Entscheidungsstichwort (Thema)
Schiedsspruch. Festlegung der Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen. Bestimmung des Gesamtausgabenvolumens. Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung. Ausnahmen müssen sich mit hinreichender Deutlichkeit aus Gesetz ergeben
Leitsatz (amtlich)
1. Wird die Gesamtvergütung (evtl nur teilweise) auf der Grundlage von Einzelleistungen festgelegt, so ist das daraus entstehende (Gesamt-)Ausgabenvolumen zu bestimmen und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung zu treffen.
2. Ausnahmen von diesen Vorgaben müssen sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Gesetz ergeben. Allgemeine Erwägungen wie die Notwendigkeit der Gewährleistung der medizinischen Versorgung können eine Ausnahme nicht begründen.
Normenkette
SGB V § 71 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, § 85 Abs. 2 S. 2 Fassung: 2001-12-11, S. 7 Fassung: 2001-12-11, Abs. 3 Sätze 1-2, Abs. 2a, § 86 Fassung: 1992-12-21
Verfahrensgang
Tatbestand
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs, der das Gesamtvergütungsvolumen teilweise auf der Grundlage von Einzelleistungen bemessen hat.
Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen einerseits den Verbänden der Ersatzkassen (damals: Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. und Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V.), deren Rechtsnachfolger der klagende Ersatzkassen-Verband (vdek) ist, und andererseits der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) über die Gesamtvergütung für das Jahr 2002 setzte das beklagte Landesschiedsamt den Vertragsinhalt fest (Beschluss vom 29.10.2002/Bescheid vom 27.11.2002). Der Beklagte legte die Gesamtvergütungsvereinbarung für das Jahr 2001 als Ausgangsbasis zugrunde, bereinigte diese um diverse Leistungen (Nr 71 bis 73, 77 und 79 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen, Betreuung von Patienten mit apallischem Syndrom sowie Onkologiepauschalen) und erhöhte das verbliebene Volumen um 1,8 % (Ziff 2.1.1 und 2.2 der Vereinbarung). Außerdem legte er für diese und weitere Leistungen jeweils bestimmte Punktwerte oder Mindestpunktwerte fest, deren Gewährung zusätzlich zu dem genannten - um 1,8 % erhöhten - Ausgabenvolumen zu erfolgen hatte (Ziff 2.3 bis 2.5, 2.7 bis 2.9, 4.1 iVm 4.5: feste Punktwerte zwischen 3,6 und 5,1 Cent jeweils "außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung nach Ziffer 2.2", sowohl für die genannten bereinigten Leistungen als auch für weitere Leistungen wie Vorsorgeuntersuchungen, Substitutionsbehandlungen, Schutz-impfungen, Photodynamische Therapien, künstliche Befruchtung, Betreuung von Patienten mit apallischem Syndrom, sowie Mindestpunktwerte für organisierten Notfalldienst und für Zuschläge zum ambulanten Operieren sowie zu Operations- und Anästhesieleistungen). In dem Bescheid wird zu der Erhöhung um 1,8 % ausgeführt, dass dem Anteile von 1,01 % für Tariferhöhungen für Arzthelferinnen, von 0,5 % für den schrittweisen Abbau von Versorgungsdefiziten zugrunde liege sowie von 0,29 % für die veränderte Altersstruktur, damit weiterhin die notwendige medizinische Versorgung gewährleistet werden könne. Weder werde die höchstzulässige Steigerungsrate von 1,87 % für die Erhöhung der Gesamtvergütung ausgeschöpft noch zu Beitragssteigerungen beigetragen.
Der Kläger, der vor allem die Verpflichtungen zu außerbudgetärer Honorierung zahlreicher Einzelleistungen und das Fehlen einer Gesamtausgabenobergrenze beanstandete, ist mit Klage und Berufung erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 30.11.2005 und des LSG vom 30.1.2008). Im Urteil des LSG ist ausgeführt, das Schiedsamt habe bei der Festsetzung des Vertragsinhalts denselben Gestaltungsspielraum, wie ihn die Vertragspartner selbst hätten. Der vom Beklagten festgesetzte Vertragsinhalt genüge allerdings nicht den Anforderungen des § 85 Abs 2 Satz 2 iVm Satz 7 SGB V (vorliegend anzuwenden in der im Jahr 2002 in Kraft gewesenen Fassung). Hiernach hätte die an sich zulässige Festlegung von Einzelleistungsvergütungen außerhalb der Gesamtvergütung (sog "ausgedeckelte" Leistungen) ergänzt werden müssen um die Bestimmung eines Gesamtbetrags des Ausgabenvolumens und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung. Die vom Kläger insoweit erhobenen Beanstandungen könnten aber nicht durchdringen. Denn die Vorgaben des § 85 Abs 2 Satz 2 iVm Satz 7 SGB V hätten keine absolute Geltung. Dies zeige sich im Kontext mit dem damals noch geltenden § 86 SGB V. Die Empfehlungen, die hiernach von den Spitzenverbänden der Krankenkassen (KKn) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) abzugeben seien und für bestimmte Leistungen feste Punktwerte außerhalb der Gesamtvergütung vorgäben, seien für die Vertragspartner und das Schiedsamt grundsätzlich verbindlich. Der Kläger könne mit seinen Einwendungen zudem aufgrund von Treu und Glauben nicht durchdringen. Denn er bzw seine Rechtsvorgänger hätten für andere Zeiträume Gesamtvergütungsvereinbarungen der hier beanstandeten Art selbst abgeschlossen. Inhaltlich sei der Schiedsspruch auch deshalb nicht zu beanstanden, weil er sich insgesamt am Grundsatz der Beitragssatzstabilität orientiert habe. Zwar ergebe sich durch die ausgedeckelten Leistungen ein höherer Steigerungssatz als die höchstzulässige Veränderungsrate von 1,87 %. Dies sei aber gerechtfertigt, weil andernfalls - wegen gestiegener Praxiskosten durch Tariferhöhungen für Arzthelferinnen und veränderter Altersstruktur der Versicherten - die notwendige medizinische Versorgung nicht hätte gewährleistet werden können. Der Schiedsspruch stelle ausdrücklich darauf ab, der Gefahr von Versorgungsdefiziten zu begegnen, was als Rechtfertigung zu akzeptieren sei.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Er macht geltend, der Beklagte habe außerhalb der Gesamtvergütung Einzelleistungsvergütungen festgelegt, die insgesamt zu einer Überschreitung der höchstzulässigen Veränderungsrate gemäß § 71 Abs 3 SGB V von 1,87 % geführt hätten. Neben der Erhöhung der um verschiedene Leistungen bereinigten Ausgangsbasis des Vorjahres um 1,8 % seien zusätzliche Honorierungen "außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung nach Ziffer 2.2 " festgelegt worden, zum Teil in Gestalt fester Punktwerte und zum anderen Teil in Gestalt sogenannter unterer Interventionspunktwerte. Dadurch ergebe sich eine Steigerung der Gesamtvergütung um insgesamt über 3 % statt höchstzulässiger 1,87 %. Diese hohe Steigerung der Gesamtvergütung lasse sich nicht durch die Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1 und Abs 2 Satz 2 SGB V rechtfertigen. Außerdem sei die Gesamtvergütung teilweise auf der Grundlage von Einzelleistungen festgelegt worden. Dies müsste entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sein wie in § 85 Abs 2a SGB V für Substitutionsbehandlungen und in § 85 Abs 2 Satz 5 SGB V für bestimmte Gesundheits- und Kinderuntersuchungen. Oder die Festlegung hätte gemäß § 85 Abs 2 Satz 2 iVm Satz 7 SGB V ergänzt werden müssen um die Bestimmung eines Gesamtbetrags des Ausgabenvolumens und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung. Dies sei eine absolute Vorgabe. Bei anderer Auslegung bestünde die Gefahr ausufernder Festlegung von Einzelleistungsvergütungen sowie einer Mengenexplosion; zudem ergäbe sich eine Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz der Steigerung der Gesamtvergütung nur entsprechend der Grundlohnsummensteigerung und dem damit verbundenen Ziel der Vermeidung von Beitragssatzerhöhungen. Soweit sich das Berufungsgericht auf den Ausnahmetatbestand andernfalls nicht gewährleisteter medizinischer Versorgung berufe, gehe dies fehl. Ein solcher Fall könne nur angenommen werden, wenn - jedenfalls in einem Teilbereich - kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr bestünde, vertragsärztlich tätig zu werden, und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet wäre. Greifbare Anhaltspunkte dafür habe der Beklagte nicht dargelegt, und sie seien auch nicht erkennbar. Ein unterschiedliches Vergütungsniveau zwischen den alten und den neuen Bundesländern reiche dafür nicht aus. Zu geringe finanzielle Anreize seien zumal für den Ersatzkassenbereich nicht plausibel, da in den Bereichen einiger Primärkassen die Kopfpauschalen geringer seien, ohne dass hier Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Versorgung bestünden. Der Ausnahmetatbestand gemäß § 71 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB V scheitere schließlich auch daran, dass es an der Ausschöpfung der Wirtschaftlichkeitsreserven fehlen dürfte.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Januar 2008 und des Sozialgerichts Schwerin vom 30. November 2005 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Schiedsspruchs vom 29. Oktober 2002 zu verpflichten, den Inhalt der Gesamtvergütungsvereinbarung für das Jahr 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu festzusetzen.
Das beklagte Landesschiedsamt und die beigeladene KÄV beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Das beklagte Landesschiedsamt verteidigt das Urteil des LSG. Die Gestaltungsfreiheit des Schiedsamtes sei nicht geringer als diejenige der Vertragspartner. Der Schiedsspruch sei auch nicht aufsichtsrechtlich beanstandet worden. Der Kläger sei mit seiner Rüge der Missachtung des § 85 Abs 2 Satz 2 iVm Satz 7 SGB V ausgeschlossen; denn er habe in anderen Fällen selbst Vereinbarungen geschlossen, die die Honorierung bestimmter Leistungen außerhalb der Gesamtvergütung vorgesehen hätten, ohne dass der Betrag des Ausgabenvolumens bestimmt und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung getroffen worden sei. Zumal habe der Kläger selbst - in der Schiedsamtsverhandlung - Vorschläge zur Ausdeckelung einzelner Leistungen vorgebracht. Ein Rechtsverstoß scheide überdies auch insoweit aus, als gemäß dem damaligen § 86 SGB V für bestimmte Leistungen feste Punktwerte außerhalb der Gesamtvergütung empfohlen worden seien. Die Vorgaben des § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V seien nicht zwingend. Diese Auslegung liege insbesondere dann nahe, wenn - wie hier - im Zeitpunkt des Schiedsspruchs ohnehin kein Raum mehr für steuernde Auswirkungen gewesen sei.
Die beigeladene KÄV macht ebenfalls geltend, das Berufungsurteil sei nicht zu beanstanden. Unzutreffend sei schon das Vorbringen des Klägers, der Schiedsspruch habe zu einer Ausgabenerhöhung um mehr als 3 % statt höchstzulässiger 1,87 % geführt. Dies habe das LSG so nicht festgestellt; es habe nur wiedergegeben, dass der Kläger die Steigerung von 2001 zu 2002 auf mehr als 3 % berechnet habe. Nach ihren - der Beigeladenen - Berechnungen ergebe sich als Steigerung ein anderer Betrag, der je nach Berechnungsweise gering bis erheblich davon abweiche. Zutreffend habe das LSG dem Kläger vorgehalten, in den Jahren 2001 und 2005 ähnliche Regelungen für die Gesamtvergütung und für "ausgedeckelte" Leistungen vereinbart zu haben, sodass seine hier erhobenen Einwände treuwidrig seien. Das LSG habe auch zu Recht ausgeführt, dass die Vorgaben des § 85 Abs 2 Satz 2 iVm Satz 7 SGB V keine absolute Geltung beanspruchen könnten, wie sich insbesondere im Kontext mit dem damaligen § 86 SGB V zeige, der für Gesamtvergütungsvereinbarungen verpflichtende Empfehlungen der Bundesspitzenverbände der KKn und der KÄBV für feste Punktwerte bei bestimmten Leistungen vorsehe. § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V erfasse nicht den Fall, dass Leistungen von den Vertragspartnern aus der Gesamtvergütung herausgenommen würden, so wie gemäß § 85 Abs 2a SGB V bestimmte Leistungen bereits durch das Gesetz herausgenommen worden seien. Insoweit gelte § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V nicht. Die Vereinbarkeit der Festsetzungen des Schiedsspruchs mit Satz 7 ergebe sich auch aus dessen Sinn und Zweck; denn für das mit dieser Regelung intendierte Steuerungsziel sei im Zeitpunkt des Schiedsspruchs vom Oktober/November 2002 kaum noch Raum gewesen. Zudem seien die ausgedeckelten Leistungen gezielter Leistungsausweitung ohnehin nicht zugänglich, hätten vielmehr - wie im Bereich ambulanten Operierens - Einsparungen erwarten lassen. Mithin habe es für eine Gefährdung der Beitragssatzstabilität im Sinne des § 71 SGB V keinen Ansatzpunkt gegeben. Bei Einhaltung dieses Grundsatzes sei kein Raum für die Annahme eines Verstoßes gegen § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V, denn dieser Grundsatz sei vorrangig. Dieser Grundsatz sei auch mit der Erhöhung der Kopfpauschale um nur 1,8 % eingehalten worden. Zudem sei der Ausnahmetatbestand des § 71 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB V gegeben. Bei der Einschätzung, ob solche Defizite in der medizinischen Versorgung bestünden und Wirtschaftlichkeitsreserven ausgeschöpft seien, hätten die Vertragspartner und ebenso das Schiedsamt einen Beurteilungsspielraum, so wie bei der Ausgestaltung der Gesamtvergütung insgesamt ein weites Ermessen gegeben sei, insbesondere bei der Auswahl zwischen den - und bei der Kombination von - Berechnungsarten vor allem der Kopfpauschale und der Einzelleistungsvergütung. Für Wirtschaftlichkeitsreserven habe der Kläger nichts vorgetragen. Der Schiedsspruch sei ferner gerechtfertigt, um dem Gebot der Gewährleistung angemessener Vergütung Rechnung zu tragen, dh ausreichende Anreize zu schaffen, sich für die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit zu interessieren. Schließlich sei die Rechtsverfolgung des Klägers, dass die Vorgaben des § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V nicht eingehalten seien, wegen der von ihm bzw seinen Rechtsvorgängern anderweitig abgeschlossenen - inhaltlich vergleichbaren - Gesamtvergütungsvereinbarungen auch ohnehin rechtsmissbräuchlich.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Der angefochtene Schiedsspruch, mit dem die Gesamtvergütung festgelegt wurde, die die Ersatzkassen für das Jahr 2002 an die beigeladene KÄV zu entrichten haben, ist aufzuheben und der Beklagte zu verpflichten, den Inhalt der Gesamtvergütungsvereinbarung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu festzusetzen.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der vom Kläger angefochtene Schiedsspruch, soweit der Kläger Einwendungen gegen dessen Rechtmäßigkeit erhoben hat. Nur hierüber hat das Gericht zu entscheiden (zur Eingrenzung der gerichtlichen Überprüfung siehe zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 7 f; vgl auch BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 22 mwN). Werden Inhalte des Schiedsspruchs gerichtlich beanstandet, so ist insoweit vom beklagten Landesschiedsamt eine neue Regelung zu treffen. Soweit es dafür auch weiterer Neufestlegungen bedarf, weil sonst der gesetzlich vorgegebene Rahmen (zB Begrenzung der Erhöhung nach Maßgabe der gemäß § 71 SGB V festgelegten Veränderungsrate) nicht eingehalten werden kann, ist das dem Schiedsamt nicht verwehrt (Fortentwicklung und Klarstellung zu BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 7 f; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 21 bis 23).
2. Der Kläger hat mit seinem Neubescheidungsbegehren gemäß § 54 Abs 1 iVm § 131 Abs 3 SGG - mit dem Ziel, einen inhaltlich neuen Schiedsspruch zu erreichen - die zutreffende Klageart gewählt. Die damit geltend gemachte Verpflichtung zum Erlass eines neuen Verwaltungsaktes berücksichtigt, dass die Festsetzung der Gesamtvergütung durch ein Schiedsamt als Verwaltungsakt anzusehen ist (BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 10 mwN).
3. Die Revision des Klägers hat in der Sache Erfolg. Der Beklagte ist verpflichtet, seinen Schiedsspruch neu zu fassen. Der angefochtene Schiedsspruch, mit dem die Gesamtvergütung festgelegt wurde, die die Ersatzkassen an die beigeladene KÄV zu entrichten haben, ist rechtswidrig, weil die Gesamtvergütung zum Teil auf der Grundlage von Einzelleistungen bemessen wurde, ohne dass der Betrag des Ausgabenvolumens bestimmt und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung getroffen wurde (§ 85 Abs 2 Satz 2 iVm Satz 7 SGB V, hier zugrunde zu legen in der im Jahr 2002 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte vom 11.12.2001, BGBl I 3526).
Bei den Vorgaben des § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V handelt es sich um eine zwingende rechtliche Regelung, deren Beachtung der gerichtlichen Überprüfung unterliegt (zur eingeschränkten Kontrolldichte gegenüber Schiedssprüchen siehe die stRspr, zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11, und BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13 mwN).
a) Der Kläger ist nicht gehindert, diesen Rechtsverstoß geltend zu machen. Ohne Bedeutung ist, ob er selbst Vereinbarungen der hier von ihm beanstandeten Art für andere Zeiträume abgeschlossen hat. Der Beklagte und die Beigeladene machen insoweit geltend, sowohl die vom Kläger für 2001 abgeschlossene Gesamtvergütungsvereinbarung vom 24.4.2002 als auch die Vereinbarung vom 19.9.2005 über Nachvergütungen für Psychotherapeuten hätten Regelungen über Honorierungen außerhalb der Gesamtvergütung enthalten, ohne dass der Betrag des Ausgabenvolumens bestimmt und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung getroffen worden sei. Aus einem solchen Verhalten des Klägers kann indessen nicht abgeleitet werden, er wäre gehindert, in vergleichbaren Konstellationen eine Verletzung des § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V zu rügen. In der Geltendmachung des Rechtsverstoßes im vorliegenden Fall liegt auch kein rechtsmissbräuchliches oder sonst wie mit Treu und Glauben unvereinbares Verhalten.
Zu berücksichtigen ist nämlich, dass Gesamtvergütungsregelungen komplexe Situationen betreffen und aus verschiedensten Einzelelementen bestehen können, die kompromisshaft "zu einem Gesamtpaket geschnürt" werden. Bei deren Festlegung werden Kompromisse vor allem zwischen den unterschiedlichen Positionen von KKn und KÄV gesucht; unter Umständen bedarf es auch des Kompromisses zwischen unterschiedlichen Vorstellungen der verschiedenen beteiligten KKn (§ 82 Abs 2 Satz 2 SGB V). Dies kann dazu führen, dass eine KK oder ein KKn-Verband in einer konkreten Situation in bestimmten Punkten nachgibt und sich auf Regelungen einlässt, die an sich nicht ihrer/seiner Vorstellung entsprechen. Aufgrund dieses Kompromisscharakters von Gesamtvergütungsregelungen kann aus dem Verhalten eines Vertragspartners in Einzelpunkten keine weitergehende Folgerung gezogen werden, etwa in dem Sinne, er habe einen bisher von ihm eingenommenen gegenteiligen Standpunkt aufgegeben oder erkläre insoweit einen Verzicht auf eine später mögliche Rüge oder auf einen späteren Rechtsbehelf.
Ein Ausschluss späterer Rüge bzw späteren Rechtsbehelfs könnte nur dann in Betracht kommen, wenn die KK - zB in einer Verhandlung mit entsprechender Aufnahme in die Niederschrift - ausdrücklich einen entsprechenden Rügeverzicht erklärt hätte. Liegt aber ein derartiger Verzicht nicht vor, so ist es jedem Vertragspartner unbenommen, in späteren Verfahrensstadien Rechtsbehelfe einzulegen und Rügen vorzubringen, ungeachtet dessen, ob diese möglicherweise zu seinen bisherigen Verhandlungspositionen während der Gesamtvergütungs- und/oder der Schiedsamtsverhandlungen in Widerspruch stehen.
b) Keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob der Schiedsspruch möglicherweise zusätzlich zu dem Verstoß gegen § 85 Abs 2 Satz 2 iVm Satz 7 SGB V (hierzu siehe unten 3. c) auch deshalb rechtswidrig war, weil er eine Steigerung der Gesamtvergütung über das Maß hinaus vorsah, das gemäß § 85 Abs 3 Satz 1 und Satz 2 iVm § 71 SGB V höchstens zulässig war. Hiernach darf die Gesamtvergütung im Vergleich zum Vorjahr höchstens um die gemäß § 71 Abs 3 Satz 1 SGB V festgelegte Veränderungsrate steigen, es sei denn, einer der Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1 oder Abs 2 Satz 2 SGB V läge vor. Vorgaben für eine Mindeststeigerung sind nicht normiert; ein Anspruch auf volle Ausschöpfung der Veränderungsrate besteht nicht (siehe hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 30 bei geschmälerter Leistungskraft einer KK).
Die im Normalfall höchstzulässige Steigerung, dh die Veränderungsrate, hatte das Bundesministerium für Gesundheit für die Gesamtvergütungen von 2001 auf 2002 gemäß § 71 Abs 3 Satz 1 SGB V auf 1,87 % festgelegt (hierzu siehe BAnz Nr 185 vom 2.10.2001, S 21226: Veränderungsrate für die in Art 1 Abs 1 des Einigungsvertrages genannten Länder). Nach dem Urteil des LSG wurde dieser Prozentsatz durch die Festsetzungen des Schiedsspruchs jedenfalls überschritten. Wie hoch die Überschreitung insgesamt war, hat das LSG in seinem Urteil aber unentschieden gelassen; und klare übereinstimmende Erklärungen haben auch die Beteiligten dazu nicht abgegeben. Nach dem Kontext des Urteils des LSG und nach dem Vorbringen der Beteiligten spricht allerdings viel dafür, dass der Schiedsspruch für die Gesamtvergütung des Jahres 2002 im Vergleich zu derjenigen für 2001 eine Steigerung um ca 3 % vorsah.
Zu der im Überschreitungsfall maßgeblichen weiteren Frage, ob die Überschreitung der zulässigen Veränderungsrate durch einen gesetzlichen Ausnahmetatbestand gerechtfertigt sein könnte, enthält das Urteil des LSG ebenfalls keine tragfähigen Feststellungen. Das Gesetz benennt in § 85 Abs 3 Satz 2 iVm § 71 SGB V den Fall andernfalls nicht gewährleisteter medizinischer Versorgung in Verbindung mit erfolgter Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven (§ 71 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB V), weiterhin den Fall von Mehrkosten für gesetzlich vorgeschriebene Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen (§ 71 Abs 1 Satz 2 SGB V - heute erweitert um den weiteren Fall zusätzlicher Leistungen im Rahmen zugelassener strukturierter Behandlungsprogramme) und ferner den Fall eines Ausgleichs der Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen (§ 71 Abs 2 Satz 2 SGB V). Raum für die Berücksichtigung anderer als gesetzlich benannter Umstände besteht nicht (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 9).
Hier beziehen sich das LSG in seinem Urteil und der Beklagte in seinem Schiedsspruch auf den Fall andernfalls nicht gewährleisteter medizinischer Versorgung in Verbindung mit der erfolgten Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven (§ 71 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB V). Dazu haben LSG und Schiedsamt aber keine ausreichend tragfähigen Feststellungen getroffen.
Das LSG begnügt sich mit dem Befund, das Landesschiedsamt habe sich daran orientiert, dass Überschreitungen der Veränderungsrate dann statthaft sind, wenn andernfalls die medizinische Versorgung bei erfolgter Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten wäre. Indessen reicht es nicht aus, dass das Landesschiedsamt sich an diesem Ausnahmetatbestand hat orientieren wollen bzw orientiert hat. Vielmehr müssen im Berufungsurteil oder Schiedsspruch tragfähige Tatsachenfeststellungen dafür angeführt sein, auf welcher Basis von einer nicht gewährleisteten medizinischen Versorgung und von ausgeschöpften Wirtschaftlichkeitsreserven ausgegangen wird. Nur wenn dafür Tatsachengrundlagen angeführt werden, ist eine dem Art 19 Abs 4 Satz 1 GG entsprechende gerichtliche Überprüfung möglich, ob die Entscheidung des Schiedsamts in diesem Punkt tragfähig ist und ob es den ihm insoweit zustehenden Beurteilungsspielraum eingehalten oder überschritten hat. In dem vorliegend angefochtenen Schiedsspruch wird indessen für das Merkmal andernfalls nicht gewährleistete medizinische Versorgung zunächst lediglich global auf "die Gefahr von Versorgungsdefiziten" hingewiesen (siehe Schiedsspruch unter B., Abschnitt "Ausdeckelung von Leistungen"); soweit der Schiedsspruch insoweit nähere Ausführungen enthält, betreffen diese nur die Anhebung der Kopfpauschale um insgesamt 1,8 %, ergeben aber keinen Ansatz zur Rechtfertigung der Gesamterhöhung unter Einschluss der ausgedeckelten Leistungen (siehe Schiedsspruch aaO Abschnitt "Anpassungsrate der Kopfpauschale" unter 3.).
Für die Annahme einer andernfalls nicht gewährleisteten medizinischen Versorgung genügt nicht der im Revisionsverfahren von dem Beklagten und der Beigeladenen vorgebrachte Gesichtspunkt geringerer ärztlicher Vergütungen als in den westlichen Bundesländern (vgl hierzu BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 26). Ohne Erfolg ist weiterhin auch die Berufung darauf, dass in Mecklenburg-Vorpommern die Anreize für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit wegen einer nicht angemessenen Honorierung zu gering seien. Hierfür müsste festgestellt sein, dass in einem - fachlichen und/oder örtlichen - Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr bestand, vertragsärztlich tätig zu werden, und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet war (vgl zu diesen Voraussetzungen umfassend BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 140). Dementsprechende tragfähige Feststellungen liegen bisher nicht vor. Unzureichend ist schließlich auch die Anführung der in Mecklenburg-Vorpommern in weiten Teilen möglicherweise bestehenden ärztlichen Unterversorgung; hierzu müsste zusätzlich dargetan werden, dass die Ursache dafür in einer unzureichenden Honorierung vertragsärztlicher Leistungen liege.
Spricht mithin schon wenig dafür, dass der Ausnahmetatbestand nicht gewährleisteter medizinischer Versorgung vorgelegen haben könnte, so muss auch nicht erörtert werden, ob das weitere Tatbestandselement des § 71 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB V - die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven - gegeben wäre. Bisher liegen im Übrigen keine ausreichenden Feststellungen vor, um beurteilen zu können, ob bzw inwieweit die Überschreitung der zulässigen Veränderungsrate, die schon in ihrem Ausmaß nicht gesichert festgestellt ist (vgl RdNr 18), in vollem Umfang durch einen der weiteren Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1 oder Abs 2 Satz 2 SGB V gerechtfertigt sein könnte. Mithin muss insgesamt dahingestellt bleiben, ob das Ausmaß der im Schiedsspruch vorgesehenen Gesamtvergütungserhöhungen in materieller Hinsicht mit den Anforderungen des § 85 Abs 3 Satz 2 iVm § 71 SGB V vereinbar ist.
c) Die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs ergibt sich indessen jedenfalls daraus, dass die Gesamtvergütung zum Teil auf der Grundlage von Einzelleistungen bemessen wurde, ohne dass der Betrag des Ausgabenvolumens bestimmt und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung getroffen wurde (§ 85 Abs 2 Satz 2 iVm Satz 7 SGB V).
Grundsätzlich darf die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen bemessen werden. Dies ergibt sich aus § 85 Abs 2 Satz 2 SGB V. Danach kann eine Gesamtvergütung als Festbetrag, nach Kopfpauschalen oder nach Einzelleistungen bemessen werden oder auch nach einem System, das sich aus der Verbindung dieser und/oder weiterer Berechnungsarten ergibt (zum umfassenden Begriff Gesamtvergütung siehe BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 17 S 114 f; vgl ebenso BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 25 S 176 und BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 9 RdNr 27). Diese Möglichkeiten sind gemäß § 85 Abs 2 Satz 2 SGB V in dieser Weise den Vertragspartnern eröffnet; sie gelten ebenso für das Schiedsamt, das im Falle des Nichtzustandekommens eines Vertrags oder Vertragsteils anstelle der Vertragspartner den Vertragsinhalt festsetzt und dabei dieselben Entscheidungsspielräume wie diese hat (zu dessen Gestaltungsfreiheit vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13 mwN). Deshalb ist es grundsätzlich zulässig, dass die Vertragspartner oder das Schiedsamt die Gesamtvergütung in der Weise festlegen, dass sie zum einen in Anknüpfung an die Gesamtvergütungsvereinbarung des Vorjahres Kopfpauschalen vorsehen (zum Prinzip der Vorjahresanknüpfung siehe insbesondere BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 21 mwN und BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 9 f iVm 13; siehe zuletzt auch BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 14 mwN). Zum anderen können außerhalb dieser Pauschalen weitere Leistungsvergütungen auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart bzw festgesetzt werden.
Bei der - teilweisen oder vollständigen - Bemessung der Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen ist aber § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V zu beachten: In einem solchen Fall ist ein Gesamtausgabenvolumen zu errechnen und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung zu treffen. Zur Vermeidung einer Überschreitung kann zB vorgegeben werden, dass ab größeren Leistungsmengen die Punktwerte abgestaffelt oder insgesamt nur sogenannte floatende Punktwerte gewährt werden (vgl dazu BT-Drucks 14/157 S 34 "Zu Artikel 1 Nr. 13 (§ 85), Zu Doppelbuchstabe cc"). Die Regelung des § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V zielt auf den Fall, dass bei teilweiser oder gar vollständiger Festlegung der Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen größere Unsicherheiten über das zu erwartende Ausgabenvolumen bestehen als bei der Festlegung der Gesamtvergütung auf der Grundlage von zB Kopfpauschalen. Im Falle der Bemessung nach Kopfpauschalen kann lediglich infolge der Ungewissheit der exakten Zahl der Versicherten Unsicherheit darüber bestehen, welche Gesamtkosten sich ergeben werden. Wird dagegen die Gesamtvergütung - ganz oder teilweise - nach Einzelleistungen bemessen, so ergibt sich ein unter Umständen erheblicher Unsicherheitsfaktor aus dem ungewissen Ausmaß der Leistungsbereitschaft und/oder der eventuellen Mengenausweitung durch die Vertragsärzte. Bei Bemessung der Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen ist im Regelfall nicht ohne Weiteres ersichtlich, wie hoch die daraus erwachsenden Kosten sein werden. Unklar ist damit zugleich, ob das Gesamtausgabenvolumen die durch die Veränderungsrate festgelegte Zuwachsgrenze übersteigen wird oder nicht, sodass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) tangiert ist, der hohen Rang hat (zu Rang und strikter Vorgabe vgl zB BSGE 86, 126, 135 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 ff; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 30; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 13). Daher ist es konsequent, dass der Gesetzgeber für den Fall teilweiser oder vollständiger Festlegung der Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen weitergehende Vorgaben dahingehend normiert hat, dass das voraussichtliche Ausgabenvolumen transparent ausgewiesen wird und Absicherungen zu dessen Einhaltung getroffen werden. Damit wird dem Ziel umfassender Ausgabenbegrenzung Rechnung getragen (vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 25 S 176 ff).
Vor diesem Hintergrund ist § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V dahin auszulegen, dass das aus den Einzelleistungen voraussichtlich entstehende Ausgabenvolumen betragsmäßig zu errechnen und anzugeben ist oder - noch besser - das Gesamtausgabenvolumen, das auch die weiteren Teile der Gesamtvergütungsfestlegung wie Kopfpauschalen usw hinzurechnet, insgesamt zu errechnen und anzugeben ist. Gemäß § 85 Abs 2 Satz 7 letzter Satzteil SGB V ist zugleich eine Regelung zur Vermeidung der Überschreitung des Ausgabenvolumens zu treffen.
Da diese Regelungen des § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V Ausfluss des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität sind, kommt ihnen ebenso wie diesem hoher Rang zu. Dementsprechend handelt es sich auch bei diesen um strikte Regelungen (ebenso zum Maßstab der Beitragssatzstabilität: BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 13): Sie müssen auch dann beachtet werden, wenn zB der Sonderfall vorliegt, dass die Gesamtvergütung erst spät im Jahr festgelegt wird und dadurch kaum noch Raum für unüberschaubare Mengenentwicklungen ist. Erfolglos ist deshalb der Hinweis des Beklagten und der Beigeladenen, dass der Schiedsspruch erst am 29.10.2002 erging und gar erst am 27.11.2002 schriftlich abgefasst war, sodass nur noch wenige Wochen des Jahres verblieben und deshalb unüberschaubare Mengenentwicklungen kaum noch denkbar waren. Hiermit lässt sich jedenfalls nicht rechtfertigen, die Vorgaben des § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V völlig unbeachtet zu lassen. Ob in solchen Fällen möglicherweise die Anforderungen an diese Vorgaben abzuschwächen sind, bedarf vorliegend keiner Entscheidung; denn ihnen wurde im hier angefochtenen Schiedsspruch nicht einmal ansatzweise Rechnung getragen.
d) Im Hinblick auf den hohen Rang der Vorgaben des § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V kann eine Freistellung von dem Gebot, den Betrag des Ausgabenvolumens zu bestimmen und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung zu treffen, nur in Betracht kommen, soweit die gesetzlichen Regelungen im SGB V dafür einen Anhaltspunkt bieten. Dies ist etwa im Zusammenhang mit der Regelung des § 85 Abs 2a SGB V der Fall. Hiernach ist für Substitutionsbehandlungen von Drogenabhängigen eine Honorierung "außerhalb der …Gesamtvergütung" vorgesehen. Der Gesetzgeber hat in diesem Abs 2a - anders als im vorausgehenden Abs 2 Satz 2 iVm Satz 7 - nicht vorgegeben, auch den Betrag des Ausgabenvolumens zu bestimmen und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung zu treffen. Ein Verzicht des Gesetzgebers auf eine solche Vorgabe ist auch im Falle des § 85 Abs 2 Satz 5 SGB V anzunehmen, wonach für Gesundheits- und Kinderuntersuchungen die Festlegung von Pauschalen vorgesehen ist.
e) Der Senat folgt nicht dem Vorbringen der Beigeladenen, ebenso wie in den vorgenannten Fällen dürfe auch dann, wenn sich die Festlegung der Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen an Empfehlungen gemäß § 86 SGB V orientiere, weder eine Bestimmung des Betrags des Ausgabenvolumens noch eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung gefordert werden (vgl zu dem 2002 noch geltenden § 86 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992, BGBl I 2266; zu dessen Aufhebung siehe GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007, BGBl I 378, iVm BT-Drucks 16/3100 S 126: "Im Rahmen der Verschlankung der Aufgaben des neuen Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen"). Gemäß § 86 SGB V hatten die Spitzenverbände der KKn und die KÄBV die Aufgabe, jährlich gemeinsam eine Empfehlung über die angemessene Veränderung der Gesamtvergütungen abzugeben, es sei denn, die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hätte schon eine entsprechende Empfehlung unter Zustimmung der Vertreter der KKn und der Vertragsärzte abgegeben (§ 86 Abs 1 SGB V). Zur Verbindlichkeit der von KKn und KÄBV verfassten Empfehlungen war in § 86 Abs 2 SGB V bestimmt, dass diese bei Abschluss der Gesamt(vergütungs)verträge "berücksichtigt werden sollen"; abweichende Vereinbarungen waren zulässig, soweit besondere regionale Verhältnisse oder besondere Verhältnisse der Kassenarten dies erforderten und hierdurch der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht gefährdet wurde.
§ 86 SGB V enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass im Bereich der auf seiner Grundlage abgefassten Empfehlungen die in § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V normierten Vorgaben, bei Vereinbarung von Einzelleistungen den Betrag des Ausgabenvolumens zu bestimmen und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung zu treffen, hätten gelockert werden sollen. Diese Bestimmung kann nicht - anders als die oben unter d (RdNr 29) erwähnten § 85 Abs 2 Satz 5 und Abs 2a SGB V - als eine Art Sonderregelung gegenüber § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V angesehen werden. Ihr Wortlaut ergibt keinen Ansatzpunkt für die Annahme einer Freistellung von den Vorgaben des § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V, und gesetzessystematisch ist zu berücksichtigen, dass sie getrennt von § 85 SGB V im nachfolgenden Paragraphen steht. Der Annahme einer Freistellung von den Vorgaben des § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V steht im Übrigen auch der unter c (RdNr 26) dargelegte Sinn und Zweck dieser Bestimmung entgegen. Wie oben dargestellt, ist das Ziel dieser Regelung, der bei Anknüpfung an Einzelleistungen erhöhten Gefahr ungewisser Mengen- und Kostenentwicklung zu begegnen. Diese Gefahr besteht bei jeder Festlegung der Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen, auch dann, wenn diese sich an Empfehlungen gemäß § 86 SGB V orientiert.
f) Erfolglos ist schließlich auch die - vor allem von der Beigeladenen vorgetragene - Argumentation, die Vorgaben des § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V seien in solchen Fällen unbeachtlich, in denen Steigerungen der Gesamtvergütung über die Veränderungsrate hinaus gemäß dem Ausnahmetatbestand des § 85 Abs 3 Satz 2 iVm § 71 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB V zulässig seien. Dies trifft so nicht zu.
Die Funktion der Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1 und Abs 2 Satz 2 SGB V besteht darin, dass sie eine Überschreitung der zulässigen Veränderungsrate rechtfertigen können (siehe oben 3. b); sie gehören zu dem Prüfungskomplex, ob die Gesamtvergütung der Höhe nach insgesamt zutreffend bemessen worden ist. Demgegenüber betrifft § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V die Frage, ob die Gesamtvergütungsvereinbarung bzw der Schiedsspruch einen ausreichenden Inhalt hat, nämlich ob sie bzw er - im Falle der Festlegung der Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen - auch die erforderliche Bestimmung des Betrags des (Gesamt)Ausgabenvolumens und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung enthält (siehe oben 3. c). Insofern betreffen § 71 Abs 1 und Abs 2 Satz 2 SGB V einerseits und des § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V schon verschiedene Ebenen. Darüber hinaus sind diese auch vom Inhalt der Normen her nicht miteinander verknüpft, so wie dies bereits für das Verhältnis von § 86 SGB V zu § 85 Abs 2 Satz 7 SGB V ausgeführt worden ist (siehe oben 3. e). Im Übrigen gibt es auch inhaltlich bisher keine tragfähigen Feststellungen dafür, dass einer der Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1 und Abs 2 Satz 2 SGB V erfüllt gewesen sein könnte (siehe oben 3. b); insbesondere liegen auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fall andernfalls nicht gewährleisteter medizinischer Versorgung - auch nicht in Form der Variante unzureichenden Anreizes aufgrund nicht angemessener ärztlicher Honorierung - gegeben sein könnte (aaO, RdNr 22).
4. Bei der nach alledem erforderlichen Neufassung des Schiedsspruchs hat das beklagte Landesschiedsamt einen erheblichen Gestaltungsspielraum (vgl oben RdNr 21, 25). Es muss allerdings die diversen gesetzlichen Vorgaben beachten, insbesondere auch die Bestimmungen zur zulässigen Erhöhung der Gesamtvergütung (siehe oben 3. b), und es muss im Falle der Festlegung der Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen den Betrag des (Gesamt)Ausgabenvolumens bestimmen und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung treffen (siehe oben 3. c).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von §§ 154 ff VwGO. Der Beklagte und die Beigeladene tragen als Unterlegene je zur Hälfte die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs 1 und 3 iVm § 159 Satz 1 VwGO).
Fundstellen
Haufe-Index 2375074 |
NZS 2011, 477 |
SGb 2010, 527 |
GesR 2010, 670 |
Breith. 2011, 297 |