Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundrente. Verletztenrente. Standardrente. Freibetrag. Kriegsopfer. Beitrittsgebiet. Rechtsfolgenverweisung. Rechtsgrundverweisung. Umzügler. Zuzügler. immaterieller Schaden. Rechtsverordnung. Bestimmtheitsgebot. Verhältnismäßigkeit. Rückwirkung. Ungleichbehandlung. Auslegung
Leitsatz (redaktionell)
§ 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI in der Fassung des RVNG vom 21.07.2004 ermächtigt den Rentenversicherungsträger nicht, bei der Einstellung des Freibetrags zwischen unfallverletzten Rentenberechtigten in den alten und neuen Bundesländern zu differenzieren.
Normenkette
SGB I § 31; SGB VI §§ 68, 93 Abs. 2 Nr. 2a, § 255a; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1; BVG §§ 31, 84a; SGG § 54 Abs. 1, 5; BVerfGG § 31 Abs. 1-2; GG Art. 14, 20 Abs. 3, Art. 80; EinigVtr Abschnitt III Nr. 1 a S. 1 Regelung 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 15. Februar 2005 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung im Bescheid vom 21. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2004 verpflichtet, die Festsetzungen der Anrechnungsbeträge in den Bescheiden vom 6. Dezember 2000 und 19. März 2003 für Bezugszeiten ab 1. Januar 1999 zurückzunehmen und bei deren Neufeststellung Freibeträge in Höhe der sich aus § 31 Bundesversorgungsgesetz ergebenden Beträge zu Grunde zu legen. Die Beklagte wird verurteilt, entsprechend höhere monatliche Geldbeträge zu zahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang die Beklagte als Rentenversicherungsträger den monatlichen Zahlungsansprüchen des Klägers aus seinem Recht auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) für Bezugszeiten ab 1. Januar 1999 den anspruchsvernichtenden Einwand als Erfüllungssurrogat entgegenhalten darf, er habe während desselben Zeitraums Anspruch auf eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV). Der Kläger beanstandet, dass die Beklagte den Freibetrag, in dessen Höhe die Ansprüche aus dem Recht auf Verletztenrente unberücksichtigt zu bleiben haben, bei ihm niedriger angesetzt hat, weil er am 18. Mai 1990 im Beitrittsgebiet gewohnt hat.
Der 1919 geborene Kläger bezog in der DDR eine Unfall-Teilrente aus der Sozialpflichtversicherung, die seit dem 1. Januar 1992 als Verletztenrente aus der UV nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH gezahlt wird.
Ab August 1984 wurde dem Kläger eine Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung und eine zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparats gewährt. Beide Renten wurden zum 1. Januar 1992 durch eine Altersrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ersetzt. Im Bescheid vom 21. Dezember 1992 machte die Beklagte wegen der aus der UV gezahlten Verletztenrente erstmals rückwirkend zum 1. Januar 1992 den Einwand der “Überversorgung bzw Überkompensation” geltend. Sie minderte die aus dem Recht auf Altersrente monatlich zu zahlenden Geldbeträge um einen Anrechnungsbetrag. Diesen ermittelte sie ua in der Weise, dass sie den Freibetrag, um den der geldwerte Betrag der Verletztenrente zu mindern ist, in Höhe eines gekürzten Betrages einer Grundrente nach § 31 Abs 1 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) berücksichtigte.
Nach weiteren Neufeststellungen in den Jahren 1994, 1995 und 1997 stellte die Beklagte im Bescheid vom 6. Dezember 2000 die Anrechnungsbeträge ab 1. Januar 1997 neu fest. Für Bezugszeiten ab 1. Juli 1998 setzte sie den Anrechnungsbetrag mit 391,03 DM unter Berücksichtigung eines gekürzten Grundrentenbetrags (nach einer MdE um 30 vH) von 186,00 DM fest (an Stelle von 217,00 DM). Weitere Neufestsetzungen nahm sie im Bescheid vom 19. März 2003 rückwirkend ab 1. Mai 1999 vor. Den Anrechnungsbetrag stellte sie ab 1. Mai 1999 mit 391,03 DM unter Berücksichtigung eines gekürzten Grundrentenbetrags von 186,00 DM fest (an Stelle von 217,00 DM), ab 1. Juli 1999 mit 400,92 DM unter Berücksichtigung eines gekürzten Grundrentenbetrags von 191,00 DM (an Stelle von 220,00 DM), ab 1. Juli 2000 mit 403,47 DM unter Berücksichtigung eines gekürzten Grundrentenbetrags von 192,00 DM (an Stelle von 221,00 DM), ab 1. Juli 2001 mit 412,03 DM unter Berücksichtigung eines gekürzten Grundrentenbetrags von 196,00 DM (an Stelle von 225,00 DM), ab 1. Januar 2002 mit 210,89 € unter Berücksichtigung eines gekürzten Grundrentenbetrags von 100,00 € (an Stelle von 114,00 €) und ab 1. Juli 2002 mit 216,87 € unter Berücksichtigung eines gekürzten Grundrentenbetrags von 103,00 € (an Stelle von 117,00 €).
Am 30. April 2003 beantragte der Kläger die Überprüfung der bindend gewordenen Feststellungen ab Januar 1999; er begehrte die Berücksichtigung eines höheren Freibetrags. Die Beklagte lehnte die Rücknahme des “Bescheides vom 6. Dezember 2000” ab, weil das Recht bei seinem Erlass richtig angewandt und von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei (Bescheid vom 21. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2004).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 15. Februar 2005) und ausgeführt, Klagegegenstand für die vom Kläger begehrte Überprüfung seien nicht nur der “Bescheid” vom 6. Dezember 2000, sondern auch die Folgebescheide vom 13. September 2001, 19. März 2003 und 14. Juli 2004, soweit sie die Anrechnung der Leistung aus der UV betroffen hätten. Die Klagen seien unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Rücknahme der “Bescheide” vom 6. Dezember 2000, 13. September 2001, 19. März 2003, 8. März 2004 und 14. Juli 2004 habe. Bei Erlass dieser Bescheide habe die Beklagte das Recht richtig angewandt; sie habe den hier strittigen Freibetrag zutreffend in Anwendung des § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI iVm den §§ 31, 84a BVG sowie der Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst a zum Einigungsvertrag (EinigVtr) ermittelt. Insoweit werde auf Grund der gesetzlichen Klarstellung durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RVNG) vom 21. Juli 2004 in § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI ausdrücklich auf die §§ 31, 84a BVG Bezug genommen. Damit sei die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) überholt (Urteile des 4. Senats vom 10. April 2003 – B 4 RA 32/02 R – und des 13. Senats vom 20. November 2003 – B 13 RJ 5/03 R). Die gesetzliche Klarstellung sei rückwirkend zum 1. Januar 1992 in Kraft gesetzt worden.
Der Kläger hat die vom SG zugelassene Revision mit Zustimmung der Beklagten eingelegt. Er rügt, die Neufassung des § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI idF des RVNG sei mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Er macht geltend, vor der Neufassung des Gesetzestextes durch das RVNG, also vor dem 21. Juli 2004, sei die Rechtslage eindeutig gewesen und habe keiner Klarstellung bedurft. Denn der 4. Senat des BSG habe im Urteil vom 10. April 2003 (B 4 RA 32/02 R) entschieden, dass für alle unfallverletzten Rentenberechtigten im gesamten Bundesgebiet ein einheitlicher und nicht reduzierter Freibetrag gelte. Dieser Auffassung habe sich der 13. Senat des BSG angeschlossen (Urteil vom 20. November 2003 – B 13 RJ 5/03 R). Im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung sei durch die Änderung des Gesetzestextes durch das RVNG keine Klarstellung einer gesetzlichen Norm iS einer authentischen Interpretation erfolgt. Die durch das RVNG vorgenommene nachträgliche Umdeutung des Gesetzes könne im Falle einer Verschlechterung für den Versicherten nur Wirkung für die Zukunft haben. Die Voraussetzungen für eine verfassungsrechtlich zulässige Anordnung des rückwirkenden Inkrafttretens (hier zum 1. Januar 1992) seien nicht gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 15. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung im Bescheid vom 21. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2004 zu verpflichten, für Bezugszeiten ab 1. Januar 1999 die Festsetzungen der Anrechnungsbeträge in den Bescheiden vom 6. Dezember 2000 und 19. März 2003 zurückzunehmen und bei deren Neufeststellung Freibeträge in Höhe der sich aus § 31 Bundesversorgungsgesetz ergebenden Beträge zu Grunde zu legen, sowie die Beklagte zu verurteilen, entsprechend höhere monatliche Geldbeträge zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die angefochtene Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Hierzu trägt sie vor, während § 93a Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI nur eine allgemeine Bezugnahme auf die Grundrente nach dem BVG enthalte habe, nehme die durch das RVNG geschaffene Neufassung ausdrücklich auf § 31 BVG iVm § 84a Satz 1 und 2 BVG Bezug. Damit werde klargestellt, dass die dort seit 1992 geregelte Verweisung – entsprechend der bisherigen Praxis der Träger der Rentenversicherung – sowohl § 31 BVG als auch die in § 84a BVG geregelten Besonderheiten für Berechtigte in den neuen Bundesländern umfasse. Diese Klarstellung ermächtige die RV-Träger ausdrücklich, zwischen Rentnern in den alten und neuen Bundesländern zu differenzieren. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich eindeutig, dass es nicht um eine rückwirkende belastende Änderung, sondern um eine “authentische Interpretation” gehe.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Das Urteil des SG verletzt Bundesrecht.
Der Kläger begehrt, die Beklagte unter Aufhebung ihrer ablehnenden Entscheidung im Bescheid vom 21. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2004 zu verpflichten, die Festsetzungen der Anrechnungsbeträge in den Bescheiden vom 6. Dezember 2000 und 19. März 2003 für Bezugszeiten ab 1. Januar 1999 zurückzunehmen und bei deren Neufeststellung höhere Freibeträge zu Grunde zu legen, nämlich jeweils in Höhe des ungekürzten Betrags einer Grundrente nach § 31 BVG.
1. Sein Begehren verfolgt der Kläger in einer Kombination von zulässigen Anfechtungs-, Verpflichtungs- und (echten) Leistungsklagen.
Die Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) ist auf die Aufhebung der ablehnenden Entscheidung im Bescheid vom 21. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2004 gerichtet. Die Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) zielt darauf, die Beklagte zur Rücknahme der Festsetzungen der Anrechnungsbeträge in den Bescheiden vom 6. Dezember 2000 und 19. März 2003 für Bezugszeiten ab 1. Januar 1999 sowie dazu zu verpflichten, bei deren Neufeststellung Freibeträge in Höhe der sich aus § 31 BVG ergebenden Beträge zu Grunde zu legen. Nicht Gegenstand des Klageverfahrens sind dagegen die Verwaltungsakte in den Bescheiden vom 8. März 2004 und 14. Juli 2004 geworden; diese betrafen nicht die strittigen Anrechnungsentscheidungen. Sein Begehren, die Beklagte zur Zahlung entsprechend höherer Geldbeträge zu verurteilen, verfolgt der Kläger zulässig mit einer echten Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG).
2. Die Klagen sind begründet. Mit seinen Ausführungen, § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI idF des RVNG iVm den §§ 31, 84a Satz 1 und 2 BVG ordneten eine Ungleichbehandlung unfallverletzter Rentenberechtigter mit gleich hohem MdE-Grad an, verletzt das SG Bundesrecht. Das die Klagen abweisende Urteil des SG sowie die den Rücknahmeanspruch des Klägers ablehnende Entscheidung der Beklagten sind deshalb aufzuheben. Die Beklagte ist zu verpflichten, die Festsetzungen der Anrechnungsbeträge in den Bescheiden vom 6. Dezember 2000 und 19. März 2003 für Bezugszeiten ab 1. Januar 1999 zurückzunehmen und bei deren Neufeststellung Freibeträge in Höhe der sich aus § 31 BVG ergebenden Beträge zu Grunde zu legen, sowie zu verurteilen, entsprechend höhere monatliche Geldbeträge zu zahlen.
Gemäß § 44 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ist die Beklagte zur Rücknahme eines Verwaltungsakts, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit verpflichtet, wenn bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und insoweit Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Vorliegend wurde das bei Erlass der Anrechnungsentscheidungen geltende Recht, wie das BSG bereits entschieden hat (Urteil vom 10. April 2003 – B 4 RA 32/02 R, SozR 4-2600 § 93 Nr 2; Urteil vom 20. November 2003 – B 13 RJ 5/03 R, SozR 4-2600 § 93 Nr 3) von der Beklagten unrichtig angewandt, soweit sie im Rahmen der Festsetzungen der Anrechnungsbeträge für Bezugszeiten ab 1. Januar 1999 besondere (gekürzte) Freibeträge für das Beitrittsgebiet zu Grunde gelegt hat.
Auch § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI idF durch Art 1 Nr 19 RVNG ermächtigt den RV-Träger nicht, bei der Einstellung des Freibetrags zwischen unfallverletzten Rentenberechtigten in den alten und neuen Bundesländern zu differenzieren. Die Neufassung erschöpft sich darin, dass die Wörter “dem Bundesversorgungsgesetz” durch die Wörter “§ 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 des Bundesversorgungsgesetzes” ersetzt worden sind. Dadurch hat sie nach der objektiven Bedeutung des Gesetzes zum einen die bisherige Rechtslage in der Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt, zum anderen hat sie rückwirkend zum 1. Januar 1992 die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärte Rechtslage für die Betroffenen “klarstellend” verbessert.
a) Mit der uneingeschränkten Bezugnahme auf § 31 BVG hat das Gesetz rückwirkend zum 1. Januar 1992 eine im Vergleich zur bisherigen Rechtslage günstigere Anrechnungsregelung für die Betroffenen geschaffen.
§ 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI ordnet nunmehr an, dass die Festsetzung des Anrechnungsbetrags ua nach dem Grundrentenbetrag des § 31 BVG zu bestimmen ist, ohne die Anwendung auf bestimmte Absätze dieser Norm zu beschränken. Demgegenüber hatte das BSG (Urteil vom 10. April 2003, B 4 RA 32/02 R, SozR 4-2600 § 93 Nr 2) zu § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI alter Fassung (aF) entschieden, dass als Freibetrag nur der Betrag einzustellen ist, der sich bei gleichem MdE-Grad aus § 31 Abs 1 BVG ergibt. Darüber hinaus könnten die Ausführungen in dem genannten Urteil inhaltlich dafür sprechen, dass die Bestimmung des maßgeblichen Betrags nur nach Satz 1 in § 31 Abs 1 BVG zu erfolgen hatte.
Die Neufassung hat mit der uneingeschränkten Bezugnahme auf § 31 BVG “klargestellt”, dass neben der Grundrente nach Abs 1 Satz 1 aaO auch die weiteren Regelungen dieser Norm bei der Ermittlung des Freibetrags zu berücksichtigen sind. Insofern hat sie zwar im Vergleich zur bisherigen – durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärten – Rechtslage das Gesetz rückwirkend zum 1. Januar 1992 geändert, hierbei handelt es sich jedoch um eine ausschließlich begünstigende Änderung für die unfallverletzten Rentner; die angeordnete Rückwirkung ist somit verfassungsrechtlich unbedenklich.
Da § 31 Abs 1 Satz 1 BVG nicht zwischen unfallverletzten Rentenberechtigten aus den alten und neuen Bundesländern differenziert, hat die Beklagte bei der Neufeststellung der Anrechnungsbeträge in Anwendung dieser Norm für Bezugszeiten ab 1. Januar 1999 Freibeträge in Höhe der sich hieraus ergebenden Beträge zu Grunde zu legen.
Ob die weiteren Regelungen des § 31 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 bis 5 BVG beim Kläger zu noch höheren Freibeträgen führen, war nicht zu entscheiden. Der Zuschlag für Schwerbeschädigte, die das 65. Lebensjahr vollendet haben (§ 31 Abs 1 Satz 2 BVG), ist nicht entscheidungserheblich, weil der 1919 geborene Kläger schon nicht unfallverletzter Rentenberechtigter mit einer MdE um mindestens 50 vH ist.
b) Die Einfügung des § 84a Satz 1 und 2 BVG in § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI durch das RVNG vom 21. Juli 2004 hat im Ergebnis kein anwendbares Recht geschaffen und geht ins Leere.
Der 13. Ausschuss (für Gesundheit und Soziale Sicherung) des 15. Deutschen Bundestages hat in seinem Bericht vom 10. März 2004 (BT-Drucks 15/2678, S 22 f) ausgeführt, mit den in der Neufassung ausdrücklich erwähnten Vorschriften über die Grundrente nach dem BVG werde klargestellt, dass die dort seit 1992 geregelte Verweisung – entsprechend der bisherigen Praxis der Träger der Rentenversicherung – sowohl die Vorschrift des § 31 BVG als auch die in § 84a BVG geregelten Besonderheiten für Berechtigte im Beitrittsgebiet umfasse. Damit gelte bei der Anrechnung einer Verletztenrente aus der UV auf eine Rente aus der RV in den neuen Ländern weiterhin ein niedrigerer Freibetrag als in den alten Ländern.
Diese Ausführungen treffen ua schon deshalb inhaltlich nicht zu, weil die von der vollziehenden Gewalt 1992 eigenmächtig eingeführte Freibetragskürzung nur “unfallverletzte Altrentner” der DDR und nach dem 18. Mai 1990 in das Beitrittsgebiet “aus dem Osten” zugezogene Unfallrentner betraf. Hingegen waren die im Beitrittsgebiet lebenden Unfallverletzten nicht betroffen, die nach dem 18. Mai 1990 dorthin aus dem Bundesgebiet oder aus dem westlichen Ausland zuzogen oder nach dem 18. Mai 1990 im Beitrittsgebiet einen Arbeitsunfall erlitten. Umgekehrt gibt es im alten Bundesgebiet wohnende RV-Rentner, denen wegen eines vor dem 19. Mai 1990 in der DDR erlittenen Arbeitsunfalls nur ein gekürzter Freibetrag gewährt wird. Entgegen dem – fehlinformierten – 13. Ausschuss betraf die eigenmächtige Verwaltungspraxis also alle RV-Rentner im ganzen Bundesgebiet, die am 18. Mai 1990 als Unfallverletzte in der DDR oder die in den Gebieten der Auslandsversorgung gewohnt hatten.
Die – augenfällig auf Fehlinformationen beruhenden – Erläuterungen des 13. Ausschusses des 15. Deutschen Bundestages (BT-Drucks 15/2678, S 22 f) sind zwar eine Hilfsquelle für die historische Gesetzesauslegung und Rechtsfindung, jedoch kein Gesetz und daher ohne Bindungswirkung für die Rechtsprechung. Schon gar nicht kommt ihnen die Bedeutung einer “authentischen Interpretation” zu, zu der nach dem GG nicht einmal das für den Bund vorrangig zuständige gesetzgebende Organ, der Deutsche Bundestag, befugt ist. Das Recht zur “authentischen Gesetzesinterpretation” ist eine Prärogative (“Majestätsrecht”) absoluter Monarchen, Diktatoren und Oligarchen, dem demokratischen Verfassungsstaat des GG dagegen fremd (vgl hierzu: W. Meyer, Authentische Interpretation oder Rückbewirkung von Rechtsfolgen in: Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht 2004, S 221 ff mwN). In diesem aber sind die Gerichte allein an das im verkündeten Gesetzestext objektiv erklärte Gesetz und an das Recht (Art 20 Abs 3 GG) gebunden. Sie müssen die objektive Bedeutung des erklärten “Willens des Gesetzes” im Wege der Auslegung feststellen.
Entgegen der vom 13. Ausschuss verlautbarten Zielrichtung war die Einfügung des § 84a Satz 1 und 2 BVG schlechthin nicht geeignet, eine “Klarstellung der seit 1992 geregelten Verweisung” zu bewirken, dies schon deshalb nicht, weil es keine derartige Verweisungsregelung gab. Der auch insoweit augenfällig falsch unterrichtete 13. Ausschuss hat deshalb seinerseits den 15. Deutschen Bundestag in die Irre geführt. Seine Ausführungen entsprachen auch nicht den Gesetzestexten und der (durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärten) Rechtslage bis zur Beschlussfassung über das RVNG. Außerdem würde die angebliche “Klarstellung” – weil objektiv falsch – sogar bei Unterstellung ihrer Gültigkeit dazu führen, dass nur ein Teil der “Altrentner der DDR” unter die neue Freibetragskürzung fallen könnte (dazu unter Buchst cc ≪1≫); dies kann offen bleiben, da § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI auch insoweit – in jedem Fall für die Zeit ab 1. Januar 1999 – auf ein mit Gesetzeskraft für nichtig erklärtes Gesetz, also ins Leere verweist (dazu nachfolgend unter Buchst cc ≪2≫).
aa) Weder die Beratungsunterlagen des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 1989 noch diejenigen aus nachfolgenden Gesetzgebungsverfahren bis zur Beschlussfassung über das RVNG im Jahre 2004 lassen auch nur andeutungsweise erkennen, dass für unfallverletzte Rentenberechtigte in den alten und neuen Bundesländern unterschiedliche Freibetragsregelungen eingeführt werden sollten.
Bereits im Urteil vom 10. April 2003 (B 4 RA 32/02 R, SozR 4-2600 § 93 Nr 2) hat der 4. Senat des BSG zu § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI aF festgestellt, dass die historische Entwicklung keinen Anhaltspunkt dafür enthält, unfallverletzte Rentenberechtigte aus den alten und neuen Bundesländern sollten im Rahmen der Freibetragsregelung ungleich behandelt werden. Dieser Rechtsprechung hat sich der 13. Senat des BSG (Urteil vom 20. November 2003, B 13 RJ 5/03 R, SozR 4-2600 § 93 Nr 3) angeschlossen. Der 13. Ausschuss des Deutschen Bundestages benennt in seinem Bericht vom 10. März 2004 (BT-Drucks 15/2678, S 22 f) keine Fakten, die ein anderes Ergebnis der historischen Auslegung auch nur theoretisch als möglich erscheinen lassen könnten.
Die Freibetragsregelung hatte seit dem Gesetzesbeschluss des 11. Deutschen Bundestages vom 9. November 1989 (dem Tag des sog Mauerfalls) bis zum Gesetzesbeschluss des 15. Deutschen Bundestages vom 21. Juli 2004 über das RVNG die Fassung, dass der Betrag bei der Verletztenrente auch der UV nicht zu berücksichtigen sei, “der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz geleistet würde, …”. In den Gesetzesberatungen des Jahres 1989 war es – wie ua der Sachverständige Ruland bekundete (vgl Protokoll über die 89. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 14. Juni 1989, S 89/12) – darum gegangen, einen “einheitlichen” Freibetrag ua auch für – die sachlich eigentlich nicht dazu gehörenden – Hinterbliebenenrenten festzusetzen, der denjenigen Anteil der Verletztenrente verlässlich widerspiegeln sollte, der dem Ausgleich immaterieller Schäden dient. Irgendwelche Erwägungen, im Falle einer – damals noch nicht einmal im Anfangsstadium erkennbaren – Wiedervereinigung den unfallverletzten Alt-Rentnern der DDR einen niedrigeren Freibetrag zuzuerkennen, sind den gesamten Beratungsunterlagen des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 1989 nicht zu entnehmen (vgl ua die Begründung zum Gesetzesentwurf eines Rentenreformgesetzes 1992 ≪RRG 1992≫ der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, BT-Drucks 11/4124, und zum Ausschussbericht, BT-Drucks 11/5490). Mit Blick auf den Zeitabschnitt 1989 überrascht dies nicht. Naturgemäß waren Themen der Rentenüberleitung auf das Beitrittsgebiet zu jenem Zeitpunkt kein Thema der Beratungen über das RRG 1992, sodass der “ursprüngliche Wille des Gesetzgebers” bei der Beschlussfassung am 9. November 1989 nicht auf die später praktizierte Ungleichbehandlung von Rentnern in den alten und neuen Bundesländern im Rahmen der hier einschlägigen Freibetragsregelung gerichtet sein konnte.
Der Gesetzestext hat bis zum Gesetzesbeschluss über das RVNG vom 21. Juli 2004 keine Änderung erfahren. Die seit 1989 erfolgten Änderungen des § 93 SGB VI betrafen nicht dessen Abs 2 Nr 2 Buchst a. Auch finden sich in den Quellen über die jeweiligen Beratungen des Deutschen Bundestages, die dem BSG zugänglich sind, keine Hinweise darauf, es könne ihm aus seiner Mitte oder von Seiten der vollziehenden Gewalt die Anregung vorgetragen worden sein, unfallverletzte Alt-Rentner der DDR bezüglich des Freibetrags schlechter zu stellen. Wäre dies beabsichtigt gewesen, hätte spätestens bei der normativen Ausgestaltung der Rentenüberleitung auf das Beitrittsgebiet Anlass bestanden zu erwägen, ob die bestehenden gesetzlichen Regelungen eine solche Ungleichbehandlung tragen oder ob insoweit eine Gesetzesänderung erforderlich sei. Die zugänglichen Quellen enthalten nicht einmal die Andeutung, dass der Deutsche Bundestag Derartiges geprüft hat. Insoweit wird ua auf die Materialien zum Rentenüberleitungsgesetz vom 25. Juli 1991 (BT-Drucks 12/405 und 12/786) sowie zum Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz vom 24. Juni 1993 (BT-Drucks 12/4810 und 12/5017) Bezug genommen.
Gleichwohl hat die vollziehende Gewalt seit der Überleitung des SGB VI auf das Beitrittsgebiet zum 1. Januar 1992 eigenmächtig für die unfallverletzten Altrentner der DDR nur einen geringeren Freibetrag bei gleich hoher MdE im Vergleich zu den sonstigen unfallverletzten Rentnern eingesetzt. Sie berief sich dafür auf § 84a Satz 1 und 2 BVG, der durch die Anlage I Kapitel VII Sachgebiet K Abschnitt II zum EinigVtr, dessen Regelungen als geltendes Bundesrecht Inhalt des Einigungsvertragsgesetzes sind, in das BVG eingefügt worden war (dazu unter Ziff 3 Buchst cc ≪2≫). In den Materialien zum EinigVtr (siehe ua die Vereinbarung zur Durchführung und Auslegung des EinigVtr vom 23. September 1990 – BGBl II 885 (1239) – und die sog amtlichen Erläuterungen zu den Anlagen zum EinigVtr – BT-Drucks 11/7817 – vom 10. September 1990, dort zB Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III und Sachgebiet K) finden sich jedoch keine Andeutungen, der Bundestag habe sich überhaupt oder in diesem Zusammenhang mit der Freibetragsregelung des § 93 SGB VI befasst; erst recht gilt dies für den Haupttext des EinigVtr.
bb) Auch der 1989 beschlossene Gesetzestext, die Gesetzessystematik und der Sinn und Zweck des § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI aF lassen nicht erkennen, dass der “ursprüngliche Wille des Gesetzgebers” darauf gerichtet war, mit der Ausgestaltung der Norm eine differenzierte Freibetragsregelung für unfallverletzte Rentenberechtigte in den alten und neuen Bundesländern zu schaffen.
Der Text dieser Norm verlautbarte in seiner unveränderten Fassung bis zum Jahre 2004, dass bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge bei der Verletztenrente aus der UV der Betrag unberücksichtigt blieb, der bei gleichem Grad der MdE als Grundrente nach dem BVG geleistet würde. Die entsprechend anzuwendenden Normen des BVG wurden nicht benannt. Hinweise auf eine vorzunehmende Ungleichbehandlung zwischen unfallverletzten Rentnern lassen sich dem Text nicht entnehmen.
Zu dieser Textfassung hat der erkennende Senat im Urteil vom 10. April 2003 (B 4 RA 32/02 R, SozR 4-2600 § 93 Nr 2) ausgeführt, dass die Norm, soweit sie auf die Grundrente nach dem BVG verweist, nur die Beschädigten-Grundrente, die allein in § 31 BVG ausgestaltet worden ist, im Blick haben konnte; Anhaltspunkte dafür, dass auch auf weitere Regelungen des BVG verwiesen werden sollte, zB auf § 84a BVG, finden sich nicht. Schon die vorstehend dargestellte Entstehungsgeschichte schließt aus, dass bei Einführung des § 93 SGB VI eine solche Verweisung auch nur angedacht worden sein könnte. Die ausschließliche Anknüpfung an die Grundrente iS des § 31 BVG beinhaltete eine bloße Rechtsfolgenverweisung; sie war erforderlich, weil die Festsetzung des geldwerten Betrags der Verletztenrenten – wie oben schon angesprochen – nicht nach einem materiellen und immateriellen Schadensanteil unterscheidet, der letztere sich jedoch durch Bezugnahme auf die Grundrente nach dem BVG abschätzen lässt (dazu auch: Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫, Urteil vom 14. März 2000, BVerfGE 102, 41, 59 f). Sinn und Zweck des § 93 Abs 2 Nr 2 SGB VI aF war es somit, im Rahmen der Anrechnung einer Verletztenrente aus der UV einen einheitlichen Freibetrag für alle unfallverletzten Rentenberechtigten mit gleichem MdE-Grad einzustellen; einen besonderen – reduzierten – Freibetrag für das Beitrittsgebiet sah die Norm nicht vor. Auch die Gesetzessystematik unterstützt diese Auslegung (zum Ganzen: Urteil des Senats vom 10. April 2003, aaO; ferner Urteil des 13. Senat des BSG vom 20. November 2003 – B 13 RJ 5/03 R, SozR 4-2600 § 93 Nr 3).
cc) Soweit § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI idF des RVNG auf § 31 iVm § 84a Satz 1 und 2 BVG verweist, liegt insoweit eine Rechtsgrundverweisung vor. Anderenfalls wäre durch das RVNG nachträglich rückwirkend für alle Unfallverletzten im ganzen Bundesgebiet eine Freibetragskürzung eingeführt worden. Selbst wenn diese Regelungen gültiges Recht verlautbaren würden, würde nur eine sehr kleine Gruppe von unfallverletzten Altrentnern der DDR von deren persönlichem Anwendungsbereich erfasst. Diese Rechtsgrundverweisung hat als Rechtsfolge nur eine weitere Rechtsfolgenverweisung, die jedoch ins Leere geht, da sie auf ein mit Gesetzeskraft für nichtig erklärtes Gesetz verweist.
(1) Tatbestandsmäßig erfasst § 84a Satz 1 und 2 BVG nur die kleine Gruppe der sog “Umzügler” oder “Zuzügler”.
Die Verweisung in § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI auf § 31 iVm § 84a Satz 1 und 2 BVG ist keine Rechtsfolgen-, sondern eine Rechtsgrundverweisung. Würde es sich nur um eine Rechtsfolgenverweisung handeln, wären alle unfallverletzten Rentner betroffen, gleichgültig, ob sie am maßgeblichen Stichtag (dazu sogleich) ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem alten oder neuen Bundesland hatten. Wenn nach den Ausführungen im Bericht des 13. Ausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucks 15/2678) mit der Verweisung bezweckt werden sollte, einen niedrigeren Freibetrag nur für unfallverletzte Rentner des Beitrittsgebiets einzustellen, muss es sich um eine Rechtsgrundverweisung handeln, dh der Betroffene muss sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der Norm, auf die verwiesen wird, erfüllen. Danach wäre von vornherein nur ein sehr kleine Gruppe von Rentnern betroffen.
§ 84a Satz 1 BVG ordnet – in direkter Anwendung – in Ergänzung des EinigVtr (Art 8 iVm Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III ≪nachfolgend: EinigVtr Abschnitt III≫ Nr 1 Buchst l) an, dass Kriegsopfer (iS von §§ 1 ff BVG), die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten, frühestens ab Januar 1991 Versorgung nach dem BVG nur mit den für das Beitrittsgebiet geltenden Maßgaben auch dann erhalten, wenn sie vor oder nach dem 1. Januar 1991 in das “alte Bundesgebiet” umgezogen waren oder umziehen. Unter den persönlichen Anwendungsbereich dieser Regelung fallen nur Kriegsopfer, die am 18. Mai 1990 in der DDR wohnten oder sich gewöhnlich dort aufhielten und danach aus dem Beitrittsgebiet in ein altes Bundesland umgezogen sind. § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI verweist somit auf eine Norm, deren persönlicher Anwendungsbereich unfallverletzte Versicherte auf Grund der beabsichtigten Gleichstellung mit Kriegsopfern nur erfassen könnte, wenn sie – wie die betroffenen Kriegsopfer – “Umzügler” in das alte Bundesgebiet sind.
Auch § 84a Satz 2 BVG – in direkter Anwendung – hat einen nur sehr begrenzten persönlichen Anwendungsbereich. Diese Bestimmung, die auf Satz 1 aaO verweist, gilt für die Kriegsopfer, die aus den von § 1 der Auslandsversorgungsverordnung erfassten Staaten nach dem 18. Mai 1990 in das Beitrittsgebiet zugezogen waren oder zuziehen und dann in das “alte Bundesgebiet” umziehen (sog “Zuzügler”). § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI erfasst diese “Ostzuzügler” also nur, wenn sie “aus dem Osten” nach dem 18. Mai 1990 in das Beitrittsgebiet und danach ins alte Bundesgebiet gezogen sind.
§ 84a Satz 1 und 2 BVG wurde durch Art 8 EinigVtr iVm Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt II (nachfolgend EinigVtr Abschnitt II) als Ergänzung des Abschnitts III aaO in das BVG eingefügt. Der Grund hierfür war, dass das BVG in EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst m zum 1. Januar 1991 im Beitrittsgebiet in Kraft gesetzt, also auf das Beitrittsgebiet übergeleitet wurde. Der räumliche Geltungsbereich des BVG wurde auf Menschen erstreckt, die im Beitrittsgebiet wohnten oder sich gewöhnlich dort aufhielten. Dazu wurden in Abschnitt III Nr 1 Buchst a bis k besondere Maßgaben ausgestaltet, die gemäß Abschnitt III Nr 1 Buchst l für die Berechtigten galten, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten, und ferner für Deutsche und deutsche Volkszugehörige, die nach dem 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Anwendungsbereich der Auslandsversorgungsverordnung hatten und ihn danach im Beitrittsgebiet begründet haben.
EinigVtr Abschnitt II erfüllt mit der Einfügung des § 84a Satz 1 und 2 BVG den Plan des Einigungsvertragsgesetzgebers, nicht nur für die in Abschnitt III Nr 1 Buchst l erfassten dauerhaften Bewohner des Beitrittsgebiets, sondern auch für “Umzügler” und für einen Teil der “Zuzügler” (vor allem aus dem früheren “Ostblock”) ins alte Bundesgebiet die Maßgaben gleichfalls in Kraft zu setzen. Die Grundregelung befindet sich daher in Abschnitt III Nr 1, die Ergänzungsregelung in Abschnitt II. Es entspricht somit dem Plan des Einigungsvertragsgesetzes vom 18. September 1990, als dessen Inhalt der EinigVtr nach dessen Art 45 Abs 2 als Bundesrecht geltendes Recht ist, dass § 84a Satz 1 und 2 BVG Kriegsopfer nicht erfasst, die seit dem 18. Mai 1990 dauerhaft im Beitrittsgebiet wohnen oder sich dort gewöhnlich aufhalten.
Da die Freibetragsregelung des § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI nur auf § 84a Satz 1 und 2 BVG, nicht aber auf EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst l verweist, werden nur die benannten “Um- und Zuzügler” erfasst, nicht jedoch die Personen, die seit dem 18. Mai 1990 dauerhaft im Beitrittsgebiet wohnen oder sich dort gewöhnlich aufhalten. Eine erweiternde Anwendung oder Analogie zu Lasten der betroffenen Renteneigentümer ist der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verboten; denn die Ermächtigung zu solchen Eingriffen in das Renteneigentum ist – wie stets bei Art 14 GG – allein dem parlamentarischen Gesetz vorbehalten.
Ausweislich der Akten hatte der Kläger als Unfallopfer am 18. Mai 1990 seinen Wohnsitz im Beitrittsgebiet. Er fällt daher nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 84a Satz 2 BVG. Auch sind zurzeit keine Anhaltspunkte ersichtlich, er könnte nach dem 18. Mai 1990 ins alte Bundesgebiet umgezogen sein, jedoch fehlen insoweit die notwendigen tatsächlichen Feststellungen im Urteil des SG. Dennoch konnte eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz zwecks Aufklärung der Voraussetzungen des § 84a Satz 1 BVG unterbleiben; denn die Anrechnungsentscheidungen der Beklagten waren auch dann rechtswidrig, wenn man zu Lasten des Klägers unterstellt, er hätte nach dem 18. Mai 1990 und während des gesamten streitigen Zeitraums im alten Bundesgebiet gewohnt oder sich dort gewöhnlich aufgehalten. Dann wäre zwar – kraft belastender Unterstellung – der Tatbestand des § 84a Satz 1 BVG erfüllt, jedoch ginge dessen Rechtsfolge ins Leere.
(2) Die Verweisung in § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI auf § 84a Satz 1 (und 2) BVG geht rechtlich ins Leere, weil auf Gesetze verwiesen wird, die das BVerfG für nichtig erklärt hat.
§ 84a Satz 1 BVG gestaltet die anzuwendende Rechtsfolge nicht selbst aus, sondern ordnet nur an, dass die dort genannten “Umzügler” (Gleiches gilt für “Zuzügler”), also die Kriegsopfer, die am 18. Mai 1990 in der DDR wohnten und danach ins alte Bundesgebiet umgezogen waren, “Versorgung nach dem BVG mit den für dieses Gebiet nach dem Einigungsvertrag geltenden Maßgaben” erhalten. Für § 93 SGB VI und die unfallverletzten Altrentner aus der DDR bedeutet dies, dass ihr Freibetrag den Maßgaben des EinigVtr für die Grundrente unterstellt wird, falls sie nach dem 18. Mai 1990 in das alte Bundesgebiet umgezogen waren und im streitigen Zeitraum dort wohnten.
Die von der Beklagten behauptete Kürzungsbefugnis kann sich nicht aus § 84a Satz 1 (und 2) BVG selbst, sondern allenfalls erst aus dem Gesetz ergeben, auf das § 84a Satz 1 BVG weiterverweist, also aus EinigVtr Abschnitt III. Dort ist geregelt, dass das BVG mit dem Wirksamwerden des Beitritts im Beitrittsgebiet auf die Kriegsopfer, die am 18. Mai 1990 dort wohnten (und noch wohnen) oder die aus bestimmten Staaten nachher dorthin zuzogen (Nr 1 Buchst l aaO), ab 1. Januar 1991 (Nr 1 Buchst m aaO) ua mit folgender Maßgabe aus EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst a Satz 1 Regelung 4 anzuwenden ist: “Die in § 31 Abs 1 BVG in der jeweils geltenden Fassung genannten Deutsche Mark-Beträge sind mit dem Vomhundertsatz zu multiplizieren, der sich aus dem jeweiligen Verhältnis der verfügbaren Standardrente (§ 68 Abs 3 SGB VI) in dem in Artikel 3 des Vertrags genannten Gebiet zur verfügbaren Standardrente in dem Gebiet, in dem das BVG schon vor dem Beitritt gegolten hat, ergibt”. In Satz 6 aaO heißt es, dass der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung den maßgebenden Vomhundertsatz und den Veränderungstermin jeweils im Bundesanzeiger bekannt gibt.
§ 84a Satz 1 (und 2) BVG, der selbst keine Rechtsfolge ausgestaltet, ordnet also für den Grundrentenbetrag im Weg einer weiteren dynamischen Rechtsfolgenverweisung auf EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst a Regelung 4 eine Vervielfältigung der Grundrentenbeträge mit einem Bruchwert an, für dessen Höhe er im Wege einer weiteren dynamischen Verweisung auf das Rentenversicherungsrecht des SGB VI verweist. Erst aus diesem ergibt sich möglicherweise, worauf hier nicht näher einzugehen ist, in welchem Umfang der Freibetrag zu kürzen ist.
Diese dynamische Verweisung geht ins Leere; denn § 84a Satz 1 BVG iVm EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst a Regelung 4 ist durch das Urteil des BVerfG vom 14. März 2000 (1 BvR 284/96, 1 BvR 1659/96 – in: BGBl I 2000, 445; BVerfGE 102, 41 bis 67) ab 1. Januar 1999 mit Gesetzeskraft für nichtig erklärt worden, soweit die Beschädigten-Grundrente nach § 31 Abs 1 Satz 1 BVG im Beitrittsgebiet anders berechnet wird als im übrigen Bundesgebiet. Es steht daher mit Gesetzeskraft fest, dass die in § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI in Bezug genommenen Gesetzestexte, welche die Kürzung des Freibetrags rechtfertigen sollen, nichtig sind und Rechtsfolgen hieraus für die Absenkung der Beträge der Beschädigten-Grundrente nach § 31 Abs 1 Satz 1 BVG seit dem 1. Januar 1999 nicht hergeleitet werden können. Das BSG ist gemäß Art 20 Abs 3 GG iVm § 31 Abs 1 und 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz hieran gebunden; es ist ihm schlechthin verboten, über die Festsetzung des Freibetrags für Zeiten ab dem 1. Januar 1999 auf der Grundlage der nichtigen Normen (§ 84a Satz 1 und 2 BVG) zu urteilen, auf die § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI verweist. Jede (dynamische) Rechtsfolgenverweisung auf eine nichtige Norm geht zwangsläufig ins Leere, da die in Bezug genommene Vorschrift keine Rechtsfolgen mehr auslösen kann (vgl insoweit zur vergleichbaren Verweisung im Recht des Dienstbeschädigtenausgleichs: BSG, Urteil vom 7. Juli 2005, B 4 RA 58/04 R, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Bislang ist nach der Nichtigkeitsfeststellung durch das BVerfG kein vom Deutschen Bundestag, der für den Bund allein originär Gesetze “geben” kann, beschlossener Text mit dem Inhalt der für nichtig erklärten Normen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Der “Gesetzgeber” hat die nichtigen Normen, auf die § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI verweist, nicht wiederholt. Eine “konkludente” Gesetzgebung, hier etwa durch den Gesetzesbeschluss vom 21. Juli 2004 zum RVNG, ist dem GG unbekannt. Eine relative Nichtigerklärung von Gesetzestexten, die einen Gesetzestext etwa nur im Blick auf seinen originären Anwendungsbereich für ungültig erklärt, jedoch insoweit für gültig, als andere Normen dynamisch auf ihn verweisen, kennt das Verfassungsrecht ebenfalls nicht. Derartiges hat das BVerfG im vorgenannten Urteil auch nicht ausgesprochen und ist im Bundesgesetzblatt auch nicht verkündet worden.
Eine geltungserhaltende Reduktion der Normen, die durch den nichtigen Gesetzestext verlautbart werden sollten oder vor Eintritt der Nichtigkeit verlautbart wurden, ist verfassungswidrig; denn die Nichtigerklärung erfasst den Gesetzestext im Umfang der Entscheidungsformel mit allen seinen möglichen Inhalten und ist daher nicht teilbar. Folglich bleibt als Vorschrift des BVG, auf die § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI verweist, jedenfalls für Zeiten ab 1. Januar 1999 allein § 31 BVG. Für den hier umstrittenen Zeitraum fehlt damit jegliche Rechtsgrundlage dafür, den sich aus § 31 Abs 1 BVG ergebenden Betrag der Grundrente und damit den Freibetrag durch Vervielfältigung mit einem “Umrechnungsfaktor im Beitrittsgebiet” zu kürzen.
dd) Im Übrigen weist der Senat in gebotener Kürze noch auf Folgendes hin (obiter dictum):
Gegen die Gültigkeit der Verweisung auf die “Kürzungsbefugnis” in EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst a Regelung 4, also für die dort angeblich vorhandene Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff in das Renteneigentum, bestehen verfassungsrechtliche Bedenken.
(1) Es ist verfassungsrechtlich unzulässig, ein Bundesministerium zu ermächtigen, durch bloße Mitteilung im Bundesanzeiger die den Grundrechtsinhabern durch Gesetz zuerkannten Freibeträge zu kürzen und damit in deren Eigentumsgrundrechte einzugreifen. Ein solcher gesetzesvertretender Akt hätte nur durch Rechtsverordnung auf Grund einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung erlassen werden dürfen (Art 80 GG). Diese fehlt bislang.
EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst a Abs 2 ermächtigt den (ehemaligen) Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zu einer Kürzung der gesetzlich in § 31 Abs 1 und 5 BVG ausgestalteten Rechte, und zwar durch Mitteilungen, die im Bundesanzeiger zu veröffentlichen sind. Solche Eingriffe stehen schon unter dem einfachgesetzlichen Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I und in Fällen der vorliegenden Art vor allem unter dem Parlamentsvorbehalt des Art 14 GG. Eine Delegation auf die Exekutive zur ergänzenden Konkretisierung hätte allenfalls in Form einer Rechtsverordnung erfolgen dürfen, wie dies zB auch für die Anpassung der Grundrenten nach § 31 Abs 1 BVG sowie für die Schwerbeschädigtenzulage nach Abs 5 aaO vorgesehen ist.
(2) Die in Form einer Rechtsverordnung anzuordnenden Kürzungen hätten im Bundesgesetzblatt, nicht aber im Bundesanzeiger veröffentlicht werden müssen.
(3) Die Ermächtigung in EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst a Regelung 4 lässt Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung nicht erkennen.
Die Norm gibt keine inhaltlichen Vorgaben zum Zeitpunkt und zu den materiellen Voraussetzungen, welche die Exekutive bei ihrer Kürzungsentscheidung zu beachten hat.
Sie schreibt vor, dass die Kürzung in der Weise vorzunehmen sei, dass die geldwerten Beträge ua in § 31 Abs 1 und 5 BVG mit dem Vomhundertsatz zu multiplizieren seien, der sich aus dem jeweiligen Verhältnis der verfügbaren “Standardrente” (§ 68 SGB VI) im Beitrittsgebiet zur verfügbaren “Standardrente” in den alten Bundesländern ergebe. Eine Standardrente für das Beitrittsgebiet war nie in § 68 SGB VI definiert; auch aus sonstigen Vorschriften des SGB VI lässt sich nicht entnehmen, was unter einer Standardrente des Beitrittsgebiets verstanden werden könnte, abgesehen davon, dass das SGB VI bei Inkrafttreten der Regelungen des EinigVtr noch nicht in Kraft war. Ab 2001 enthält § 68 SGB VI im Übrigen auch keine Definition der Standardrente für die alten Bundesländer mehr. Aus dem Gesetz ist daher nicht erkennbar, welche Größen die Exekutive für die Standardrenten des Beitrittsgebiets und der alten Länder einzusetzen hat. Ferner steht es nach dem Gesetz im Belieben der Verwaltung, zu welchem Zeitpunkt sie den maßgeblichen Vomhundertsatz bzw seine Änderung bekannt gibt. Ob diese Verweisungskette jedenfalls ab dem 1. Januar 1999 noch den Anforderungen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots genügt, ist jetzt nicht zu prüfen.
Die Norm lässt des Weiteren nicht erkennen, dass bei der inhaltlichen Ausgestaltung die Gebote der Gleichheit und Verhältnismäßigkeit beachtet worden sind. Ein sachlicher Differenzierungsgrund ist bislang nicht ersichtlich.
Die Ungleichbehandlung mit vergleichbaren Rentenbeziehern in den alten Bundesländern hätte sich mit einer geringeren Wirtschaftskraft und niedrigeren Löhnen und Gehältern im Beitrittsgebiet nur rechtfertigen lassen, wenn ein sachlicher Zusammenhang mit dem festzusetzenden Freibetrag bestünde. Solche tatsächlichen ökonomischen Unterschiede zu den alten Bundesländern werden jedoch schon bei der Festsetzung des Werts des Rentenrechts berücksichtigt; sie spiegeln sich vor allem in niedrigeren Entgeltpunkten (EP)-Höchstbeträgen und im niedrigeren aktuellen Rentenwert Ost wider (§ 255a SGB VI). Eine nochmalige Berücksichtigung der ökonomischen Unterschiede, jetzt beim Freibetrag, würde unfallverletzte Versicherte im Beitrittsgebiet unverhältnismäßig belasten; vor allem aber wäre sie ungerechtfertigt sachwidrig (Urteil des 4. Senats des BSG vom 10. April 2003, B 4 RA 32/02 R, SozR 4-2600 § 93 Nr 2), weil es beim Freibetrag um den immateriellen Schaden geht. Die hiergegen von der Beklagten unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien (Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung ≪13. Ausschuss≫ vom 10. März 2004 ≪BT-Drucks 15/2678, S 22 f≫) erhobenen Einwände überzeugen nicht.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der 13. Ausschuss den Inhalt des Urteils des 4. Senats vom 10. April 2003 (aaO) ebenfalls unzutreffend wiedergibt. Der Senat hat nicht von einer “doppelten Benachteiligung”, sondern von einer unverhältnismäßigen Belastung unfallverletzter Rentner im Beitrittsgebiet gesprochen. Im Übrigen ist der Hinweis, bei Zugrundelegung der Auffassung des BSG würde sich die geltende Relation von Renten aus der RV in den alten und neuen Ländern verschieben, und zwar – bezogen auf das Jahr 1992 – von 58 auf 69 vH, in ihrer Relevanz für die Freibetragsregelung nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon, dass nachprüfbare Daten für die behauptete Verschiebung nicht gegeben werden, begründet eine Verminderung des Anrechnungsbetrags natürlich immer eine Erhöhung des Rentenzahlbetrags. Der Effekt für die Folgejahre (Abnahme des Anteils der “Altrentner”) ist auch nicht erwähnt.
Mit Blick auf die unterschiedliche Wirtschaftskraft und auch unterschiedliche Löhne können insoweit aber sachgerecht immer nur die hiermit sachlich in Zusammenhang stehenden Faktoren für die Rentenwertfestsetzung unterschiedlich gestaltet werden, also diejenigen, die letztlich das Niveau der Rente als Einkommensersatz bestimmen. Die ökonomischen Unterschiede zwischen alten und neuen Ländern spiegeln sich – wie schon angesprochen – ua schon im unterschiedlichen aktuellen Rentenwert wider. Darüber hinaus führt die niedrigere Beitragsbemessungsgrenze im Beitrittsgebiet dazu, dass nicht gleich hohe EP wie in den alten Bundesländern erworben werden können. Warum die unterschiedliche Wirtschaftskraft und das unterschiedliche Lohnniveau auch noch eine Kürzung des Freibetrags rechtfertigen sollen, der dem Ausgleich immaterieller Schäden dient, also Schäden, die keinen ökonomischen Bezug haben, ist schlicht nicht nachvollziehbar.
Darüber hinaus besteht eine Ungleichbehandlung zwischen vergleichbaren Personengruppen, die sich jedenfalls nicht mit unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in den alten und neuen Bundesländern rechtfertigen lässt. Von der – nichtigen – Kürzungsanordnung in EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst a Regelung 4 werden nur Personen betroffen, die
– am 18. Mai 1990 und auch danach dauerhaft im Beitrittsgebiet gewohnt bzw sich dort gewöhnlich aufgehalten haben (EinigVtr Abschnitt III Nr 1 Buchst l) oder
– als “Umzügler” oder “Zuzügler” in das alte Bundesgebiet verzogen sind (§ 84a Satz 1 und 2 BVG).
Unter die beabsichtigte Kürzung fielen dagegen von vornherein nicht Personen, die
– nach dem 18. Mai 1990 von einem alten Bundesland oder
– vom Ausland (aber nicht aus einem ehemaligen Ostblockstaat) in ein neues Bundesland verzogen sind,
– im Beitrittsgebiet wohnen oder sich gewöhnlich dort aufhalten, aber einen Arbeitsunfall erst nach dem 18. Mai 1990 erlitten oder
– überhaupt keinen Bezug zum Beitrittsgebiet haben.
Liegt der Kürzungsanordnung die Erwägung zu Grunde, sie sei mit Blick auf die im Vergleich zu den alten Bundesländern niedrigeren Lebenshaltungskosten in den neuen Bundesländern vorzunehmen, hätten auch diejenigen Personen, die von einem alten Bundesland oder einem Nicht-Ostblockstaat in das Beitrittsgebiet verzogen sind oder zwar bereits am Stichtag dort gewohnt bzw sich aufgehalten, einen Arbeitsunfall aber erst danach erlitten haben, in die Kürzung mit einbezogen werden müssen. Denn sie “profitieren” in gleicher Weise von den unterstellten niedrigeren Lebenshaltungskosten wie die von der Kürzung betroffenen Personen, die seit dem 18. Mai 1990 dort dauerhaft gewohnt bzw sich aufgehalten haben. Umgekehrt hätten die Personen, die von einem neuen Bundesland in ein altes Bundesland mit – unterstellten – höheren Lebenshaltungskosten gezogen sind, von der Kürzung befreit werden müssen, wenn die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten den maßgeblichen Differenzierungsgrund bilden sollten.
Die Ungleichbehandlungen sind auch unter wirtschaftlichen Aspekten sachlich nicht nachvollziehbar. Die inhaltliche Ausgestaltung entspricht jedenfalls nach der derzeit erkennbaren Sachlage nicht den Geboten der Gleichheit und Verhältnismäßigkeit.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen