Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft die Höhe von Altersübergangsgeld (Alüg) ab 1. Januar 1994; der Kläger wendet sich gegen das teilweise Ruhen dieser Leistung wegen einer ihm zustehenden Dienstbeschädigungs-Teilrente (DBTR).
Der am 25. Dezember 1937 geborene Kläger erlitt als Angehöriger der Nationalen Volksarmee (NVA) 1970 einen Dienstunfall, der zu Körperschäden und der Bewilligung einer DBTR nach der Versorgungsordnung für Angehörige der NVA (VersO-NVA) führte. Seit dem 8. November 1990 wird die DBTR vom Wehrbereichsgebührnisamt VII festgestellt und durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ausgezahlt. Der Zahlbetrag betrug ab 1. Januar 1994 384,40 DM monatlich.
Bis zum 31. Dezember 1992 war der Kläger als juristischer Mitarbeiter (seit 1977) beschäftigt. Bei der Feststellung des Alüg ab 1. Januar 1993 berücksichtigte die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) die DBTR versehentlich nicht. Insoweit hob sie ihren Bewilligungsbescheid ab 24. Juli 1993 (für die Zukunft) mit Bescheid vom 15. Juli 1993 in Höhe von 28,48 DM wöchentlich mit der Begründung auf, in Höhe von 35% der DBTR ruhe der Anspruch auf Alüg. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 1993 zurück. In der Folgezeit kam es wegen der halbjährlichen Dynamisierungen von DBTR und Alüg mehrfach zu Änderungsbescheiden.
Mit Urteil vom 28. April 1994 änderte das Sozialgericht (SG) diese Regelungen und verurteilte die BA ua, das Alüg ab 1. Januar 1994 ohne Anrechnung eines Anteils von 35 v.H. der DBTR zu zahlen. Zur Begründung führte das SG aus, eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung führe nicht zum Ruhen des Alüg; zwischen einer DBTR und einer Verletztenrente beständen nach Sinn und Zweck dieser Leistungen keine sachlichen Unterschiede von solchem Gewicht, die eine unterschiedliche Berücksichtigung bei der Zahlung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit rechtfertigen könnten.
Mit Bescheid vom 11. November 1994 beließ die BA es aus Gründen des Vertrauensschutzes für die Zeit vom 1. Januar bis 13. November 1994 bei einem Ruhensbetrag von 28,48 DM wöchentlich. Für die Zeit ab 14. November 1994 ging sie nunmehr von einem Ruhensbetrag von 31,58 DM wöchentlich aus.
Mit Urteil vom 18. Dezember 1996 hat das Landessozialgericht (LSG) auf die hierauf beschränkte Berufung der Beklagten das Urteil des SG für die Zeit vom 1. Januar bis 13. November 1994 entsprechend dem Änderungsbescheid vom 11. November 1994 geändert und für die Zeit ab 14. November 1994 aufgehoben. Die Klage gegen die Bescheide vom 11. November 1994, vom 11. April 1995 sowie vom 14. Juli 1995, 12. Januar 1996 und 24. Mai 1996 hat das LSG abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Minderung des Alüg um den Ruhensbetrag, der sich aus der dem Kläger zustehenden DBTR nach der Verordnung über das Ruhen von Lohnersatzleistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bei Zusammentreffen mit Versorgungsleistungen der Versorgungssysteme (LErsRuhVO) vom 22. Februar 1991 (BGBl. I 502) ergäbe, sei nach § 48 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) gerechtfertigt. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 LErsRuhVO stehe die DBTR einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit i.S. des § 118 Abs. 1 Nr. 3 AFG gleich. Bei der DBTR handele es sich um eine nicht in die Rentenversicherung überführte Leistung eines Sonderversorgungssystems. Die Ruhensregelung sei mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Der Anspruch auf DBTR unterliege als Anspruch nach der Rechtsordnung der DDR nicht dem Schutz des Art 14 GG. Auch der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Dem Gesetzgeber habe bei der Koordinierung der DBTR mit Ansprüchen auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit ein weiter Entscheidungsspielraum zugestanden, wobei es nicht darauf ankomme, ob er die gerechteste und zweckmäßigste Lösung gefunden habe. Die mit der Klage angegriffene Ruhensregelung sei im System der Überführung von sozialrechtlichen Ansprüchen sachgerecht und durch hinreichend wichtige Gründe gerechtfertigt. Der Gesetzgeber sei bei der Weiterzahlung von nicht in die Rentenversicherung überführten Ansprüchen bestrebt gewesen, eine Besserstellung dieser Ansprüche gegenüber in die Rentenversicherung überführten Ansprüchen zu vermeiden. Die unterschiedliche Behandlung von DBTR und Verletztenrente aus der Unfallversicherung im Hinblick auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit sei nicht willkürlich und für die Betroffenen nicht existenzbedrohend. Danach komme es für die Entscheidung nicht darauf an, ob § 1 Abs. 3 LErsRuhVO ohne Anrufung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) als unbeachtlich behandelt werden könne.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Anwendung des § 1 Abs. 3 LErsRuhVO. Diese Regelung sei verfassungsrechtlich nicht hinzunehmen. Die unterschiedliche Behandlung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft enthalte eine eklatante Ungleichbehandlung. Diese liege darin, daß die DBTR des Klägers als nicht schuldigem Unfallopfer anders behandelt werde als die Verletztenrente aus der Unfallversicherung. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die diese Ungleichbehandlung unter funktions- und kompetenzrechtlichen Erwägungen hingenommen habe, bedürfe der Korrektur. Dies gelte um so mehr, als der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1. Januar 1997 diesen verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung getragen habe. Der Kläger erhalte nunmehr ab 1. Januar 1997 einen Dienstbeschädigungsausgleich, der nicht mehr auf das Alüg angerechnet werde. Zu der Frage der nach Ansicht des LSG "nicht existenzgefährdenden Belastung" sei darauf hinzuweisen, daß beim Kläger zwischenzeitlich Belastungen von mehreren Tausend DM aufgelaufen seien.
Der Kläger beantragt,
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1. |
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 18. Dezember 1996 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. November 1994, 11. April 1995, 14. Juli 1995, 12. Januar 1996 und 24. Mai 1996 zu ändern; |
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2. |
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vom 1. Januar 1994 an weitere 28,48 DM wöchentlich, vom 14. Januar 1994 an 31,58 DM, vom 17. April 1995 an 32,02 DM und vom 1. Januar 1996 an 33,12 DM zu dem bisher geleisteten Altersübergangsgeld zu zahlen. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie hält die Regelung des § 1 Abs. 3 LErsRuhVO für verfassungsgemäß.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Für eine abschließende Entscheidung des BSG reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.
1. Gegenstand der Revision ist ein Anspruch des Klägers auf Zahlung des Ruhensbetrages von Alüg wegen des Anspruchs auf DBTR für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996. Diese Begrenzung des Streitgegenstandes ergibt sich aus dem Revisionsantrag. Sie entspricht auch dem Klagantrag, von dem die Vorinstanzen ausgegangen sind. Damit erübrigt sich indes nicht die Prüfung, ob dem Kläger unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt das Alüg in der geltend gemachten Höhe zustehen könnte. Aus der auf die vom Kläger geltend gemachte Unanwendbarkeit der Ruhensvorschrift abzielenden Bezifferung des Leistungsantrags läßt sich nicht zwingend auf eine entsprechende Beschränkung des Streitgegenstandes schließen. Insofern kann dahinstehen, ob im Höhenstreit die Beschränkung des Streitgegenstandes auf einzelne Berechnungselemente (so "Grundurteil im Höhenstreit" - für die Rentenversicherung: BSG SozR 2200 § 1241 Nr. 22; BSGE 65, 8, 11 = SozR 1300 § 48 Nr. 55 mwN; zu Dynamisierungsbescheiden in der Arbeitsförderung: BSG SozR 3-4800 § 63 Nr. 1) zulässig ist.
2. Die ursprünglich uneingeschränkte Bewilligung von Alüg für 832 Tage ab 1. Januar 1993 - das entspricht dem Leistungszeitraum 1. Januar 1993 bis 3. September 1995 - hat die BA mit Bescheid vom 11. November 1994 für die Zeit ab 1. Januar 1994 teilweise aufgehoben, um dem Bezug von DBTR und dem dadurch bewirkten teilweisen Ruhen des Alüg Rechnung zu tragen. Diese Regelung hat frühere Bescheide, mit welchen die BA das Ruhen bereits ab 1. Juli 1993 berücksichtigt hatte, ersetzt.
Grundlage für die teilweise Aufhebung der anfänglichen Alüg-Bewilligung wegen des Ruhens ist § 45 SGB X, denn die Bewilligung der Leistung ab 1. Januar 1993 ohne Berücksichtigung des Anspruchs auf DBTR war von Beginn an rechtswidrig. Dies ist gegenüber dem Urteil des LSG klarzustellen, das die teilweise Aufhebung der Bewilligung auf § 48 SGB X wegen einer wesentlichen Änderung in den Verhältnissen gestützt hat. Dabei ist das LSG davon ausgegangen, daß die für das Ruhen des Alüg wegen des Anspruchs auf DBTR maßgebende Regelung des § 1 Abs. 3 LErsRuhVO auf das am 1. Januar 1994 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I 2053) zurückzuführen sei. Tatsächlich ist die Gleichstellung der DBTR mit einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit durch Art 6 Nr. 1 Buchst c des Gesetzes zur Änderung von Fördervoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I 2044) erfolgt, die am 1. Januar 1993 in Kraft getreten ist. Im vorliegenden Zusammenhang hat das 1. SKWPG allenfalls insoweit Bedeutung als § 152 Abs. 2 AFG die Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte in Fällen, in denen das Vertrauen auf die rechtswidrige Regelung nicht schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X), auch für die Vergangenheit bindend anordnet, ein Ermessen der BA also insoweit ausschließt.
Nach § 152 Abs. 2 AFG, § 45 Abs. 1 SGB X ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X für die Zukunft zurückzunehmen. Die Rechtswidrigkeit der uneingeschränkten Bewilligung von Alüg ergibt sich aus §§ 249e Abs. 3, 118 Abs. 1 Nr. 3 AFG i.V.m. § 1 Abs. 3 und 4 LErsRuhVO i.d.F. des Gesetzes vom 18. Dezember 1992. Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LErsRuhVO und § 249e Abs. 3 Nr. 2 AFG ruht das Alüg in Höhe von 35 v.H. der zuerkannten DBTR, weil der Kläger nach Beginn der Versorgungsleistung in einer die Beitragspflicht nach dem AFG begründenden Beschäftigung von mindestens 180 Kalendertagen gestanden hat. Diese Regelungen hat die BA der Ermittlung des Zahlbetrags ab 1. Januar 1994 zugrunde gelegt. Die Aufhebbarkeit des ursprünglich ohne Berücksichtigung der Ruhensvorschrift bewilligten Zahlbetrages ist auch nicht nach § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ausgeschlossen. Ein mögliches Vertrauen des Klägers auf den Bestand der Bewilligung auch der Höhe nach ist unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Herstellung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung für die Zukunft nicht schutzwürdig (§ 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X). Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger im Hinblick auf den ungeminderten Zahlbetrag des Alüg Vermögensdispositionen getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann, sind nicht ersichtlich. Solches macht der Kläger selbst auch nicht geltend. Die Frist von zwei Jahren zwischen Bekanntgabe der Bewilligung und ihrer teilweisen Aufhebung (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X) ist jedenfalls gewahrt.
3. Soweit die BA mit weiteren Bescheiden der Dynamisierung des Alüg und der DBTR Rechnung getragen hat, sind § 152 Abs. 3 AFG, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X Grundlage der Entscheidung. Durch die Dynamisierungen der DBTR ist es jeweils zu Erhöhungen des Ruhensbetrages und damit Minderungen des Zahlbetrages von Alüg gekommen. Die BA konnte den durch die Dynamisierungen eingetretenen Änderungen jeweils Rechnung tragen, sobald dem Kläger die höhere DBTR zuerkannt war (§ 118 Abs. 1 AFG). Dem hat sie entsprochen, indem sie sich jeweils die Bescheide des Wehrgebührnisamts hat vorlegen lassen.
4.1 Die Gleichstellung der DBTR mit einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit durch § 1 Abs. 3 LErsRuhVO entspricht der Ermächtigung des § 118 Abs. 4 Satz 1 und 2 AFG i.d.F. vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I 2044). Danach kann das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) durch Rechtsverordnung Versorgungen i.S. des § 9 Abs. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gleichstellen, soweit dies zur Vermeidung von Doppelleistungen erforderlich ist. Es hat dabei zu bestimmen, ob das Arbeitslosengeld voll oder nur bis zur Höhe der Versorgungsleistung ruht. Diese Ermächtigung, die auf Grund der Generalverweisung des § 249e Abs. 3 Satz 1 AFG auch für das Alüg gilt, übernahm in erweiterter Fassung die Verordnungsermächtigung der Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt III Nr. 1 a dd) Sätze 3 und 4 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (BGBl. II 889, 1209, 1244). Von dieser Ermächtigung hatte das BMA mit der LErsRuhVO vom 22. Februar 1991 (BGBl. I 502) Gebrauch gemacht. Die für die Entscheidung dieses Rechtsstreits maßgebende Vorschrift des § 1 Abs. 3 LErsRuhVO ist allerdings unmittelbar durch ein formelles Gesetz - das Gesetz vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I 2044) - erlassen worden. Art 9 dieses Gesetzes ordnet die "Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang" an. Ob dies nicht nur die Möglichkeit der Änderung des § 1 Abs. 3 LErsRuhVO durch das BMA, sondern auch die Verwerfungsmöglichkeit der Vorschrift durch die Gerichte im Falle ihrer Verfassungswidrigkeit begründet, erscheint fraglich (vgl. dazu: BVerfG NVwZ 1997, 261 ff.; Studenroth DÖV 1995, 525, 534 m.w.N.). Die Frage kann jedoch auf sich beruhen. Das LSG hat zutreffend erkannt, daß die Gleichstellung der DBTR mit der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit im Hinblick auf das Ruhen von Leistungen bei Arbeitslosigkeit nicht verfassungswidrig ist.
4.2 In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die Ausführungen des LSG zum Eigentumsschutz der DBTR zu billigen sind. Durch § 1 Abs. 3 LErsRuhVO bleibt die DBTR als ein nach der Rechtsordnung der DDR entstandener Anspruch unberührt. Die Gleichstellung dieser Leistung mit einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit führt vielmehr unter den Voraussetzungen des § 118 AFG zum teilweisen Ruhen des Anspruchs auf Alüg, also eines Anspruchs, der seine Grundlage allein im Recht der Bundesrepublik hat (§ 249e AFG). Da es sich beim Alüg um eine Leistung handelt, bei der die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg für 832 Tage erfüllt sein müssen (§ 249e Abs. 2 Nr. 3 AFG) und der Kläger zweieinhalb Jahre Beiträge zur Arbeitsverwaltung und zur Beklagten erbracht hat, ist die Ruhensregelung grundsätzlich am Maßstab der Eigentumsgarantie (Art 14 GG) zu messen. Sie erweist sich als verfassungsgemäß, denn die konkrete Reichweite des Eigentumsschutzes nach Art 14 GG ergibt sich erst aus der gesetzlichen Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums. Der Gesetzgeber hat die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls zu einem gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen und dabei den Kernbereich der Eigentumsgarantie zu wahren (BVerfGE 91, 294, 308 m.w.N.). Dem genügt die Ruhensregelung, denn sie ist darauf gerichtet, im Falle der Einschränkung der Erwerbsfähigkeit Doppelleistungen bei Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Da bei Bezug einer DBTR von einer teilweisen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit auszugehen ist, ist die Ruhensregelung auf einen Prozentsatz begrenzt, der mit der Nettolohnersatzquote der jeweiligen Leistung bei Arbeitslosigkeit (hier: 65 %) korrespondiert (§ 1 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 LErsRuhVO; vgl. § 118 Abs. 3 Satz 2 AFG). Dieses pauschalierende Vorgehen ist auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden.
4.3 Die Gleichstellung der DBTR mit Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bei Zusammentreffen mit Leistungen wegen Arbeitslosigkeit verstößt auch nicht gegen die Gleichheit vor dem Gesetz i.S. des Art 3 Abs. 1 GG.
Im Zusammenhang mit Rechtsfragen, die der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland aufwirft, hat der Senat im Anschluß an Rechtsprechung des BVerfG bereits entschieden, daß der allgemeine Gleichheitssatz eine Grenze der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers darstellt, mithin "Rechtssetzungsgleichheit" gewährleistet (dazu und zum Folgenden BSGE 76, 224, 227 = SozR 3-8120 Kap VIII E III Nr. 5 Nr. 4 m.w.N.). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besteht gerade darin, "diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will" (BVerfGE 90, 226, 239 = SozR 3-4100 § 111 Nr. 6). Der darin liegenden Gefahr eines Zirkelschlusses ist zu begegnen, indem die verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz im Hinblick auf die Eigenart des Normbereichs präzisiert wird. Eine Aussage darüber, ob Sachverhalte gleich oder verschieden zu behandeln sind, läßt sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in bezug auf bestimmte Merkmale feststellen. Unter welchen Voraussetzungen die Zuordnung von Rechtsfolgen zu Sachverhalten "sachgerecht, vertretbar oder willkürlich" ist, ist daher jeweils "sachbereichsbezogen" auszuweisen (BVerfGE 75, 108, 157; 90, 226, 239 = SozR 3-4100 § 111 Nr. 6; Friedrich Müller, Strukturierende Rechtslehre, 1984, 114 ff. jeweils m.w.N.). Von diesem Verständnis der Rechtssetzungsgleichheit ausgehend hält der Senat die Entscheidung des Gesetzgebers, die DBTR bei Zusammentreffen mit Leistungen wegen Arbeitslosigkeit einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gleichzustellen, nicht für willkürlich. Der Kläger beanstandet demgegenüber die unterschiedliche Behandlung von Verletztenrenten aus der Unfallversicherung und der DBTR, die aus einem Sonderversorgungssystem der DDR herrührt, im Hinblick auf das Ruhen bei Leistungen wegen Arbeitslosigkeit nicht als sachgerecht. Er vertritt die Ansicht, im einen wie im anderen Fall diene die Rente dazu, einen Körperschaden auszugleichen, den der Betroffene durch seine Arbeit erlitten habe. Dabei berücksichtigt er nicht die unterschiedliche Ausgestaltung, die die Verletztenrente in der Sozialversicherung der DDR und die DBTR nach der VersO-NVA erfahren hat. Von dieser ist bei der verfassungsrechtlichen Prüfung als Rechtstatsache auszugehen:
Anspruch auf Unfallrente besteht nach § 23 Abs. 1 Rentenverordnung vom 23. November 1979 (GBl I Nr. 43/1979) für den Versicherten, der durch Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit einen Körperschaden von mindestens 20% erlitten hat. Es handelt sich damit allein um einen Ausgleich für einen Körperschaden, dessen Umfang abstrakt bestimmt wird. Diesen Punkt verdeutlicht insbesondere § 23 Abs. 2 Rentenverordnung, indem er klarstellt, bei mehreren Arbeitsunfällen bzw. Berufskrankheiten bestehe der Anspruch auf eine Unfallrente entsprechend dem ärztlich festgestellten Prozentsatz des Gesamtkörperschadens aus allen Arbeitsunfällen bzw. Berufskrankheiten. Körperschaden ist danach ein "rein medizinischer Begriff", der ohne Berücksichtigung tatsächlich eingetretener Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, der Berufstätigkeit oder des Arbeitseinkommens festzustellen ist (Petri ua, Leistungsgewährung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten in den neuen Bundesländern, 1993, 36 f.).
Auch die DBTR nach der VersO-NVA dient dem Ersatz eines durch den Wehrdienst erlittenen Körper- oder Gesundheitsschadens. Ihre Zahlung setzt aber grundsätzlich die Entlassung aus dem aktiven Wehrdienst voraus. Während des Dienstes kommen nur Ausgleichszahlungen in Betracht, wenn "infolge der Schädigung eine Minderung in der Höhe der beitragspflichtigen Vergütung eintritt" (vgl. Nr. 1 und 7 "Dienstbeschädigungs-Teilrente" Versorgungsordnung Nr. 005/9/003 vom 1. September 1982 [nicht veröffentlicht] abgedruckt bei Aichberger, Sozialgesetze - Ergänzungsband für die neuen Bundesländer - Nr. 230). Anders als bei der Unfallrente aus der Sozialversicherung löst also der Eintritt eines Körperschadens von 20 v.H. allein noch nicht den Anspruch auf DBTR aus. Vielmehr setzt der Anspruch konkrete Auswirkungen auf das Einkommen (Wegfall oder Minderung) des Betroffenen voraus. Mit dem Ausgleich konkreter Einschränkung der Erwerbsfähigkeit weist die DBTR eine Parallele zur Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf. Unter diesen Umständen erscheint es jedenfalls nicht willkürlich, wenn der Gesetzgeber die DBTR anders als die Unfallrente bei Zusammentreffen mit Leistungen wegen Arbeitslosigkeit einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gleichstellt und ihre Eigenart als Teilrente dadurch berücksichtigt, daß die Leistung wegen Arbeitslosigkeit nur mit einem der Nettolohnersatzquote korrespondierenden Vomhundertsatz ruht.
Für die Beurteilung der Rechtssetzungsgleichheit ist ferner zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber Sozialleistungen aus verschiedenen Rechtsordnungen einander zuzuordnen und wegen der Unterschiedlichkeit der Systeme gleichsam internationalrechtlich "zu qualifizieren" hatte (vgl. dazu BSGE 74, 184, 189 = SozR 3-8570 § 11 Nr. 1). Im Hinblick auf die erörterte Ausgestaltung der DBTR im Vergleich zur Unfallrente aus der Sozialversicherung erscheint es noch sachgerecht, wenn er die DBTR bei Zusammentreffen mit Leistungen wegen Arbeitslosigkeit wie eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit behandelt.
Die Verfassungswidrigkeit der Ruhensregelung läßt sich auch nicht mit Einführung eines Dienstbeschädigungsausgleichs u.a. für Anspruchsinhaber von Dienstbeschädigungsrenten durch Art 3 § 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-ÄndG) vom 11. November 1996 (BGBl. I 1674) belegen. Diese Regelung ist nach Art 7 Abs. 1 AAÜG-ÄndG am 1. Januar 1997 und nicht etwa rückwirkend in Kraft getreten. Solches wäre folgerichtig gewesen, hätte der Gesetzgeber selbst die Ruhensregelung als verfassungswidrig angesehen. Aus Art 3 § 2 Abs. 1 AAÜG-ÄndG ergeben sich vielmehr weitere Anhaltspunkte für die Verfassungsmäßigkeit der für den Kläger vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 getroffenen Regelung. Die Bemessung des Dienstbeschädigungsausgleichs knüpft - systematisch sachgerecht - an die Höhe der für das Beitrittsgebiet geltenden Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) an. Dabei gilt der festgestellte Grad des Körper- oder Gesundheitsschadens als Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Nach § 84a Abs. 1 BVG i.V.m. Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1 Buchst a des Einigungsvertrages ist der Zahlbetrag der Grundrente § 31 Abs. 1 BVG zu entnehmen und mit dem Vomhundertsatz zu vervielfältigen, der sich aus dem jeweiligen Verhältnis der verfügbaren Standardrente im Beitrittsgebiet zur verfügbaren Standardrente in den alten Bundesländern (§ 68 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - 6. Buch: Rentenversicherung) ergibt. Die nicht das Ruhen des Alüg bewirkenden 65 v.H. der DBTR sind stets höher, als die Zahlbeträge einer Grundrente nach einer MdE von 40 v.H. gewesen wären. Dieser Zustand wird allerdings verdeckt, weil die am 31. Dezember 1996 gezahlte DBTR aus Gründen der Besitzstandswahrung (Art 3 § 2 Abs. 1 AAÜG-ÄndG) als Dienstbeschädigungsausgleich weitergezahlt wird. Die Einführung des Dienstbeschädigungsausgleichs für Berechtigte aus den Sonderversorgungssystemen nach Anl 2 Nr. 1 bis 3 zum AAÜG und die erörterte Bemessungsvorschrift machen zugleich deutlich, daß als Vergleichsgruppe für die Beurteilung nach Art 3 Abs. 1 GG nicht die Bezieher von Verletztenrenten aus der Unfallversicherung, sondern Bezieher von - nach dem BVG bemessenen - Dienstbeschädigungsrenten heranzuziehen wären. Im Vergleich zu dieser Personengruppe wird der Kläger durch die Ruhensregelung wirtschaftlich - wie gezeigt - nicht schlechter gestellt. Die unterschiedliche Behandlung der Bezieher von Leistungen aus Sonderversorgungssystemen dürfte im übrigen Ausdruck der "bestehenden Besonderheiten der Sonderversorgungssysteme" (BT-Drucks 12/405 S. 148) sein, denen der Gesetzgeber auch mit einer geminderten Anpassung der nicht in die Rentenversicherung überführten Versorgungsleistungen Rechnung getragen hat (§ 11 Abs. 6 AAÜG).
5. Obwohl die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Alüg für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 nicht zu beanstanden ist, kann das Urteil des LSG keinen Bestand haben. Die den Zahlbetrag des Alüg für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 regelnden Bescheide sind unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt darauf zu überprüfen, ob die BA dem Kläger das Alüg in der ihm jeweils gesetzlich zustehenden Höhe bewilligt hat. Diese umfassende Prüfung hat das LSG nicht vorgenommen. Es hat sich auf die Prüfung der Anwendbarkeit der Ruhensvorschrift beschränkt. Die dem Kläger für den genannten Zeitraum rechtlich zustehenden Zahlbeträge kann der Senat mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht errechnen. Dem angefochtenen Urteil läßt sich nicht entnehmen, welche Regelungen im einzelnen in den für die Bezugszeit maßgebenden Bescheiden enthalten sind und auf welchen Berechnungsgrundlagen sie beruhen. Diese Regelungen und die für die Bemessung des Alüg wesentlichen Tatsachen ergeben sich auch nicht aus der pauschalen Bezugnahme auf die Leistungsakten. Die angefochtenen Bescheide sind nämlich in den Leistungsakten nicht enthalten.
Das Urteil des LSG ist deshalb mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).B 11 AL 45/97 R
BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen
Haufe-Index 518837 |
ZAP-Ost 1998, 654 |
NZS 1999, 153 |