Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeld. Urlaubsgeld. Urlaubsentgelt. Akzessorische Arbeitgeberleistung. Urlaubsunabhängige Zahlung des Urlaubsgelds. Sonderzuwendung außerhalb des laufenden Arbeitsentgelts. Insolvenzereignis. Zusatzvereinbarung. Fälligkeitsabrede
Leitsatz (redaktionell)
- Wird das Urlaubsgeld als eine über das Urlaubsentgelt i.S.v. §§ 1, 11 BUrlG hinausgehende akzessorische Arbeitgeberleistung für die Dauer des Urlaubs gewährt, mit der urlaubsbedingte Mehraufwendungen ausgeglichen werden sollen und ist es deshalb als Teil der Urlaubsvergütung ausgestaltet, so ist es nur zu zahlen, wenn tatsächlich Urlaub gewährt wird und ein Anspruch auf Urlaubsvergütung besteht. In diesem Fall ist das Urlaubsgeld auch insolvenzgeldrechtlich nur zu berücksichtigen, soweit es für die Zeit der Urlaubstage in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzereignis vom Arbeitgeber zu zahlen gewesen wäre.
- Wird das zusätzliche Urlaubsgeld dagegen urlaubsunabhängig gezahlt, ist es wie jede andere jährliche Sonderzuwendung außerhalb des laufenden Arbeitsentgelts (z.B. Weihnachtsgeld etc.) nur dann berücksichtigungsfähig, wenn es sich ganz oder anteilig den dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monaten zuordnen lässt.
Normenkette
SGB III § 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. September 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt höheres Insolvenzgeld (Insg) unter Berücksichtigung von Urlaubsgeld.
Der Kläger war seit 1997 bei der F… Z… GmbH … (im Folgenden Arbeitgeberin) als Verkaufssachbearbeiter beschäftigt. Der schriftliche Arbeitsvertrag in seiner aktuellen Fassung vom 22. Januar 1998 enthielt in § 9 unter der Überschrift “Urlaub” folgende Regelung:
Nr 9
“Der Arbeitnehmer erhält ein Urlaubsgeld in Höhe von 70 % der in § 3 festgelegten Arbeitsvergütung. Dieses wird mit der Juli-Abrechnung ausbezahlt.”
Nr 12
“Die Urlaubsgratifikation steht dem Arbeitnehmer auch nur zu, wenn er sich am 30.06. des Urlaubsjahres in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet und das Arbeitsverhältnis am 30.06. auch nicht auf Grund eines solchen Aufhebungsvertrages endet, der nicht auf betriebsbedingten Gründen oder auf anderen Gründen, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat, beruht.
Scheidet der Arbeitnehmer nach Empfang der Gratifikation bis zum 30.09. des Urlaubsjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus, ist er zur Rückzahlung der Urlaubsgratifikation verpflichtet, es sei denn, das Arbeitsverhältnis endet vorzeitig aus betriebsbedingten oder aus anderen Gründen, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat.”
Der Kläger hatte mit der Arbeitgeberin am 9. Juli 2002 folgende Zusatzvereinbarung zum Urlaubsgeld 2002 abgeschlossen:
“Zwischen den Arbeitsvertragsparteien besteht Einigkeit darüber, dass das einmalige Urlaubsgeld gemäß § 9 bzw 10 des gültigen Arbeitsvertrages für das Kalenderjahr 2002 auf Wunsch des Arbeitnehmers erst mit der Abrechnung November 2002 ausbezahlt wird.
Diese Maßnahme dient lediglich der Berechnung der Direktversicherungsbeiträge aus Einmalzahlungen und erfolgt ausdrücklich auf Wunsch des Arbeitnehmers.
Durch die Verschiebung des Auszahlungszeitraumes werden die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht berührt.
Sollte der Arbeitnehmer vor November 2002 aus dem Unternehmen ausscheiden, egal aus welchem Grund, so wird das Urlaubsgeld sofort fällig und mit der folgenden Abrechnung ausbezahlt.”
Am 1. Januar 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnet. Die Beklagte leistete an den Kläger im Wege der Vorfinanzierung Insg, und zwar in Höhe des laufenden Nettoarbeitsentgelts einschließlich Weihnachtsgeld für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2002. Die Leistung höheren Insg unter Einbeziehung des Urlaubsgeldes für das Jahr 2002 lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 9. Dezember 2003 und Widerspruchsbescheid vom 25. März 2004).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2005). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 21. September 2005). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Maßgeblich für die Zuordnung des zusätzlichen Urlaubsgeldes zum Insg-Zeitraum sei die konkrete Ausprägung des Vergütungsanspruchs im Einzelfall. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien in diesem Zusammenhang der arbeitsrechtliche Entstehungsgrund und die Zweckbestimmung der Leistung entscheidend. Nach den arbeitsvertraglichen Regelungen sei das Urlaubsgeld als urlaubsneutrale Sonderzahlung ohne anteiligen Bezug zu bestimmten Zeiträumen ausgestaltet gewesen. Ordne man im Hinblick auf die Stichtagsregelung zum 30. Juni und den möglichen Zeitpunkt des Eintritts einer auflösenden Bedingung für eine etwaige Rückzahlungsverpflichtung zum 30. September das Urlaubsgeld dem dazwischen liegenden Zeitraum zu, umfasse dieser ebenfalls nicht den Insg-Zeitraum. Sowohl der Stichtag selbst (30. Juni 2002) als auch der arbeitsvertraglich letztmögliche Auszahlungszeitpunkt zum 15. August 2002 liege jeweils außerhalb des Insg-Zeitraums. Die Fälligkeitsabrede vom 9. Juli 2002 ermögliche keine abweichende Beurteilung, da eine Stundung iS des Hinausschiebens der Fälligkeit nach der Rechtsprechung des BSG auch ungeachtet eines hier ersichtlich nicht gegebenen treuwidrigen Verhaltens der Parteien keine Einbeziehung des Anspruchs in den Insg-Zeitraum rechtfertige. Die Zusatzvereinbarung vom 9. Juli 2002 habe die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen unberührt lassen wollen, mithin sowohl den Stichtag als auch den unmittelbar anschließenden Auszahlungszeitpunkt.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 183 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch (SGB III). Das LSG habe die Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigungsfähigkeit von Jahressonderzahlungen angewandt, ohne den Besonderheiten des Falles Rechnung zu tragen. Die bisherige Rechtsprechung des BSG beziehe sich meist auf tarifliches Weihnachtsgeld, das nicht einem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden könne und bei dem die Auszahlung durch Betriebsvereinbarung auf das nächste Kalenderjahr verschoben worden sei. Während darüber hinaus beim Weihnachtsgeld eindeutig die Belohnung der in der Vergangenheit geleisteten Betriebstreue im Vordergrund stehe, diene das über das Urlaubsentgelt hinausgehende Urlaubsgeld nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) dazu, erhöhte Urlaubsaufwendungen zumindest teilweise abzudecken (Urteile vom 11. Januar 1990, DB 1990, 2377, und vom 15. November 1990, DB 1991, 865). Vorliegend sei die Zusatzvereinbarung vom 9. Juli 2002 nicht ausreichend berücksichtigt worden. Zweck der Regelung sei es gewesen, die im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung des Klägers gewählte Direktversicherung mit Entgeltumwandlung steuerbegünstigt ohne Einbußen am laufenden Arbeitsentgelt fortzuführen. In den Vorjahren habe jeweils das im November ausgezahlte Weihnachtsgeld in den jeweils zum Jahresende fällig werdenden Beitrag zur Direktversicherung umgewandelt werden können. Das Weihnachtsgeld habe aber bereits im Jahre 2001 zur Deckung des Versicherungsbeitrags nicht mehr ausgereicht, sodass im Jahr 2002 das Urlaubsgeld hierfür habe Verwendung finden sollen. Zur Sicherung der steuerrechtlichen (und sozialversicherungsrechtlichen) Vorteile habe deshalb die Entstehung und Fälligkeit in den November 2002 verlagert werden müssen. Da es den Parteien des Arbeitsvertrags unbenommen gewesen wäre, den Urlaubsgeldanspruch insgesamt neu zu regeln, müsse auch eine Abänderung nur hinsichtlich des Entstehungszeitpunkts und der Auszahlung für möglich gehalten werden, solange dies nicht bewusst zum Nachteil der Insolvenzversicherung geschehe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. September 2005 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. Februar 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, weiteres Insg unter zusätzlicher Berücksichtigung des Urlaubsgeldes 2002 in Höhe von 1.828,40 € brutto zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Die Vorinstanz hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf höheres Insg hat.
Gemäß § 183 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III idF des Gesetzes vom 10. Dezember 2001 (BGBl I 3443) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg ua, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören grundsätzlich alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis (§ 183 Abs 1 Satz 3 SGB III), somit auch das zusätzliche Urlaubsgeld. Dies hat das BSG in der Vergangenheit mehrfach entschieden (Urteil vom 1. Dezember 1976, 7 RAr 136/75 = BSGE 43, 49 = SozR 4100 § 141b Nr 2 zum Konkursausfallgeld ≪Kaug≫; Urteil vom 17. März 1993, 10 RAr 7/91 = SozR 3-4100 § 141b Nr 6 im Zusammenhang mit der Frage der Anrechnung anderweitig erzielten Arbeitsentgelts auf das Kaug). Für die Zuordnung zum Insg-Zeitraum kommt es jedoch entsprechend der Formulierung des Gesetzes in § 183 Abs 1 Satz 3 SGB III (“für die vorausgehenden drei Monate …”) maßgeblich darauf an, wann das Arbeitsentgelt erarbeitet worden ist (BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 23 mwN; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, K § 183, RdNr 83 ff; Peters-Lange in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 8 RdNr 154). Ausschlaggebend sind insoweit der arbeitsrechtliche Entstehungsgrund und die Zweckbestimmung der Leistung.
Wird das Urlaubsgeld als eine über das Urlaubsentgelt iS der §§ 1, 11 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) hinausgehende akzessorische Arbeitgeberleistung für die Dauer des Urlaubs gewährt, mit der urlaubsbedingte Mehraufwendungen ausgeglichen werden sollen (BAGE 66, 220 = DB 1991, 865 = NZA 1991, 346; BAGE 106, 22 = NZA 2004, 47) und ist es deshalb als Teil der Urlaubsvergütung ausgestaltet, so ist es nur zu zahlen, wenn tatsächlich Urlaub gewährt wird und ein Anspruch auf Urlaubsvergütung besteht (BAG NZA 1998, 666). In diesem Fall ist das Urlaubsgeld auch insg-rechtlich nur zu berücksichtigen, soweit es für die Zeit der Urlaubstage in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzereignis vom Arbeitgeber zu zahlen gewesen wäre (BSGE 43, 49 = SozR 4100 § 141b Nr 2; hieran anschließend LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28. August 2003, L 8 AL 180/02; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Oktober 2005, L 19/12 AL 272/04).
Wird das zusätzliche Urlaubsgeld dagegen urlaubsunabhängig gezahlt (hierzu BAGE 106, 22 = NZA 2004, 47), ist es entgegen der Auffassung der Revision wie jede andere jährliche Sonderzuwendung außerhalb des laufenden Arbeitsentgelts (zB Weihnachtsgeld etc) nur dann berücksichtigungsfähig, wenn es sich ganz oder anteilig den dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monaten zuordnen lässt. Arbeitsvertragliche Vereinbarungen bzw Regelungen, die bei vorherigem Ausscheiden des Arbeitnehmers einen zeitanteiligen Anspruch vorsehen, begründen dementsprechend einen Insg-Anspruch in Höhe des auf den Insg-Zeitraum entfallenden Anteils. Lässt sich die Sonderzuwendung nicht in dieser Weise einzelnen Monaten zurechnen, ist sie in voller Höhe bei dem Insg zu berücksichtigen, wenn sie im Insg-Zeitraum zu einem Stichtag im Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmern hätte ausgezahlt werden müssen. Ist dies nicht der Fall, findet sie überhaupt keine Berücksichtigung (im Rahmen des Kaug BSG, Urteil vom 10. September 1987, 10 RAr 10/86 = BSGE 62, 131 = SozR 4100 § 141b Nr 40; Urteil vom 7. September 1988, 10 RAr 13/87 = SozR 4100 § 141b Nr 42; Urteil vom 18. Januar 1990, 10 RAr 10/89 = SozR 3-4100 § 141b Nr 1; Urteil vom 2. November 2000, B 11 AL 87/99 R = SozR 3-4100 § 141b Nr 21 zur tariflichen Jahressondervergütung; im Rahmen des Insg BSG, Urteil vom 18. März 2004, B 11 AL 57/03 R = BSGE 92, 254 = SozR 4-4300 § 183 Nr 3; zuletzt Senatsurteil vom 21. Juli 2005, B 11a/11 AL 53/04 R, veröffentlicht in juris). Bloße Fälligkeitsvereinbarungen ohne Veränderung des Rechtsgrunds vermögen eine Änderung des Stichtags und damit eine Änderung in der zeitlichen Zuordnung der Sonderzuwendung nicht herbeizuführen (BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 21; Urteil vom 21. Juli 2005, B 11a/11 AL 53/04 R).
In Anwendung dieser Grundsätze hat das LSG – mangels tariflicher Bestimmungen – zunächst anhand des Arbeitsvertrages vom 22. Januar 1998 festgestellt, dass das Urlaubsgeld in § 9 des Vertrages als urlaubsneutrale auf das Jahr bezogene Sonderzahlung ausgestaltet und insoweit nicht mit der tatsächlichen Inanspruchnahme von Urlaub und der Gewährung einer Urlaubsvergütung verknüpft war. Diese Tatsachenfeststellung ist von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen worden. Ebenso wenig ist in Frage gestellt, dass das verbindlich zugesagte Urlaubsgeld in Ermangelung eines zeitanteiligen Anspruchs auf die Sonderzuwendung für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens – und insoweit gerade abweichend von der Regelung für freiwillige Sonderzuwendungen (vgl § 4 Nr 1 Abs 4) – nicht einzelnen Monaten, sondern dem jeweiligen Jahr zuzuordnen war. Unstreitig hat das Berufungsgericht zudem festgestellt, dass das Urlaubsgeld nach § 9 Nr 9 grundsätzlich in vollem Umfang mit der Juli-Abrechnung, nach Maßgabe des § 3 Nr 2 Satz 2 also spätestens zum 15. des Folgemonats (15. August 2002), ohne Rückzahlungsverpflichtung auszuzahlen war, wenn das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Nr 12 zum 30. Juni 2002 bestand und bis zum 30. September 2002 fortbestand. Damit lagen sämtliche als relevant in Betracht kommenden Stichtags-Zeitpunkte außerhalb des Insg-Zeitraums vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2002.
Ob das Urlaubsgeld dem Insg-Zeitraum dennoch mit der Folge eines höheren Insg zugeordnet werden kann, hängt demnach von Inhalt und Tragweite der Zusatzvereinbarung vom 9. Juli 2002 ab, mit der die Auszahlung des Urlaubsgeldes 2002 auf November 2002 verschoben worden ist. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Zusatzvereinbarung ausschließlich die Bedeutung einer insg-rechtlich unbeachtlichen Fälligkeitsabrede beigemessen werden kann. Gestützt hat es diese Auslegung in tatsächlicher Hinsicht vornehmlich auf den ausdrücklichen Hinweis in der Zusatzvereinbarung, dass durch die Verschiebung des Auszahlungszeitraums die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht berührt werden sollten. Diese Auslegung ist für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend, weil es den Tatsachengerichten obliegt, den Willen der Vertragsparteien festzustellen (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Die Revision rügt allerdings die fehlende Verwertung des Umstands, dass die Verschiebung des Zahltermins auf November 2002 lediglich der Berechnung der Direktversicherungsbeiträge aus Einmalzahlungen diente und ausdrücklich auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte. Auch dies kann jedoch nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Selbst unter der Voraussetzung, dass das Berufungsgericht die von ihm selbst festgestellten tatsächlichen Umstände nicht vollständig verwertet hat und das Revisionsgericht insoweit nicht gehindert ist, sie in seine Rechtsanwendung einzubeziehen (BSGE 75, 92 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10), wird durch die Zusatzvereinbarung vom 9. Juli 2002 keine vom ursprünglichen Arbeitsvertrag abweichende Regelung zum Entstehungsgrund des Urlaubsgelds getroffen.
Entgegen der Auffassung der Revision zeigt die in der Vereinbarung geregelte sofortige Fälligkeit des Urlaubsgeldes für den Fall des Ausscheidens vor November 2002 nur, dass der zum Stichtag des 30. Juni 2002 entstandene Anspruch auf Urlaubsgeld im Interesse des Arbeitnehmers zusätzlich gesichert werden sollte, nämlich für den bisher noch nicht geregelten Zeitraum zwischen dem 1. und 31. Oktober 2002. Denn nach der Vereinbarung sollten gleichzeitig “durch die Verschiebung des Auszahlungszeitraumes die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht berührt” werden. Danach aber sollte insbesondere weder der Stichtag noch die Rückzahlungsverpflichtung für den Fall des zu vertretenden Ausscheidens bis zum 30. September 2002 geändert werden. Für die gegenteilige Interpretation durch die Revision ist unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage nicht erklärbar, warum es sonst einer solchen Regelung bedurft hätte.
Die in der Zusatzvereinbarung vom 9. Juli 2002 geregelte Verschiebung diente, wie von den Vertragsparteien ausdrücklich hervorgehoben, lediglich dazu – nicht mehr und nicht weniger –, den zum Stichtag am 30. Juni 2002 verbindlich erworbenen und ursprünglich spätestens am 15. August 2002 fälligen Anspruch auf Urlaubsgeld zur Tilgung des zum Jahresende fälligen Jahresbeitrags aus der Direktversicherung vorzuhalten. Auf diese Weise sollten die von der Revision vorgetragenen steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vergünstigungen der mit der Direktversicherung verbundenen Entgeltumwandlung iS des § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) genutzt werden, nämlich die im Jahr 2002 maßgebliche Pauschalbesteuerung nach § 40b Einkommensteuergesetz (EStG) und die Beitragsfreiheit nach § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 Arbeitsentgeltverordnung (ArEV).
Bei dieser Fallgestaltung wird der Arbeitsentgeltanspruch (iS eines Barauszahlungsanspruchs) durch eine Zusage des Arbeitgebers zur Aufbringung der Prämien für die Direktversicherung ersetzt. Ob bereits damit zugleich der Verlust des Arbeitsentgeltcharakters verbunden ist (so die Durchführungsanweisungen der Beklagten zu § 183 SGB III – DA 5.2 Abs 6 und 7 –; SG Berlin, Urteil vom 27. Januar 2005, S 60 AL 4686/04; Niesel/Roeder, SGB III, Komm, 3. Auflage, § 183, RdNr 74; zum Beitragsrecht vgl Seewald in Kasseler Komm, SGB IV, § 14, RdNr 78) bedarf an dieser Stelle keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch die Insg-Fähigkeit umgewandelter Entgeltansprüche muss entsprechend dem Sinn und Zweck des Insg am Erarbeitensprinzip gemessen werden. Auf dieser Grundlage aber kann, wie oben dargestellt, das Urlaubsgeld für 2002 jedenfalls nicht dem Insg-Zeitraum zugeordnet werden. Es gab auch keine Veranlassung, zum Zeitpunkt der Zusatzvereinbarung vom 9. Juli 2002 weiterreichende Regelungen zum Entstehungsgrund des Urlaubsgelds zu treffen. Denn aus steuerrechtlicher Sicht war auf Grund einer entsprechenden Weisungslage ab dem 1. Januar 2002 sogar die Umwandlung schon erdienter, aber noch nicht fälliger Sonderzahlungen anerkennungsfähig (s hierzu Blomeyer/Otto, BetrAVG, Komm, 3. Auflage, § 1, RdNr 119). Auch das BSG hatte zu dieser Zeit für die Beitragsfreiheit von Direktversicherungsprämien ausreichen lassen, dass diese aus Sonderzahlungen entrichtet wurden (BSGE 81, 21 = SozR 3-5375 § 2 Nr 1; vgl insbesondere den Hinweis zum Vertrauensschutz angesichts der nachfolgenden Rechtsentwicklung in BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1 RdNr 30).
Zusammenfassend erweist sich deshalb der Standpunkt des LSG als richtig. Das Urlaubsgeld stellt auch in dem Umfang, in dem es mit Hilfe der Zusatzvereinbarung vom 9. Juli 2002 im Wege der Entgeltumwandlung der Direktversicherung des Klägers zugeführt werden sollte, kein dem Insg-Zeitraum zuordnungsfähiges Arbeitentgelt dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1541119 |
NZI 2007, 50 |
info-also 2006, 220 |