Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinzuverdienst bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Übersicherungseinwand. Auslegung des Entgeltbegriffs bei familienbezogenen Einkommensbestandteilen. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Übersicherung iS des Überschreitens einer Hinzuverdienstgrenze der §§ 96a, 313 SGB 6 liegt nicht vor, soweit das Arbeitsentgelt offen ausgewiesene Ehe- und/oder Kinderzuschläge enthält.
2. Auch bei jeder Anwendung des Arbeitsentgeltbegriffs des § 14 SGB 4 ist das Verbot der Benachteiligung von Ehe und Familie gegenüber Nichtverheirateten und/oder Kinderlosen zu beachten.
Orientierungssatz
1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass § 313 SGB 6 grundsätzlich verfassungskonform ausgestaltet ist und insbesondere nicht Art 14 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG verletzt (vgl BSG vom 6.3.2003 - B 4 RA 35/02 R = SozR 4-2600 § 313 Nr 1, BSG vom 6.3.2003 - B 4 RA 8/02 R = SozR 4-2600 § 313 Nr 2 und BSG vom 17.12.2002 - B 4 RA 23/02 R = SozR 3-2600 § 96a Nr 1).
2. § 313 Abs 2 und 3 SGB 6 legt weder die rechtliche Bedeutung des Ausdrucks "Hinzuverdienst" noch die Abrechnungszeiträume fest, um am Maßstab der gesetzlichen Hinzuverdienstgrenzen ein eventuelles Überschreiten dieser Grenzen feststellen zu können. Die notwendige Klarstellung ist dem in § 313 Abs 1 SGB 6 in Bezug genommenen § 96a SGB 6 zu entnehmen. Dessen Abs 1 S 1 macht deutlich, dass Hinzuverdienst das in § 14 SGB 4 definierte Arbeitsentgelt ist und dieses jeweils monatlich der jeweiligen Hinzuverdienstgrenzen gegenüberzustellen ist, um ein Überschreiten zu prüfen (vgl BSG vom 6.3.2003 - B 4 RA 8/02 R aaO).
Normenkette
SGB VI § 96a Abs. 1 Sätze 1-2, § 313 Abs. 1 Fassung: 2000-12-20, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a, b, c; SGB X § 24 Abs. 1, 2 Nr. 3, § 41 Abs. 2, § 42 S. 2, § 48 Abs. 1 S. 1; SGB IV § 14 S. 1; RRErwerbG Art. 1 Nr. 58; GG Art. 3 Abs 1, Art. 6 Abs. 1-2, Art. 14
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Mai 2004 und des Sozialgerichts Duisburg vom 23. Januar 2003 aufgehoben. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung der im Bescheid vom 30. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2001 getroffenen Feststellung, die monatlichen Ansprüche auf Rente wegen Berufsunfähigkeit seien ab 1. Januar 2001 in Höhe von einem Drittel ihres Werts untergegangen, verurteilt, die Rente wegen Berufsunfähigkeit für Bezugszeiten vom 1. Januar 2001 bis 31. August 2001 und vom 1. Juli 2002 bis 31. Dezember 2002 in voller Höhe zu zahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte den monatlichen Zahlungsansprüchen des Klägers, die aus seinem Recht auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) und in Höhe von dessen Wert monatlich entstehen, ab 1. Januar 2001 zeitweise den anspruchsvernichtenden Einwand der Übersicherung entgegenhalten durfte.
Der 1948 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ab Dezember 1982 war er als Betriebswirt (grad) bei der Fa. G. beschäftigt. Die rechtliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses bestimmte sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT).
Der Versicherungsfall der BU trat am 1. Oktober 1988 ein. Im vorangegangenen Kalenderjahr 1987 hatte er 167,53 Werteinheiten aus Beitragszeiten nach dem Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) erworben. Die Beklagte erkannte ihm ab 1. Januar 1990 das Recht auf Rente wegen BU zu und stellte dessen monatlichen Wert fest (Bescheid vom 6. Juni 1990). Ab 1. Januar 1991 war der Kläger bei der G. als Bürohilfskraft beschäftigt; auf das Arbeitsverhältnis fanden wieder die Vorschriften des BAT Anwendung.
Auf Anfrage der Beklagten vom Mai 2000 übersandte der Kläger eine Auskunft seiner Arbeitgeberin, nach der sich seine Vergütung in dem seit 1991 bestehenden Beschäftigungsverhältnis aus einem Grundgehalt, einem Ortszuschlag (bestehend aus einem Verheiratetenzuschlag und Kinderzuschlägen) und einer allgemeinen Tarifzulage zusammensetze. Unter dem 8. Oktober 2000 teilte er ergänzend mit, dass er ab 1. Januar 2001 voraussichtlich ein (Gesamt-)Einkommen von monatlich 4.914,70 DM erzielen werde. Daraufhin wies die Beklagte ihn mit Schreiben vom 20. Oktober 2000 auf die seit dem 1. Januar 2001 für ihn geltenden Hinzuverdienstgrenzen bei Bezug einer BU-Rente hin.
Im Bescheid vom 30. Oktober 2000 erklärte die Beklagte, dass die "bisherige Rente wegen BU ab 1. Januar 2001 neu berechnet werde". Zur Erläuterung gab sie an, dass die Rente nicht oder in verminderter Höhe geleistet werde, wenn durch erzieltes Einkommen die maßgebenden Hinzuverdienstgrenzen überschritten würden. Die für den Kläger beachtlichen individuellen Grenzen zeigte sie in der Anlage 19 zum Bescheid auf. Ferner wies sie darauf hin, dass die Rente auf der Grundlage des vom Kläger mitgeteilten Verdienstes gezahlt werde. Dabei sei sie davon ausgegangen, dass entsprechend der Erklärung vom 8. Oktober 2000 das Arbeitsentgelt ab 1. Januar 2001 die angegebene monatliche Hinzuverdienstgrenze nicht überschreite. In der Anlage 6 zum Bescheid teilte sie mit, dass die Rente wegen BU in Höhe von zwei Dritteln zu leisten sei; deshalb seien die erworbenen Entgeltpunkte (EP) von 46,7497 nur in diesem Verhältnis zu berücksichtigen, und zwar mit 31,1655 EP (46,7497 x 2: 3). In der "Berechnung der Monatsrente" (Anlage 1 zum Bescheid) multiplizierte sie diese EP mit dem aktuellen Rentenwert (48,58 DM) und dem für Renten wegen BU maßgeblichen Rentenartfaktor (0,6667). Dementsprechend stellte sie den monatlichen Rentenwert mit 1.009,43 DM fest. Ohne Kürzung der EP hätte dieser Wert 1.514,14 DM betragen.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit der Begründung zurück, dass seine Verdienste unter Zugrundelegung der Selbstauskunft vom 8. Oktober 2000 die ab 1. Januar 2001 geltenden Hinzuverdienstgrenzen insoweit überschritten, dass er nur noch die Zahlung der BU-Rente in Höhe von zwei Dritteln ihres Werts beanspruchen könne.
Vor dem Sozialgericht (SG) hat der Kläger geltend gemacht, § 313 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sei insoweit nichtig, als der familienbezogene Lohnbestand seines Arbeitsverdienstes, nämlich der ihm von der Arbeitgeberin gezahlte tarifliche Ortszuschlag der Stufe III in Höhe von 1.382,67 DM, mit angerechnet werde. Ohne dessen Einbeziehung würde sein Einkommen unter der für ihn maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze von 4.272,77 DM liegen, sodass er Anspruch auf eine ungekürzte BU-Rente habe. Da sein höherer Ortszuschlag durch die Kürzung der BU-Rente in vollem Umfang kompensiert werde, verfüge er im wirtschaftlichen Ergebnis über das gleiche Gesamteinkommen wie ein unverheirateter kinderloser Arbeitnehmer. Dies verstoße gegen Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG).
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 23. Januar 2003). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 24. Mai 2004). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Kläger habe während der im Berufungsverfahren allein noch streitigen Zeiträume vom 1. Januar bis 31. August 2001 einen Hinzuverdienst von monatlich gleichbleibend 4.783,50 DM sowie vom 1. Juli bis 31. Dezember 2002 von monatlich gleichbleibend 2.455,54 € erzielt. Diese Verdienste hätten jeweils monatlich die Hinzuverdienstgrenzen für den Bezug einer ungekürzten BU-Rente, nicht jedoch einer Rente in Höhe von zwei Dritteln des vollen Werts überschritten. Zu Recht habe die Beklagte den Ortszuschlag mit einbezogen, da der zu Grunde zu legende Entgeltbegriff Familienzuschläge des öffentlichen Dienstes mit umfasse. Dessen Anrechnung verletze nicht Art 6 Abs 1 GG.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 313, 96a SGB VI sowie des Art 6 Abs 1 GG. Entgegen der Auffassung des LSG seien die §§ 313, 96a SGB VI verfassungskonform dahin auszulegen, dass familienbezogene Lohnbestandteile (hier: Ortszuschläge nach BAT) nicht als Arbeitsentgelt anzusehen seien. Andernfalls wären die Normen insoweit verfassungswidrig.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Mai 2004 und des Sozialgerichts Duisburg vom 23. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der im Bescheid vom 30. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2001 getroffenen Feststellung, die monatlichen Ansprüche auf Rente wegen Berufsunfähigkeit seien ab 1. Januar 2001 in Höhe von einem Drittel ihres Werts untergegangen, zu verurteilen, die Rente wegen Berufsunfähigkeit für Bezugszeiten vom 1. Januar 2001 bis 31. August 2001 und vom 1. Juli 2002 bis 31. Dezember 2002 in voller Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des LSG verletzt Bundesrecht.
Gegenstand der Revision ist das Begehren des Klägers, die Urteile des LSG und SG aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Feststellung (im Bescheid vom 30. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2001), die aus seinem Recht auf Rente wegen BU fließenden monatlichen Zahlungsansprüche seien ab 1. Januar 2001 in Höhe von einem Drittel des Werts des Rentenrechts untergegangen, zu verurteilen, die während der streitigen Bezugszeiten jeweils monatlich entstandenen Zahlungsansprüche "ungekürzt" zu erfüllen.
Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässig in Kombination von Anfechtungs- und Zahlungsklagen (§ 54 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Die Klagen sind begründet.
1. Im Bescheid vom 30. Oktober 2000 hat die Beklagte nicht das subjektive Recht des Klägers auf Rente wegen BU und dessen monatliche Wertfestsetzung aufgehoben, sondern allein verlautbart, die (daraus fließenden) monatlichen Zahlungsansprüche nur noch in Höhe von zwei Dritteln ihres Wertes ab 1. Januar 2001 erfüllen zu wollen.
Im Bescheid vom 30. Oktober 2000 differenziert die Beklagte nicht zwischen dem subjektiven Recht (Stammrecht) auf Rente und den daraus fließenden monatlichen Zahlungsansprüchen; wenn sie jedoch mitteilt, aus der Kürzung ergebe sich eine "monatliche Rente" von 1.009,43 DM ab 1. Januar 2001, kann sich diese Feststellung nur auf die monatlich entstehenden Zahlungsansprüche beziehen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen in der Bescheidbegründung (dazu unter Ziff 3) ergibt sich hier noch mit gerade ausreichender Klarheit, dass sie ua für die strittigen Zeiträume festgestellt hat, dass die Zahlungsansprüche teilweise untergegangen und insoweit nicht mehr durch Zahlung zu erfüllen seien. Die bindend gewordenen Verwaltungsakte, mit denen sie dem Kläger das Recht auf eine Rente wegen BU zuerkannt und dessen Wert festgesetzt hat, sind nicht aufgehoben worden.
2. Der Kläger hat den Verwaltungsakt vom 30. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2001 nur teilweise angefochten.
Gegenstand der revisionsgerichtlichen Prüfung sind allein die Bezugszeiten vom 1. Januar 2001 bis 31. August 2001 und vom 1. Juli 2002 bis 31. Dezember 2002. Die Beklagte hat zwar in dem angefochtenen Bescheid den teilweisen Untergang der monatlichen Zahlungsansprüche ab 1. Januar 2001 ohne zeitliche Begrenzungen festgestellt, der Kläger hat jedoch im Berufungsverfahren sein Aufhebungs- und Zahlungsbegehren auf die vorstehend genannten Bezugszeiten begrenzt. Dies entspricht auch seinem Sachantrag im Revisionsverfahren.
3. Der Kläger kann die Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 30. Oktober 2000 nicht schon wegen einer Verletzung des Anhörungsrechts beanspruchen (§ 42 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren ≪SGB X≫). Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte ihrer Pflicht nicht nachgekommen ist, ihm bereits vor Erlass des streitigen Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs 1 SGB X); denn die erforderliche Anhörung ist rechtzeitig nachgeholt worden (§ 41 Abs 2 SGB X).
Die Beklagte hat in dem im Mai 2000 eingeleiteten Verfahren zur "Nachprüfung der weiteren Rentenbewilligung" zunächst nicht zu erkennen gegeben, dass der vom Kläger erzielte Hinzuverdienst zu einer - teilweisen - "Anrechnung" auf die zu zahlenden Rentenbeträge führen könnte. Denn sie hat lediglich darauf hingewiesen, dass die erbetenen Auskünfte zu einer (evtl) Beschäftigung bezweckten, festzustellen, ob er noch in der Lage sei, sein derzeitiges (Rest-) Leistungsvermögen auf dem Arbeitsmarkt umzusetzen. Erst mit Schreiben vom 20. Oktober 2000 hat sie ihm mitgeteilt, dass abhängig vom erzielten Verdienst die Zahlung einer Rente wegen BU in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in Höhe von einem Drittel in Betracht komme; ferner gab sie unter Hinweis auf seine individuell erworbenen und für die Ermittlung der Grenzwerte maßgeblichen EP (1,6753), den aktuellen Rentenwert ab 1. Januar 2001 sowie die drei Hinzuverdienstfaktoren einen Überblick über die in seinem Fall in Betracht kommenden drei Hinzuverdienstgrenzen.
Mit der bloßen Mitteilung dieser Tatsachen hat sie dem Kläger noch keine Gelegenheit zur Äußerung iS des § 24 Abs 1 SGB X gegeben; sie hat nicht deutlich gemacht, welche konkreten nachteiligen Auswirkungen diese auf die bezogene BU-Rente haben könnten. Hierzu hätte sie zugleich angeben müssen, von welchem Hinzuverdienst des Klägers sie auszugehen beabsichtige und welche Folgen sich aus der monatlichen Gegenüberstellung dieses Hinzuverdienstes mit den individuellen Hinzuverdienstgrenzen ergeben könnten.
Ferner hat die Beklagte dem Kläger keine angemessene Äußerungsfrist eingeräumt. Zwar muss diese Frist nicht ausdrücklich gesetzt werden, jedoch muss dem Betroffenen verdeutlicht werden, dass er sich äußern kann. Auch muss ihm genügend Zeit verbleiben, sich mit dem entscheidungserheblichen Sachverhalt vertraut zu machen; in der Regel ist eine Anhörungsfrist von zwei Wochen zu beachten. Die Beklagte hat aber bereits kurze Zeit nach Absendung des Schreibens vom 20. Oktober 2000 den Bescheid vom 30. Oktober 2000 erlassen, in dem sie die Kürzung des Rentenwertes auf Grund des Übersicherungseinwandes vorgenommen hat, und damit nicht die "Regelanhörungszeit" von zwei Wochen eingehalten.
Ob die Beklagte in dieser Phase von der erforderlichen Anhörung gemäß § 24 Abs 2 Nr 3 SGB X absehen konnte, weil sie die Angaben des Klägers zu Grunde legen wollte, kann dahin gestellt bleiben. Sie hat nämlich die erforderliche Anhörung jedenfalls dadurch nachgeholt, dass sie in der Begründung des Bescheides die erforderlichen Angaben gemacht hat. Sie hat den Kläger darauf hingewiesen, dass ein erzieltes Einkommen zum völligen oder teilweisen Erlöschen der monatlichen Zahlungsansprüche führe, wenn es bestimmte Hinzuverdienstgrenzen übersteige. In der Anlage 19 (die inhaltlich den Angaben im Schreiben vom 20. Oktober 2000 entsprach) hat sie die in seinem Fall maßgeblichen individuellen Grenzwerte unter Wiedergabe der hierfür maßgeblichen Daten aufgezeigt. Anders als im Schreiben vom 20. Oktober 2000 hat sie ferner mitgeteilt, dass sie als Hinzuverdienst den vom Kläger im Schreiben vom 8. Oktober 2000 angegebenen Verdienst zu Grunde lege. Missverständlich ist allerdings ihr Hinwies, dieser Verdienst überschreite nicht die (gemeint in Anlage 19) angegebene Hinzuverdienstgrenze. Aus dem Zusammenhang mit der anschließend in der Anlage 6 dargestellten Kürzung lässt sich aber gerade noch hinreichend entnehmen, dass jener Hinweis wohl auf die Hinzuverdienstgrenze zielte, deren Überschreiten zu einem völligen Erlöschen der monatlichen Zahlungsansprüche führen würde. Denn in der Anlage 6 hat sie die Feststellung getroffen, dass die Rente wegen BU in Höhe von zwei Dritteln zu leisten sei.
Unter Einbeziehung der mitgeteilten individuellen Hinzuverdienstgrenzen und des zu Grunde gelegten Verdienstes hat auch der Kläger, auf den es bei dem individualisierten Verstehenshorizont der Anhörung ankommt, auch tatsächlich nachvollzogen, warum die Beklagte die "Kürzung" vorgenommen hat. Demzufolge hat sie ihm im Eingriffsakt die entscheidungserheblichen Tatsachen so unterbreitet, dass er sie als solche erkannt hat (vgl hierzu: BSG, Urteil vom 26. September 1991, BSGE 69, 247, 251 f = SozR 3-1300 § 24 Nr 4). Zugleich hat sie durch die Rechtsbehelfsbelehrung verdeutlicht, dass er sich dazu äußern konnte und ihm hierfür durch die Rechtsbehelfsfrist (Widerspruchsfrist) eine angemessene Frist gesetzt. Ob die von der Beklagten nachträglich im Bescheid vom 30. Oktober 2000 vorgenommene Art und Weise der Unterbreitung der erheblichen Tatsachen auch bei anderen Klägern dem Gebot einer ordnungsgemäßen Anhörung genügen würde, erscheint sehr zweifelhaft, muss hier jedoch nicht beantwortet werden. Die Nachholung der Anhörung konnte hier noch erfolgen, weil der Gesamtvorgang noch erkennbar werden lässt, dass die Beklagte die (mit der Sachverhaltsanhörung iS von § 21 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X nicht zusammenfallende) rechtzeitige Anhörung des Klägers nicht vorsätzlich oder rechtsmissbräuchlich unterlassen hat; auch ein Organisationsverschulden iS eines gewollten Rechtsbruchs ist nach den bindenden Feststellungen des LSG trotz erkennbarer Organisationsmängel im vorliegenden Fall nicht gegeben; der anspruchsvernichtende Einwand der wirksamen Nachholung der Anhörung (dazu BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 22) steht der Beklagten hier zu.
4. Die Beklagte war nicht befugt, in Anwendung der Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X den Wert der monatlichen Zahlungsansprüche um ein Drittel zu kürzen.
Nach dieser Norm ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorlagen, nachträglich eine wesentliche Änderung eintritt. Auf Grund gesetzlicher Änderungen ist zwar nachträglich eine rechtliche Änderung eingetreten, die grundsätzlich auch den Kläger betraf, diese war in seinem Fall aber nicht wesentlich.
a) Durch die Neufassung des § 313 SGB VI ist mit Wirkung zum 1. Januar 2001 in den rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 6. Juni 1990, mit dem die Beklagte dem Kläger das Recht auf eine Rente wegen BU zuerkannt und dessen monatlichen Wert sowie den Wert der daraus fließenden monatlichen Zahlungsansprüche festgesetzt hat, eine rechtliche Änderung eingetreten, die sich durch "Anrechnung" von Hinzuverdiensten negativ auf die zu erfüllenden Zahlungsansprüche auswirken kann.
Versicherte, die - wie der Kläger - am 31. Dezember 1991 "Anspruch" auf eine Rente wegen BU hatten (sog "Altfälle"), waren von der zum 1. Januar 1996 eingeführten Anrechnung von Hinzuverdiensten zunächst bis zum 31. Dezember 2000 nicht betroffen (vgl §§ 43 Abs 5, 96a, 302b Abs 1 SGB VI jeweils in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden alten Fassung). Erst auf Grund der Neufassung des § 313 SGB VI durch Art 1 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl I 1827) unterfallen nunmehr mit Wirkung vom 1. Januar 2001 auch die sog Altfälle der Anrechnung von Hinzuverdiensten, die für sie in vergleichbarer Weise wie in § 96a SGB VI (nunmehr ebenfalls neu gefasst) ausgestaltet worden ist.
Die Norm erfasst ua Versicherte (Bestandsrentner), deren "Anspruch" (gemeint: subjektives Recht bzw Stammrecht) auf eine Rente wegen BU am 31. Dezember 2000 bestand. Dieses Recht stand dem Kläger seit dem 1. Januar 1990 kraft bindend gebliebenem Verwaltungsakt zu, sodass auf die materiell-rechtlichen Grundlagen nicht weiter einzugehen ist. Er unterliegt dem persönlichen Anwendungsbereich des neugestalteten § 313 Abs 1 SGB VI.
b) Die zum 1. Januar 2001 in Kraft getretene rechtliche Änderung war im Fall des Klägers - jedenfalls für die strittigen Bezugszeiten - nicht wesentlich. Denn sie ermächtigte die Beklagte nicht, die jeweiligen monatlichen Zahlungsansprüche nur teilweise zu erfüllen.
aa) § 313 Abs 2 Nr 1 SGB VI ermächtigt und verpflichtet die Beklagte, den (einzel-)anspruchsvernichtenden Übersicherungseinwand geltend zu machen, wenn bestimmte Hinzuverdienstgrenzen während des Bezuges der BU-Rente überschritten werden.
Nach dieser Norm wird eine Rente wegen BU abhängig vom erzielten Hinzuverdienst, genauer: abhängig von bestimmten Hinzuverdienstgrenzen (dazu Abs 3 aaO), in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in Höhe von einem Drittel geleistet. Schon der Ausdruck "geleistet" macht deutlich, dass nur Zahlungsansprüche, also nur die aus dem (Stamm-)Recht fließenden monatlichen Einzelansprüche, betroffen sind. Soweit die Verdienstgrenzen überschritten werden, wird der monatliche Zahlungsanspruch - teilweise oder vollständig - vernichtet. Die Hinzuverdienstregelung ist daher als (einzel-)anspruchsvernichtender Übersicherungseinwand ausgestaltet (vgl hierzu: Urteile des Senats vom 6. März 2003, B 4 RA 35/02 R und B 4 RA 8/02 R, SozR 4-2600 § 313 Nr 1 und 2).
Ob ein Überschreiten von Hinzuverdienstgrenzen vorliegt, bestimmt sich für BU-Rentner nach § 313 Abs 3 Nr 2 Buchst a bis c SGB VI. Hierbei ist zwischen drei Gruppen von individuellen Hinzuverdienstgrenzen zu unterscheiden. Verwaltungstechnisch werden diesen Grenzen aus dem Produkt des Hinzuverdienstfaktors, des aktuellen Rentenwertes (§ 68 SGB VI) und der individuell erworbenen EP (§ 66 Abs 1 Nr 1 bis 3 SGB VI) des letzten Kalenderjahres vor Eintritt der BU (mindestens 0,5 EP) errechnet. Der Versicherte kann die Rente in voller Höhe weiter beziehen, wenn der Hinzuverdienst nicht das 52,5fache (= Hinzuverdienstfaktor) des Produkts aus aktuellem Rentenwert und maßgeblichen EP übersteigt (Buchst a), in Höhe von zwei Dritteln, wenn er das 70fache des genannten Produkts nicht überschreitet (Buchst b), und in Höhe von einem Drittel, wenn er das 87,5fache des genannten Produkts nicht übersteigt. Eine (untere) Mindestgrenze ergibt sich, wenn die Mindest-EP von 0,5 einzustellen sind. Die Hinzuverdienstgrenze erhöht sich individuell, sofern höhere EP zu berücksichtigen sind; damit wird die individuelle Vorleistung des Versicherten "honoriert".
bb) Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass § 313 SGB VI grundsätzlich verfassungskonform ausgestaltet ist und insbesondere nicht Art 14 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG verletzt (vgl Urteile vom 6. März 2003, SozR 4-2600 § 313 Nr 1 und 2; ferner Urteil vom 17. Dezember 2002, SozR 3-2600 § 96a Nr 1).
Zweck der Rente wegen BU ist es, bei dauerhaft gesundheitsbedingtem Verlust eines versicherungspflichtig betätigten besonderen beruflichen Leistungsvermögens die daraus sich langfristig ergebenden Nachteile für das Einkommensniveau des Versicherten und seine Alterssicherung teilweise auszugleichen. Sicherungsziel der Rente wegen BU ist der Nachteilsausgleich in Höhe von zwei Dritteln der Vollversicherung in Form der Altersrente. Sie ist deshalb auf Hinzuverdienst angelegt. Soll dem Versicherten nach Eintritt des Versicherungsfalls der BU kein dadurch bedingter Schaden am zuvor versichert gewesenen Arbeitsverdienst bleiben, ist es notwendig, dass er das weitere Drittel hinzuverdienen kann. Eine Übersicherung kann überhaupt erst dann eintreten, wenn diese Vollversicherung (brutto) wesentlich überschritten wird, wenn also der Versicherte aus Hinzuverdienst und BU-Rente ein Einkommen hat, das wesentlich mehr als das 1,5fache des vollen Werts des Rechts auf BU-Rente erreicht (vgl Urteil des Senats vom 6. März 2003, SozR 4-2600 § 313 Nr 1).
cc) Grundsätzlich sind alle Einnahmen, die Arbeitsentgelt iS des § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) darstellen, Hinzuverdienst im Rahmen des § 313 SGB VI. Ortszuschläge, die hier wegen ihrer ehe- und familienbezogenen Komponenten den Charakter von arbeitsrechtlichen Sozialzulagen haben, sind Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV.
§ 313 Abs 2 und 3 SGB VI legt weder die rechtliche Bedeutung des Ausdrucks "Hinzuverdienst" noch die Abrechnungszeiträume fest, um am Maßstab der gesetzlichen Hinzuverdienstgrenzen ein evtl Überschreiten dieser Grenzen feststellen zu können. Die notwendige Klarstellung ist dem in § 313 Abs 1 SGB VI in Bezug genommenen § 96a SGB VI zu entnehmen. Dessen Abs 1 Satz 1 macht deutlich, dass Hinzuverdienst das in § 14 SGB IV definierte Arbeitsentgelt ist und dieses jeweils monatlich den jeweiligen Hinzuverdienstgrenzen gegenüberzustellen ist, um ein Überschreiten zu prüfen (Urteil des Senats vom 6. März 2003, SozR 4-2600 § 313 Nr 2).
Nach § 14 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (Satz 1 aaO). Dass Ortszuschläge, wie sie dem Kläger gewährt wurden, laufende Einnahmen, nämlich Geldbeträge sind, die dem Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis zufließen, ist offenkundig. Auch ihre tarifvertragliche Bewertung unterstreicht diesen Charakter. Nach § 26 Abs 1 BAT sind sie Teil der Vergütung des Angestellten. In der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung ist ihr Vergütungscharakter deshalb anerkannt (BAG, Urteil vom 19. Februar 2004, AP Nr 3 zu § 70 BAT-O). Der weite Entgeltbegriff des § 14 SGB IV gebietet keinen Anhalt für eine abweichende Bewertung. Sie sind im Übrigen auch keine steuerfreien Aufwandsentschädigungen iS des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder steuerfreie Einnahmen iS des § 3 Nr 26 EStG, die gemäß § 14 Abs 1 Satz 3 SGB IV nicht als Arbeitsentgelt gelten. Ortszuschläge, Familienzuschläge oder Verheiratetenzuschläge werden im Übrigen auch nicht in den weiteren Regelungen des § 3 EStG als steuerfreie Einnahmen benannt und tariflich vereinbarte Kinderzuschläge ausdrücklich als steuerpflichtige Einnahmen bezeichnet (§ 3 Nr 11 Satz 2 EStG).
Für die vom Kläger begehrte Aufteilung der Ortszuschläge in der Weise, dass sie in dem Umfang, in dem sie einem kinderlosen unverheirateten Arbeitnehmer zustehen, Arbeitsentgeltcharakter haben, während der darüber hinausgehende Anteil, den ein Verheirateter mit Kindern zusätzlich beanspruchen kann, generell nicht als Arbeitsentgelt anzusehen sei, bietet § 14 SGB IV auch nicht ansatzweise eine Grundlage. Denn auch dieser erhöhte Anteil ist eine aus der Beschäftigung fließende Einnahme des Arbeitnehmers.
dd) Eine Übersicherung iS des Überschreitens einer Hinzuverdienstgrenze der §§ 313, 96a SGB VI liegt aber gleichwohl nicht vor, wenn das erzielte Arbeitsentgelt neben einer Grundvergütung offen ausgewiesene Ehe- und/oder Kinderzuschläge als Lohnbestandteile enthält, die nichtverheirateten oder kinderlosen Beschäftigten nicht zustehen. Denn auch bei jeder Anwendung des Arbeitsentgeltbegriffs des § 14 SGB IV ist das Verbot der Benachteiligung von Ehe und Familie (Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG) gegenüber Nichtverheirateten und/oder Kinderlosen zu beachten. Dies gebietet hier eine verfassungskonforme teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des Begriffs des "Arbeitsentgeltes" iS der §§ 313, 96a SGB VI bei der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze. Andernfalls würde der vom Kläger repräsentierte Personenkreis verfassungswidrig (iS von Art 100 Abs 1 GG) gegenüber Arbeitnehmern benachteiligt, die bei gleicher tarif- oder arbeitsvertraglicher Einstufung solche Zuschläge nicht erhalten und deshalb die Hinzuverdienstgrenzen nicht überschreiten. Das aber wäre mit der Grundpflicht des Staates aus Art 1 Abs 3, 6 Abs 1 GG unvereinbar, Ehe und Familie besonders zu schützen. Sie umfasst nicht nur eine verpflichtende Befugnis zur relativen positiven Differenzierung, sondern "erst recht" ein absolutes Verbot jeglicher Benachteiligung von Eheleuten und Kindererziehenden. Hierauf ist nicht näher einzugehen, weil schon das schwächere relative Gleichbehandlungsgebot aus Art 3 Abs 1, 6 Abs 1 GG eingreift. Als Hinzuverdienst des Klägers ist deshalb nicht sein vom LSG festgestellter Gesamtverdienst (Grundvergütung, Ortszuschlag, allgemeine Tarifzulage und vermögenswirksame Leistung) in voller Höhe zu Grunde zu legen, sondern - neben den hier nicht strittigen Lohnbestandteilen - nur der einem vergleichbaren nichtverheirateten und kinderlosen Arbeitnehmer während desselben Zeitraumes gezahlte Ortszuschlag. Wie im Übrigen dem verfassungsrechtlichen Verbot der ehe- und familienbezogenen Benachteiligung im Rahmen des § 313 SGB VI Rechnung zu tragen ist, wenn der erzielte Hinzuverdienst keine abgrenzbaren ehe- und/oder familienbezogenen Bestandteile aufweist, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu beantworten.
Das LSG hat richtig gesehen, dass sich das Gebot einer solchen "Reduktion" für den hier einschlägigen Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung nicht aus den Gründen der vom Kläger zitierten Entscheidungen des 12. Senats des BSG (Urteil vom 29. Juli 2003, B 12 KR 16/02 R, BSGE 91, 190 = SozR 4-2500 § 10 Nr 3) und des Bundesverfassungsgerichts ≪BVerfG≫ (Urteil vom 3. April 2001, BVerfGE 103, 242, 263) ergibt, die jeweils zu den Sachbereichen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ergangen sind. Dies ist nicht zu vertiefen. Denn schon die spezifische Zweckbestimmung der §§ 96a, 313 SGB VI verbietet eine Auslegung, die dem verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbot (Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 und 2 GG) für verheiratete und/oder kindererziehende Arbeitnehmer gegenüber nichtverheirateten und/oder kinderlosen Arbeitnehmern widerspricht.
§§ 313, 96a SGB VI betreffen nicht die Förderung von Ehe und Familie, sondern allein die Vermeidung einer Übersicherung des Versicherten. Es widerspricht aber bereits dem relativen Benachteiligungsverbot aus Art 3 Abs 1, 6 Abs 1 GG, dass verheiratete Versicherte und/oder solche, die Kinder erziehen, durch die konkrete gesetzliche Ausgestaltung des Übersicherungseinwandes gegenüber nichtverheirateten Versicherten in einer nicht zu rechtfertigenden Weise benachteiligt werden. Prüfungsmaßstab ist Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG nicht lediglich als Willkürverbot, sondern als Gebot sachgerechter und verhältnismäßiger Gleich- oder Ungleichbehandlung. Er verbietet dem Gesetzgeber, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, es sei denn, zwischen beiden Gruppen bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980, BVerfGE 55, 72, 88). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1993, BVerfGE 88, 87, 96 f). Diese Bindung ergibt sich in der gesetzlichen Rentenversicherung insbesondere aus der Zwangsmitgliedschaft des Versicherten (dazu: BSG, Urteil vom 31. März 1998, BSGE 82, 83, 90 = SozR 3-2600 § 93 Nr 7). Handelt es sich um eine ehebenachteiligende Regelung, ist bei der Prüfung am Maßstab des Art 3 Abs 1 GG zu beachten, dass die dem Gesetzgeber zustehende Gestaltungsfreiheit durch die Grundsatznorm des Art 6 Abs 1 GG (zusätzlich) beschränkt ist (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1984, BVerfGE 67, 186 = SozR 4100 § 139 Nr 1). Gleiches gilt bei familienbenachteiligenden Regelungen mit Blick auf die Grundsatznorm des Art 6 Abs 1 GG. Maßgebend ist insoweit für die Gleichheitsprüfung nicht das "Willkürverbot", sondern die für personenbezogene Differenzierungen maßgebliche Stufe sachbezogener verhältnismäßiger Gleichheit, diese eingeschränkt durch das Benachteiligungsverbot des Art 6 Abs 1 GG.
Ein Versicherter, der auf Grund seines Familienstatus neben der Grundvergütung (und evtl weiteren Leistungen) einen erhöhten Ortszuschlag für Verheiratete mit Kindern (= Verheirateten- und Kinderzuschlag) erhält, wird im Vergleich zu einem unverheirateten Arbeitnehmer, der den Ortszuschlag für "Ledige" bezieht, im Rahmen der §§ 313, 96a SGB VI ohne Sachgrund benachteiligt. Funktion und Zielrichtung familienbezogener Ortszuschläge machen deutlich, dass der Übersicherungsgedanke es nicht rechtfertigt, den über den Ortszuschlag für "Ledige" hinausgehenden erhöhten ehe- und familienbezogenen Anteil in die "Anrechnung" der Übersicherung einzubeziehen.
Die Verheirateten- und Kinderzuschläge werden mit Blick auf die besondere familiäre Situation des Arbeitnehmers und den damit verbundenen höheren Aufwendungen gezahlt, die im Wesentlichen auf den gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber dem Ehepartner und den Kindern (§§ 1360 ff, 1601 ff Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) beruhen. Der begünstigte Arbeitnehmer wird wirtschaftlich nicht besser gestellt als der unverheiratete Arbeitnehmer ohne Kinder, sondern die erhöhten Zuschläge decken nur - generalisierend und typisierend - einen Teil des Mehrbedarfs ab, den der Unverheiratete nicht hat. Die Zuschläge bezwecken somit, wenn auch regelmäßig nur in unvollkommener Weise, das "wirtschaftliche Gleichgewicht" mit einem unverheirateten Arbeitnehmer ohne Kinder herzustellen. In Höhe der erhöhten Anteile ist jener Arbeitnehmer im Vergleich zum unverheirateten nicht "übersichert". Werden die Verheirateten- und Kinderzuschläge im Rahmen der §§ 313, 96a SGB VI jedoch als Hinzuverdienst eingestellt und ihretwegen Hinzuverdienstgrenzen überschritten, verliert der betroffene Arbeitnehmer durch Rentenkürzung im wirtschaftlichen Ergebnis weitgehend diese Zuschläge, während der unverheiratete und/oder kinderlose Arbeitnehmer eine weiterhin ungekürzte Rente erhält. Der Übersicherungsgedanke der §§ 313, 96a SGB VI rechtfertigt diese Benachteiligung nicht, zumal trotz der Rentenkürzung die zusätzlichen Lasten aus Ehe und/oder Familie verbleiben.
ee) Die aus der Einbeziehung der Verheirateten- und Kinderzuschläge resultierende Benachteiligung des verheirateten und/oder kindererziehenden Arbeitnehmers gegenüber dem nichtverheirateten und/oder kinderlosen Arbeitnehmer wird durch andere Regelungen nicht ausgeglichen.
(1.) Die ehe- und familienbezogene Benachteiligung wird im Rahmen der §§ 313, 96a SGB VI nicht dadurch ausgeglichen, dass sich günstige Auswirkungen auf die Ermittlung der Hinzuverdienstgrenzen ergeben können, wenn der Arbeitnehmer im Kalenderjahr vor Eintritt des Versicherungsfalles neben der Grundvergütung (und evtl weiteren Leistungen) einen Verheirateten- und ggf Kinderzuschlag bezogen haben sollte.
In einem solchen Fall hat der Arbeitnehmer auf Grund der höheren ehe- und/oder familienbedingten Zuschläge trotz eines gleichen Grundgehalts ein höheres versichertes Gehalt als ein unverheirateter Arbeitnehmer ohne Kinder und damit in der gesetzlichen Rentenversicherung höhere EP erworben, die zu einer höheren Hinzuverdienstgrenze im Rahmen des § 313 SGB VI führen. Dieser Aspekt allein rechtfertigt nicht die Einbeziehung solcher Zuschläge, sollten sie später erzielt werden, als Hinzuverdienst; denn insoweit werden nicht vergleichbare Dinge miteinander verglichen.
Die sich aus einem früheren versicherten Verdienst errechnenden EP stehen trotz ihres evtl begünstigenden Effektes für die Hinzuverdienstgrenze schon in keiner sachlichen Beziehung zu einem - evtl erst viele Jahre - später erzielten Verdienst. Insoweit lässt sich schon rechnerisch nicht feststellen, dass die volle Berücksichtigung später erhaltener vergleichbarer ehe- und/oder familienbezogener Zuschläge durch die Erhöhung der Grenzwerte angemessen iS des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgeglichen wird. Zudem ist zu beachten, dass der im Kalenderjahr vor Eintritt des Versicherungsfalles erzielte Verdienst nicht nur die EP bestimmt, die als einer von drei Multiplikatoren die Hinzuverdienstgrenze festlegen, sondern zugleich auch den individuellen Vorleistungswert des Versicherten mitprägt und zur Funktionsfähigkeit des Rentenversicherungssystems mit beigetragen hat.
Es ist nicht weiter darauf einzugehen, dass während des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles eine Vielzahl von Konstellationen mit Blick auf familienbezogene Zuschläge denkbar ist (zB wenn der Versicherte nicht alle Zuschläge, die während des Bezuges der BU-Rente gezahlt werden, auch schon im Kalenderjahr vor Eintritt des Versicherungsfalles erhalten hat oder wenn diese nicht während des gesamten Kalenderjahres bezogen wurden oder wenn eine Kombination von beiden Komponenten in verschiedenen Variationen bestanden haben sollte). Dies dürfte sowohl in der rechtlichen Umsetzung als auch in der tatsächlichen Ermittlung jedenfalls für eine Massenverwaltung kaum zu lösende Probleme aufwerfen und ggf zu verfassungswidrigen Vollzugsdefiziten führen.
(2.) Da Hinzuverdienst iS der §§ 313, 96a SGB VI das Brutto-, nicht aber Nettoarbeitsentgelt ist, wirken sich hier die im Einkommenssteuerrecht vorgesehenen Regelungen zur Entlastung verheirateter Steuerpflichtiger mit Kindern nicht (mittelbar) zu Gunsten des Versicherten aus.
Eine ehe- und/oder familienbezogene Benachteiligung ließe sich möglicherweise dadurch vermeiden, dass der Hinzuverdienst nicht als Brutto-, sondern Nettoverdienst eingestellt würde, sei es als individueller oder angemessen typisierter. Auf diese Weise würde der einkommensteuerrechtlich berücksichtigte ehe- und familienbezogene Mehraufwand (zB durch Berücksichtigung der Steuerklasse III sowie von Kinderfreibeträgen) auch in § 313 SGB VI mittelbar Beachtung finden und könnte bewirken, dass eine Benachteiligung im Vergleich zu nichtverheirateten kinderlosen Versicherten vermieden würde. Dies entspricht jedoch nicht dem geltenden Recht. Denn gemäß § 313 Abs 1 SGB VI iVm den §§ 96a Abs 1 Satz 2 SGB VI und 14 SGB IV ist als Hinzuverdienst nicht der Netto-, sondern Bruttoverdienst einzustellen. In Anbetracht der getroffenen klaren Regelung, ist es dem Senat untersagt, im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eine entsprechende Umdeutung des Entgeltbegriffs von einem Brutto- in einen Nettoverdienst vorzunehmen. Eine solche Ausgestaltung, in deren Rahmen evtl auch eine dem Übersicherungsgedanken angemessene Absenkung der Grenzwerte zu bedenken wäre, bleibt dem allein zuständigen Deutschen Bundestag vorbehalten, wie im Übrigen auch jede andere mögliche gesetzgeberische Entscheidung, die dem Benachteiligungsverbot Rechnung tragen könnte.
ff) Zumindest in den Fällen, in denen der erzielte Verdienst erkennbar ausgewiesene ehe- und familienbezogene Zulagen erlaubt, ist bereits jetzt mit Blick auf Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 und 2 GG im Wege verfassungskonformer Auslegung eine "teleologische Reduktion" des Hinzuverdienstbegriffs in §§ 313, 96a SGB VI geboten, um eine verfassungswidrige Benachteiligung von Ehe und Familie zu vermeiden. Enthält das vom Versicherten während des Bezuges der BU-Rente erzielte Arbeitsentgelt auch ehe- und/oder familienbezogene Zuschläge (hier: Ortszuschläge iS von Verheirateten- und Kinderzuschlägen), sind diese für den Eintritt einer Übersicherung unbeachtlich.
gg) Unter Zugrundelegung des für eine Übersicherung erheblichen Arbeitsentgeltes des Klägers hat sein Hinzuverdienst die Grenzwerte nicht überstiegen, die Beklagte war also nicht ermächtigt, den Einwand der Übersicherung durchzusetzen. Sie hat die Rente wegen BU für die hier strittigen Bezugszeiten in voller Höhe zu zahlen.
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist der Versicherungsfall der BU am 1. Oktober 1988 eingetreten und der Kläger hat im vorangegangenen Kalenderjahr 1987 167,53 Werteinheiten nach dem AVG erworben. Der Betrag ist durch 100 zu teilen, um die entsprechenden EP zu ermitteln; diese sind daher mit 1,6753 EP bei der Ermittlung der Hinzuverdienstgrenze einzustellen, da dies zu einem günstigeren Grenzbetrag führt, als die Berücksichtigung von 0,5 Mindest-EP.
Für die Bezugszeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2001 belief sich der aktuelle Rentenwert auf 48,58 DM und auf Grund der weiteren jährlichen Anpassungen für die Bezugszeiten vom 1. Juli bis 31. August 2001 auf 49,51 DM sowie vom 1. Juli bis 31. Dezember 2002 auf 25,86 €. Entsprechend diesen unterschiedlichen Beträgen sind die beiden streitbefangenen Zeiträume in drei Abschnitte zu unterteilen: Unter weiterer Berücksichtigung der individuellen EP und der Hinzuverdienstfaktoren belief sich die für den Kläger maßgebliche Hinzuverdienstgrenze für einen Bezug der BU-Rente in voller Höhe des Rentenwerts in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2001 auf 4.272,77 DM, vom 1. Juli bis 31. August 2001 auf 4.354,57 DM und vom 1. Juli bis 31. Dezember 2002 auf 2.274,47 € sowie für den Bezug in Höhe von zwei Dritteln des Rentenwerts auf jeweils 5.697,03 DM, 5.806,09 DM und 3.032,63 €.
Diesen Grenzbeträgen sind die vom Kläger erzielten Hinzuverdienste monatlich gegenüberzustellen. Der vom LSG festgestellte Gesamtverdienst belief sich in der Zeit vom 1. Januar bis 31. August 2001 gleichbleibend auf 4.783,50 DM. Nach der vom LSG eingeholten und im Urteil in Bezug genommenen Auskunft der G. vom 5. April 2004 setzte sich der Betrag in Anwendung des BAT aus einer Grundvergütung (3.191,37 DM), einem Ortszuschlag für Verheiratete (1.051,45 DM), einem Ortszuschlag für zwei Kinder (331,22 DM), einer Tarifzulage (196,46 DM) und vermögenswirksamen Leistungen (13,00 DM) zusammen. Der für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2002 gleichbleibend mit 2.455,54 € festgestellte Hinzuverdienst wies die gleichen Lohnbestandteile auf. Die Gesamtverdienste überstiegen jeweils die für die drei vorstehend genannten Abschnitte maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen für den Bezug einer BU-Rente in "voller Höhe", nicht aber in Höhe von zwei Dritteln des Rentenwerts.
Die Ortszuschläge für Verheiratete und Kinder sind jedoch - wie dargelegt - nicht einzustellen, sondern nur der Ortszuschlag für unverheiratete Arbeitnehmer ohne Kinder. Nach der Auskunft der G. vom 5. April 2005 hätte ein solcher Arbeitnehmer in der Zeit vom 1. Januar bis 31. August 2001 Anspruch auf einen Ortszuschlag von 865,25 DM und in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2002 von 453,01 € gehabt. In der Zeit vom 1. Januar bis 31. August 2001 beträgt die Differenz zu den beiden Ortszuschlägen, die dem Kläger jeweils gewährt wurden, 517,42 DM (1.051,45 DM + 331,22 DM = 1.382,67 DM - 865,25 DM), sodass der Verdienst von 4.266,08 DM (4.783,50 DM - 517,42 DM) mit 6,69 DM und 88,49 DM unter den beiden für 2001 maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen von 4.272,77 DM und 4.354,57 DM liegt. In der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2002 beträgt die Differenz der Ortszuschläge des Klägers zu dem eines nichtverheirateten vergleichbaren kinderlosen Arbeitnehmers 222,14 € (501,75 € + 173,40 € = 675,15 € - 453,01 €), sodass der Verdienst von 2.233,40 € (2.455,54 € - 222,14 €) mit 41,07 € unter der Verdienstgrenze von 2.274,47 € für die zweite Jahreshälfte 2002 liegt. Demzufolge hat die Beklagte die BU-Rente während der strittigen Zeiträume in voller Höhe zu zahlen.
5. Die Revision des Klägers musste aus den angegebenen Gründen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1445340 |
NZS 2006, 321 |