Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 27. November 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin befand sich vom 10. bis 14. Februar 2001 zur stationären Entbindung ihres Kindes im Geburtshaus G.… , einer von zwei Hebammen geleiteten Einrichtung der Geburtshilfe, in der Schwangere ihr Kind – nach eigener Wahl ambulant oder stationär – zur Welt bringen können. Das Geburtshaus verfügt seit August 1998 über eine gewerberechtliche Konzession zum Betreiben einer Privatkrankenanstalt. Ein Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen entsprechend § 108 Nr 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) besteht nicht. Die Leistungen der bei der Geburt assistierenden Hebamme wurden dieser von der beklagten Ersatzkasse nach den Sätzen der Hebammenhilfe-Gebührenverordnung vergütet. Daneben berechnete das Geburtshaus für den stationären Aufenthalt fünf Tagessätze zu je 248 DM, zusammen 1.240 DM. Die Beklagte, der die Rechnung am 1. März 2001 zur Erstattung vorgelegt wurde, erklärte sich bereit, eine Pauschale in Höhe von einmalig 247 DM zu übernehmen; die Tragung weiterer Kosten lehnte sie mit Bescheid vom selben Tage und Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2001 ab, weil das Geburtshaus keine Kassenzulassung besitze und eine vertragliche Grundlage für die Abrechnung von Sachkosten fehle.
Das dagegen angerufene Sozialgericht (SG) Altenburg hat durch Gerichtsbescheid vom 27. November 2002 die Verwaltungsentscheidung aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von 634 € (= 1.240 DM) an die Klägerin verurteilt. Es hat sich auf § 197 Reichsversicherungsordnung (RVO) gestützt, der einen eigenständigen Anspruch der Versicherten auf stationäre Geburtshilfe in einem Geburtshaus bzw Entbindungsheim begründe. Als “andere Einrichtungen” im Sinne dieser Vorschrift unterfielen Geburtshäuser nicht den für Krankenhäuser in § 108 Abs 1 SGB V geregelten Zulassungserfordernissen, wie sich aus Wortlaut, historischer Entwicklung und systematischer Einordnung der Regelung ergebe. Der Gesetzgeber habe bei derartigen Einrichtungen – anders als bei Krankenhäusern, Ärzten und anderen Leistungserbringern – eine Zulassung weder unter dem Aspekt der Versorgungsqualität noch unter dem der Bedarfsplanung als notwendig angesehen. Dem Anspruch stehe auch nicht entgegen, dass die Klägerin die Krankenkasse erst nach der Entbindung und der Entlassung aus dem Geburtshaus mit dem Leistungsbegehren befasst habe. Den §§ 195 und 197 RVO sei für die Notwendigkeit eines vorherigen Antrags nichts zu entnehmen. Da sich Beginn und Verlauf der Geburt nicht im Einzelnen vorhersehen ließen, sei eine rechtzeitige Einschaltung der Krankenkasse vielfach auch gar nicht möglich.
Mit der Sprungrevision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung des § 197 RVO. Zwar sei das Geburtshaus mangels ärztlicher Leitung kein Krankenhaus im Rechtssinne. Da § 107 Abs 1 SGB V aber auch Einrichtungen der Geburtshilfe ausdrücklich einbeziehe, gelte die in § 108 SGB V normierte Beschränkung der Leistungspflicht auf zugelassene Einrichtungen ausnahmslos für den gesamten Bereich der stationären Behandlung und damit auch für die “anderen Einrichtungen” iS des § 197 RVO. Die Notwendigkeit eines Versorgungsvertrages folge im Übrigen unmittelbar aus dem Sachleistungsgrundsatz, denn die Krankenkasse könne ihre Leistungsverpflichtung nur mit vertraglich gebundenen Leistungserbringern erfüllen. Schließlich habe das SG zu Unrecht gemeint, bei außervertraglichen Leistungen der Geburtshilfe auf eine vorherige Antragstellung bei der Krankenkasse verzichten zu können.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 27. November 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
In Höhe eines Teilbetrages von 247 DM (= 126,29 Euro) kann die Verurteilung durch das SG schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Beklagte insoweit die geltend gemachte Forderung anerkannt und befriedigt hat. Hinsichtlich des verbleibenden Betrages von 993 DM (= 507,71 Euro) hat die Klägerin entgegen der Auffassung des SG keinen Anspruch auf Kostenübernahme, sodass offen bleiben kann, ob sie diesen Betrag bereits an das Geburtshaus gezahlt hat oder ob die Klage auf Freistellung von einer noch nicht erfüllten Verbindlichkeit in dieser Höhe gerichtet ist. Eine Leistungspflicht der Krankenversicherung für die streitigen Unterbringungs- und Verpflegungskosten scheidet aus, weil die Klägerin das Geburtshaus aufgesucht hat, ohne die Beklagte vorher zu unterrichten und ihr eine Entscheidung über das Leistungsbegehren zu ermöglichen.
Aufwendungen für eine selbstbeschaffte Leistung darf die Krankenkasse nach § 13 Abs 1 SGB V an Stelle der geschuldeten Sach- oder Dienstleistung nur erstatten, soweit das SGB V oder das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) es vorsehen. § 197 RVO, auf den das SG in seiner Entscheidung abgestellt hat, begründet keine Möglichkeit der Kostenerstattung. Dabei kann auf sich beruhen, ob die zum Krankenversicherungsrecht im weiteren Sinne zählenden Vorschriften der §§ 195 ff RVO neben den in § 13 Abs 1 SGB V allein erwähnten Bestimmungen des SGB V und des SGB IX ebenfalls eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz begründen könnten. Denn ein Kostenerstattungsanspruch ist in diesen Bestimmungen nicht vorgesehen. Die Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft werden den versicherten Frauen, soweit es sich nicht um reine Geldleistungen handelt, in gleicher Weise wie die Krankenbehandlung als Sach- und Dienstleistungen zur Verfügung gestellt. Auf sie sind gemäß § 195 Abs 2 Satz 1 RVO die für die Leistungen nach dem SGB V geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist. Die bei und nach der Entbindung erforderlichen medizinischen Leistungen einschließlich der Hebammenhilfe waren der Klägerin deshalb als Sachleistung zu gewähren. Das gilt auch für die stationäre Geburt unter den Voraussetzungen des § 195 RVO.
Ein Anspruch auf Erstattung der vom Geburtshaus G.… berechneten Kosten für Unterkunft, Pflege und Verpflegung während und nach der Entbindung könnte sich bei dieser Sach- und Rechtslage nur aus § 13 Abs 3 SGB V ergeben. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und von der Krankenkasse nicht rechtzeitig erbracht werden konnte oder wenn die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte. Unaufschiebbar ist die in Anspruch genommene stationäre Betreuung im Geburtshaus nicht gewesen. Die Entbindung als solche ist zwar nach Einsetzen der Wehen unaufschiebbar im medizinischen Sinne. Sie ist aber in aller Regel zeitlich absehbar, sodass die Gewährung der Sachleistung durch die Krankenkasse rechtzeitig sichergestellt werden kann. Auf die Unfähigkeit der Krankenkasse, eine unaufschiebbare Leistung rechtzeitig zu erbringen, kann, wie der Senat entschieden hat, ein Kostenerstattungsanspruch nur gestützt werden, wenn es dem Versicherten nicht möglich oder nicht zuzumuten war, sich vor der Leistungsbeschaffung mit der Kasse in Verbindung zu setzen (Urteil vom 25. September 2000 – SozR 3-2500 § 13 Nr 22).
Die Klägerin kann sich für ihr Begehren auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte die Gewährung der streitigen Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Ein auf die unrechtmäßige Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungs- oder Freistellungsanspruch scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nämlich regelmäßig aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten. So liegt der Fall hier, denn nach den gemäß § 161 Abs 4, § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bindenden Feststellungen des SG ist die Beklagte erst nach der Entlassung aus dem Geburtshaus durch Vorlage der Rechnung am 1. März 2001 mit dem Leistungsbegehren konfrontiert worden.
§ 13 Abs 3 SGB V gewährt einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden konnte. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl Beschluss vom 15. April 1997 – SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74 mwN; Urteil vom 25. September 2000 – SozR 3-2500 § 13 Nr 22 S 105 f; Urteil vom 19. Februar 2003 – B 1 KR 18/01 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, eine vorherige Entscheidung der Krankenkasse müsse entbehrlich sein, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens – etwa auf Grund von Erfahrungen aus anderen Fällen – von vornherein feststehe. Mit diesem Einwand hat sich der Senat schon früher wiederholt befasst und klargestellt, dass Gesetzeswortlaut und -zweck eine dahingehende Ausnahme nicht zulassen. § 13 Abs 3 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der Krankenversicherung gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Kasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist somit sachgerecht; sie liegt auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt. Es ist deshalb weder unzumutbar noch bloßer Formalismus, wenn eine Kostenerstattung in der Art eines zwingenden Verfahrenserfordernisses davon abhängig gemacht wird, dass die Krankenkasse zuvor Gelegenheit hatte, über die Berechtigung der außervertraglichen Behandlung zu befinden. Da überdies unklar ist und sich kaum abstrakt festlegen lässt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit der Versicherte von einer als sicher zu erwartenden Ablehnung der Krankenkasse ausgehen darf, würden sich in zahlreichen Fällen schwierige Abgrenzungsprobleme ergeben, durch die die Wahrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen Sachleistung und Kostenerstattung gefährdet würde (vgl zu alledem bereits Senatsurteil vom 10. Februar 1993 – SozR 3-2200 § 182 Nr 15; Beschluss vom 15. April 1997 – SozR 3-2500 § 13 Nr 15).
Durch das Urteil des 3. Senats vom 23. Januar 2003 – B 3 KR 7/02 R (zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) sieht sich der erkennende Senat nicht gehindert, an der dargestellten Rechtsauffassung festzuhalten. Der 3. Senat hat in der genannten Entscheidung einen auf § 13 Abs 3 SGB V gestützten Freistellungsanspruch für möglich gehalten, obwohl der Versicherte sich das im dortigen Fall streitige Hörgerät hatte liefern und anpassen lassen, bevor er – drei Monate später – die Krankenkasse mit dem Leistungsbegehren befasst und diese eine Kostenübernahme abgelehnt hatte. Er hat die Notwendigkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung aber nicht grundsätzlich in Abrede gestellt, sondern seine Ansicht, dass die geschilderten Umstände einen Freistellungsanspruch auf der Grundlage des § 13 Abs 3 SGB V nicht hinderten, mit spezifischen Besonderheiten bei der Gewährung von Hörhilfen begründet. Eine vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor, sodass die Voraussetzungen für eine Divergenzanfrage und gegebenenfalls die Anrufung des Großen Senats des BSG gemäß § 41 Abs 2 und 3 SGG nicht erfüllt sind.
Da der geltend gemachte Freistellungsanspruch bereits aus den dargelegten Gründen scheitert, kommt es auf die vom SG behandelte Sachfrage, ob die von Hebammen betriebenen Geburtshäuser oder Entbindungsheime ebenso wie Krankenhäuser eine Zulassung durch Abschluss eines Versorgungsvertrags benötigen oder ob sie ebenso wie die Hebammen bei ambulanten Entbindungen ohne weiteres Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen dürfen, nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen