Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 1. März 1973 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Kläger, ein spanischer Gastarbeiter, der 1969 nach Deutschland kam, nachdem eine ärztliche Untersuchung in Spanien im August 1969 keine krankhaften Befunde ergeben hatte, nahm am 13. Oktober 1969 eine Beschäftigung in einer deutschen Porzellanfabrik auf. Bei einer 3 Wochen später, aber noch während der vierwöchigen Probezeit vorgenommenen Einstellungsuntersuchung (3. November 1969) wurde eine linksseitige frische offene Lungentuberkulose entdeckt. Er wurde arbeitsunfähig krankgeschrieben und kehrte kurz darauf mit nachträglich erteilter Zustimmung der Beklagten nach Spanien zurück, wo er bis zum 30. Juni 1970 stationär behandelt wurde.
Die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse verweigerte dem Kläger Krankenhilfe, da es sich bei seiner Beschäftigung um einen – den Versicherungsschutz ausschließenden – „mißglückten Arbeitsversuch” gehandelt habe (Bescheid vom 5. März 1970 und Widerspruchsbescheid vom 13. April 1970).
Nach erfolgloser Klage (Urteil des Sozialgerichts –SG– Regensburg vom 18. Mai 1971) hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten vom 5. März 1970 und 13. April 1970 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Krankenhilfe zu gewähren (Urteil vom 1. März 1973): Entgegen der Ansicht des SG und der Beklagten liege ein mißglückter Arbeitsversuch nicht vor, weil der Kläger die Arbeit erst nach Ablauf einer wirtschaftlich ins Gewicht fallende Zeit aufgegeben habe. Im übrigen stehe nach dem vom SG eingeholten ärztlichen Gutachten nicht fest, daß der Kläger zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme bereits arbeitsunfähig krank gewesen sei.
Mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte, das LSG habe zu Unrecht die Voraussetzungen eines mißglückten Arbeitsversuches verneint. Schon bei der Untersuchung in Spanien sei der Kläger – wie der vom SG gehörte Gutachter aufgrund einer damals in Spanien angefertigten Röntgenaufnahme festgestellt habe – an einer Lungentuberkulose erkrankt gewesen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Beide Beteiligte haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II
Der Senat hat den Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen, weil dessen Feststellungen für eine abschließende Entscheidung darüber, ob der Kläger einen „mißglückten Arbeitsversuch” unternommen hat, nicht ausreichen.
Nach der Rechtsprechung des Senats liegt ein mißglückter Arbeitsversuch auch dann vor, wenn die Beschäftigung zwar nicht schon in den ersten Tagen, jedoch noch vor Ablauf einer wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeit wieder aufgegeben wird, weil der Beschäftigte zu ihrer Verrichtung von vornherein nicht oder nur unter schwerwiegender Gefährdung seiner Gesundheit fähig war (SozR Nr. 63 zu § 165 Reichsversicherungsordnung –RVO–). In einem solchen Fall hat der Senat den Eintritt der Versicherungspflicht verneint, weil – außer der Notwendigkeit einer Mißbrauchsabwehr – kein am Versicherungsprinzip orientiertes Leistungssystem darauf verzichten kann, daß jeder Versicherte mindestens der Möglichkeit nach zugleich Leistungsempfänger und Beitragszahler ist, niemand also Mitglied der Versichertengemeinschaft werden kann, der von vornherein wegen Arbeitsunfähigkeit als Beitragszahler ausscheidet. An dieser Auffassung ist festzuhalten. Aus ihr folgt, daß, wer bereits bei Aufnahme der Beschäftigung arbeitsunfähig ist, d. h. die übernommene Arbeit überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr einer (weiteren) Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes verrichten kann (vgl. BSG 26, 288, 290), grundsätzlich kein Krankenversicherungsverhältnis begründet (vgl. § 1 Abs. 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes, wonach ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nur für Arbeiter besteht, die „nach Beginn der Beschäftigung” arbeitsunfähig werden).
Der Grundsatz gilt auch für den Fall, daß die Arbeitsunfähigkeit erst nachträglich festgestellt wird. Dann hat zwar – bis zu ihrer Feststellung – tatsächlich eine Beschäftigung stattgefunden, für die dem Beschäftigten möglicherweise schon Lohn gezahlt und der entsprechende Krankenversicherungsbeitrag abgezogen worden ist, so daß scheinbar ein Versicherungsverhältnis vorgelegen hat. Dieser „Rechtsschein” wird jedoch mit der späteren Feststellung der Arbeitsunfähigkeit rückwirkend wieder zerstört.
Eine solche Rückwirkung kann indessen in der sozialen Krankenversicherung nicht uneingeschränkt zugelassen werden. Dagegen sprechen vor allem Gründe der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. So hat nach § 213 RVO eine Krankenkasse, die nach vorschriftsmäßiger und nicht vorsätzlich unrichtiger Anmeldung 3 Monate ununterbrochen und unbeanstandet die Beiträge angenommen hat, die satzungsmäßigen Leistungen zu gewähren, auch wenn sich nach Eintritt des Versicherungsfalles herausstellt, daß der Angemeldete nicht versicherungspflichtig und nicht versicherungsberechtigt war. Die unwirksame Versicherung wird dann in wesentlichen Beziehungen wie eine wirksam zustande gekommene behandelt („Formalversicherung”), die Unwirksamkeit gewissermaßen durch Zeitablauf als geheilt angesehen. Ähnliches muß gelten, wenn ein Beschäftigter, für den wegen seiner von Anfang an vorhandenen Arbeitsunfähigkeit ein Versicherungsverhältnis nicht begründet worden ist, eine wirtschaftlich ins Gewicht fallende Zeit gearbeitet hat und deshalb nach den Umständen des Falles darauf vertrauen darf, daß er durch seine Beschäftigung einen Versicherungsschutz erworben hat. Auch in diesem Falle wird also die Versicherung, die zunächst nur scheinbar bestanden hat, später wirksam.
Welcher Zeitraum dabei zur Heilung der Unwirksamkeit erforderlich ist, läßt sich nicht allgemein festlegen, um allen denkbaren Gestaltungen des Sachverhalts gerecht werden zu können und insbesondere zu verhindern, daß die Entscheidung dann, wenn der Beschäftigte aufgrund des Ergebnisses einer nachträglich durchgeführten Einstellungsuntersuchung wieder ausscheiden muß, allein von dem mehr oder weniger zufälligen Zeitpunkt der Untersuchung abhängt.
Das LSG hat hier eine Zeit von 3 Wochen, die der Kläger bis zur Entdeckung seiner Lungentuberkulose beschäftigt war, als wirtschaftlich ins Gewicht fallend angesehen und deshalb das Vorliegen eines mißglückten Arbeitsversuchs verneint. Dem ist der Senat nicht gefolgt: Bis zu der 3 Wochen nach der Arbeitsaufnahme, aber noch innerhalb der vierwöchigen Probezeit durchgeführten Einstellungsuntersuchung, deren Ergebnis erst über die Eignung des Klägers für die von ihm übernommene, ihm bisher offenbar ungewohnte und mit einer erheblichen Staubgefährdung verbundene Arbeit entscheiden sollte, konnte der Kläger nicht sicher sein, daß er für diese Tätigkeit auch arbeitsfähig war. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine durch die Beschäftigung begründete Versicherung war deshalb für ihn bis zum Zeitpunkt der Einstellungsuntersuchung noch nicht entstanden, eine Unwirksamkeit der Versicherung mithin, wie in ähnlichen früher entschiedenen Fällen, noch nicht geheilt (vgl. SozR Nr. 61 und Nr. 63 zu § 165 RVO).
Nicht ausreichend geklärt ist dagegen bisher, ob der Kläger bei Aufnahme seiner Beschäftigung am 13. Oktober 1969 wirklich arbeitsunfähig war; nur dann hätte nämlich ein mißglückter Arbeitsversuch vorliegen können (vgl. SozR Nr. 75 zu § 165 RVO). Das LSG hat zwar insoweit auf das Gutachten des vom SG gehörten Sachverständigen verwiesen, jedoch die –entscheidende– Frage, ob der Kläger gerade für die von ihm übernommene Tätigkeit in der keramischen Industrie arbeitsfähig war, nicht näher geprüft. Das wird nunmehr, nach Zurückverweisung des Rechtsstreits, vom LSG nachzuholen sein.
Dieses wird auch die abschließende Kostenentscheidung treffen.
Fundstellen