebnis widerspricht nicht, wie die Revision meint, der Zielsetzung des § 113 Abs 2 AFG. Diese Vorschrift, die nach ihrer Einfügung durch das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des AFG vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) und das Gesetz zur Steuerentlastung und Familienförderung (Steuerentlastungsgesetz 1981) vom 16. August 1980 (BGBl I 1381) geändert worden ist, soll einer ungerechtfertigten Beeinflussung der Höhe des Anspruchs auf Alg durch einen willkürlichen Steuerklassenwechsel, der im Lohnsteuerrecht ohne besonderen Anlaß vorgenommen werden kann, entgegenwirken. Nach den Motiven des Gesetzgebers soll der Steuerklassenwechsel dann berücksichtigt werden, wenn er objektiv geboten war (vgl Begründung zu Art 20 Nr 27 des Entwurfs eines HStruktG, BT-Drucks 7/4127 S 53, sowie Begründung zu Art 10 des Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1981, BT-Drucks 8/3701 und 3901, jeweils S 77), also vorgenommen worden ist, weil die bisherige Steuerklassenkombination bei den erzielten Arbeitslöhnen zu einem zu hohen Lohnsteuerabzug führt. Als Beispiel nennen die Motive den Fall, daß sich der Arbeitsverdienst eines Ehegatten nach der Ausstellung der Lohnsteuerkarten erheblich verändert hat (BT-Drucks 8/3701 und 3901 aaO), etwa wegen Einschränkung oder Aufgabe der Beschäftigung nach der Geburt eines Kindes (BT-Drucks 7/4127 aaO). Dagegen soll der Steuerklassenwechsel unbeachtlich sein, wenn er wegen Arbeitslosigkeit vorgenommen wird. So hat die Bundesregierung in der Begründung zu Art 20 Nr 27 des Entwurfs eines HStruktG ausgeführt, daß ein Steuerklassenwechsel nur berücksichtigt wird, "wenn er - auch ohne die Arbeitslosigkeit - objektiv geboten war" (BT Drucks 7/4127 S 53). Die Änderung des § 113 Abs 2 AFG durch das Steuerentlastungsgesetz 1981 hat diese Erwägung verallgemeinert. Sie bezweckt, daß kein Steuerklassenwechsel, der im Hinblick auf einen Lohnausfall bei einem oder beiden Ehegatten vorgenommen wird, sich auf die Höhe des Algs auswirkt, wenn der Lohnausfall einen Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründet. Das hat zur Folge, daß Maßstab in diesen Fällen nicht ist, ob der Steuerklassenwechsel nach Maßgabe des Steuerrechts zweckmäßig war, sondern ob er ohne den Lohnausfall tunlich gewesen wäre; denn lohnsteuerrechtlich kann bei einem Ausfall von Arbeitseinkommen gerade dann, wenn der Ausfall einen Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründet, ein Steuerklassenwechsel unter Ehegatten durchaus zweckmäßig sein. Die Ansicht der Revision, daß die Prüfung gemäß § 113 Abs 2 Satz 2 AFG lediglich nach den tatsächlichen Einkommensverhältnissen vorzunehmen wäre, trifft daher nicht zu. Vielmehr ist in den Fällen des § 113 Abs 2 Satz 3 AFG ein fiktiver Arbeitslohn dem Arbeitslohn des verdienenden Ehegatten gegenüberzustellen und, wenn an dem Tage, an dem der Steuerklassenwechsel wirksam wird, beide Ehegatten Ausfälle des Arbeitslohnes zu beklagen haben, die den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründen, das Verhältnis zweier fiktiver Arbeitslöhne maßgebend.
Dem Verhältnis der demnach maßgebenden zuletzt erzielten Arbeitslöhne von 3.093,-- DM und 2.108,-- DM entsprechen die zum 1. September 1981 eingetragenen Steuerklassen III und V offensichtlich nicht. Dies wäre der Fall, wenn durch die eingetragenen Steuerklassen der geringste Lohnsteuerabzug erreicht würde, was, wie der Senat schon entschieden hat (Urteile vom 18. Februar 1982 - 7 RAr 76/80 - und vom 18. März 1982 - 7 RAr 11/81 -), anhand der jeweiligen "Tabelle zur Steuerklassenwahl" beurteilt werden kann, die der Bundesminister der Finanzen und die obersten Finanzbehörden der Länder jährlich herausgeben. Nach der für 1981 geltenden Tabelle (vgl DBl BA RdErl 288/80 Anlage 2) darf neben einem Arbeitslohn von 3.100,-- DM bei einem Kind der Arbeitslohn des anderen Ehegatten 1.882,-- DM für die Steuerklassenkombination III/V nicht überschreiten, wenn der geringste Lohnsteuerabzug erreicht werden soll. Das anzusetzende Einkommen der Ehefrau des Klägers war somit, da Freibeträge nicht festgestellt worden sind, für die Steuerklassenkombination III/V um ca 200,-- DM "zu hoch". Dem Verhältnis der erzielten Arbeitslöhne entsprechen die eingetragenen Steuerklassen III und V demnach offensichtlich nicht. Angesichts der Höhe des Betrages (200,-- DM = ca 10 vH des Einkommens der Ehefrau) stellt sich nicht die Frage, wann ein Abweichen von den Tabellenwerten unbeachtlich ist. Für die Höhe des Alg des Klägers ist somit die dem Verhältnis der Arbeitslöhne entsprechende Lohnsteuerklasse IV maßgebend.
Das LSG hat nicht festgestellt, daß sich während des Alg-Bezugs des Klägers die Verhältnisse geändert haben, insbesondere, daß die Ehefrau nach dem Ende des Mutterschaftsurlaubs ihre Erwerbstätigkeit eingeschränkt oder aufgegeben hat; entsprechendes hat auch der Kläger nicht behauptet oder geltend gemacht. Es stellt sich daher nicht die Frage, ob und ggfs wie ein Alg-Empfänger bewirken kann, daß ihm Alg unter Berücksichtigung der für ihn eingetragenen Steuerklasse III geleistet wird, wenn ein entsprechender Steuerklassenwechsel zwar noch nicht zu dem Zeitpunkt, in dem die Änderung wirksam geworden ist, aber später dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten entspricht. Dem Kläger ist daher zu Recht das Alg lediglich nach der Leistungsgruppe A gewährt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen