Beteiligte
Badische Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. März 1998 aufgehoben.
Der Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Dezember 1996 wird geändert.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 14. Juli bis zum 16. Oktober 1994 Verletztengeld in Höhe von täglich 3,09 DM zu zahlen.
Im übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe des täglichen Verletztengeldes.
Der im Jahre 1950 geborene Kläger ist bosnischer Staatsangehöriger und lebt als Asylbewerber in Kehl. Am 12. Juli 1994 nahm er eine Aushilfsbeschäftigung als Erntehelfer eines bei der beklagten Berufsgenossenschaft versicherten Landwirts auf. Nach der zwischen dem Kläger und dem Landwirt getroffenen Vereinbarung war die Beschäftigung auf zwei Tage, den 12. und den 13. Juli 1994, beschränkt, die tägliche Arbeitszeit sollte sechs Stunden, der Stundenlohn 9 DM betragen. Nach etwa zweieinhalbstündiger Arbeitsverrichtung stürzte der Kläger von einem beladenen Strohwagen und verletzte sich dabei so schwer, daß er wegen der Verletzungsfolgen bis zum 16. Oktober 1994 arbeitsunfähig war. Der Landwirt gewährte Lohnfortzahlung für den 12. und 13. Juli 1994. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 20. Dezember 1994 fest, daß dem Kläger für die Zeit vom 14. Juli bis 16. Oktober 1994 Verletztengeld in Höhe von täglich 2,88 DM, insgesamt also 270,80 DM, zustehe. Den auf eine Erhöhung und längere Gewährung des Verletztengeldes gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1996 zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat die auf Zahlung eines höheren Verletztengeldes gerichtete Klage mit Urteil vom 12. März 1998 abgewiesen. Es hat in den Entscheidungsgründen unter Hinweis auf § 136 Abs 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgestellt, daß es hinsichtlich der rechtlichen Bewertung dem Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1996 folge. Insbesondere teile es die Auffassung der Beklagten, daß das Verletztengeld nach § 47 Abs 2 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zu berechnen sei. Diese Vorschrift sei nicht nur für Fälle gedacht, in denen das Arbeitsentgelt nach Stücken, Fällen, sonstigen Einheiten oder nach dem Erfolg der Arbeit bemessen werde und sich einer Stundenzahl nicht zuordnen lasse. Sie greife vielmehr immer dann ein, wenn die Berechnung nach § 47 Abs 2 Sätze 1 und 2 SGB V – aus welchen Gründen auch immer – nicht möglich sei. Letzteres sei hier der Fall, weil diese Regelung nur Fälle erfasse, in denen eine mindestens vierwöchige Arbeitszeit vereinbart gewesen sei. Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß das Verletztengeld eine Lohnersatzleistung darstelle. Bei einem nur auf zwei Tage beschränkten Arbeitsverhältnis würde eine andere Berechnung des Verletztengeldes als nach § 47 Abs 2 Satz 3 SGB V zu einer unangemessenen Lohnersatzleistung führen, die in keiner Relation zum vereinbarten Arbeitsentgelt stünde.
Mit der vom SG zugelassenen Revision, deren vom Prozeßbevollmächtigten unterschriebene Begründung am 10. Juli 1998 im Wege des Telefaxverfahrens und am 13. Juli 1998 als Briefpost beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen ist, rügt der Kläger eine Verletzung des § 47 Abs 2 SGB V. Dessen Satz 3 sei einmal nicht anwendbar, weil er nur solche Fälle regele, in denen das Arbeitsentgelt nach Stücken, Fällen, sonstigen Einheiten oder nach dem Erfolg der Arbeit (zB Akkord, Provision) bemessen werde und sich einer Stundenzahl nicht zuordnen lasse. Zum anderen sei Satz 3 der genannten Vorschrift auch deshalb nicht anwendbar, weil danach der 30. Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten Arbeitsentgelts als Regelentgelt gelte. Vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit sei bei ihm aber nicht abgerechnet worden. Deshalb sei § 47 Abs 2 SGB V ergänzend dahingehend auszulegen, daß bei einer kurzfristigen Beschäftigung zunächst nach § 47 Abs 2 Satz 1 SGB V zu berechnen sei. Um das tägliche Verletztengeld zu ermitteln, sei sodann auf die regelmäßige tägliche Arbeitszeit abzustellen. Dies führe bei ihm zu einem täglichen Verletztengeld von 43,20 DM (80 vH von 108 DM = 86,40 DM; 86,40 DM: 12 ≪Gesamtstundenzahl≫ = 7,20 DM ≪pro Stunde≫; 7,20 DM × 6 ≪Stunden täglicher Arbeitszeit≫ = 43,20 DM).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG vom 12. März 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Dezember 1996 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm Verletztengeld in Höhe von 43,20 DM pro Kalendertag für die Zeit vom 14. Juli bis zum 16. Oktober 1994 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision sei unzulässig. Zunächst sei in dem Beschluß des SG vom 7. Mai 1998, mit dem dieses die Revision zugelassen habe, nicht ersichtlich, zu welcher konkreten Entscheidung die Zulassung erfolgt sei. Weiterhin sei zweifelhaft, ob die Revisionsbegründung fristgerecht beim BSG eingegangen sei. Die am 13. Juli 1998 beim BSG eingegangene Begründung sei jedenfalls verfristet. Ferner genüge die Begründung inhaltlich nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung, weil sie lediglich die in erster Instanz vorgetragene pauschale Rechtsauffassung wiederhole und mit keinem Wort auf die Argumentation des angegriffenen Urteils eingehe. In der Sache hält die Beklagte die Auffassung des SG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
II
Die Revision ist zulässig.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das SG mit dem Beschluß vom 7. Mai 1998 die Sprungrevision gegen das hier mit der Revision angefochtene Urteil des SG vom 12. März 1998 - S 7 U 63/97 - zugelassen. Dies ist zwar nicht allein dem Tenor, jedoch in Verbindung mit ihm dem Rubrum des Beschlusses zu entnehmen. Gründe, daß mit der Zulassung ein anderes Urteil gemeint sein könnte, sind nicht ersichtlich und von der Beklagten nicht vorgetragen.
Ebenso ist die Revisionsbegründung fristgerecht beim BSG eingegangen. Der die Revision zulassende Beschluß des SG vom 7. Mai 1998 ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 11. Mai 1998 zugegangen. Mithin endete die Frist für die Revisionsbegründung gemäß § 193 des Bürgerlichen Gesetzbuchs am Montag, dem 13. Juli 1998, so daß nicht nur die mit Telefax, sondern auch die als Briefpost übermittelte Revisionsbegründung des Klägers rechtzeitig beim BSG eingegangen ist.
Ferner erfüllt die Revisionsbegründung die in § 164 Abs 2 SGG genannten Voraussetzungen. Die Pflicht zur schriftlichen Begründung dieses Rechtsmittels soll eine umfassende Vorbereitung des Revisionsverfahrens gewährleisten. Daher muß nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Revision sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei begründet sein (vgl ua BSG SozR 1500 § 164 Nrn 12, 20, 25; BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 9; BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12; BSGE 70, 186, 187 f = SozR 3-1200 § 53 Nr 4, jeweils mwN; BVerfG SozR 1500 § 164 Nr 17). Über die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm hinaus ist darzulegen, daß und weshalb die Rechtsansicht der Vorinstanz nicht geteilt wird; dies kann nur mit rechtlichen Erwägungen geschehen. Die Revisionsbegründung muß nicht nur die eigene Meinung des Revisionsklägers wiedergeben, sondern sich – zumindest kurz – mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen und erkennen lassen, daß und warum die als verletzt gerügte Norm des materiellen Rechts nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (vgl schon BSG SozR 1500 § 164 Nr 12). Aus dem Inhalt und der Darlegung muß sich ergeben, daß der Revisionskläger sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist. Hierzu reicht es nicht aus, lediglich Rechtsansichten der Vorinstanz als unrichtig zu bezeichnen; vielmehr ist hinzuzufügen, warum sie nicht geteilt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Vorinstanz ihre Rechtsauffassung näher begründet hat; in diesem Fall ist ein Eingehen auf den Gedankengang des Berufungsgerichts unumgänglich (BSG SozR 1500 § 164 Nr 20; BSG Beschluß vom 4. Februar 1997 - 2 RU 43/96 - und BSG Beschluß vom 24. März 1998 - B 2 U 7/97 R - HVBG-Info 1998, 1114).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Revisionsbegründung des Klägers. Er hat sich in hinreichender Weise mit dem Urteil des SG rechtlich auseinandergesetzt. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger sich nicht auf die Wiederholung seines früheren rechtlichen Vorbringens beschränkt, sondern ein Argument gegen die Nichtanwendung des § 47 Abs 2 Satz 3 SGB V vorgetragen, das bisher von ihm nicht geltend gemacht worden ist und auf das weder im angefochtenen Bescheid noch im Urteil des SG eingegangen worden ist, nämlich, daß nach dieser Vorschrift zur Errechnung des (fiktiven) Regelentgelts ein abgerechneter Kalendermonat vorausgesetzt werde, beim Kläger aber vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit überhaupt nicht abgerechnet worden sei.
Die Revision des Klägers ist begründet, soweit er statt des von der Beklagten zugestandenen Verletztengeldes in Höhe von täglich 2,88 DM ein solches von 3,09 DM beanspruchen kann; soweit er über 3,09 DM hinausgehend ein tägliches Verletztengeld von 43,20 DM begehrt, ist die Revision unbegründet.
Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil der von ihm geltend gemachte Unfall im Jahre 1994 und damit vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz ≪UVEG≫, § 212 SGB VII).
Nach § 561 Abs 1 Satz 1 RVO gilt für die Berechnung des Verletztengeldes bei Arbeitnehmern § 47 Abs 1 und 2 sowie (der hier nicht in Betracht kommende) Abs 5 SGB V mit der Maßgabe entsprechend, daß das Regelentgelt bis zu einem Betrag in Höhe des dreihundertsechzigsten Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes (§ 575 Abs 2 RVO) zu berücksichtigen ist. Die Vorschriften des § 561 Abs 1 Satz 1 RVO sowie des § 47 Abs 1 und 2 SGB V sind hier noch in der Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) anzuwenden. Nach Satz 1 des § 47 Abs 1 SGB V beträgt das Krankengeld 80 vH des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf das bei entsprechender Anwendung des Absatzes 2 berechnete Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen (Satz 2). Das Regelentgelt wird nach den Absätzen 2, 4 und 6 berechnet (Satz 3). Das Krankengeld wird für Kalendertage gezahlt (Satz 4). Ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit dreißig Tagen anzusetzen (Satz 5). Nach Absatz 2 des § 47 SGB V ist für die Berechnung des Regelentgelts das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde (Satz 1). Das Ergebnis ist mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden zu vervielfachen und durch sieben zu teilen (Satz 2). Ist das Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen oder ist eine Berechnung des Regelentgelts nach den Sätzen 1 und 2 nicht möglich, gilt der dreißigste Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmaliges Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt.
§ 47 Abs 1 und Abs 2 Sätze 1 bis 3 SGB V entspricht im wesentlichen dem bis zum 31. Dezember 1988 geltenden § 182 Abs 5 und 6 RVO in der seit dem 1. Oktober 1974 geltenden Fassung von § 21 Nr 5 Buchstabe c des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I 1881). § 182 Abs 5 und 6 stimmt wiederum weitgehend mit § 13 Abs 2 und 3 RehaAnglG überein (vgl Begründung zu § 21 Nr 5 Buchstabe c des Entwurfs eines RehaAnglG, BT-Drucks 7/1237 S 63/64).
Die gemäß § 561 Abs 1 Satz 1 RVO entsprechende Anwendung des § 47 Abs 1, 2 und 5 SGB V auf das Verletztengeld der gesetzlichen Unfallversicherung bedeutet grundsätzlich, daß an die Stelle des Krankengeldes das Verletztengeld tritt und die Begrenzung des Regellohns nach oben sich nicht nach § 47 Abs 1 Satz 1, Abs 6 SGB V, sondern nach der in § 561 Abs 1 Satz 1 enthaltenen Regelung richtet; ansonsten sind die genannten Absätze des § 47 SGB V auf die Berechnung des Verletztengeldes unmittelbar anzuwenden. Bei einer solchen unmittelbaren Anwendung des § 47 Abs 2 SGB V sind im vorliegenden Fall jedoch weder die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 noch die des Satzes 3 erfüllt.
In Satz 1 fehlt es an einem vor der Arbeitsunfähigkeit des Klägers liegenden abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum. Den Feststellungen des SG, die für das Revisionsgericht nach § 163 SGG iVm § 161 Abs 4 SGG bindend sind, ist nämlich zu entnehmen, daß der Kläger vor seiner hier maßgeblichen Beschäftigung als Erntehelfer jedenfalls in der Bundesrepublik Deutschland keiner entgeltlichen Beschäftigung nachgegangen ist und folglich eine Abrechnung von Arbeitsentgelt vor Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit nicht stattgefunden hat. Satz 2 kann auch nicht in dem oben genannten Sinne unmittelbar beim Kläger angewendet werden, weil sich aus dem Inhalt des mit dem Landwirt abgeschlossenen Arbeitsvertrags regelmäßige wöchentliche Arbeitsstunden nicht ergeben. Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung von Satz 3 sind schon deshalb nicht erfüllt, weil es an einem abgerechneten Kalendermonat fehlt.
Gesetzlich ist nicht geregelt, wie zu verfahren ist, wenn die Arbeitsunfähigkeit eintritt, bevor für mindestens vier Wochen abgerechnet worden ist. Das BSG hat zu einer vor dem Inkrafttreten des RehaAnglG liegenden Fassung des § 182 RVO entschieden, daß dann für die fehlende Zeit das der Regellohnberechnung zugrundeliegende Entgelt aus dem Verdienst eines gleichartig Beschäftigten desselben Betriebs zu ergänzen ist (BSGE 36, 55, 58 = SozR Nr 59 zu § 182 RVO). Demgegenüber heißt es in der Begründung zu § 13 Abs 3 des Entwurfs eines RehaAnglG, die Festlegung eines Mindestbemessungszeitraums von vier Wochen bzw einem Monat bedeute nicht, daß bei einer zeitlich geringeren Dauer des letzten Arbeitsverhältnisses schon § 14 (anderweitige Berechnung des Übergangsgeldes) angewendet werde; die zuletzt genannte Bestimmung erfasse nur die Fälle, in denen überhaupt kein Entgelt erzielt worden sei; vielmehr sei bei einer Überschreitung des Mindestbemessungszeitraums der Berechnung der tatsächliche Lohnabrechnungszeitraum zugrunde zu legen (BT-Drucks 7/1237 S 59). Dementsprechend ist nach der überwiegenden Meinung im Schrifttum bei einer vor der Abeitsunfähigkeit liegenden kürzeren abgerechneten Zeit als vier Wochen in der Regel eine Hochrechnung aus den vorhandenen Abrechnungszeiträumen vorzunehmen (KassKomm-Höfler, § 47 SGB V RdNr 20 mwN). Die Praxis ist dem gefolgt (GemRdSchr der Spitzenverbände vom 12. Mai 1987, Nr 1.1.1.1.2.2, abgedruckt bei Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 561 Anm 4d).
Welcher der beiden Methoden bei Vorliegen eines unter vier Wochen liegenden Lohnabrechnungszeitraums der Vorzug zu geben ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn im vorliegenden Fall kann wegen der Einmaligkeit des Falles nicht auf Vergleichspersonen zurückgegriffen werden; auch kann keine Hochrechnung aus einem bereits abgerechneten unter vier Wochen liegenden Entgeltabrechnungszeitraum vorgenommen werden, weil den Feststellungen des SG zu entnehmen ist, daß vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit dem Kläger noch nicht abgerechnet war. Somit läßt sich beim Kläger mittels der jedenfalls bei der Berechnung des Krankengeldes maßgebenden Bezugs- bzw Referenzmethode das ihm zustehende Verletztengeld nicht errechnen.
Diese allein auf eine vor der Arbeitsunfähigkeit abgelaufene Lohnperiode abstellende Methode verfolgt vor allem das Ziel, dem Versicherungsträger eine schnelle Entscheidung zu ermöglichen; sie findet ihre innere Rechtfertigung darin, daß zukünftige, durch die Arbeitsunfähigkeit verhinderte Entwicklungen des Arbeitsentgelts häufig nur hypothetisch festgestellt werden können, was einen unangemessenen Verwaltungsaufwand erfordern würde (näheres hierzu: BSG SozR 3-2200 § 182 Nr 8). Die genannte, dem § 47 SGB V zugrundeliegende Methode ist allerdings in erster Linie für die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Arbeitnehmer geschaffen worden. Geringfügig Beschäftigte iS von § 7 Halbsatz 1 SGB V iVm § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) sind krankenversicherungsfrei und erhalten daher auch kein Krankengeld.
In der Unfallversicherung werden dagegen auch geringfügig Beschäftigte versichert; sie haben im Falle einer durch Arbeitsunfall verursachten Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Verletztengeld. Diese Besonderheit im Unfallversicherungsrecht rechtfertigt es, in Fällen, in denen kein abgerechneter Entgeltzeitraum vorliegt und die Heranziehung einer Vergleichsperson nicht möglich ist, bei der entsprechenden Anwendung des § 47 Abs 2 SGB V das Regelentgelt ausnahmsweise nach dem Lohnausfallprinzip zu berechnen, nämlich durch die hypothetische Feststellung, wieviel Arbeitsentgelt infolge der Arbeitsunfähigkeit nicht eingenommen werden kann. Hierzu ist in der Regel auf den Inhalt des abgeschlossenen Arbeitsvertrags abzustellen.
Im vorliegenden Fall stimmen auch die Beteiligten mit dem SG überein, daß das vereinbarte, nicht abgerechnete Arbeitsentgelt des Klägers zur Bemessung seines Verletztengeldes heranzuziehen ist, nämlich 108 DM (2 × 6 × 9 DM). Das von ihnen hieraus errechnete Verletztengeld ist jedoch jeweils unzutreffend, weil der Ausgangswert von 108 DM nicht in das richtige Verhältnis zum Mindestbemessungszeitraum von vier Wochen (§ 47 Abs 2 Satz 1 SGB V) gesetzt worden ist.
Diese Mindestzeit ist durch Art 2 Nr 3 Buchstabe b des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12. Juli 1961 (BGBl I 913) mit Wirkung vom 1. August 1961 im Rahmen einer Ergänzung des damaligen § 182 RVO eingeführt worden. Ihr lag ein zum Vermittlungsverfahren führender Vorschlag des Bundesrates mit folgender Begründung zugrunde: „In der Wirtschaft setzt sich zwar in immer stärkerem Umfang die Abrechnung nach größeren Zeiträumen (4 Wochen, 1 Monat) durch. Trotzdem bleibt zu verzeichnen, daß ein großer Teil der Betriebe, und zwar meist die kleineren Betriebe, einen wöchentlichen Lohnabrechnungszeitraum haben. Es muß angestrebt werden, die im Gesetz vorgesehene Regelung von solchen Zufälligkeiten unabhängig zu machen, die sich aus unterschiedlichen Lohnabrechnungszeiträumen bei Leistungslohn, unentschuldigten Fehlzeiten usw ergeben, um eine Gleichstellung der Stunden- und Wochenlöhner mit den Arbeitern zu erreichen, deren Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen ist” (vgl Begründung der Nr 2 Buchstabe c iVm Nr 1 Buchstabe a des Änderungsvorschlags, BT-Drucks III/2864 S 2). Auch nach der Rechsprechung des BSG dient der Mindestbemessungszeitraum von vier Wochen dem Ziel, alle die Lohnhöhe beeinflussenden Zufälligkeiten auszuschließen und nicht den zufällig letzten Verdienst vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, sondern einen aus mindestens vier Lohnwochen ermittelten Durchschnittsverdienst maßgebend werden zu lassen; anderenfalls würde die Höhe des Regellohns ganz von der zufälligen Verdiensthöhe weniger Tage abhängig sein (BSGE 36, 55, 57/58 = SozR Nr 59 zu § 182 RVO).
Dient somit der Mindestbemessungszeitraum zwar in erster Linie dem Ausgleich von Lohn- und Arbeitszeitschwankungen, die vor der Arbeitsunfähigkeit lagen, so ist doch seine Anwendung auch dann zwingend geboten, wenn – wie hier – das dem Verletztengeld zugrundeliegende Regelentgelt ausnahmsweise nach dem Lohnausfallprinzip zu berechnen und der Versicherte nach dem Arbeitsvertrag nur wenige Tage beschäftigt ist. Würde man in einem solchen Fall das tägliche Verletztengeld nicht nach dem Durchschnittsentgelt von vier Wochen, sondern – wie die Revision meint – nach dem Tagesverdienst der Tage, an denen der Versicherte zufällig gearbeitet hat, berechnen, würde dieser ungerechtfertigt gegenüber einem Versicherten bevorzugt, der bei gleichem Stundenlohn wie der Kläger (9 DM) und einer 40-Stundenwoche in einem Dauerarbeitsverhältnis steht. Bei jenem betrüge im Falle der Arbeitsunfähigkeit das tägliche Regelentgelt gemäß § 47 Abs 2 Sätze 1 und 2 SGB V 51,43 DM (1.440 DM: 160 = 9 DM; 9 DM × 40 = 360 DM; 360 DM: 7 = 51,43 DM), beim Kläger dagegen wäre bei Nichtberücksichtigung des Mindestbemessungszeitraums von einem täglichen Regelentgelt von 54 DM auszugehen. Darin läge aber eine mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) nicht zu vereinbarende Benachteiligung eines Versicherten, der weit mehr als das Zehnfache innerhalb von vier Wochen verdient als der Kläger.
Demnach ist beim Kläger das tägliche Regelentgelt in entsprechender Anwendung des § 47 Abs 2 Sätze 1 und 2 SGB V in der Weise zu ermitteln, daß sein ihm innerhalb von vier Wochen nach dem Arbeitsvertrag zustehendes und nicht um Einmalzahlungen zu kürzendes Arbeitsentgelt in Höhe von 108 DM durch 28 (Tage) zu dividieren ist, was ein Regelentgelt von täglich (aufgerundet) 3,86 DM ergibt. 80 vH dieses Betrages, dh (aufgerundet) 3,09 DM, stellen das dem Kläger zustehende Verletztengeld dar.
Die Einbeziehung der regelmäßigen Wochenstunden in die Berechnung des Regelentgelts kann hier ausnahmsweise unterbleiben. Sie dient dem Zweck, unregelmäßig vorkommende Überstunden aus der Berechnung zu entfernen (vgl Begründung zu § 13 Abs 3 des Entwurfs eines RehaAnglG, BT-Drucks 7/1237 S 59). In den Fällen, in denen nur in den regelmäßigen Wochenstunden gearbeitet wurde, in denen also die Zahl der tatsächlich in vier Wochen geleisteten Arbeitsstunden dem Vierfachen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden entspricht, läßt sich das tägliche Regelentgelt mit gleichem Ergebnis stets auf zwei Weisen errechnen, einmal in der durch § 47 Abs 2 Sätze 1 und 2 SGB V vorgeschriebenen Weise über die Ermittlung des regelmäßigen Wochenentgelts, zum anderen mittels Division des in vier Wochen erzielten Entgelts durch 28. Da im vorliegenden Fall einerseits von einem Vierwochenentgelt des Klägers von 108 DM, andererseits davon ausgegangen werden muß, daß regelmäßige wöchentliche Arbeitsstunden und Überstunden nicht vorliegen, bedarf es bei der Berechnung des Regelentgelts des Umwegs über die Errechnung eines regelmäßigen Wochenentgelts nicht.
Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten läßt sich im vorliegenden Fall auch Satz 3 des § 47 Abs 2 SGB V nicht in dem Sinne entsprechend anwenden, daß zur Ermittlung des tatsächlichen Regelentgelts der dem Kläger nach dem Arbeitsvertrag zustehende Betrag von 108 DM durch 30 zu teilen sei. Diese Vorschrift ist hier nicht anwendbar, weil das Arbeitsentgelt des Klägers nach Stunden bemessen ist und Satz 3 sich von den Sätzen 1 und 2 des § 47 Abs 2 SGB V dadurch unterscheidet, daß er nur die Beschäftigungsverhältnisse erfaßt, bei denen das Arbeitsentgelt nicht nach Stunden bemessen ist, während unter die Sätze 1 und 2 die nach Stunden bemessenen fallen (vgl KassKomm-Höfler, § 47 SGB V RdNr 25; Schmidt in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 47 SGB V RdNr 62; Krauskopf/Baier, SozKV, § 47 SGB V RdNrn 27/28; GK-Wagner SGB V, § 47 SGB V RdNrn 30/31; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, 12. Aufl, § 47 SGB VII RdNr 29; Schmitt, SGB VII, § 47 Nr 13; GemRdSchr der Spitzenverbände vom 12. Mai 1987, Nr 1.2.2, abgedruckt bei Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 561 Anm 4d; HVBG RdSchr VB 40/95 vom 11. Mai 1995 = HVBG-INFO 1995, 1363; - aA: Benz, WzS 1998, 213 ff).
Gegen die Anwendung des § 47 Abs 2 Satz 3 SGB V auf Arbeitsentgelt, das nach Stunden bemessen ist, spricht, daß das nach dieser Vorschrift berechnete Regelentgelt fiktiven Charakter hat (gilt … als Regelentgelt). Das ist dadurch bedingt, daß bei einer Bemessung des Arbeitsentgelts nach Monaten ein genau auf den Tag berechnetes Regelentgelt unterschiedlich ausfiele, je nachdem, wieviel Tage der jeweilige Kalendermonat hat. Entsprechendes gilt, wenn das Entgelt nach Stücken, anderen Einheiten oder dem Arbeitserfolg bemessen wird oder es sich sonst einer Stundenzahl nicht zuordnen läßt, weil es dann wie nach Monaten bemessenes Entgelt behandelt wird. Ist aber – wie hier – das Arbeitsentgelt nach Stunden bemessen, bedarf es keiner Fiktion des Regelentgelts, weil sich dieses konkret berechnen läßt.
Da den Feststellungen des SG zu entnehmen ist, daß es sich bei den von dem Landwirt geschuldeten Arbeitsentgelt von insgesamt 108 DM um einen Nettolohn handelt, kommt eine Kürzung des Verletztengeldes von 3,09 DM nach § 47 Abs 1 Satz 2 SGB V nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, daß die Revision nur zu einem unerheblichen Teil erfolgreich war.
Fundstellen
Haufe-Index 542827 |
BSGE, 41 |
NZS 1999, 462 |
SGb 1999, 637 |
SozSi 1999, 415 |
SozSi 2000, 317 |